Ein Ehegatte ist Zahnarzt, Rechtsanwalt, Ladeninhaber, Handwerker, Unternehmer: Da kommen beim Zugewinnausgleich ungeahnte Probleme auf ihn zu, wenn es keinen Ehevertrag gibt.
Grundsatz: Praxis, Kanzlei, Geschäft oder Firma sind ein Vermögenswert. In der Zugewinnbilanz taucht dies also zwingend auf.
Problem 1:
Die Bewertung. Ohne (teures) Sachverständigengutachten weiß keiner der Eheleute, was der Betrieb wert ist. Auch dann kann man noch tüchtig streiten, nämlich über die Richtigkeit der vom Sachverständigen angewendeten Methode.
Problem 2:
Die Liquidität. Selten hat ein Unternehmer die Hälfte von dem, was sein Betrieb wert ist, auf der hohen Kante liegen. Die Pflicht, diese Hälfte an den Ehegatten auszuzahlen, kann ruinös werden.
Die Lösung: Ein Ehevertrag.
Vorsorgend: Gütertrennung oder modifizierter Zugewinnausgleich.
Nachträglich: Abfindungslösung in Raten verhandeln, mit dem Versorgungsausgleich verrechnen, mit Immobilieneigentum ausgleichen.
Leitsätze:
a) Zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich.
b) Bei der Bemessung des im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode von den Erträgen abzusetzenden Unternehmerlohns ist auch eine nicht unternehmensleitende Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Unternehmer für das Unternehmen erbringt.
c) Zur sekundären Darlegungslast des Ausgleichsschuldners für in die Wertermittlung einzubeziehende Umstände, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann.
Aus den Gründen:
Für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB ist der objektive (Verkehrs-)Wert der Vermögensgegenstände maßgebend. Ziel der Wertermittlung ist es deshalb, die Unternehmensbeteiligung des Ehegatten mit ihrem "vollen, wirklichen" Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das zu geschehen hat, enthält das Gesetz nicht. Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden und deren Anwendung ist Aufgabe des - sachverständig beratenen - Tatrichters. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Nach diesen Maßstäben ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das sachverständig beratene Berufungsgericht den Wert der in das Endvermögen des Beklagten fallenden Beteiligung an der AG nach der Ertragswertmethode ermittelt hat.
Das hier angewandte und von den Parteien akzeptierte Ertragswertverfahren ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Regelfall geeignet, um zur Bemessungsgrundlage für den Wert einer Unternehmensbeteiligung zu gelangen. Im Rahmen der Ertragswertmethode wird die Summe aller zukünftigen Erträge des fortgeführten Unternehmens ermittelt (Zukunftserfolgswert), und zwar durch eine Rückschau auf die Erträge des Unternehmens in den letzten Jahren. Auf dieser Grundlage wird eine Prognose zur Ertragslage der nächsten Jahre erstellt. Damit wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit bewertet. Der Wert der einzelnen Gegenstände ist insoweit ohne Bedeutung. Der Ertragswert eines Unternehmens ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen allein aus seiner Eigenschaft abzuleiten, nachhaltig ausschüttbare Überschüsse zu produzieren. Diese werden kapitalisiert und auf den Bewertungsstichtag bezogen.
Verbindliche Regelungen darüber, welcher Zeitraum bei der Unternehmensbewertung zugrunde zu legen ist, gibt es nicht. Der Durchschnittsertrag wird in der Regel auf Basis der letzten drei bis fünf Jahre ermittelt, wobei die jüngeren Erträge stärker gewichtet werden können als die älteren.
Bei freiberuflichen Praxen und inhabergeführten Unternehmen kann die Bewertung allerdings grundsätzlich nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren erfolgen, weil sich die Ertragsprognose kaum von der Person des Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden kann. Zudem kann die Erwartung künftigen Einkommens, die der individuellen Arbeitskraft des Inhabers zuzurechnen ist, nicht maßgebend sein, weil es beim Zugewinnausgleich nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankommt. Daher hat der Senat für solche Fälle eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon einen Unternehmerlohn des Inhabers absetzt.
Die Bestimmung dieses Unternehmerlohns muss sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientieren. Denn nur auf diese Weise kann der auf den derzeitigen Inhaber bezogene Wert ausgeschieden werden, der auf dessen persönlichem Einsatz beruht und nicht auf den potenziellen Erwerber übertragbar ist.
Letztlich ohne Erfolg macht die Revision geltend, der für die Jahre 1997 bis 1999 angesetzte Unternehmerlohn von jeweils 110.000 € sei zu niedrig bemessen, sondern mit 440.000 € anzusetzen, weil er die gesamte Unternehmenstätigkeit aller vier Gründungsgesellschafter berücksichtigen müsse.
Für die Ertragskraft eines Unternehmens ist ein maßgeblicher Faktor, welcher Personalaufwand betrieben wird. Soweit der Gesellschafter selbst ohne Vergütung Tätigkeiten jedweder Art für das Unternehmen erbringt und dadurch Personalkosten erspart, ist hierfür ein kalkulatorischer Unternehmerlohn anzusetzen, weil dem potenziellen Unternehmenserwerber die "kostenlose" Arbeitskraft des Unternehmers nicht mehr zur Verfügung stünde.
Mithin hat das Berufungsgericht seinen Blickwinkel in unzulässiger Weise verengt, indem es allein auf § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d BewG abgestellt und deshalb als Unternehmerlohn nur die Vergütung angesetzt hat, die eine Fremdgeschäftsführung erhalten würde. Vielmehr waren dem Grundsatz nach auch sonstige Arbeitsleistungen der vier Gesellschafter für die Gesellschaft mit einem kalkulatorischen Lohn zu berücksichtigen. Denn auch für diese Tätigkeiten müsste die AG eine Vergütung entrichten.
(…) Seiner sekundären Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Daher geht es zu seinen Lasten, dass der Umfang der nicht unternehmensleitenden Tätigkeiten der vier Gesellschafter unklar geblieben ist und bei der Ermittlung des Unternehmerlohns keine Berücksichtigung finden konnte.
Auf entsprechende Nachfrage des Berufungsgerichts hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht zu erläutern gewusst, welche Tätigkeiten er und seine drei Mitgesellschafter neben ihrer unternehmensleitenden Tätigkeit entfaltet haben und in welchem zeitlichen Umfang sie insoweit tätig geworden sind. Er hat zudem ausgeführt, sie seien nicht nur im Unternehmen, sondern daneben auch anderweitig tätig gewesen. Diese Angaben ermöglichen indes nicht die Ermittlung eines angemessenen kalkulatorischen Lohns für die nicht der Leitung des Unternehmens zuzuordnenden Tätigkeiten der vier Gesellschafter.
Die Revision dringt auch nicht mit dem Einwand durch, das Berufungsgericht habe unter Verletzung des Stichtagsprinzips Geschäftsvorfälle aus der Zeit nach der gemäß § 1384 BGB maßgeblichen Zustellung des Scheidungsantrags in die Wertberechnung einfließen lassen.
(…) Es kann aber dahinstehen, ob das Stichtagsprinzip trotz der Regelung des § 201 Abs. 2 Satz 2 BewG , wonach unter Umständen das gesamte Betriebsergebnis eines am Bewertungsstichtag noch nicht abgelaufenen Wirtschaftsjahres in die Bewertung einbezogen werden kann, eine derartige zeitliche Zäsur im laufenden Wirtschaftsjahr erfordert.
Da insbesondere die vom Berufungsgericht entsprechend der Senatsrechtsprechung berücksichtigte latente Steuerlast keine dem Beklagten nachteiligen Berechnungsfehler aufweist und die angefochtene Entscheidung im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist, hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen.
BGH - Urteil vom 08.11.2017 (XII ZR 108/16)
Dass keine Auskunft geschuldet ist, ist nur ausnahmsweise dann der Fall, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf die Anspruchhöhe haben kann.
Münchener Eheleute stritten im Scheidungsverfahren über den Umfang der Auskunftspflicht über das Vermögen. Der Stichtag für die Auskunft zum Endvermögen lag im Januar 2019. Zu diesem Zeitpunkt war der Ehemann als Rechtsanwalt Partner einer Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern gewesen. Zum September 2019 hatte der Ehemann den Partnern gekündigt, wechselte beruflich in eine andere Gesellschaft und bekam bei seinem Ausscheiden eine Abfindung. Er meinte nun, der Frau müsse Kenntnis der Höhe der Abfindung genügen, um zu beurteilen, welchen Wert sein Gesellschaftsanteil im Januar 2019 gehabt habe.
Anders der BGH:
„Bei dem Gesellschaftsanteil an der P-mbB handelt es sich unzweifelhaft um einen Vermögenswert, der dem Ehemann sowohl zum Trennungs- als auch zum Endvermögensstichtag zustand. Da die Kündigung erst nach dem Endvermögensstichtag erklärt wurde und der Ehemann erst mit Ablauf des 30. September 2019 aus der P-mbB ausschied. Dass der Gesellschaftsanteil nicht veräußerbar war, stellt dessen Wert haltigkeit nicht in Frage. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich der Umstand, dass die Unternehmensbeteiligung zwar voll nutzbar, aber nicht frei verwertbar ist, für die Bewertung im Zugewinnausgleich lediglich wertmindernd auswirken. Dass der Goodwill von Seiten der Gesellschaft beim Ausscheiden eines Partners nicht entschädigt oder vergütet worden ist, schließt einen solchen im Übrigen nicht aus. Denn der Ehemann war nicht gehindert, seine Mandanten auch in der neuen Partnerschaftsgesellschaft zu betreuen. Dass der Ehemann keinen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Mandanten hatte, liegt, wie von der Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend angeführt, in der Natur der Sache und ist auch nicht erforderlich, um als Goodwill in die Bewertung einfließen zu können. Dementsprechend liegt auch keine Ausnahme von der Auskunftsverpflichtung wegen feststehender Unerheblichkeit der Auskünfte vor. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang bei der Bewertung des Gesellschaftsanteils ein Goodwill zu veranschlagen ist und sich das zeitnahe spätere Ausscheiden des Ehemanns auf den Wert niederschlagen kann, bleibt mithin der Zahlungsstufe vorbehalten. Gleiches gilt für das von der Rechtsbeschwerde angeführte Verbot der Doppelberücksichtigung in Zugewinn und Unterhalt und die zu vermeidende Kapitalisierung künftiger Gewinne. Der Anspruch auf Belegvorlage dient als Hilfsanspruch in erster Linie zur Kontrolle der Auskunft (vgl. BT-Drucks. 16/10798 S. 18). Da sich der Auskunftsanspruch auf die Zusammensetzung des Vermögens des Auskunftspflichtigen am Stichtag einschließlich der wertbildenden Faktoren richtet, sollen die vorzulegenden Belege eine Überprüfung der Angaben des Auskunftspflichtigen daraufhin ermöglichen, ob dieser seinen Wissensstand zu den von der Auskunft umfassten Punkten zutreffend und vollständig mitgeteilt hat. Mithin dient die Belegvorlage insoweit vor allem dem Ausgleich des Informationsgefälles.“
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - XII ZB 38/21
Der Bewertung einer freiberuflichen Praxis zum Stichtag kann im Rahmen des Zugewinnausgleichs regelmäßig der Zeitraum der letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden. Eine Zwischenbilanz zum Stichtag ist grundsätzlich nicht erforderlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. November 2017 - XII ZR 108/16 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Aus den Gründen:
Der Wert der freiberuflichen Praxis der Antragsgegnerin dürfte nach der modifizierten Ertragswertmethode zu ermitteln sein. Wesentlich hierfür sei der um den kalkulatorischen Unternehmerlohn bereinigte Ertrag der Praxis. Da der Antragsgegnerin die Jahresabschlüsse für den Zeitraum von 2010 bis 2014 bereits vorlägen, sei es ausreichend, für die Bewertung der Praxis gegebenenfalls noch den Jahresabschluss 2015 zu berücksichtigen, jedoch sei eine Zwischenbilanz zum Endstichtag nicht erforderlich.
Für die Bewertung freiberuflicher Praxen im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist nach der Rechtsprechung des Senats das modifizierte Ertragswertverfahren generell vorzugswürdig. Dabei wird zur Ermittlung des Vermögenswerts einer freiberuflichen Praxis über den Substanzwert am Stichtag hinaus auch der übertragbare Teil des ideellen Werts (Goodwill) am Stichtag berücksichtigt (vgl. Senatsurteile BGHZ 188, 249 = FamRZ 2011, 1367 und BGHZ 188, 282 = FamRZ 2011, 622 ). Der Senat hat es ausdrücklich gebilligt, dass der Bewertung in der Regel die letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2017 - XII ZR 108/16 - Rn. 17 mwN - zur Veröffentlichung bestimmt). Wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Antragsgegnerin die hierfür erforderlichen Angaben ohne weiteres den ihr bereits vorliegenden Jahresabschlüssen für den Zeitraum von 2010 bis 2014 (und ggf. noch dem Jahresabschluss 2015) entnehmen.
BGH - Beschluss vom 22.11.2017 (XII ZB 230/17)
Leitsätze:
a) Der Goodwill einer freiberuflichen Praxis ist als immaterieller Vermögenswert grundsätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen.
b) Bei der Bemessung eines solchen Goodwill ist im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode ein Unternehmerlohn abzusetzen, der sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientiert.
c) Die stichtagsbezogene Bewertung einer Inhaberpraxis im Zugewinnausgleich setzt eine Verwertbarkeit der Praxis voraus. Deswegen sind bereits bei der stichtagsbezogenen Bewertung dieses Endvermögens latente Ertragssteuern abzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist.
d) Die Berücksichtigung eines Goodwills im Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil er den am Stichtag vorhandenen immateriellen Vermögenswert unter Ausschluss der konkreten Arbeitsleistung des Inhabers betrifft, während der Unterhaltsanspruch auf der Arbeitsleistung des Inhabers und weiteren Vermögenserträgen beruht.
Der Fall:
Die Eheleute sind geschieden und streiten noch um den Zugewinnausgleich. Der Beklagte ist Zahnarzt und betreibt mit einem Kollegen eine Gemeinschaftspraxis. Das Amtsgericht hatte den Antrag der Klägerin auf Zahlung von Zugewinnausgleich abgewiesen. Es hatte wegen des Verbots einer Doppelverwertung gleicher Vermögensmassen im Unterhalt und Zugewinnausgleich eine Berücksichtigung des Wertes des Praxisanteils im Endvermögen des Beklagten abgelehnt. Den Wert des Praxisanteils hat das Oberlandesgericht mit 321.157 DM bemessen. Der BGH hat diese Berechnung gebillgt und daraus den ZUgewinnausgleich zugesprochen.
Aus den Gründen:
Neben sonstigem vorhandenen Vermögen ist auch ein Unternehmen oder eine freiberufliche Praxis stets mit dem vollen Wert in den Zugewinnausgleich einzubeziehen.
(...) Eine Bemessung dieses Wertes allein nach dem Umsatz verbietet sich schon deswegen, weil der Umsatz keine sicheren Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung und somit auch nicht auf den am Stichtag realisierbaren Wert zulässt. Ein besonders hoher Umsatz kann den Wert einer freiberuflichen Praxis sogar verringern, wenn den Einnahmen sehr hohe Kosten gegenüberstehen und der Ertrag deswegen mit einem hohen Unternehmerrisiko verbunden ist. Ein reines Umsatzwertverfahren eignet sich deswegen auch nicht als Vergleichsmaßstab für eine andere Bewertungsmethode. Die Bewertung einer freiberuflichen Praxis erfolgt grundsätzlich auch nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren, weil sich eine Ertragsprognose kaum von der Person des derzeitigen Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden kann. Zudem kann die Erwartung künftigen Einkommens, die der individuellen Arbeitskraft des Inhabers zuzurechnen ist, nicht maßgebend sein, weil es beim Zugewinnausgleich nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankommt. Stattdessen hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon einen individuellen Unternehmerlohn des Inhabers absetzt. (...)Diese Bewertungsgrundsätze hat der Senat im Ansatz auch auf die Inhaberschaft oder Beteiligung an freiberuflichen Praxen angewandt, die ebenfalls über einen über den Substanzwert hinausgehenden immateriellen Wert in Form eines Goodwills verfügen können. Allerdings sind solche freiberuflich betriebenen Praxen - wie hier die Gemeinschaftspraxis des Beklagten und seines Sozius - regelmäßig inhaberbezogen. Insbesondere bei kleineren freiberuflichen Kanzleien oder Praxen, bei denen die unternehmerischen Fähigkeiten des Eigentümers Wohl und Wehe des Unternehmens bestimmen, hängt der Erfolg in erheblichem Maße auch von der Person des Inhabers ab. Denn Angehörige eines freien Berufes erbringen regelmäßig eine höchstpersönliche Leistung. (...) Es kann sogar Fälle geben, in denen dem Ruf und Ansehen des Praxisinhabers eine solche überwiegende Bedeutung zukommt, dass dies einen Goodwill vollständig ausschließt oder jedenfalls deutlich herabsetzt. (...) Weil der Ertrag einer freiberuflichen Praxis nicht nur von dem vorhandenen Goodwill, sondern auch von dem persönlichen Einsatz des Inhabers bestimmt wird, muss die am Ertrag anknüpfende Bewertung des auf einen Übernehmer übertragbaren Goodwills einen Unternehmerlohn absetzen, der sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientiert. Nur auf diese Weise kann der auf den derzeitigen Praxis(mit)inhaber bezogene Wert ausgeschieden werden, der auf dessen persönlichem Einsatz beruht und nicht auf einen Übernehmer übertragbar ist.
Auf eine Kurzformel gebracht ermittelt sich der Wert einer freiberuflichen Praxis im Zugewinn also:
Substanzwert
plus Goodwill
abzgl. Unternehmerlohn
abzgl. latente (fiktive) Steuern
BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 - XII ZR 40/09
Wenn ein Ehegatte als selbständiger Handelsvertreter eine Versicherungsagentur betreibt, sind grundsätzlich weder ein über den Substanzwert hinausgehender Goodwill der Agentur noch ein künftiger Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB in den Zugewinnausgleich einzubeziehen. Der Wert der Versicherungsagentur des Antragsgegners bestimme sich nur nach dem Substanzwert. Ein über den Substanzwert hinausgehender Goodwill komme einer Versicherungsagentur nicht zu; insbesondere könne die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Bewertung von Arztpraxen oder Rechtsanwaltskanzleien nicht auf diesen Fall übertragen werden.
BGH XII ZB 534/12, Beschluss vom 4.12.2013
Eine Modifizierung des Zugewinnausgleichs in einem Ehevertrag dahingehend, dass das Betriebsvermögen des Ehemannes nur mit dem Stand seiner Kapitalkonten berücksichtigt wird und Firmenwert und stille Reserven unberücksichtigt bleiben, ist wirksam.
Eine Vereinbarung der Beteiligten, einen einzelnen Vermögensgegenstand bei der Ermittlung des Zugewinns unberücksichtigt zu lassen, ist ebenfalls zulässig.
Der Hauptanspruch auf Übertragung eines Grundstücksmiteigentumsanteils verwandelt sich in einen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Zahlungsanspruch, weil sie das Grundstück veräußert hat. In diesem Fall verwandelt sich das Gegenrecht des Antragstellers von einem Zurückbehaltungsrecht in eine Aufrechnungsmöglichkeit, wobei sich auch an dieser die rechtserhaltende Funktion des § 215 BGB fortsetzt.
OLG Bremen 5 UF 110/13, Beschluss vom 08.05.2014