Am 29.11.2024 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die neue Düsseldorfer Tabelle für 2025 veröffentlicht. Als Fachanwältin für Familienrecht möchte ich Ihnen die wichtigsten Änderungen und Anwendungshinweise vorstellen.
Was ist neu?
Die Mindest-Unterhaltssätze für 2025 wurden nur geringfügig angepasst:
- Kinder bis 6 Jahre: 482 € (bisher 480 €)
- Kinder 6-11 Jahre: 554 € (bisher 551 €)
- Kinder 12-17 Jahre: 649 € (bisher 645 €)
- Volljährige: 693 € (bisher 689 €)
Die Mindestunterhaltsverordnung ist die Basis der Düsseldorfer Tabelle, weil diese sich am gesetzlichen Existenzminimum orientiert. Darauf beruht die Steigerung in der ersten Einkommensgruppe - die Anpassung bei höherem Einkommen erfolgt durch Abstimmung der Gerichtsbarkeit. Die Wohnkosten wurden nicht regional angepasst, daher ergibt sich daraus ein individueller Spielraum.
Der
Bedarfssatz eines studierenden Kindes, das nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil wohnt, wurde von 930 EUR auf 990 EUR angehoben. Hiervon kann mit Rücksicht auf die Lebensstellung der Eltern oder bei erhöhtem Bedarf nach oben abgewichen werden. Das ergibt sich insbesondere durch notwendige Wohnkosten, denn in den 990 EUR sind nur 440 EUR Warmmiete enthalten.
Die
Einkommensgruppen und Selbstbehalte bleiben unverändert.
Der Selbstbehalt / Eigenbedarf muss dem Pflichtigen verbleiben, wenn er alle Obliegenheiten erfüllt (ggf. mehr als Vollzeit arbeiten, Ausgaben senken).
Der notwendige Eigenbedarf bei minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern beträgt:
1.200 EUR für nicht-Erwerbstätige gegenüber Kindern - enthalten sind 520 EUR Warmmiete (Anhebung bei unvermeidbaren und nicht unangemessenen Mehrwohnkosten soll erfolgen).
1.450 EUR für Erwerbstätige.
Der angemessene Eigenbedarf beträgt 1.750 EUR (650 EUR Warmmiete inclusive), er gilt gegenüber Studenten sowie in der Wechselmodellberechnung.
Der Selbstbehalt gegenüber getrenntlebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt:
1.600 EUR für erwerbstätige Unterhaltsschuldner, 1.475 EUR für nicht-Erwerbstätige. Includiert sind 580 EUR Warmmiete (Anhebung bei unvermeidbaren und nicht unangemessenen Mehrwohnkosten soll erfolgen).
Elternunterhalt-Selbstbehalt siehe BGH XII ZB 6/24 - mehr dazu hier.
Der Bedarfskontrollbetrag des Unterhaltspflichtigen ab Gruppe 2 ist nicht identisch mit dem Eigenbedarf. Er soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird er unter Berücksichtigung auch anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird, anzusetzen.
Für wen gilt die Düsseldorfer Tabelle?
Die Tabelle dient als bundesweite Richtlinie für Familiengerichte zur Berechnung des Kindesunterhalts bei getrennten Eltern. Sie hat zwar keine Gesetzeskraft, wird aber von Gerichten als Orientierung herangezogen.
Wie wendet man die Tabelle an?
Wenn das Kind bei einem Elternteil in "überwiegender Obhut" lebt, ist der andere i.d.R. barunterhaltspflichtig.
1. Ermittlung der Einkommensgruppe des unterhaltspflichtigen Elternteils
2. Bestimmung des Alters des Kindes
3. Ablesen des Unterhaltsbetrags aus der Tabelle
4. Abzug des hälftigen Kindergelds bei Minderjährigen, des vollen Betrags bei Volljährigen
(oder Verwendung der hier veröffentlichten "Zahlbetragstabelle"
Wichtige Hinweise
- Nicht nur der Netto-Auszahlungsbetrag des Erwerbseinkommens ist relevant, es können z.B. geldwerte Vorteile wie ein Dienstwagen oder der Wert des mietfreien Wohnens in Eigentum hinzukommen.
- Bei mehreren Kindern können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in andere Gruppen angemessen sein.
- Zur Deckung des Mindestbedarfs aller Beteiligten ist eine Herabstufung bis in die unterste Gruppe möglich.
- Weitere Faktoren wie notwendige Wohnkosten, Schulden, angemessene Altersvorsorge oder berufsbedingte Aufwendungen können berücksichtigt werden.
- Regional unterschiedliche Leitlinien sind als Auslegungshilfe zu verwenden.
Ausblick
Trotz der geringen Anpassungen für 2025 gibt es Diskussionen über notwendige Reformen:
1. Berücksichtigung der Einkommen beider Elternteile gemäß aktueller BGH-Rechtsprechung
2. Regionalisierung der Selbstbehalte aufgrund unterschiedlicher Lebenshaltungskosten
Diese Aspekte könnten in zukünftigen Überarbeitungen der Düsseldorfer Tabelle oder einer umfassenden Reform des Kindschaftsrechts berücksichtigt werden. Die Reform war für 2025 erwartet worden, nach dem Aus der Ampel-Koalition ist damit nicht mehr kurzfristig zu rechnen.
Wenn der Unterhalt tituliert ist, steigen die Zahlbeträge automatisch
Wenn der Kindesunterhalt gerichtlich festgelegt oder in einer vollstreckbaren Urkunde (Notar / Jugendamt) vereinbart wurde (also "tituliert" ist), steigen die Zahlbeträge in der Regel automatisch mit der Veröffentlichung der neuen Düsseldorfer Tabelle. Hier eine ausführliche Handlungsanweisung für betroffene Eltern:
1. Überprüfen Sie den Titel
- Sehen Sie in Ihrem Unterhaltstitel (Gerichtsbeschluss, Urteil oder Urkunde) nach, ob eine dynamische Anpassungsklausel enthalten ist. Die Formulierung lautet dann in etwa "100% bzw. mehr des Mindestunterhaltes" und verweist üblicherweise auf die jeweils gültige Düsseldorfer Tabelle.
2. Berechnen Sie den neuen Unterhaltsbetrag
- Ermitteln Sie die aktuelle Altersstufe Ihres Kindes.
- Lesen Sie den neuen Unterhaltsbetrag aus der aktuellen Düsseldorfer Tabelle ab.
Diese Anpassung geschieht automatisch.
Nicht automatisch geschieht eine Anpassung an veränderte Einkommensverhältnisse. Das können Sie in der Regel nicht ohne fachliche Hilfe.
3. Für unterhaltspflichtige Eltern
Passen Sie Ihre Zahlungen zum 1. Januar 2025 entsprechend an:
Erhöhen Sie den Dauerauftrag oder die Überweisung auf den neuen Betrag.
4. Für unterhaltsberechtigte Eltern
- Überprüfen Sie, ob der neue Betrag pünktlich und in korrekter Höhe gezahlt wird.
- Bei Ausbleiben der Anpassung: Erinnern Sie den zahlungspflichtigen Elternteil schriftlich an die automatische Erhöhung.
5. Kommunikation zwischen den Eltern
- Informieren Sie den anderen Elternteil idealerweise vorab über die bevorstehende Anpassung.
- Teilen Sie die neue Berechnung mit und bitten Sie um Bestätigung.
6. Bei Unstimmigkeiten
- Versuchen Sie zunächst, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
- Ziehen Sie bei Bedarf das Jugendamt oder einen Fachanwalt für Familienrecht hinzu.
7. Dokumentation
- Bewahren Sie alle Unterlagen zur Unterhaltsanpassung sorgfältig auf.
- Notieren Sie Datum und Höhe der angepassten Zahlungen. Barzahlung ohne Quittung ist nicht zu empfehlen.
8. Besondere Situation: Anpassungsbedarf
- Bei wesentlichen Änderungen der Lebensumstände (z.B. Jobverlust, Einkommenssprung, weitere Unterhaltsberechtigte) kann trotz Titel eine individuelle Anpassung nötig sein.
- In solchen Fällen sollten Sie umgehend rechtlichen Rat einholen, denn eine rückwirkende Anpassung ist nicht möglich.
- Auch ein unrichtig gewordender Titel gilt bis zu seiner Abänderung.
9. Regelmäßige Überprüfung
- Auch wenn die Anpassung automatisch erfolgt, überprüfen Sie alle zwei Jahre, ob der Unterhalt noch angemessen ist.
- Berücksichtigen Sie dabei Faktoren wie das Alter des Kindes und mögliche Einkommensänderungen.
Durch sorgfältige Beachtung dieser Schritte können Sie als Trennungseltern sicherstellen, dass die automatische Anpassung des titulierten Unterhalts reibungslos verläuft und potenzielle Konflikte vermieden werden.
Diese Tabelle nutzen Sie für alle Fälle im Residenzmodell, ab 18 für privilegierte Volljährige, bei denen es nur einen verdienenden Elternteil gibt. Im Wechselmodell und bei der Quotenhaftung für Volljährige können Sie nicht diese Tabelle nutzen.
Die Tabelle beruht auf der Kindergeldhöhe 2024 (250 EUR je Kind). Ob das politische Vorhaben, um 5 EUR je Kind zu erhöhen, noch umgesetzt wird, ist Stand November 2024 nicht abzusehen. Die Zahlbeträge würden sich dann um 2,50 EUR reduzieren.
Ab dem Jahr 2025 sollte eine Kindergrundsicherung eingeführt werden, deren Schicksal ist ebenso ungewiss wie die dringend notwendige Reform des Kindesunterhaltes.
Die Düsseldorfer Tabelle selbst enthält Bedarfsbeträge für Kinder, die Anmerkungen und Leitlinien dazu enthalten grundsätzliche Überlegungen dazu, wie auch bei den anderen Unterhaltsverhältnissen (Ehegatte, unverheiratete Mütter, Eltern) die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzgebers in der Praxis einheitlich ausgelegt werden sollen. Wie bei allen Pauschalen entstehen bei der Anwendung Einzelfallungerechtigkeiten, die aber zur Vereinheitlichung des Massengeschäftes in Kauf genommen werden.
Deshalb werden seit 1962 Leitlinien zur Höhe des Unterhalts einheitlich in der sog. Düsseldorfer Tabelle festgelegt. Daran können sich Familiengericht, Jugendämter und Anwälte orientieren. Es handelt sich zwar nicht um ein bindendes Gesetz, wird aber in der Praxis so behandelt.
Über den Kindesunterhalt hinaus enthält die Düsseldorfer Tabelle im Begleittext auch Vorgaben, wie die Leistungsfähigkeit ermittelt wird und was beim Ehegatten- oder Elternunterhalt zu beachten ist. Die Leitlinien aus Düsseldorf werden aber nicht in allen OLG-Bezirken gleich ausgelegt, es gibt regionale Unterschiede.
Die Düsseldorfer Tabelle unterscheidet zwischen „notwendigem“ und „angemessenem“ Selbstbehalt – abhängig davon, wer der Unterhaltsberechtigte ist - sowie zwischen berufstätigen und nicht berufstätigen Unterhaltspflichtigen.
Der niedrigste Selbstbehalt gilt bei minderjährigen Kindern, der höchste gegenüber den eigenen Eltern.
Der Selbstbehalt ist das, was dem Unterhaltspflichtigen für seinen eigenen Bedarf bleiben muss, also so etwas wie ein Existenzminimum.
Aber Achtung: wer eine Obliegenheit verletzt – z.B. nicht arbeitet, obwohl er könnte – hat diesen Selbstbehalt nur rechnerisch, nicht im Portemonnaie.
Nachgewiesene und angemessene höhere Wohnkosten können den Selbstbehalt im Einzelfall erhöhen. Damit wird dem unterschiedlichen regionalen Wohnkostenniveau Rechnung getragen.
Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.
In die Berechnung fließen etliche Faktoren ein:
· Ermittlung des Durchschnitts-Netto – besonders komplex bei Selbständigen
· Zukunftsprognose auf Basis der Vergangenheit
· Ggf. fiktives Einkommen – bei Obliegenheitsverletzung
· Unbares Einkommen (Wohnvorteil, Kfz-Nutzung, Sachleistungen)
· Abzugspositionen – die können unterschiedlich angesetzt werden, je nachdem, wer der Unterhaltsberechtigte ist
· Erwerbsanreiz-Zehntel
· Anzahl der Unterhaltsberechtigten
Dann geht es auf Seiten der Unterhaltsberechtigten weiter mit deren Bedarf und Bedürftigkeit:
· Eigeneinkommen der Unterhaltsberechtigten – mit denselben Themen bei der Ermittlung, Prognose, Obliegenheiten, unbarem Einkommen und Abzugspositionen wie beim Pflichtigen
· Beim Kindesunterhalt: Alter des Kindes
· Beim Kindesunterhalt: Kindergeldverrechnung (Daher nur die Tabelle "Zahlbeträge" benutzen)
· Sonder- und Mehrbedarf
Zum Schluss erfolgt nochmal eine Billigkeitskontrolle:
· Selbstbehalt und Bedarfskontrollbetrag
· Mangelfallkorrektur
Weil die Anwendung der Düsseldorfer Tabelle also durchaus komplex ist und etliche Rechenschritte keine Mathematik, sondern eine Billigkeitsabwägung beinhalten, kommen naturgemäß zwei Anwälte, die für den jeweiligen Mandanten die jeweils günstige Abwägung, Bewertung, Prognose und Berücksichtigung von Positionen vornehmen, häufig zu unterschiedlichen Zahlbeträgen. Die Wahrheit liegt meist dazwischen, aber nicht immer genau in der Mitte.
Auch wenn das Jugendamt rechnet, ist kritisch zu prüfen, ob alle Schritte korrekt geprüft und abgewogen wurden.
Beim Ehegattenunterhalt ist die Spanne noch weiter als beim Kindesunterhalt, weil es beim letzteren pauschale Einkommensgruppen und pauschale Bedarfssätze gibt, während beim ersteren jeder einzelne Euro bei der Leistungsfähigkeit 45 Cent Unterschied beim Zahlbetrag ausmacht.
Am besten rufen Sie an, lassen sich einen Termin reservieren und das "Fragebogenpaket" zusenden.
Sie zahlen nichts nach "Streitwert", sondern meine für Ihren Fall konkret aufgewendet Zeit.
Mit Mediation können Sie mehr als Recht bekommen. Bei allen menschlichen Konflikten kann es nicht darum gehen, auf Kosten des Gegners das rechnerische Maximum herauszuholen.