Ablauf des Scheidungsverfahrens

Was Sie vor Gericht erwartet

Erklärvideo zum Ablauf eines Scheidungsverfahrens

Die Scheidungsvoraussetzungen liegen vor


Sie sind länger als 1 Jahr getrennt. Einer von beiden entscheidet sich nun, den Scheidungsantrag zu stellen, weil er eine Versöhnung für ausgeschlossen hält.


Der Scheidungsantrag


Den Antrag stellt nur eine Seite, nicht beide zusammen. Der Antragsteller benötigt dafür einen Rechtsanwalt. Dieser Antrag wird beim Familiengericht eingereicht und von dort aus – nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses – mit einem gelben Briefumschlag – Postzustellungsurkunde – dem Zweiten zugestellt. Das Zustelldatum ist ein wichtiger Stichtag, z.B. für den Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich.


Die Erwiderung auf den Scheidungsantrag


Der Zweite kann als Antwort darauf ebenfalls einen Scheidungsantrag stellen oder zustimmen oder seine Zustimmung verweigern. Er darf seine Meinung im Lauf des Verfahrens noch ändern.


Die Rentenauskünfte


Damit der Familienrichter als Versorgungsausgleich die Rentenpunkte, Betriebsrenten, Pensionsanwartschaften etc. verteilen kann, holt der Richter bei den Versorgungsträgern Auskünfte ein.

Die Ehegatten müssen mitwirken: Zuerst muss das Formular V10 ausgefüllt werden, dann Kontenklärungsanträge, Anträge auf Kindererziehungszeiten etc. Die Kontenklärung läuft unmittelbar zwischen den Rententrägern und den Parteien.

Es ist völlig normal, wenn sich in der Scheidungsakte eine ganze Weile lang „nichts tut“, weil die Rententräger sich mit der Kontenklärung befassen.


Die Auskünfte über die Rentenanwartschaften des anderen Ehegatten bekommt jeder zur Kenntnis und ggf. Überprüfung der Vollständigkeit. Es ist wichtig, auch die „Versicherungsverläufe“ sorgfältig zu prüfen, weil Fehler darin Ihrem Anwalt nicht auffallen können, der ihren beruflichen Lebenslauf und den Ihres Ehegatten nicht so gut kennt wie Sie selbst.

Anträge zu wirtschaftlichen Scheidungsfolgen


Beide können nach und nach im Scheidungsverbundverfahren weitere Anträge stellen, über die der Richter entscheiden soll (Scheidungsfolgesachen) - das wiederum geht nur mit beiderseitigem Anwalt.


Letzte Möglichkeit, noch solche Anträge zu stellen, ist zwei Wochen vor dem Scheidungstermin.

Diese last-minute-Anträge sind ein Ärgernis für den, der schnell geschieden werden wollte und das schon bald erhofft hatte, insbesondere wenn der Trennungsunterhalt dadurch weiter gezahlt werden muss.


Eingangspost


Schriftverkehr wird von mir immer sofort an den Mandanten weitergeleitet, meist am selben Arbeitstag per mail.

Wenn Sie also nichts hören, gibt es auch nichts Neues.


Wie lange dauert das Scheidungsverfahren?


Die Dauer eines unstreitigen Scheidungsverfahrens hängt im wesentlichen davon ab, wie lange die Parteien benötigen, um ihre Rentenkonten zu klären.   Erst wenn die Auskünfte zum Versorgungsausgleich vollständig vorliegen, dürfen Sie erwarten, demnächst geschieden zu werden. Rechnen Sie mit 3-9 Monaten. Schneller geht es nur, wenn der VA nicht durchgeführt wird, weil Sie sich vorher beim Notar anderweitig geeinigt haben. Ausnahmen gibt es auch, wenn beide Eheleute die Scheidung „vorziehen“ und den VA „abtrennen“ wollen.
 
Die Dauer eines streitigen Scheidungsverfahrens (Verbund) hängt davon ab, worüber und wie viel gestritten wird - das kann sich durchaus mehrere Jahre hinziehen. Mein persönlicher Spitzenreiter der Verfahrensdauer ist zurzeit 2010-2021, aus guten Gründen für die unterhaltsberechtigte Ehefrau.


Abtrennung bei außergewöhnlicher Verzögerung


Eine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne des § 140 Absatz II Nummer 5 FamFG liegt regelmäßig erst dann vor, wenn ihre Dauer ab Rechtshängigkeit mehr als zwei Jahre beträgt.  Zu der tatsächlichen, bereits abgelaufenen Verfahrensdauer ist nach dem Gesetzeswortlaut („verzögern würde“) jedoch der Zeitraum hinzuzurechnen, der mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 8.4.2020 – 9 UF 19/20:
"Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass die Familiengerichte gerade in erster Instanz angesichts einer unterdurchschnittlichen personellen Ausstattung bei gleichzeitig (durchaus altersbedingt geschuldetem) erhöhtem Krankenstand erheblich überlastet sind, was auch an den nach wie vor hohen und zunehmend streitig geführten Fallzahlen im Familienrecht liegt. Zusammen mit den Auswirkungen der derzeitigen Corona-Krise kann daher bereits nach neunmonatiger Verfahrensdauer eine außergewöhnliche Verzögerung bejaht werden."


Abtrennung gegen den Willen des Anderen


Wenn der wirtschaftlich schwächere - unterhaltsberechtigte - Teil darauf besteht, erst geschieden zu werden, wenn alle wirtschaftlichen Scheidungsfolgen geklärt sind, und ihm keine obstruktive Verfahrensverzögerung vorzuwerfen ist, muss der andere ggf. viele Jahre warten, vgl. OLG Nürnberg 9 UF 1509/16: Zurückverweisung an das AG nach 7 Jahren Verfahrensdauer, wo die Beteiligten 2021 (11 Jahre Verfahrensdauer) immer noch nicht geschieden sind.


Der Scheidungstermin

Der Scheidungstermin kommt nach langem Warten oft plötzlich, nämlich oft in demselben Briefumschlag wie die letzte Rentenauskunft.

Dann muss schnell entschieden werden, ob noch „Folgesachen“ beantragt werden sollen (Zugewinnausgleich oder Unterhalt), denn wenn diese 15-Tage-Frist vor dem Termin verpasst ist, wird die Ehe ohne Klärung der wirtschaftlichen Folgen geschieden.

Das ist dann ok, wenn alles vorher notariell geregelt wurde oder es gar nichts zu verteilen gab.

In seltenen Fällen gibt es gute Gründe, die Klärung des Zugewinns erst nach Abschluss des Scheidungsverfahrens voranzutreiben.


Was geschieht im Scheidungstermin?


Im Termin werden beide Ehegatten zu den Voraussetzungen der Scheidung angehört. Die Ausgestaltung des Anhörungstermines ist je nach Richter unterschiedlich förmlich.


Das persönliche Erscheinen ist zwingend, sonst gibt es ein Ordnungsgeld (§ 128 Abs. 4 FamFG, zwingend, sagt OLG Stuttgart, FamRZ 2020, 1756).


Bitte nehmen Sie Ihren Personalausweis und das Original der Heiratsurkunde, ggf. des Scheidungsfolgenvertrages, mit zum Termin.


Zumeist wird zuerst der Antragsteller / die Antragstellerin befragt.


Die Fragestellungen lauten:


•    seit wann man getrennt lebt,
•    wie sich die Trennung äußerlich vollzogen hat,
•    also in der Regel: wer ausgezogen ist,
•    ob es danach Versöhnungsversuche gegeben hat und schliesslich,
•    ob man nach wie vor glaubt, dass die Ehe zerrüttet sei und man geschieden werden will.


Nach den Gründen wird im Normalfall nicht gefragt.
Diese Antworten gibt der Ehegatte persönlich, nicht sein Anwalt.

Unterschrieben wird nichts.


Verfahren in Familiensachen sind nichtöffentlich, neue Lebensgefährten und andere Begleiter müssen also auf dem Flur warten. Nur das Ergebnis - der Beschluss - ist öffentlich, dafür wird z.B. die Türe des Sitzungssaales geöffnet.


Wird man im Termin sofort geschieden?


Sie sind geschieden, wenn Ihre Scheidung „rechtskräftig“ ist. Nur wenn auf beiden Seiten Anwälte beteiligt sind und ein „Rechtsmittelverzicht“ erklärt wird, ist dies auch Ihr Scheidungsdatum – sonst ca. 6-8 Wochen später nach Zustellung und Ablauf der Beschwerdefrist.


Der Scheidungsbeschluss mit Rechtskraftvermerk ist ein wichtiges Dokument, das Sie aufbewahren müssen. Sie benötigen es bei Wiederverheiratung oder Personenstandsänderungen, später beim Rentenantrag und aus vielen Gründen mehr, um den Geschiedenen-Status nachzuweisen.


Die Scheidungsfolge-Sachen

"Scheidungsfolgesachen" sind die wirtschaftlichen Fragen, die mit der Entflechtung der Ehe zu tun haben.

Typischerweise sind das der Versorgungsausgleich, der Nachscheidungsunterhalt, der Zugewinnausgleich, selten der eheliche Hausrat.

Fragen des Trennungsunterhaltes müssen vorher geregelt sein. Auch der Kindesunterhalt ist unabhängig von der Scheidung, ebenso Sorge- und Umgangsrecht.  Die Auflösung von Miteigentum an Immobilien geht außerhalb des Scheidungsverfahrens.


Keine Scheidung wegen Härtefall für die Kinder?

Manchmal möchte ein Ehegatte trotz mehr als 12monatiger Trennung nicht geschieden werden. Das geht in Fällen eines sog. Kindeswohl-Härtegrundes. Nach § 1568 Alt. 1 BGB soll eine Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist.


Das OLG Stuttgart musste sich mit einem solchen Argument befassen. Die Ehefrau und Mutter von 15 und 11 Jahre alten Töchtern trug dazu vor, sie glaube an eine Versöhnung, auch wenn der Mann das für sich kategorisch ausschließe und die Trennung nun schon mehr als zwei Jahre andauere. Die Härte einer Scheidung werde aber das Kindeswohl betreffen, denn die jüngere Tochter leide seit dem Auszug des Vaters an Depressionen. Ihre schulischen Leistungen seien schlecht und sie lehne Kontakt zum Vater ab. Sie könne nicht akzeptieren, dass der Vater sich einer anderen Frau zugewandt habe.


Das OLG akzeptierte die Begründung der Mutter nicht. Das OLG stellte fest, dass das Leid der Tochter mit der Trennung und dem Auszug des Vaters zu tun habe – nicht mit dem formalen Akt der Scheidung.

Die Härteklausel greift nur ein, wenn bei dem Kind durch die Scheidung selbst solche atypischen, ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass die Aufrechterhaltung der Elternehe im Kindesinteresse notwendig ist. Alle für ein Kind nachteiligen Folgen, die bereits auf der Trennung der Eltern bzw. auf dem Scheitern der Ehe als solchem beruhen, können nicht unter die Kinderschutzklausel gefasst werden. Die Kinderschutzklausel greift nicht ein, wenn lediglich vorgetragen wird, das Kind werde durch die Ehescheidung der Eltern seelisch schwer getroffen (OLG Zweibrücken, FamRZ 1982, 294 ).

Das Leiden der Tochter könne nicht gemindert werden, wenn das Familiengericht die Scheidung nicht durchführt, weil das nicht zur Folge habe, dass der Vater wieder einziehen und die Ehe fortsetzen werde.


OLG Stuttgart - Beschluss vom 17.12.2023 (18 UF 30/23)


Zurück zur Seite "Ehe am Ende"?
Share by: