Scheidung Ehe am Ende
§

FamFG - Verfahrenfragen

Zweiwochenfrist - Scheidungsverbund - Beschwerde - Anhörung

- Beteiligte - Zustellung - Ordnungsgeld - Abtrennung aus dem Scheidungsverbund - Beschleunigungsgebot - Nichtzulassungsbeschwerde - Befangenheit eines Gutachters


zum FamFG - Verfahrensrecht

  • Die 2-Wochen-Frist des § 137 FamFG

    BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 447/10:


    a) Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen.

    b) Bei einer den genannten Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung haben die Ehegatten einen Anspruch auf Terminsverlegung. In diesem Fall bedarf es einer Terminsverlegung nicht, wenn sie Folgesachen noch bis zur münd-lichen Verhandlung anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestand-teil des Scheidungsverbunds.

    c) Zur rechtzeitigen Geltendmachung einer Folgesache genügt es, wenn diese innerhalb der gesetzlichen Frist vor dem Verhandlungstermin anhängig gemacht wird, auf den die Scheidung ausgesprochen wird.

  • Kein isoliertes Verfahren neben der Scheidung

    Während ein Scheidungsverfahren läuft, können keine isolierten Verfahren geführt werden, die die Verbundsachen nach § 137 Abs. 2 BGB betreffen. Auch wenn ausdrücklich "isoliert" eingereicht wird, wird diese Angelegenheit automatisch zur Verbundsache.

    So soll also vermieden werden, dass zum Beispiel über den nachehelichen Unterhalt oder einen güterrechtlichen Ausgleich im Scheidungsverbund verhandelt und entschieden wird, darf ein entsprechender Antrag jedenfalls nicht vor Ablauf der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 BGB eingereicht werden.

    Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG tritt der aus Scheidungs- und Folgesache bestehende Verbund kraft Gesetzes ein, ohne dass die Ehegatten hierüber disponieren können. Der Antrag, eine Folgesache entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG in einem isolierten Verfahren zu führen, ist daher für die Entstehung des Verbunds unbeachtlich (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Januar 1991 - XII ZR 14/90 - FamRZ 1991, 687).

     BGH-Beschluss v. 21.07.2021 - XII ZB 21/21


  • Zugewinn isoliert nach der Scheidung: teurer, aber vkh-fähig

    Seit der Entscheidung des BGH vom 10.03.2005 (XII ZB 20/04) kann die Geltendmachung von Verbundsachen außerhalb des Scheidungsverbundes auch nicht mehr als mutwillig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts betrachtet werden, obwohl diese Reihenfolge in Summe teurer ist.

    Motive, auch für Selbstzahler:

    Für den Berechtigten hat das den Vorteil des früheren Zinsbeginns.

    Für den Unterhaltsverpflichteten kann das taktisch sinnvoll sein, um die Scheidung zu beschleunigen.

    Für jemanden, der schon im Rentenalter oder erwerbsunfähig ist, kann die Durchführung des VA eilig sein.

  • FGG-Sache und Familienstreitsache nicht zusammen einklagbar

    „Wir lassen uns erstmal scheiden und können danach immer noch die finanziellen Dinge klären“ – das ist oft keine gute Idee.

    So ging es einer Frau, die mit ihrem Mann ein gemeinsames Haus hatte. Nach ihrem Auszug blieb er dort wohnen, die Ehe wurde zwei Jahre später geschieden, aber die Ansprüche der Frau waren noch nicht geklärt.

    Sie begehrte nun „Nutzungsentschädigung“ - also die halbe Miete für das Haus, rückwirkend seit Trennung und für die Zukunft.

    Das funktioniert aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht. Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung bis zur Scheidung ist eine sog. „Ehewohnungssache“, die nach anderen Verfahrensgrundsätzen beurteilt wird als der Anspruch aus dem Miteigentum.

    Weil das in der 1. Instanz nicht aufgefallen war, trennt das OLG die beiden Verfahren, was dazu führte, dass der Mann in dem Verfahren für die Zeit ab Scheidung eine Frist verpasst hatte und dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung rechtskräftig wurde.

    Hinweis: Die Vorschriften über die Verfahren vor dem Familiengericht lehnen sich teilweise an die ZPO an, teilweise gibt es eigene Verfahrensvorschriften. Es muss daher immer geprüft werden, ob es sich um eine „Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ oder um eine „Familienstreitsache“ handelt. Werden wegen der Verwechslung Fristen versäumt, haftet der Anwalt auch dann, wenn das Gericht 1. Instanz den Fehler auch nicht bemerkt hatte.

    OLG Hamm, Beschluss vom 28.06.2023 - Aktenzeichen II-5 UF 78/23 


  • Wirksame Zustellung einer Umgangsvereinbarung

    Die nach § 87 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustellung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung im Ordnungsmittelverfahren ist nur dann wirksam, wenn sie im Amtsbetrieb durch das Familiengericht erfolgt. 

    Eine Zustellung lediglich im Beteiligtenbetrieb (Parteibetrieb) ist nicht ausreichend.


    Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt ist. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG beschränkt ihrem Wortlaut nach das Zustellungserfordernis zwar nur auf Beschlüsse, so dass vertreten wird, dass die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG über dessen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen ist, dass nicht nur Beschlüsse, sondern auch weitere Vollstreckungstitel wie gerichtlich gebilligte Vergleiche zum Umgang nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 156 Abs. 2 FamFG der Zustellung vor der Vollstreckung bedürfen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11; juris Rdn. 5; Giers in Keidel, FamFG, 19. Aufl, 2017, § 87 Rdn. 12; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 87 FamFG, Rdn. 4; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 87 Rdn. 9). Einer solchen, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung bedarf es aber nur dann, wenn nicht der gerichtliche Billigungsbeschluss, der den Vergleich erst vollstreckbar macht, sondern auch der Vergleich selbst als Vollstreckungstitel betrachtet wird. Vollstreckungstitel wird die einvernehmliche Regelung über den Umgang erst dann, wenn das Gericht diese durch Beschluss billigt (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG). Mithin ist jedenfalls der Beschluss über die gerichtliche Billigung zuzustellen. Da die Vollstreckung aber auch einen Vergleich voraussetzt, ist nicht nur der Billigungsbeschluss sowie der hierin in Bezug genommene Vergleich zuzustellen. § 87 Abs. 2 FamFG ist dahingehend auszulegen, dass er der Zustellung sowohl des Billigungsbeschlusses als auch des Vergleichs bedarf. Die Zustellung hat eine Warnfunktion und bietet dem Vollstreckungsschuldner gleichzeitig rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren (vgl. Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 11).


    OLG Oldenburg: Beschluss vom 10.8.2018 11 WF 104/18


    Zugestellt werden muss allerdings nicht nur die Vereinbarung, sondern auch die familiengerichtliche Billigung:

    "Gegenstand der Vollstreckung ist nicht die vom Amtsgericht - Familiengericht - gerichtlich protokollierte Umgangsvereinbarung, sondern der ebenfalls im Erörterungstermin protokollierte gerichtliche Billigungsbeschluss (vgi. BGH, Beschluss vom 10.7.2019 - XII ZB 507/18 -, juris Rn.

    10 f.). Eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung ist nur vollstreckbar, wenn

    dem Verpflichteten - hier der Kindesmutter - gemäß § 87 Abs. 2 FamFG sowohl der Billigungsbeschluss als auch der hierin in Bezug genommene Vergleich zugestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.8.2018 -11 WF 104/18 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016 -15 WF 22/16 -, juris).


    OLG Köln 10 WF 2/20 vom 13.02.2020


  • Kann man gegen seine eigene Einigung in Beschwerde gehen?

    Der Fall:

    Die Eltern einigten sich vor dem Amtsgericht über den Umgang des Kindes mit dem Vater. Allerdings war das Kind dafür nicht angehört worden. So ist es bislang auch üblich, denn man will dem Kind die Anhörungssituation gerade ersparen und ermuntert die Eltern mit diesem Argument zu einer Einigung.


    Allerdings hatten die Eltern „die Rechnung ohne den Wirt gemacht“: Das Kind verweigerte nachhaltig die Einhaltung des Vergleiches.


    Nun war rechtlich spannend, ob die Mutter gegen ihre eigene Mitwirkung an der Einigung noch rechtlich vorgehen konnte.


    Ja, sagte das OLG, hörte das Kind an und änderte die Umgangsregelung.

    Der BGH bestätigte dies (BGH-Beschluss vom 10.7.2019 - XII ZB 507/18): 


    Anfechtbar war nämlich nicht die Einigung der Eltern, sondern die familiengerichtliche Billigung gem. § 156 II FamFG.


    Für die Frage der Beschwerdebefugnis komme es nicht auf eine formelle Beschwer an, also auf die Frage, ob der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen obsiegt habe oder unterlegen geblieben sei oder ob er mit der getroffenen Regelung einverstanden war. 


    Bei Umgangsrechtsverfahren handele es sich um Amtsverfahren, die sich in erster Linie am Wohl des Kindes zu orientieren haben (BGH, Beschluss v. 17.10.2018, XII ZB 641/17). Hieraus sowie aus dem Elternrecht des Art. 6 GG leite sich die Befugnis der Eltern zur Wahrnehmung der Rechte des Kindes gegenüber dem Staat und gegenüber Dritten ab, d.h. ein Elternteil könne die Verletzung von Kindeswohlgesichtspunkten nachträglich auch dann rügen, wenn er selbst zuvor der vergleichsweisen oder gerichtlichen Regelung zugestimmt hat.


    Vgl auch OLG Brandenburg - Beschluss vom 26.10.2021 - 10 UF 22/21



  • Anhörung von Kindern, auch wenn die Eltern sich einigen

    Der Billigungsbeschluss hat also nicht lediglich deklaratorische Bedeutung, sondern stellt eine Endentscheidung dar, die nach ihrer Rechtskraft Vollstreckungsgrundlage des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleiches

    Ist.


    Das hat besonders Bedeutung für nachfolgende Ordnungsgeldverfahren: Ist die familiengerichtliche Billigung ist

    verfahrensfehlerhaft, wenn das Gericht nicht zuvor das Kind hierzu anhört? 


    Dies lesen einige Familienrechtler aus der Formulierung im BGH-Beschluss vom 10.09.2019 heraus:


    „Denn § 159 FamFG, der die Kindesanhörung regelt, verpflichtet das Gericht vor einer

    Entscheidung in einer Kindschaftssache, also insbesondere in allen die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten, das Kind grundsätzlich persönlich

    anzuhören (grundlegend hierzu Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 – mwN). Hierzu zählt auch das Verfahren nach § 156 Abs. 2 FamFG, weil die gerichtliche Billigung einer Umgangsregelung eine – wenn auch gegenüber § 1697 a BGB eingeschränkte – Kindeswohlprüfung erfordert und in seinen Wirkungen einer (streitigen) gerichtlichen Entscheidung zum Umgangsrecht gleichsteht 2.

    Gemessen an den Anforderungen des § 159 FamFG hätte bereits das Amtsgericht das Kind anhören müssen. Darauf, dass dies hier unterblieben ist, beruht die Entscheidung des Oberlandesgerichts indessen nicht, weil es das im Zeitpunkt seiner Entscheidung fünfjährige Kind gemäß § 68 Abs. 3 FamFG selbst angehört hat.


    Im Juli 2021 ist recht unbemerkt eine gravierende Änderung in Kindschaftsverfahren vor dem Familiengericht in Kraft getreten, nämlich als Nebeneffekt des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder.

    Es geht um die Frage, wann die betroffenen Kinder im verfahren anzuhören sind. Bislang war das ab 14 Pflicht, darunter war es abzuwägen. 

    Diese Abwägungskriterien wurden verschärft, die Anhörung aller Kinder gleich welchen Alters ist nun die Regel – die Ausnahme muss gut begründet sein, § 159 FamFG.


    In der Praxis sieht das wie folgt aus:

    Bislang gab es nach Antragseinreichung recht früh – Sollvorschrift § 155 Abs. 2 FamFG binnen eines Monats – einen Termin, in dem die Erwachsenen gehört wurden, also in der Regel die Eltern und das Jugendamt, ggf. ein Verfahrensbeistand. Die Termine führten häufig zu einer Vereinbarung der Eltern, nicht zuletzt unter dem Damoklesschwert „Wenn Sie sich nicht einigen, muss Ihr Kind vom Richter angehört werden.“ Tatsächlich war dies für viele Eltern ein Motiv, dem Kind das ersparen zu wollen. In der Tat erzeugen solche Anhörungen – egal wie gut der Richter sie gestaltet – häufig Koalitionsdruck beim Kind.

    Nach neuem Recht läuft es nun anders ab: Mit den Eltern wird eine Einigung erarbeitet. Diese soll familiengerichtlich gebilligt werden (§ 156 Abs. 2 FamFG), sonst wäre sie z.B. beim Umgangsrecht nicht vollstreckbar oder beim Sorgerecht gar nicht wirksam. Diese Billigung darf das Gericht aber nach neuem Recht nicht mehr ohne Anhörung des Kindes aussprechen. 


    Merke: Die Kinder werden also jetzt immer angehört, auch wenn die Eltern sich einigen.



  • Ordnungsgeldbeschluss: Sind alle Formalien beachtet worden?

    Grundsätzlich ist zwischen Rechtskraft und

    Vollstreckbarkeit zu unterscheiden. Es handelt sich um verschiedene rechtliche Fragen, eine Rechtskraft bzw. Wirksamkeit ist nicht

    gleichbedeutend mit der Frage einer Durchsetzbarkeit - also gibt es Konstellationen, in denen trotz Rechtskraft ein Verstoß sanktionslos bleibt.


    Oben ausgeführt waren die Probleme der Zustellung und Anhörung.


    Ein Vergleich, in dem die einvernehmliche Regelung über den Umgang mit einem Kind aufgenommen wird, eignet sich nur dann als Vollstreckungstitel (§ 86 I Nr. 2 FamFG), wenn alle Beteiligten ihr Einvernehmen erklärt haben

    (§ 156 II 1 FamFG). 


    Zu den Beteiligten zählt gemäß § 158 III 2 FamFG auch der bestellte Verfahrensbeistand. Sein ausdrücklich erklärtes Einvernehmen gehört ins Protokoll, ist nicht nachholbar, sonst kann dies ein Ordnungsmittel verhindern.


  • Kein Sorgerechtsverlust ohne Anhörung

    Eine Mutter von drei Kindern wollte sich von deren Vater trennen, ausziehen und die Kinder mitnehmen. Weil der Vater damit nicht einverstanden war, beantragte sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Familiengericht. Das bekam sie, ohne Anhörung der Kinder und ohne Anhörung des Vaters, der – warum auch immer – zum Gerichtstermin nicht erschienen war.

    Das geht so nicht, sagt das OLG Bamberg, denn in Sorgerechtssachen gibt es kein „Versäumnisurteil“. 

    Die Anhörung beider Eltern dient der Aufklärung des Sachverhalts und einem persönlichen Eindruck von den Eltern - und ist unverzichtbar, wenn das Gericht keine schwerwiegenden Gegengründe nennt.

    Bei unentschuldigtem Nichterscheinen des Kindsvaters ist daher nicht davon auszugehen, dass ihm das Sorgerecht entzogen werden kann, sondern es ist neu zu terminieren und dann bei erneutem Nichterscheinen ein Ordnungsgeld zu verhängen.

    Auch der persönliche Eindruck von allen drei Kindern ist für eine solche Entscheidung unentbehrlich – das OLG hat daher wegen erheblicher Verfahrensmängel an das AG zurückverwiesen.

    OLG Bamberg - Beschluss vom 29.12.2021 (7 UF 175/21) -


  • Befangenheitsantrag gegen Richter

    Wenn sich Parteien vor Gericht ungerecht behandelt fühlen, liegt der Gedanke an einen Befangenheitsantrag gegen den Richter nahe. 


    So war es im Fall einer Mutter, die wegen Drogenkonsums ihr Kind zurzeit nicht sehen durfte und die es nicht einsah, dass sie eine Haaranalyse statt eines Urintests machen sollte, um wieder Umgang zu bekommen.


    Die meisten Befangenheitsanträge scheitern in der Praxis aber daran, dass auf diesem Weg nicht etwas überprüft werden kann, was Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens wäre, wenn man mit der Endentscheidung unzufrieden ist.


    Dazu gehört, wie der Richter sein Verfahren führt, also welche Beweismittel er anordnet, und welche Rechtsauffassung der Richter kundtut.

    Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen die Gestaltung des Verfahrens oder die Entscheidung des Richters sich so weit von den anerkannten rechtlichen Grundsätzen entfernen, dass sie aus der Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheinen und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder doch jedenfalls sachfremden Einstellung des Richters erwecken.


    Unbegründete Befangenheitsanträge führen zu einer erheblichen Verfahrensverzügerung.


    OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.10.2022 - Aktenzeichen 13 WF 166/22 



  • Befangenheit eines Gutachters

    In Sorge- und Umgangsverfahren haben familienpsychologische Gutachten große Bedeutung, weil die Familienrichter ihre Entscheidungen in der Regel mit den Feststellungen und Empfehlungen der Sachverständigen begründen.

    Deshalb kann auch ein Sachverständiger als befangen abgelehnt werden.

    Im Fall des OLG Nürnberg lief ein Sorgerechts-Verfahren zwischen den getrenntlebenden Eltern eines 5jährigen Kindes. Die Eltern behaupteten voneinander verschiedene psychiatrische Störungen, die Mutter bezichtigte den Vater des sexuellen Missbrauches am Kind. Ein Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin sollte dem nachgehen und dem Gericht bei seiner Beurteilung helfen. 

    Parallel dazu leitete die Mutter ein Eilverfahren ein, um den Vater vom Umgang mit dem Kind auszuschließen. In dem Eilverfahren sollte derselbe Gutachter mündlich über seine bisherigen Erkenntnisse berichten.

    Der Gutachter legte sich dahingehend fest, dass er keine Missbrauchsanzeichen beim Kind sehe und stattdessen die Mutter für paranoid, wahnhaft und depressiv halte. Er befürchtete einen erweiterten Suizid der Mutter. Daraufhin entschied der Familienrichter im Eilverfahren einen Wechsel des Kindes von der Mutter zum Vater.

    Vor dem OLG ging es nun um einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter in dem Hauptsacheverfahren. Die Mutter hatte die Auswertungsbögen der Tests durch einen Experten prüfen lassen, der die Schlussfolgerungen des Gutachters nicht nachvollzogen habe. Die in den Tests erreichten Werte seien lediglich „leicht erhöht“ statt so dramatisch wie vom Gutachter mündlich geschildert. Das konnte man als Laie allein aus den Auswertungsbögen nicht erkennen.

    Das Amtsgericht wies den Befangenheitsantrag zurück. Der Vorwurf fehlerhafter Gutachtenerstellung infolge mangelnder Sorgfalt, unzureichender Sachkunde oder sonstiger Unzulänglichkeiten sei kein Thema der Unparteilichkeit, sondern rüge lediglich die Qualität des Gutachtens. Eine vorsätzliche Täuschung des Gerichts durch den Sachverständigen sei nicht ersichtlich.

    Nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO , § 42 ZPO kann der Sachverständige wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein objektiver Grund gegeben ist, auf Grund dessen eine vernünftige Partei befürchten kann, der Sachverständige sei nicht unparteiisch.

    Das OLG beurteilte das Befangenheitsgesuch als berechtigt. Es sei nicht mit Gutachtenmängeln begründet worden, sondern mit dem mündlichen Aussageverhalten des Gutachters, der den Eindruck erweckt habe, die objektiven Tests untermauerten seine subjektive Gesamteinschätzung. Er habe mündlich von "einem sehr hohen Wert für Depressivität und paranoides Erleben", bzw. über "eine deutliche Erhöhung im Bereich der Depression" gesprochen. Er habe dazu die Auswertung zu Protokoll gegeben. Ohne besondere Sachkunde oder umfangreiches Manual könne das Gericht aber mit Testergebnissen nichts anfangen und müsse sich daher auf die Erläuterungen des Gutachters verlassen können.

    Folglich durfte sich das Gericht darauf verlassen, dass die Mutter nicht nur nach der subjektiven Einschätzung des Sachverständigen, sondern auch nach korrekter psychologischer Testung deutliche Auffälligkeiten in den Bereichen "Depression" und "paranoides Denken" hat.

    Das Beschwerdegericht konnte nachvollziehen, dass sich für die Antragstellerin der Schluss ergibt, dass ein Sachverständiger, der im Hinblick auf ihre Diagnose bereits in einem mündlichen Gutachten nachgewiesenermaßen zu ihrem Nachteil unsauber gearbeitet hat, ihr nicht mehr ergebnisoffen gegenübertritt. Ob und inwieweit der Sachverständige sie für das weitere Verfahren nicht neutral und unbefangen begutachten würde, ist für die Beurteilung der Ablehnung ebenso irrelevant wie die Frage, ob der Sachverständige das Gericht vorsätzlich getäuscht hat. Entscheidend ist die aus Sicht der Antragsgegnerin bei vernünftiger Betrachtung begründete Befürchtung, es könnte dem Sachverständigen an der gebotenen Neutralität mangeln.

    OLG Nürnberg - Beschluss vom 28.08.2023 (7 WF 622/23)


  • Wechselmodell und Kindesunterhalt

    Wenn Kinder getrenntlebender Eltern sich genau 50/50 in beiden Haushalten aufhalten, spricht man vom „echten Wechselmodell“. Kompliziert ist es dann, Unterhalt einzuklagen, denn der Wenigerverdiener, dem ein Ausgleich zusteht, muss sich dafür erstmal das Recht durch ein vorgeschaltetes Sorgerechtsverfahren verschaffen, in dem das Gericht alternativ einen neutralen Ergänzungspfleger für den Aufgabenkreis „Unterhalt“ einsetzen kann. So war es jedenfalls bisher auf Basis einer BGH-Entscheidung vom 21.12.2005 (IX ZB 459/23).


    Der BGH hat 2024 diese Rechtsprechung aufgegeben und in einer Fallgestaltung unverheirateter Eltern (für Geschiedene muss dasselbe gelten) nun die Tür dafür geöffnet, ohne dieses Vorverfahren auszukommen.

    Im Fall des Wechselmodells sind jetzt beide (nicht miteinander verheirateten) Eltern in der Lage, direkt den Unterhalt einzuklagen. Das Kind ist dann der Antragsteller - vertreten durch einen Elternteil, und beide Eltern können Gegner sein. 


    Es war bisher undenkbar, dass auf diese Weise ein Elternteil quasi auf beiden Seiten des Verfahrens steht. Der BGH hält das nun für unbedenklich zulässig, weil es sich bei den gegen die Eltern als Teilschuldner (§ 1606 BGB) gerichteten Unterhaltsansprüchen um verschiedene Verfahrensgegenstände handelt. Zur Ermöglichung der abschließenden Klärung des gesamten Unterhalts in einem Verfahren sei das jedenfalls verfahrensökonomisch. 


    Einen Interessenwiderstreit zwischen den Eltern gebe es inhaltlich ja auch in den bisherigen Verfahren, in denen das Kind von einem vertreten wird, nachdem dieser dafür die Alleinsorge zugesprochen bekommen hat.


    BGH Beschluss vom 10.04.2024 – XII ZB 459/23


    Mehr zu Wechselmodell unter Unterhalt:

    https://www.erstberatung-familienrecht.de/wechselmodell-und-unterhalt



  • Verfahrensbeistand muss bestellt werden

    In einem Sorgerechts- oder Umgangsverfahren wird Kindern in der Regel ein „Verfahrensbeistand“ bestellt. Eine ältere Begrifflichkeit dazu ist „Anwalt des Kindes“, wobei das deshalb missverständlich ist, weil häufig Sozialpädagogen diese Rolle freiberuflich einnehmen.


    Das Unterlassen der Bestellung eines Verfahrensbeistandes gem. § 158 FamFG in einem Verfahren zur Übertragung des Rechts zur Ausübung der Schulwahl stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar.

    Gemäß § 158 FamFG hat das Gericht einem Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Dies ist in Verfahren nach § 1671 BGB regelmäßig der Fall, weil das Interesse des Kindes jedenfalls zu einem seiner beiden gesetzlichen Vertreter in erheblichen Gegensatz steht, § 158 II Nr. 1 FamFG. Die Unterlassung stellt zugleich einen Aufklärungsmangel dar.

    Für das Absehen von der Bestellung eines Verfahrensbeistands besteht nach § 158 III 3 FamFG eine Begründungspflicht. Wird von der Bestellung eines Verfahrensbeistands in den in § 158 II FamFG aufgeführten Regelfällen abgesehen, ist dies nach Abs. 3 S. 3 dieser Bestimmung in der Endentscheidung nachprüfbar zu begründen. Wird das Absehen von der Bestellung nicht oder nur unzureichend begründet, liegt darin ebenso wie in dem Unterbleiben der Beistandsbestellung selbst ein wesentlicher Verfahrensverstoß, der im Beschwerdeverfahren zur Aufhebung der Hauptsacheentscheidung führen kann.

    Dies führt, wie von den Beteiligten beantragt, und um ihnen keine Tatsacheninstanz zu entziehen, zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, damit dieses die notwendigen, einer Beweiserhebung im Sinne § 69 I 3 FamFG hier gleichstehenden Ermittlungen (§ 26 FamFG) durch Bestellung und Anhörung eines Verfahrensbeistands nachholt. 


    OLG Brandenburg - Beschluss vom 05.11.2021

    13 UF 122/21



    Die Bestellung eines Verfahrensbeistands nach § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG ist regelmäßig erforderlich, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht, wobei für die Erforderlichkeit eines Verfahrensbeistands nach § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Interessengegensatzes ausreicht. Ein erheblicher Interessengegensatz ist anzunehmen, wenn es nach dem Sachverhalt naheliegt, dass die Eltern vornehmlich ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen oder aufgrund der Intensität ihres Konflikts die Gefahr besteht, dass sie die Interessen des Kindes aus dem Blick verlieren, wobei - wie hier - entgegengesetzte Sachanträge der Eltern ein Indiz für das Bestehen eines solchen Interessengegensatzes sind (vgl. Hammer in Prütting/Helms, FamFG , 5. Aufl., § 158 Rn. 16, 17, mwN; Zorn in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG , § 158 Rn. 8). Deshalb werden von § 158 Abs. 3 Nr. 1 FamFG vor allem stark konfliktträchtige Sorge- und Umgangsrechtsverfahren getrennt lebender Eltern erfasst (vgl. MüKoFamFG/Schumann, 3. Aufl., § 158 FamFG Rn. 8, mwN; OLG Saarbrücken, NJOZ 2020, 616 Rn. 19, beck-online).

    Will ein Gericht auf die Bestellung des Verfahrensbeistandes verzichten, so muss es dies gut begründen. 

    Es ist nicht ausreichend, dass das Familiengericht meint, den Kindeswillen bereits zu kennen. Die Rolle des Verfahrensbeistands ist es gerade und insbesondere, das Interesse des Kindes festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Es ist mithin zuvörderst Aufgabe des Verfahrensbeistandes, den authentischen Willen des Kindes zu ermitteln und in das Verfahren einzuführen (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 109 ; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20.01.2011 - 6 UF 106/10 -, FamRZ 2011, 1153 ). Er hat den wesentlichen Aufwand seiner Tätigkeit gerade auf die Ermittlung der besonderen Bedürfnisse und des Willens des einzelnen Kindes zu verwenden (BGH FamRZ 2010, 1896 , juris Rz. 28; 2010, 1893, juris Rz. 30; OLG Saarbrücken Beschl. v. 23.6.2021 - 6 UF 58/21, BeckRS 2021, 28284 Rn. 23, beck-online). Überdies hat der Verfahrensbeistand auch die weitere Aufgabe, das Kind in geeigneter Weise über Gegenstand und Verlauf des Verfahrens zu unterrichten (§ 158 Abs. 4 S. 2 FamFG ) und er hat zu prüfen, ob im Interesse des Kindes ein Rechtsmittel einzulegen ist § 158 Abs. 4 S.5 FamFG ).

    Das OLG Brandenburg gab daher die Akte zurück an das FamG, um die Bestellung des Verfahrensbeistandes nachzuholen und unter Berücksichtigung dessen Berichtes neu zu entscheiden.

    Dass sich das Kind genauso wie vor dem Amtsgericht gegenüber einem Verfahrensbeistand äußern würde, sei spekulativ. Dies gelte gleichermaßen für die Annahme, die in einem Vorverfahren eingesetzte Verfahrensbeiständin hätte bei Beauftragung im vorliegenden Verfahren den gleichen Kindeswillen ebenso erneut ermittelt. 


    OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.10.2022 - Aktenzeichen 13 UF 148/22 


  • Umgangsverfahren ohne Vermittlungsversuch beim Jugendamt

    Es mangelt nicht am Rechtsschutzbedürfnis für ein Umgangsverfahren nach § 151 Nr. 2 FamFG, § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn zuvor keine außergerichtliche Lösung unter Mithilfe des Jugendamtes versucht wurde. Es fehlt in diesem Fall nicht das Rechtsschutzbedürfnis für einen Umgangsantrag. Die Zurückweisung des Antrags ohne weitere Sachaufklärung verstoße gegen die Im Umgangsverfahren bestehende Pflicht zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG.

    OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 UF 139/20


  • Richter darf psychologische Fragen nicht selbst beantworten

    In Umgangsstreitigkeiten muss das Familiengericht alle Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen, bevor es entscheidet.

    Beim OLG Hamm ging es um einen 2008 geborenen schwerstbehinderten Sohn, dessen Vater ihn alle 14 Tage am Wochenende in seiner Wohnung betreuen wollte. Die Mutter meinte, der Vater könne das nicht.

    Ein Gutachter beobachtete den Vater-Sohn-Kontakt, äußerste sich zu verschiedenen pflegerischen Fragen, aber nicht zum Kindeswohl – das lag außerhalb seiner Profession.

    Die Familienrichterin hat höchstpersönlich mit der Kinderärztin telefoniert und einen Umgangskontakt zwischen Vater und Sohn begleitet - was sehr ungewöhnlich ist. Anschließend bewilligte sie dem Vater auch die Übernachtungskontakte.

    Mit ihrer Beschwerde beim OLG hatte die Mutter zumindest vorläufig Erfolg, denn die Akte wurde wegen Verfahrensfehlern zurück in die 1. Instanz gegeben.

    Die Richterin hätte die angestrebte Ausweitung des Umgangs mit einem Sachverständigengutachten eines Kinder- und Jugendpsychologen prüfen lassen müssen statt durch eigene Ermittlungen. Das vorliegende Sachverständigengutachten gebe nämlich zum Kindeswohl beim Umgang nichts her, weil der Arzt sich nur zu den behinderungsbedingten und pflegerischen Fragen geäußert habe. Bei der Frage, ob die angestrebten Umgangskontakte mit dem Kindeswohl vereinbar sind, sei aber zusätzlich zu prüfen, wie die pflegerische Versorgung durch den Kindesvater sich auf den Sohn sowohl psychisch als auch gesundheitlich auswirke.

    Die Kinderärztin verfüge nicht über die notwendige Qualifikation, das zu beurteilen, und auch die Begleitung des Umgangskontakts durch die Richterin kann die sachverständige Klärung nicht ersetzen. Denn die Richterin verfügt selbst nicht über die notwendige psychologische Vorbildung.

    Hinweis:

    Der Einschätzung von Sachverständigen kommt in Gerichtsverfahren hohe Bedeutung zu, weil die Richter ihre eigene Einschätzung nicht wichtiger nehmen dürfen als die Bewertung durch Fachleute.



    OLG Hamm, Beschluss vom 17.10.2023 - Aktenzeichen 4 UF 89/23 


  • Psychologische Gutachten: Begleitperson oder Tonaufzeichnung erlaubt

    Ein aufgrund einer gerichtlichen Anordnung medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Verfahrensbeteiligter hat das Recht, eine Begleitperson zu einem Untersuchungstermin bzw. einem Explorationsgespräch des Sachverständigen mitzubringen. Die Begleitperson darf sich allerdings nicht äußern oder sonst am Verfahren beteiligen. Das hat jetzt das OLG Hamm entschieden.


    In einem Umgangsverfahren sollte der Kindesvater durch eine Psychologin begutachtet werden. Der Kindesvater kannte die Sachverständige schon aus dem vorangegangenen Verfahren und wollte sie wegen Befangenheit ablehnen. Das misslang ihm.


    Dann wollte er gern das Gespräch aufzeichnen oder eine Begleitperson als Zeugen mitbringen. Beides verwehrte ihm die Sachverständige.


    Darauf lehnte er sie wieder wegen Befangenheit ab. Das OLG Hamm traf eine salomonische Entscheidung: zwar gebe es aus Gesetz oder Rechtsprechung  keinen Rechtsanspruch auf Tonaufzeichnung oder Begleitperson – und deshalb sei das Verhalten der Sachverständigen kein Befangenheitsgrund.


    Zugleich hat das OLG Hamm die Sachverständige angewiesen, bei ihren Gesprächen mit dem Kindesvater einen Zeugen oder eine Tonaufzeichnung zuzulassen.


    Andernfalls habe ein zu Begutachtender, so der Senat, keine Möglichkeit, gegenüber Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Behaupte er nach dem Vorliegen des schriftlichen Gutachtens ein in diesem in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend dargestelltes Explorationsgespräch, werde sich der Sachverständige in der Regel auf die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen berufen.


    Wenn dann nicht ausnahmsweise objektive Umstände deren Unrichtigkeit belegen würden, habe der Beteiligte ohne das Hinzuziehen einer später als Zeuge zur Verfügung stehenden Begleitperson keine Möglichkeit, die von ihm behauptete Unrichtigkeit zu beweisen.


    Gegenüber diesem wesentlichen Verfahrensgesichtspunkt müsse die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsgangs durch die bloße Anwesenheit einer Begleitperson hingenommen werden. Eine etwaige Beeinflussung könne der gerichtliche Sachverständige zudem in seinem Gutachten thematisieren, so dass das Gericht diesen Umstand bei seiner Entscheidung würdigen könne.


    Der Begleitperson sei allerdings eine Beteiligung am Untersuchungsgespräch durch Fragen, Vorhalte oder sonstige Äußerungen nicht zu gestatten, andernfalls wäre eine Störung oder Beeinflussung der medizinischen oder psychologischen Begutachtung zu befürchten.


    OLG Hamm, Beschl. v. 02.02.2015 - 14 UF 135/14

  • Herausnahme eines Kindes wegen Erziehungsunfähigkeit nur nach qualifiziertem SV-Gutachten

    Welche Qualifikationen muss ein familienpsychologischer Gutachter haben? Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass das Familiengericht in Verfahren wegen möglicher Kindeswohlgefährdung eine ausreichende Qualifikation für die Erstellung psychologischer Gutachten sicherstellen muss. Bei der Trennung von Säugling und Mutter muss unter Umständen ein Psychologe oder Facharzt bestellt werden.


     

    Der Fall


    Die im September 2018 geborene Tochter wurde kurz nach der Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen und einer Pflegefamilie übergeben. Bereits im Mai 2018 war das vorliegende Verfahren aufgrund einer Gefährdungsanzeige eingeleitet worden und zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens angeordnet worden. Die Gutachterin führte zu ihrer Qualifikation aus, sie sei Diplom-Sozialpädagogin mit einer Ausbildung als Sachverständige beim Institut für Lösungsorientierte Arbeit in Bielefeld.


     

    Wesentliche Aussagen der Entscheidung


    Die erfolgreiche Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht.


    Das bereits vorgeburtlich eingeleitete Gerichtsverfahren leidet an einem wesentlichen Mangel: Für eine Entscheidung waren aufwändige Ermittlungen, u.U. auch durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, erforderlich (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz wurden die den Beschluss begründenden Tatsachen nicht hinreichend zuverlässig aufgeklärt.


    Das FamG hat sich dem Gutachten und dem Vortrag vorbehaltlos ohne kritisches Hinterfragen der fachlichen Qualifikation der Sachverständigen angeschlossen. Angeordnet war ein psychologisches Gutachten; die bestellte Sachverständige ist Diplom-Sozialpädagogin und lediglich „als Sachverständige ausgebildet“.


    Die Zusatzqualifikation für die Erstattung psychologischer Gutachten in Kindeswohlgefährdungsverfahren wurde nicht bewertet. Gerade im Falle des § 163 Abs. 1 Satz 2 FamFG wird zusätzlich die entsprechend erworbene Berufserfahrung vorausgesetzt. Ein Hinterfragen der Qualifikation der Sachverständigen wäre hier umso notwendiger gewesen.


    Denn psychologische Gutachten treffen Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern anhand von psychologischen Kenntnissen, basierend auf psychologischer Diagnostik, Methodenlehre und Analyse.


    Vorliegend kommt hinzu, dass der denkbar schärfste Eingriff in das Elternrecht der Mutter in Rede steht - Wegnahme eines Neugeborenen - und die Mutter 2011 wegen des Verdachts einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis psychiatrisch (teil-)stationär behandelt wurde. Der stärkste Eingriff in das Elternrecht muss in Gegenüberstellung zur Erziehungsfähigkeit der Mutter durch einen erfahrenen Gutachter bewertet werden, der Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist.


    Eine - jedenfalls die Fortdauer der Fremdunterbringung des Kindes verfassungsrechtlich rechtfertigende - Kindeswohlgefährdung wird nicht indirekt durch die von der Sachverständigen erhobenen Anschlusstatsachen oder davon unabhängig mittels vom Familiengericht festgestellter Tatsachen belegt. Dies gilt nach dem sich nunmehr darbietenden Erkenntnisstand umso mehr, als der Mutter jetzt vom Jugendamt doch ermöglicht wurde, mit dem Kind eine entsprechende Einrichtung zu beziehen.


    Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die Sachverständige - was somit auch gegen ihre ausreichende fachliche Qualifikation spricht - im Termin ausdrücklich die Alternative einer gemeinsamen Unterbringung verworfen hat, weil dieses auf jüngere Mütter ausgerichtet sei, die noch unsicher im Umgang mit dem Kind seien.


     

    Folgerungen aus der Entscheidung


    Im Rahmen des angeforderten Gutachtens sind Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern zu beurteilen, da es sich um den schwersten Eingriff in das Elternrecht handelt. Das Gericht hat die Pflicht, die Qualifikation des Sachverständigen zu prüfen. Ein erfahrener Sachverständiger, der Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, muss die Erziehungsfähigkeit der Mutter begutachten.


    Der Senat weist insbesondere darauf hin, dass die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind in einer entsprechenden Einrichtung selbst dann fortzuführen ist, wenn die Fortschritte der Mutter nicht zufriedenstellend sind; sie also aus Sicht der Einrichtung und/oder des Jugendamts nicht ausreichend an sich arbeite und deren Geduld strapaziere, solange die Mutter die Grundregeln der Einrichtung beachtet.


    Wenn und solange diese Unterbringungsform zur Abwendung der hier vordringlichen Kindeswohlgefährdung noch ausreichend geeignet ist, kann sie nicht zugunsten einer intensiver in das Elternrecht der Mutter eingreifenden Hilfeform eingestellt werden.


    OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2018 – 6 UF 112/18

  • Kindeswohlprüfung in der Vollstreckung

    Ein Vater hatte lange um Umgang mit seinem Kind gekämpft, dann im Mai 2020 wöchentlichen begleiteten Umgang erreicht, aber die Mutter wirkte hieran wieder nicht mit, so dass die meisten der Termine ausfielen. Er beantragte daher Zwangsvollstreckung und Ordnungsgeld gegen die Mutter.

    Im Laufe des Zwangsmittelverfahrens stellte das Familiengericht mit, dass es nach den wenigen Vater-Sohn-Kontakten zu Verhaltensauffälligkeiten des Kindes (Einnässen) gekommen war und dass dieser den weiteren Umgang verbal ablehnte. Es wurde daher ein neues Umgangsverfahren eingeleitet, in dem ein Sachverständiger Kindeswohlgefährdung durch den Umgang feststellte, worauf das OLG im Dezember 2020 den Umgang für zwei Jahre komplett ausschloss.

    Hiergegen wandet der Vater sich an das Bundesverfassungsgericht, allerdings erfolglos. 

    Normalerweise findet im Vollstreckungs- und Ordnungsmittelverfahren keine Kindeswohlprüfung mehr statt, weil die Rechtskraft eines Beschlusses sonst durchbrochen würde. Wenn der titulierte Umgang aber offenkundig mit einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB verbunden wäre, muss die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung eingestellt werden, in einem neuen Verfahren das Kindeswohl geprüft und neu über den Umgang entschieden werden. So hatten es das FamG und das OLG korrekt gehandhabt, weshalb das BVerfG keine Grundrechtsverletzung des Vaters sah.

    BVerfG, Beschluss vom 10.11.2022 - Aktenzeichen 1 BvR 1496/22 


  • Keine Mitwirkungspflicht bei Exploration zur Erziehungsfähigkeit

    Als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts können Eltern ihre Mitwirkung am Gutachten verweigern, ohne dass deshalb Verfahrenskostenhilfe entzogen werden darf, OLG Oldenburg 11 WF 259/20 vom 19.11.2020 mit Verweis auf BGH NJW 2020, 1351. Der Richter, der dies handhabte, wurde erfolgreich als befangen abgelehnt.

  • Gutachtenbeschluss nicht anfechtbar

    Um in Kindeswohlfragen entscheiden zu können, lassen Familienrichter sich häufig von einem Sachverständigengutachten leiten. Die Eltern, die Gegenstand der Begutachtung sein sollen, sind damit nicht immer einverstanden. Eine Mutter, die unbegleiteten Umgang zu ihrem Kind haben wollte, legte Beschwerde gegen den Beweisbeschluss ein, mit dem ein Sachverständiger beauftragt worden war. Sie meinte, das Gutachten sei nicht erforderlich, weil der Richter im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht selbst alle notwendigen Erkenntnisse gewinnen könne. Überdies gefielen ihr weder die Ausbildung des Sachverständigen noch die an ihn gerichteten Fragestellungen.

    Die Beschwerde wurde vom OLG als unzulässig zurückgewiesen. In der laufenden Instanz sind Beweisbeschlüsse unanfechtbar. Das OLG wies darauf hin, dass die Mutter weder eine Untersuchung ihrer Person dulden noch sonstwie mitwirken müsse. Sie sei auch nicht verpflichtet Schweigepflichtsentbindungen zu erteilen. Es stehe ihr frei, über das Gericht dem Sachverständigen die Informationen zukommen zu lassen, die sie ihm geben wolle. Der Gutachter müsse dann sehen, zu welchen Erkenntnissen er allein aufgrund des Akteninhaltes und evtl. ergänzender Informationen des Jugendamtes kommen könne, das Familiengericht müsse dann entscheiden.

    Danach erst habe die Mutter Rechtsmittel und könne in 2. Instanz die auf Basis der Feststellungen des Sachverständigen ergangene Entscheidung anfechten und inhaltlich kritisieren. 

    Hinweis: es gibt seltene Fälle, in denen Beweisbeschlüsse isoliert anfechtbar sind, nämlich wenn die Ausführung des Beweisbeschlusses eine unmittelbare und auf andere zumutbare Weise nicht abwendbare Verletzung von Grundrechten zur Folge hat, die später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann.

    OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.11.2022 - Aktenzeichen 13 WF 184/22 


  • Keine VKH für Kind im Sorgerechtsverfahren

    Eine 16jährige wollte nicht bei ihrer Mutter wohnen, auch nicht in einer Jugendwohngruppe, sondern bei ihrem volljährigen Freund.  Dies entsprach jedoch nicht den Vorstellungen ihrer sorgeberechtigten Mutter, die einen Umgang der Tochter mit ihrem Freund ablehnt. Das Jugendamt nahm sie in Obhut. Die 16jährige beauftragte einen Rechtsanwalt mit dem Ziel, bei ihrem Freund wohnen zu dürfen. Das Familiengericht leitete von Amts wegen ein Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB ein. Da die 16jährige kein eigenes Einkommen hatte, wollte sie die anwaltliche Tätigkeit über Verfahrenskostenhilfe abrechnen. Leider nein, sagt der BGH:

    In Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB ist ein Minderjähriger auch dann, wenn er mindestens 14 Jahre alt ist, nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig.

    Für solche Verfahren kann auch dem mindestens 14 Jahre alten Minderjährigen Verfahrenskostenhilfe nicht auf eigenen Antrag bewilligt werden, weil er mangels Verfahrensfähigkeit keinen wirksamen Verfahrenskostenhilfeantrag stellen kann.

    Sie hätte daher nur durch ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin, nicht aber - wie erfolgt - selbst den für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, § 117 ZPO erforderlichen Antrag stellen können, so dass ihr Verfahrenskostenhilfe mangels wirksamen Antrags nicht bewilligt werden kann.

    Der BGH führt weiter aus, dass die Interessen des Kindes durch den obligatorischen Verfahrensbeistand ausreichend vertreten gewesen wären.

    BGH, Beschluss vom 12.05.2021 - XII ZB 34/21



  • Keine Nichtzulassungsbeschwerde im FamFG

    In Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 1 FamFG, nachfolgend FamFG-Verfahren) sieht der Gesetzgeber keine Nichtzulassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts vor. Wenn dieses gemäß § 70 FamFG nicht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, sind seine Beschlüsse im Hinblick auf die Verletzung der Rechtsschutzgarantie aus Art. 20 Abs. 1 i.V. mit Art. 20 III GG und die Gewährleistung des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG1 gegebenenfalls nur vor dem BVerfG und damit sehr eingeschränkt überprüfbar.


    Dagegen hat der Gesetzgeber durch § 544 ZPO für den Fall, dass das Berufungsgericht keine Revision zugelassen hat und die Beschwer 20.000,00 EUR übersteigt, eine Nichtzulassungsbeschwerde in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vorgesehen.


    Diese Ungleichbehandlung will die Ampelkoalition laut ihrem Koalitionsvertrag aus 2021 beseitigen.

  • Verfahrenswert beim Stufenantrag UEUK

    Bei der nach §§ 51 Abs. 1 und 2 FamGKG vorzunehmenden Festsetzung des Verfahrenswerts ist zunächst die Bestimmung des Rückstandszeitraums streitentscheidend. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs des bezifferten Leistungsantrags vom 24.07.2019 (Bl. 95) an, sondern auf den Zeitpunkt des Eingangs des Stufenantrags vom 26.07.2017 (Bl. 2) an. Nur die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen, später bezifferten (OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, 9 WF 142/14, BeckRS 2015, 3678) Unterhaltsbeträge stellen den Rückstand gemäß § 51 Abs. 2 FamGKG dar. Für einen Stufenantrag gilt § 34 FamGKG, so dass sämtliche Anträge eines Stufenantrags mit Einreichung anhängig werden. Für ihre Bewertung kommt es auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung an, wobei bei späterer Bezifferung nicht der Wert des Auskunftsantrags, sondern der (höhere) Leistungsantrag wertbestimmend ist (§ 38 FamGKG). Der Wert des - zum Zeitpunkt der Antragseinreichung noch nicht bezifferten - Leistungsantrags muss daher geschätzt werden, wobei der später bezifferte Antrag dann maßgebend ist, wenn er den Erwartungen des Antragstellers bei Antragseinreichung im Wesentlichen entspricht.


    OLG Brandenburg - Beschluss vom 03.12.2021

    13 WF 221/21


  • Kostenlast bei Verzug mit Auskunft

    Die Verpflichtung, die Kosten des Unterhaltsverfahrens zu tragen, besteht auch dann, wenn die (erst) im Verfahren erteilte Auskunft dazu führt, dass der Zahlungsantrag zurückgenommen werden muss.

    OLG Hamm - Beschluss vom 19.10.2021 - 13 WF 148/21


  • Kostenquote in Kindschaftssachen

    Wenn man vor Gericht gewinnt, muss die Gegenseite die Kosten erstatten – von diesem Grundsatz wird am Familiengericht oft abgewichen.

    So war es in einem Fall am AG Bremen und OLG Bremen. Die Eltern einer 12jährigen Tochter waren uneins über deren COVID-19-Impfung gewesen, der Vater wollte impfen und beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Gericht klärte den Sachverhalt auf, hörte alle Beteiligten an – auch das Kind – und übertrug dem Vater die Alleinentscheidungsbefugnis über die Schutzimpfung. Die Kosten des Verfahrens sollten er und die Mutter je hälftig tragen.

    Dazu fehlte ihm die Einsicht. Hierzu macht er geltend, das Verfahren sei notwendig gewesen, weil sich die Kindesmutter kategorisch der elterlichen Auseinandersetzung mit dem Thema verweigert habe und eine Haltung vertrete, die dem aktuellen Stand gängiger medizinischer Behandlung widerspreche. Die in der Sache getroffene Entscheidung folge in Gänze seinem Antrag. Es gehe nicht an, ihn für das unkommunikative Verhalten der Kindesmutter haftbar zu machen, indem er an den Kosten des Verfahrens beteiligt werde.

    Beide Instanzen sahen das anders: Das Verfahrensrecht in Familiensachen sehe keinen Automatismus bei den Kosten vor, sondern eine Ermessensentscheidung.

    Es sei das gute Recht der Mutter gewesen, eine andere Position zur Frage der Impfung einzunehmen, ohne befürchten zu müssen, deshalb unter Umständen im Falle des Unterliegens bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über dieses Thema stärker als der andere für die dadurch entstehenden Kosten herangezogen zu werden.


    Hinweis:

    Dieser Grundsatz wird besonders teuer, wenn das Familiengericht Gutachten einholt. Schnell geht es da um fünfstellige Euro-Beträge. Selbst wenn das Gutachten ergibt, dass der andere Elternteil sich fehlverhält oder gar erziehungsunfähig ist, zahlen in der Regel beide für diese Erkenntnis.


    OLG Bremen, Beschluss vom 09.02.2022 - Aktenzeichen 5 UF 5/22 


  • Kind muss Vaterschaftsverfahren nicht bezahlen

    Wenn gerichtlich festgestellt werden muss, von welchem Vater ein Kind abstammt, entstehen oft erhebliche Kosten durch die Begutachtung aller Beteiligten (Mutter, Kind und die möglichen Väter).  Das OLG Brandenburg hatte zu klären, wer diese Kosten tragen muss, wenn am Ende keine Vaterschaft feststellbar ist.

    Jedenfalls nicht das Kind, selbst wenn es formal den Antrag gestellt hat. Das ergibt sich nicht aus dem Gesetz, denn dort steht zwar eine Vorschrift - § 81 Abs. 3 FamFG - , dass einem minderjährigen Beteiligten keine Kosten auferlegt werden können, die bezieht sich aber nur auf Kindschaftssachen, nicht auf Abstammungssachen.

    Dennoch sei von einer Kostenlast für Kinder auch in anderen familiengerichtlichen Verfahren nur sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen, urteilte das OLG. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten seines Abstammungsverfahrens sei regelmäßig unbillig, da das Kind selbst nicht zur Unsicherheit über die Vaterschaft beigetragen oder Anlass zur Verfahrenseinleitung gegeben habe. Das Kind habe einen Anspruch auf Klärung seiner Abstammung. Bestehen Unklarheiten darüber, wer sein Vater ist, und ergreifen weder die Mutter noch der potentielle Vater die Initiative, die Vaterschaft außergerichtlich zu klären, ist das Kind gezwungen, ein Verfahren zur Klärung seiner Abstammung einzuleiten. Dann entspreche es nicht der Billigkeit, das Kind mit den daraus entstehenden Kosten zu belasten.

    Übrig blieb die Frage, ob auch ein Mann, der zwar als Erzeuger in Betracht kam, aber letztlich nicht als Vater festgestellt wurde, mit Kosten belastet werden darf. So war es hier. Der Mann hatte im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht eingeräumt, innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Mutter gehabt zu haben. Er kam deshalb als Vater des Kindes durchaus in Betracht. Nachdem die Vaterschaft durch das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten "eindeutig ausgeschlossen werden" konnte, hatte das antragstellende Kind seinen Antrag zurückgenommen.

    Er sei an den Kosten zu beteiligen, weil er zu einer außergerichtlichen Untersuchung der Abstammung nicht bereit gewesen war.

    Die Mutter war an den Kosten des Verfahrens schon deshalb zu beteiligen, weil ihr - wie das Ergebnis des Abstammungsgutachtens zeigt - bewusst gewesen sein muss, dass nicht allein der Antragsgegner als Vater des Kindes in Betracht kommt.

    Damit ist ein Fall gegeben, in dem beide (potentielle) Eltern zur Unklarheit der Vaterschaft beigetragen haben. Dann entspricht es nach erfolgloser Vaterschaftsfeststellung regelmäßig der Billigkeit, die Gerichtskosten zwischen ihnen aufzuteilen. Jeder musste seinen Anwalt selbst bezahlen.

    OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2022 - Aktenzeichen 10 WF 45/22 


  • Kind erscheint nicht zur Anhörung

    Wenn Familiengericht über Sorge- und Umgangsfragen zu entscheiden haben, müssen sie sich vom betroffenen Kind einen persönlichen Eindruck verschaffen- auch von kleinen Kindern.

    Eine Mutter, die dem Vater ihrer Tochter keinen Umgang gewähren wollte, brachte die 3jährige auch nicht zur richterlichen Anhörung. Zunächst meldete sie selbst sich krank, dann mehrfach das Kind, schließlich teilte sie mit, das Kind sei nicht zu überreden gewesen, das Gerichtsgebäude zu betreten.

    Schließlich verhängte das Familiengericht ein Ordnungsgeld von 500 €.

    Das OLG stellte allerdings fest, dass ein Ordnungsgeld gesetzlich nicht für den Fall vorgesehen ist, dass ein Kind nicht zu seiner Anhörung erscheint. Ordnungsgelder sind nur zulässig, wenn ein Beteiligter selbst seinen Termin unentschuldigt verpasst.

    Zwangsgelder hingegen sind nicht dazu gedacht, ein zurückliegendes Fehlverhalten zu bestrafen. Sie haben den Zweck, ein Verhalten zu erzwingen. Die Vorschrift des § 35 FamFG (so obiter dictum in OLG Celle FamRZ 2019, 1875 , juris Rn. 9 und KG Berlin FamRZ 2019, 1702 , juris Rn. 28) dürfte dafür ungeeignet sein. Eine gerichtliche Anordnung, das Kind zur Anhörung zu bringen, kann sich immer nur auf einen konkreten Termin beziehen. Die Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsmitteln nach § 35 FamFG setzt aber wiederum voraus, dass eine Zuwiderhandlung bereits erfolgt ist.

    Insoweit besteht wohl eine Gesetzeslücke. Hinsichtlich gerichtlicher Anordnungen zu terminsbezogenen Verpflichtungen von Beteiligten sieht das Gesetz in § 33 Abs. 3 FamFG eine Sanktion in Form von Ordnungsmitteln nur für das persönliche Erscheinen des Beteiligten selbst vor, eine Festsetzung gegen den Inhaber der tatsächlichen Obhut des Kindes ist nicht vorgesehen. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Kind nach § 33 Abs. 3 S. 1 FamFG dürfte jedenfalls bei einem 4jährigen Kind daran scheitern, dass dieses nicht unentschuldigt fehlt. Damit kommt auch eine zwangsweise Vorführung des Kindes nach § 33 Abs. 3 S. 3 FamFG nicht in Betracht.

    4. Sollte eine nach § 159 FamFG zwingend vorzunehmende persönliche Anhörung des Kindes an der fehlenden Mitwirkung des betreuenden Elternteils scheitern, wäre verfahrensrechtlich zu prüfen, ob nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein schwerwiegender Grund für das Absehen nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG vorliegt. Anderenfalls wäre materiellrechtlich über eine (vorläufige) punktuelle Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1666 BGB nachzudenken. Dies wird häufig die Einleitung eines gesonderten Verfahrens erforderlich machen.

    Außerdem könnte ggfs. in der Sache - ggfs. in einem gesonderten Verfahren - eine einstweilige Anordnung ohne vorherige Anhörung des Kindes ergehen.

    OLG Karlsruhe - Beschluss vom 11.01.2023 (5 WF 138/22)



Keine Abtrennung aus dem Scheidungsverbund nach 7 Jahren Verfahrensdauer

Das Verfahren wurde 2010 eingeleitet. Das AG Straubing hatte 2016 auf Antrag des Mannes, der neu heiraten wollte, Unterhalt und Zugewinn abgetrennt und geschieden. Das OLG Nürnberg hat auf meinen Antrag - ich vertrat die Ehefrau - zurückverwiesen. Inzwischen hat der Mann zwei Kinder aus zwei nachfolgenden Beziehungen. Das Interesse der von ihm wirtschaftlich abhängigen Ehefrau an einer Sicherung ihrer Zukunft zeitgleich mit der Scheidung hat aber bei der Abwägung höheres Gewicht. Dieses Verfahren ist ein Musterbeispiel für die Verhandlungspositionen um die Höhe des Trennungsunterhaltes. Wer um diesen zu lang streitet, bezahlt dies ggf. mit der Verfahrensdauer.

Die Eheleute wurden im Dezember 2021 geschieden, aber nur, weil es endlich eine notarielle Einigung und damit eine Zustimmung der Ehefrau zur Scheidung gegeben hatte. Das Scheidungsverfahren hatte länger gedauert als das Zusammenleben dieser Eheleute.

OLG Nürnberg 9 UF 1509/16

Verzögerung durch das Gericht im Umgangsverfahren:

Schadenersatz ist möglich

Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen

Der Fall begann im Februar 2014. Es ging um das Umgangsrecht einer Mutter betreffend zweier kleiner Kinder, die erst in einer Pflegefamilie, dann beim Vater lebten. Es dauerte hier von 2015 bis 2018, bis ein Sachverständigengutachten vorlag. Das Gericht hatte es abgelehnt, einen Sachverständigen zu suchen, der schneller mit dem Gutachten beginnen konnte. Erst ab 2019 wurde der Umgang geregelt, dazwischen hatte die Mutter die Kinder nur acht Mal gesehen.


Im Laufe der Jahre hatte die Mutter mehrere Beschleunigungsrügen und –beschwerden eingereicht.

Das OLG Koblenz hatte ihr recht gegeben, dass das Amtsgericht zu langsam arbeite. Daraufhin arbeitete das Amtsgericht und wies die zwischenzeitlich eingereichten Anträge auf vorläufige einstweilige Regelung des Umgangs ab – eine Beschwerdemöglichkeit zum OLG ist hierbei gesetzlich nicht vorgesehen.


Nach Abschluss des Umgangsverfahren verklagte die Mutter das Land auf eine Entschädigung von 15.000 €.

Eine Entschädigung bei schuldhafter überlanger Verfahrensdauer ist gesetzlich vorgesehen (§ 198 Abs. 2 GVG).


Der BGH erkannte, dass in Verfahren, die Fragen des Sorge- und Umgangsrechts insbesondere gegenüber Kleinkindern zum Gegenstand haben, Eile geboten ist. Eine dem Gericht zuzurechnende erhebliche Verfahrensverzögerung (hier: zusammengerechnet 37 Monate) sei eine schwerwiegende Beeinträchtigung des betroffenen Elternteils in seinem Recht auf Umgang mit seinem Kind (Art. 6 Abs. 2 GG, § 1684 Abs. 1 BGB) und seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK).


Insbesondere bei kleinen Kindern sei die Gefahr irreparabler Folgen durch fortschreitenden Zeitablauf besonders groß. In diesen Fällen schreite die Gefahr der Entfremdung, die für das Verfahren Fakten schaffen kann, mit jeder Verfahrensverzögerung fort, so dass die Möglichkeiten einer Zusammenführung schwinden und letztendlich zunichte gemacht werden können, wenn Eltern und Kind sich nicht sehen dürfen.

Die Tragweite dessen, was für die Mutter in den Verfahren auf dem Spiel stand, verpflichtete das Familiengericht zur größtmöglichen Verfahrensbeschleunigung.

Die verlorene gemeinsame Zeit, die für die Entwicklung, Aufrechterhaltung und Fortentwicklung der frühkindlichen Bindungen der beiden sehr kleinen Kinder zur Mutter wesentlich war und eine erhebliche Entfremdung zwischen der Mutter und ihren Kindern zur Folge hatte, kann zu einem späteren Zeitpunkt nicht wiedergutgemacht werden.


Zur Höhe der Entschädigung verwies der BGH an das OLG Koblenz zurück und wies auf Folgendes hin:


Der EGMR hat in der Vergangenheit Verfahren, die das Verhältnis einer Person zu ihrem sehr jungen Kind betrafen und in denen Verfahrensverzögerungen einen (zusätzlichen) Verstoß gegen Art. 8 EMRK begründeten, besonderes Gewicht beigemessen und höhere Entschädigungssummen zugesprochen (z.B. EGMR, NJW-RR 2007, 1225 Rn. 123 - Bianchi/Schweiz [15.000 €]; Urteil vom 12. Juli 2007 - 39741/02, juris Rn. 88 - S.N./Deutschland [8.000 €]; BeckRS 2011, 80398 Rn. 100 - K.-R./Deutschland [10.000 € bei zwei betroffenen Kindern]; FamRZ
2011, 1283 Rn. 61 - Kuppinger I/Deutschland [5.200 € - allein wegen der Dauer des Umgangsverfahrens von knapp fünf Jahren bei einem sehr kleinen Kind]; Urteil vom 10. Februar 2011 - 1521/06, juris Rn. 88 - T./Deutschland [7.000 €]; FamRZ 2012, 1123 - Bergmann/Tschechien [10.000 €]; NJW 2015, 1433 - Kup-
pinger II/Deutschland [15.000 €] und BeckRS 2016, 127405 Rn. 108 Moog/Deutschland [10.000 €]).


BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 - III ZR 72/20


Praxisleitfaden für familiengerichtliche Verfahren

Hier finden Sie den „Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren“ des Nationalen Rats gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen als kostenlosen Download (Stand 2022). Er kann helfen, Verfahrensfehlern des Familiengerichts vorzubeugen bzw. in der Beschwerdeinstanz darzulegen.

Praxisleitfaden familiengerichtliche Verfahren 2022

Im Dezember 2019 hat sich der Nationale Rat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen konstituiert. Dem Nationalen Rat gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Fachpraxis an sowie Mitglieder des Betroffenenrats bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Der Nationale Rat hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung zu stärken, Hilfen für Betroffene zu verbessern und für eine kindgerechte Justiz einzutreten. Hierbei orientiert sich der Nationale Rat an empirischer Evidenz und zeigt Lücken auf, wo forschungsbasierte Erkenntnisse fehlen.
Im Zentrum dieses Praxisleitfadens steht die Frage, wie es gut gelingen kann, familiengerichtliche Verfahren in Kindschaftssachen kindgerecht und betroffenensensibel durchzuführen.
In Kindschaftssachen werden Entscheidungen getroffen, die den Lebensweg von Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern wesentlich prägen. Kinder und Jugendliche erleben familiengerichtliche Verfahren oftmals als belastend.

Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendliche im Verfahren als eigenständige Personen wahrgenommen und ihre Wünsche oder Bedenken gehört werden. Kinder und Jugendliche wünschen sich häufig eine aktive Beteiligung und empfinden dies als positiv.
Auch der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren Neuregelungen für das familiengerichtliche Verfahren getroffen, die diesen Erkenntnissen Rechnung tragen sollen. Der Nationale Rat hat sich zum Ziel gesetzt, die Umsetzung dieser Reformen in der Praxis zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für eine kindgerechte Justiz weiter zu verbessern. Er möchte dazu beitragen, die in der Praxis bestehenden Hürden weiter abzubauen.

Der Leitfaden gibt Empfehlungen für die kindgerechte Ausgestaltung von Kindschaftssachen (§ 151 FamFG) und zeigt Gestaltungs- und Handlungsspielräume innerhalb eines Verfahrens auf. Er richtet sich in erster Linie an Familienrichterinnen und Familienrichter. Ergänzend spricht der Praxisleitfaden aber auch weitere Akteurinnen und Akteure des familiengerichtlichen Verfahrens an, und zwar Jugendamtsmitarbeiterinnen und Jugendamtsmitarbeiter, Verfahrensbeistände sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Ein kindgerechtes Verfahren kann nur gelingen, wenn alle Involvierten das Kind und seine Bedürfnisse im Blick haben. Bereits in dem Pilotprojekt „Kinderrechtsbasierte Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren“ wurden die Europaratsleitlinien in Form kinderrechtsbasierter Kriterien von Familienrichterinnen und Familienrichtern erfolgreich erprobt.
Der „Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren“ basiert auf den Vorgaben der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN-KRK), die in Deutschland im Rang eines Bundesgesetzes gilt3 sowie auf den sie konkretisierenden Leitlinien für eine kindgerechte Justiz des Europarates. Die Leitlinien des Europarates gehen dabei deutlich über die Vorgaben der VN-KRK hinaus.



Exfreund droht mit Veröffentlichung von Nacktbildern

- GewSchG hilft -

Dass man gewisse Risiken eingeht, wenn man jemandem seine Nacktbilder schickt, liegt auf der Hand - aber immerhin hat man rechtliche Möglichkeiten, sich gegen die Veröffentlichung im Internet zu wehren. Soweit das nach einer Selbstverständlichkeit klingt, sah das Amtsgericht Bielefeld das zunächst anders. Eine Frau wollte Verfahrenskostenhilfe (Prozesskostenhilfe) für einen Antrag nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Exfreund. Das Gericht sollte ihm untersagen, die Bilder wie angedroht zu veröffentlichen und dem mit Zwangsgeld / Zwangshaft bei Zuwiderhandlung Nachdruck verleihen. Das Amtsgericht meinte, dass die angedrohte Handlung keine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung darstelle.


Das OLG Hamm hob diese Entscheidung auf und machte deutlich: An Bildern, die zwar „befugt“ entstanden und überlassen worden sind, weil die abgebildete Person sich selbst fotografiert und das Foto mit dem Anderen geteilt hat, bleiben doch die Rechte bei der abgebildeten Person. Eine Strafbarkeit, Bilder mit sexuellen Darstellungen gegen den ausdrücklichen Widerspruch im Internet zu veröffentlichen, sei gar nicht abwegig. Der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch gehe aber sogar über die Straftatbestände hinaus.

Dementsprechend werde das Eingreifen von § 1 GewSchG bei der Veröffentlichung ursprünglich freiwillig entstandener Nacktaufnahmen auch in der Literatur befürwortet und der mittellosen Frau dürfe nicht der Zugang zum Rechtssystem verwehrt werden.


OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.2023 - Aktenzeichen 1 WF 93/23



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