Mangelfall - Selbstbehalt

Wenn man sich den Unterhalt nicht leisten kann...

Selbstbehalt nach Düsseldorfer Tabelle

Wenn das Einkommen zu niedrig ist, um alle Unterhalts-Berechtigten und sich selbst angemessen zu versorgen, gibt es zwei Größen, mit denen eine Unterhaltsberechnung im Mangelfall korrigiert wird.

Zunächst prüft das Familiengericht allerdings, ob der Unterhaltsschuldner nicht seine Einkünfte auf zumutbare Weise erhöhen kann, z.B. einen Nebenjob annehmen müsste. Egal, ob er das wirklich tut: Es wird dann mit "fiktivem Einkommen" gerechnet.

Dazu mehr auf der Seite über Obliegenheiten .


1. Der Bedarfskontrollbetrag

Er ist abhängig vom Einkommen. Wer mehr verdient, soll auch mehr für sich behalten. Der Bedarfskontrollbetrag steht in der letzten Spalte der Düsseldorfer Tabelle. Wird er unterschritten, weil es mehrere Unterhaltsberechtigte gibt, ist nach der nächstniedrigen Einkommensgruppe zu rechnen, deren Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten wird. Den Bedarfskontrollbetrag finden Sie in der rechten Spalte jeder Düsseldorfer Tabelle.


2. Der Selbstbehalt

Er ist die Untergrenze, sozusagen das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen. Er ist unabhängig vom Einkommen, stattdessen abhängig, welche Art Unterhalt geschuldet wird (für minderjährige Kinder, volljährige Kinder, getrennten Ehegatten, geschiedenen Ehegatten, Eltern etc.).

Die Höhe wird jährlich mit der Düsseldorfer Tabelle neu festgelegt.

Sie finden die Beträge auf meinen entsprechenden Seite, z.B. hier die DT 2024.

Kleine Miete - weniger Selbstbehalt?

Ob der Selbstbehalt des Beklagten mit Rücksicht auf die geringe Höhe der ihm entstehenden Wohnkosten herabzusetzen ist, hat der BGH wie folgt beurteilt:

Eine solche Herabsetzung dürfte rechtlichen Bedenken begegnen. Es unterliegt grundsätzlich der freien Disposition des Unterhaltspflichtigen, wie er die ihm zu belassenden, ohnehin knappen Mittel nutzt. Ihm ist es deshalb nicht verwehrt, seine Bedürfnisse anders als in den Unterhaltstabellen vorgesehen zu gewichten und sich z.B. mit einer preiswerteren Wohnung zu begnügen, um zusätzliche Mittel für andere Zwecke, etwa für Bekleidung, Urlaubsreisen oder kulturelle Interessen, einsetzen zu können (Senatsurteil vom 25. Juni 2003 - XII ZR 63/00 - FamRZ 2004, 186 , 189 m.w.N.). Diese Lebensgestaltungsautonomie kann dem Unterhaltsschuldner auch gegenüber Unterhaltsansprüchen für ein minderjähriges Kind nicht verwehrt werden. Denn auch insoweit ist ihm der notwendige Selbstbehalt zu belassen, über den er unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange verfügen kann.

BGH, Urteil vom 23.08.2006 - Aktenzeichen XII ZR 26/04


Pfändungsfreigrenzen

Der Familienrichter verurteilt zu Unterhalt, manchmal auch nach fiktivem Einkommen, das eigentlich gar nicht vorhanden ist. Die Probleme, das Recht in Geld umzusetzen, warten dann bei der Vollstreckung.

Die "Lohnpfändungstabelle" zeigt die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen, gestaffelt nach der Anzahl der unterhaltspflichtigen Personen des Schuldners. Als Arbeitseinkommen gilt dabei das jeweilige Nettoeinkommen des Schuldners. Mehrere Einkommen des Schuldners werden zusammengerechnet. Der jeweilige Freibetrag richtet sich nach der Zahl der unterhaltberechtigten Personen (i.d.R. Kinder oder Ehepartner).

Eine Unterhaltspflicht wird bei der Festlegung des pfändbaren Nettoeinkommens nur berücksichtigt, wenn der Schuldner auch tatsächlich den Unterhalt zahlt. So muss der Schuldner im Zweifel nachweisen, dass er zum Beispiel seiner Unterhaltsverpflicht für ein Kind auch nachkommt.

Lohn und Gehalt oberhalb der Beträge der Lohnpfändungstabelle sind voll pfändbar - unabhängig von der Anzahl der unterhaltsberechtigten Personen. Die Pfändungstabelle zeigt, wie viel bei einer Lohnpfändung vom Einkommen gepfändet werden kann.

Nach 850c Abs. 2a ZPO ändern sich die Beträge für die Berechnung der Pfändungsfreigrenzen alle zwei Jahre entsprechend der Entwicklung des steuerlichen Grundfreibetrags.


1. Warum gibt es Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen?

Die Pfändungsfreigrenzen sollen sicherstellen, dass Schuldner auch bei einer Pfändung ihres Arbeitseinkommens über das Existenzminimum verfügen und ihre gesetzlichen Unterhaltspflichten erfüllen können. Zugleich soll vermieden werden, dass Schuldner aufgrund von Pfändungsmaßnahmen auf Sozialleistungen angewiesen sind und dadurch letztlich die Allgemeinheit für private Schulden einzustehen hat. Der Pfändungsschutz ist der Höhe nach begrenzt, damit dem Gläubiger nicht durch übersteigerte Schuldnerschutzbestimmungen die Realisierung seiner titulierten Forderung unzumutbar erschwert wird.

2. Wo sind die Pfändungsgrenzen gesetzlich geregelt? Werden die Pfändungsfreigrenzen regelmäßig angepasst?

Die gesetzliche Regelung findet sich in § 850c der Zivilprozessordnung (ZPO) einschließlich einer Tabelle als Anhang.

Der Gesetzgeber hat aber eine Regelung getroffen, nach der – außerhalb eines formellen Gesetzgebungsverfahrens – eine automatische Anpassung der Pfändungsfreigrenzen erfolgt. Die Höhe der Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen wird jeweils zum 1. Juli eines jeden ungeraden Jahres an die Entwicklung des steuerlichen Freibetrags für das sächliche Existenzminimum angepasst.

3. Wo kann ich die Pfändungsfreigrenzen finden?

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht die neuen Pfändungsfreigrenzen immer im Bundesgesetzblatt bekannt.


Pfändungsfreigrenzen ab 1.7.2022


Ersatzhaftung der Großeltern - Höherer Selbstbehalt

Wenn unterhaltspflichtige Eltern den Mindestunterhalt nicht aufbringen können, lohnt sich der Blick in die Generation der Großeltern.


Im Fall des OLG Dresden konnte der Kindesvater unter Beachtung seines angemessenen Selbstbehaltes nur 100 € Kindesunterhalt aufbringen, den Rest übernahm die Unterhaltsvorschusskasse. Diese wollte den Vater in Regress nehmen, weil ihm nur der notwendige Selbstbehalt verbleiben dürfe.


Mit Erfolg verwies der Kindesvater auf seine Eltern. Diese verdienten diese als Polizeibeamter bzw. Postzustellerin knapp 3.500 und 2.300 € netto monatlich - ohne nennenswerte Abzugspositionen.

Damit war der Großvater auch mit einem erweiterten Selbstbehalt (1.800 € wie beim Elternunterhalt) leistungsfähig und kam mit der “Ersatzhaftung“ aus § 1603 II S. 3 BGB zugunsten des Kindesvater in Betracht. Das führte dazu, dass für den Kindesvater nicht die Grundsätze der gesteigerten Unterhaltspflicht griffen. Er konnte sich mit dem Hinweis auf die Leistungsfähigkeit der eigenen Eltern gegen Ansprüche der Unterhaltsvorschusskasse wehren.

Dazu musste er auch nicht darlegen, ob auch die Großeltern mütterlicherseits leistungsfähig wären. Für den Ausschluss der erweiterten Unterhaltspflicht genügte es, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil einen (!) anderen unterhaltspflichtigen Verwandten nachweist.

Der Clou: Wegen der Unmöglichkeit des Regresses der Staatskasse gegen die Großeltern (§§ 7 UVG, 94 I S. 3 SGBXII) diente der Vortrag nur zur Erhöhung des Selbstbehaltes des Kindesvaters - nicht dazu, dass die Großeltern wirklich etwas zahlen mussten. Dass dies dem Gesetzgeber beim Erlass des UVG möglicherweise nicht bewusst war (BT-Drucks. 8/2774, S. 13, zur Anrechnung von Einkommen des Berechtigten), spielte für das OLG Dresden ausdrücklich keine Rolle.


Hinweis:

Wäre der Anspruch nicht auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen, hätten die Großeltern ggf. den Unterhalt zahlen müssen.

OLG Dresden, Beschluss vom 8.2.2021, 23 UF 474/20

Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde eingelegt (BGH, XII ZB 123/21).



Mangelfall und Kürzung von Mindestunterhalt:

Es ist auch für Väter nicht mutwillig, wegen eines neuen Kindes in Teilzeit zu arbeiten

Beim „Mindestunterhalt“ für Kinder sind die Gerichte besonders streng. Der Spielraum, weniger als diese 100 % der Düsseldorfer Tabelle zahlen zu müssen, ist sehr eng. Das beweist auch das Urteil im folgenden Fall, den das Oberlandesgericht Celle (OLG) zu bewerten hatte.


Hier ging es um einen Vater, der für sein Baby aus der neuen Ehe nur noch Teilzeit arbeitete und deshalb für die beiden älteren Kinder aus vorangegangener Ehe – die bei der Mutter wohnten – keinen Unterhalt mehr zahlen wollte. In der neuen Ehe des Vaters hatten beide Eltern nach der Geburt des Babys ihre Erwerbstätigkeit auf 50 % reduziert und teilten sich die Betreuung. So lag in der Tat rechnerisch ein „Mangelfall“ vor. Nun galt es zu prüfen, ob der Vater sich vorhalten lassen musste, mutwillig auf Erwerbseinkommen zu verzichten, um das Baby mitzubetreuen. Dann hätte man den älteren Kindern fiktiv aus der Vollzeit-Tätigkeit Unterhalt zusprechen können.


Der Bundesgerichtshof hatte zur Rollenwahl in der neuen Beziehung bereits unter dem Stichwort der „Hausmann-Rechtsprechung“ Kriterien der Mutwilligkeit aufgestellt – und diese seien hier nicht erfüllt. So sah auch das OLG in der Reduzierung der Erwerbstätigkeit des Vaters unterhaltsrechtlich keine Obliegenheitsverletzung zulasten der älteren Kinder.

Das vom Amtsgericht ermittelte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Antragsgegners wurde aber in einzelnen Positionen durch das OLG korrigiert, außerdem wurde sein Selbstbehalt wegen der Ersparnisse des Zusammenlebens um 10 % gekürzt.


Da sich der Vater die Betreuung des neuen Kindes mit seiner Ehefrau teilt, wurde der Barunterhaltsanspruch des weiteren Kindes nur hälftig berücksichtigt.

Zudem ist die neue Ehefrau des Antragsgegners allen Kindern nachrangig.


Allerdings wurden ihm monatlich 50 € als Mehrkosten des erweiterten Umgangs mit den beiden älteren Kindern gutgeschrieben. Insgesamt bestätigte das OLG aber, dass der Vater den Mindestunterhalt nicht leisten konnte, solange er wegen des Babys nicht Vollzeit arbeiten konnte.


OLG Koblenz, Beschl. v. 27.05.2021 – 7 UF 689/20

 


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