Vaterschafts-Anfechtung

Wer kann wie lange das rechtliche Vater-Kind-Band lösen?

Die Vaterschaft anfechten können:
1. der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2. der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat,
3. der Mann, der eidesstattlich versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (sog. „biologischer Vater"), 4. die Mutter und   5. das Kind.

Anfechtungsfrist: 2 Jahre

Für die Anfechtung der Vaterschaft gibt es eine Frist von zwei Jahren, die frühestens mit der Geburt des Kindes beginnt. Die Frist ist vom Gericht objektiv zu prüfen und kann nicht von den Beteiligten einvernehmlich verlängert werden.

Sie läuft für jeden Anfechtungsberechtigten ab dem Zeitpunkt, ab dem er Kenntnis von den Umständen hat, die gegen die Vaterschaft sprechen. Das Kind kann auch nach Erreichen der Volljährigkeit die Vaterschaft selbst noch anfechten.
Die Feststellung, dass jemand nicht der wirkliche Vater ist, kann nur durch ein Gericht erfolgen. Sie führt zwangsläufig zur Beendigung aller rechtlichen Beziehungen (Unterhaltspflichten, Erbrecht) zwischen dem Kind und dem Vater.

Für den biologischen Vater gelten Einschränkungen, wenn das Kind in einer Ehe lebt.

Ist die Frist verpasst, die Vaterschaft anzufechten, bleibt es bei einer falschen Vaterschaft! Die Frist muss vom Gericht "von Amts wegen" beachtet werden. Es ist daher der Fall denkbar, dass sowohl Mutter als auch der rechtliche Vater darüber einig sind, dass die falsche Vaterschaft aufgelöst werden soll. Ist aber die Frist verpasst, geht das nicht mehr - erst wieder, wenn das Kind volljährig ist und selbst innerhalb seiner Frist anficht!

BVerfG 09.04.2024 - 1 BvR 2017/21

Verfassungsbeschwerde eines biologischen Vaters

Zur Verfassungsbeschwerde eines leiblichen Vaters, der nicht rechtlicher Vater werden kann, weil sein Kind mit dem Partner der Mutter als Familie zusammenlebt:
 

Manche Kinder haben zwei Väter: einen leiblichen und einen rechtlichen. Das geschieht zum Beispiel, wenn die Mutter verheiratet ist und ihr Ehemann sich um das von einem anderen Mann gezeugte Kind kümmert. Es entsteht aber auch dadurch, dass die Mutter ein Vaterschaftsanerkenntnis von einem anderen Mann als dem Erzeuger bestätigt und diesem eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind einräumt. Nach derzeitiger Gesetzeslage bleiben die Rechte des leiblichen Vaters in diesen Fällen auf der Strecke. Er kann kein Sorgerecht bekommen und seinen Familiennamen nicht weitergeben. Er kann auch nicht die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes anfechten, auch wenn unstreitig ist, dass er der biologische Vater ist.

§ 1600 Abs. 2 und Abs. 3 BGB sehen vor, dass das Vaterschaftsanfechtungsrecht des – feststehend – biologischen Vaters ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vater im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im familiengerichtlichen Verfahren eine sozialfamiliäre Beziehung besteht. In einem solchen Fall bleibt das Begehren des biologischen Vaters, auch rechtlicher Vater des Kindes zu werden, immer erfolglos, auch wenn er selbst auch eine Beziehung zu seinem leiblichen Kind hat.


Einer dieser Väter ging bis zum BVerfG.


Er hatte mit der Mutter bis kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes zusammengelebt und auch nach der Trennung täglich Umgang mit dem Kind gehabt. Beim Jugendamt hatte er eine Vaterschaftsanerkennung hinterlegt, der die Mutter aber nicht zustimmte. Daraufhin beantragte er die Feststellung seiner Vaterschaft beim Familiengericht. Als Reaktion darauf bekam er das Kind nicht mehr zu sehen, dann legte die Mutter eine Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes vor, mit dem sie nun - unverheiratet - zusammenlebte.


Das Familiengericht ordnete zunächst wieder Umgangskontakte an, holte ein Vaterschaftsgutachten ein, das die leibliche Vaterschaft des Antragstellers bestätigte, und sprach ihm die rechtliche Vaterschaft zu. Der Fall ging vors OLG, und inzwischen lebte der neue Partner der Mutter ( = rechtlicher Vater des Kindes) seit knapp einem Jahr mit dem Kind zusammen.


Deshalb wies das OLG den Antrag des leiblichen Vaters zurück: durch den Zeitablauf habe nun der neue Partner eine sozial-familiäre Bindung zu dem Kind, weshalb seine rechtliche Vaterschaft nicht mehr angefochten werden könne. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung der Schluss der Beschwerdeinstanz sei. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer keine Chance gehabt habe, die rechtliche Vaterstellung einzunehmen. Dies sei jedoch Folge der gesetzlichen Regelung.


Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer ausdrücklich eine Verletzung seines in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechts durch den Beschluss des Oberlandesgerichts. § 1600 Abs. 2 und 3 BGB in seiner Anwendung durch das Gericht mache es ihm als leiblichem Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen. Der Vorrang der sozialen Vaterschaft sei dann unverhältnismäßig, wenn der leibliche Vater zu einem Zeitpunkt, zu dem die Position der rechtlichen Vaterschaft offenstand, alles getan habe, um die rechtliche Elternposition für sein Kind zu erlangen. Der gesetzlich vorgesehene Weg der Vaterschaftsanfechtung erweise sich als wirkungslos, wenn selbst eine zeitlich nach dem gerichtlichen Feststellungsantrag erfolgte Vaterschaftsanerkennung durch einen anderen Mann vorrangig sei, weil das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung ausnahmslos auf den Zeitpunkt des Schlusses der letzten Tatsacheninstanz bezogen werde. Es werde ihm trotz seiner leiblichen Vaterschaft endgültig unmöglich gemacht, die rechtliche Vaterschaft zu erlangen, und zwar sogar dann, wenn die Beziehung zwischen der Mutter und dem rechtlichen Vater später scheitere. In der Sache richtet sich die Verfassungsbeschwerde damit auch gegen die gesetzliche Regelung über die Vaterschaftsanfechtung in § 1600 Abs. 2 Alt. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB . Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts seines Kindes geltend. Dieses habe das Recht, Gewissheit über seine Abstammung zu erlangen und zu gegebener Zeit selbst darüber zu entscheiden, ob und inwieweit es Kontakt zu seinem leiblichen Vater wünsche.


Von der im Verfassungsbeschwerdeverfahren eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme haben - ganz überwiegend in Beantwortung eines vom Senat übersandten Fragenkatalogs - der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V., der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein e.V., der Deutsche Familiengerichtstag e.V., die Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V., das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V., das Deutsche Jugendinstitut e.V., der Deutsche Juristinnenbund e.V., die Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e.V. und die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht e.V. Gebrauch gemacht.

a) Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen hat seine Einordnung der Bedeutung rechtlicher Zuordnung für die Eltern-Kind-Beziehung indirekt aus Studien zu Stieffamilien abgeleitet. Danach investierten Stiefeltern bei fehlender rechtlicher Zuordnung weniger Zeit in die Kinder und betrieben einen geringeren Aufwand in die Fürsorge der Kinder ("stepgap"). Das Wissen um die Dauerhaftigkeit der Verbindung erhöhe dagegen die Fürsorgebereitschaft. Die rechtliche Zuordnung wirke dann förderlich, wenn ein Betreuungswunsch der Betreuungsperson gegeben sei. Emotionale Bereitschaft zur Betreuung und Versorgung eines Kindes könne aber auch ohne rechtliche Zuordnung vorliegen. Bei seinen Ausführungen zu den Erkenntnissen über die Entwicklung von Bindungen und Bindungsverhalten in den verschiedenen Altersstufen des Kindes hat sich der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen im Wesentlichen auf die vor allem auf Bowlby, Ainsworth und Robertson zurückgehende Bindungstheorie mit dem Vier-Phasen-Modell gestützt. Säuglinge in den ersten drei Monaten richteten ihre Signale noch unspezifisch an verfügbare Personen. Zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensmonat richteten sie sich dann zunehmend auf eine oder mehrere Fürsorgepersonen aus und differenzierten zunehmend. Erst ab der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres entfalteten sich allmählich eindeutige, stabile Bindungen zwischen Kindern und den Bezugspersonen. Mit Ende des ersten Lebensjahres hätten Kinder dann spezifische Bindungen zu einer oder mehreren primären Bindungsperson(en) aufgebaut.

b) In seiner Stellungnahme hat der Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, ebenfalls auf Erkenntnisse der Bindungstheorie zurückgreifend, darauf verwiesen, dass die frühen Interaktionserfahrungen des Kindes sehr wichtig für das spätere Bindungsverhalten seien. Auf Grundlage der früheren Interaktionserfahrungen entwickelten sich erste feste Bindungen ab dem sechsten Lebensmonat bis zum Alter von eineinhalb Jahren. Maßgeblich für eine gute und stabile Bindung sei nicht unbedingt das Zusammenleben mit der Bindungsperson, sondern vor allem die Verlässlichkeit und die Konstanz sowie Feinfühligkeit in der Interaktion. Ab dem dritten Lebensjahr zeige das Kind ein tatsächliches Sozialverhalten. Mit voranschreitendem Kindesalter kämen zu den Kindeseltern weitere Personen hinzu, mit denen das Kind Bindungserfahrungen machen könne. Ergebnisse von Studien zu sogenannten Patchworkfamilien zeigten, dass auch zu mehreren Personen mit elterlicher Funktion enge Bindungen entstehen könnten.

c) Für die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter hat das Zentrum Bayern Familie und Soziales Stellung genommen und sich dabei ebenfalls auf Erkenntnisse zu Stieffamilien gestützt. Die Frage der rechtlichen Zuordnung stelle für die Qualität der Beziehung zwischen Kind und Elternteil keine relevante Größe dar. Die Motivation für die Änderung der rechtlichen Zuordnung des Kindes liege meist in der Befriedigung der Bedürfnisse der Eltern begründet. Die emotionale Bereitschaft, ein Kind zu betreuen, ergebe sich überwiegend aus der Partnerschaftsdynamik. Damit ein Kind eine emotionale Stabilität und Belastbarkeit aufbauen könne, bedürfe es nach den Erkenntnissen der Bindungstheorie innerer und äußerer Schutzfaktoren, wie die Unterstützung kritischer Lebensereignisse durch die Bezugspersonen, wertschätzende Beziehungen der Bezugspersonen zueinander und Respekt gegenüber außerhalb des Haushalts lebenden Bezugspersonen. Darüber hinaus sind in der Stellungnahme vier unterschiedliche Qualitäten von Bindungsmustern erläutert worden: Kinder mit sicheren Bindungen hätten Vertrauen in die Bezugsperson und seien resilienter. Sie machten etwa bei Angst auf sich aufmerksam, um geschützt zu werden. Kinder mit unsicher-vermeidenden Bindungen hätten vermehrt Abweisung, Distanz oder Teilnahmslosigkeit ihrer Bezugsperson erfahren. Das führe zu Enttäuschung beim Kind, dieses passe sich dahingehend an, dass es Nähe meide und sich eher selbst beschäftige. Kinder mit unsicher-ambivalenten Bindungsmustern hätten vermehrt erfahren, dass das Suchen nach Geborgenheit von den Bezugspersonen mit unterschiedlichem Verhalten beantwortet werde. Dabei wechsele dieses Verhalten zwischen besonderer Fürsorge und Zurückhaltung. Das Kind entwickele eine starke Anhänglichkeit. Kinder mit desorganisierter Bindung hätten keine eindeutige Strategie, wie sie sich in Beziehungen verhielten. Häufig hätten solche Kinder belastende Erfahrungen mit ihren Bezugspersonen gemacht, und es könnten Bindungsstörungen auftreten.

d) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sich dafür ausgesprochen, dass ein leiblicher Vater, der sich um eine Beziehung mit dem Kind bemühe, auch als rechtlicher Vater anerkannt werde. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Mutter ausschließlich temporäre Beziehungen eingehe. Zusätzliche Bezugspersonen hätten für das Kind in den meisten Fällen große Vorteile. Lege man die Erkenntnisse des Adoptionsrechts zugrunde, erscheine die Sorge völlig unbegründet, die Anerkennung des leiblichen, nicht im Haushalt mit der Mutter und dem Kind lebenden Vaters werde das Familiengefüge und die Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter und dem potenziell ebenfalls als Bezugsperson auftretenden Partner der Mutter stören. Die auf ein Umgangs- und Auskunftsrecht beschränkte Position des leiblichen Vaters werde den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht.

e) Nach Auffassung des Deutschen Anwaltvereins verletzt die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgegebene Nichtberücksichtigung der sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und leiblichem Vater das verfassungsrechtliche Gebot der Effektivität des Anfechtungsverfahrens, weil es für den leiblichen Vater im Fall der sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater am Ende der letzten Tatsacheninstanz keine Möglichkeit gebe, eine Elternstellung einzunehmen. Es müsse in verfassungsgemäßer Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts generell tatrichterlich in jedem Fall eine Einzelfallbewertung erfolgen.

f) Für den Deutschen Familiengerichtstag hat dessen Kinderrechtekommission auf die Segmentierung und Pluralisierung von Elternschaft verwiesen, die mit der Veränderung familialer Lebensformen einhergingen. Jedes Elternschaftssegment habe wesentliche Bedeutung für die Kindesentstehung und -entwicklung. Wenn der genetische nicht-rechtliche Vater alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumente des Abstammungsrechts genutzt habe, die rechtliche Elternstellung zu erlangen, dürfe diese ihm nicht vollständig und für immer versperrt werden. In dem Fall müsse § 1600 Abs. 2 BGB teleologisch reduziert werden.

g) Auch die deutsche Gesellschaft für Psychologie hat sich in ihrer Stellungnahme auf Erkenntnisse aus der Stiefelternforschung gestützt. Wie sich am Phänomen des "stepgap" zeige, komme der rechtlichen Zuordnung zwischen Eltern und Kind für die tatsächliche Beziehung Bedeutung zu. Maßgeblich für den "stepgap" seien Unsicherheiten wegen der fehlenden Institutionalisierung der Stiefelternrolle und der fehlenden Weitergabe der eigenen Gene. Was die Bindungen der Kinder und Jugendlichen zu ihren leiblichen Eltern und Stiefeltern angehe, so zeigten Studien, dass gleichermaßen enge Bindungen zu den leiblichen und den sozialen Elternteilen bestehen könnten. Weitere Studien zu alleinerziehenden Elternteilen erlaubten den Schluss, dass trennungsbezogene Erschwernisse Grund für die Nachteile von Stiefkindern und Kindern in Ein-Eltern-Haushalten seien, während die erhöhte Komplexität von Elternschaftskonstellationen in Stieffamilien keine höhere Belastung für Kinder darstelle.

h) Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht hat sich für eine Abwägung der verschiedenen Vater-Beziehungen zum Kind im Einzelfall ausgesprochen. Aus der Perspektive des Kindes komme es vor allem darauf an, wer in der Vergangenheit und aktuell und prognostisch in der Zukunft am verlässlichsten Verantwortung übernehme. Die Mutter habe mit ihrem Einfluss auf die Vaterschaftsanerkennung eine starke Stellung, die in den Fällen problematisch sei, in denen sie Interessen verfolge, die nicht denen des Kindes entsprächen. § 1600 BGB sei sprachlich zu präzisieren. Alternativ könnten Vaterschaftsanerkennungen während laufender Vaterschaftsfeststellungsverfahren ausgeschlossen werden.

i) Wie andere Stellungnahmen auch hat sich das Deutsche Jugendinstitut für die Darstellung der Bindungsentwicklung eines Kindes auf die Bindungstheorie und das dort entwickelte Vier-Phasen-Modell bezogen und zudem auf die große Bedeutung des sozialen Umfeldes verwiesen. Konflikte zwischen den Bezugspersonen und die Unterstützung des Kontakts zu Bezugspersonen durch andere Bezugspersonen prägten die Bindungsentwicklung des Kindes.

j) Nach Einschätzung des Deutschen Juristinnenbundes ist sowohl die genetische als auch die soziale Verbindung für das Kind und seine Entwicklung von großer Bedeutung. Die Konkurrenzsituation zwischen dem leiblichen Vater und dem rechtlich-sozialen Vater sei dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und der Einzelfallentscheidung im Rahmen familiengerichtlicher Verfahren zuzuweisen.

k) Die Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland hat sich unter anderem zu der Bedeutung der biologischen Herkunft und der rechtlichen Zuordnung für das Kind selbst geäußert. Während erstere schon im Kindergartenalter wichtig sei, sei letztere erst einmal irrelevant, es sei denn sie werde durch die Erwachsenen genutzt, um Kontakte zu erzwingen oder zu verhindern. Insbesondere der Mutter, die in den meisten Fällen Hauptbezugsperson des Kindes sei, komme dabei eine Schlüsselposition für die Entwicklung von Bindungen des Kindes zu anderen Personen zu. Die rechtliche Verbindung sorge zwar für mehr Klarheit, aber selten für psychologisch abschließende Lösungen.

l) Gestützt auf Studien zu sogenannten Patchworkfamilien hat die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht dahingehend Stellung genommen, dass Kinder sich innerhalb komplexer Familiensysteme gut entwickelten. § 1600 Abs. 2 und 3 BGB verstießen gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und gegen Art. 8 EMRK , weil sie bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater dieser ausnahmslos den Vorrang einräumten. Wertungen des Sorge- und Umgangsrechts seien auf die Konflikte zwischen Eltern im Abstammungsrecht zu übertragen, die Entwicklung von Beziehungen dürfe nicht von der Mutter abhängen. Vorzugswürdig sei eine konkrete Interessenabwägung im Einzelfall.

 

Als der Fall vor dem BVerfG verhandelt wurde, war das Kind 3 Jahre alt und das BVerfG gab dem leiblichen Vater Recht.


Der Antragsteller wurde aber immer noch nicht rechtlicher Vater: das BVerfG stellte "nur" fest, dass die Anfechtungssperre in § 1600 Abs. 2 Alt. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – dem Elterngrundrecht - unvereinbar ist. Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, dieses Unrecht zu beseitigen. Das BVerfG erklärt die Norm aber nicht für nichtig, sondern für befristet fortgeltend, und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis 30.06.2025 für die nötigen Änderungen.


Der Fall des Antragstellers wurde zurück an das OLG Naumburg gegeben und dort ausgesetzt, bis der Gesetzgeber eine neue Regelung getroffen hat.

Das BVerfG ließ dem Gesetzgeber offen, ob die Neuregelung weiterhin die Zahl der rechtlichen Eltern auf zwei begrenzt oder ob es in Zukunft Drei-Eltern-Familien geben wird.


Bleibt es bei zwei Eltern, müssen die Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter geändert werden. Denn mit der leiblichen Elternschaft verbindet das Grundgesetz die Vorstellung, dass den leiblichen Eltern das Wohl des Kindes "mehr am Herzen liegt als jeder anderen Person". Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG muss es grundsätzlich möglich sein, Elternverantwortung für ihre Kinder erhalten und ausüben zu können.

Alternativ könnten Mutter, leiblicher Vater und rechtlicher Vater nebeneinander Eltern sein. Denn auch die Interessen eines nicht-leiblichen Vaters, der als Ehemann der Mutter eine Beziehung zu dem Kind hat und Verantwortung übernehmen möchte, müssen berücksichtigt werden.


Sähe der Gesetzgeber eine rechtliche Elternschaft von drei Elternteilen vor, müsste er nicht allen diesen Elternteilen gleiche Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind einzuräumen, sondern er kann die jeweilige Rechtsstellung der Elternteile differenzierend ausgestalten.


Abzuwarten ist also, für welchen Weg die Politik sich entscheidet.


BVerfG, Urteil vom 09.04.2024 - Aktenzeichen 1 BvR 2017/21


  • Frist verpasst: Trotz Kondom ist Zweifel angebracht

    Im Fall des BGH fiel einer Ehefrau nach der Scheidung ein, dass das eheliche Kind möglicherweise einen anderen Vater habe. Sie focht die Vaterschaft des Ex-Ehemannes an.


    Das Kind war da schon vier Jahre alt, also war ihre Zweijahresfrist ab Geburt vorbei. Bei der Fristenfrage kommt es stets darauf an, ab wann der Anfechtende ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft hätte haben müssen:


    „Zu den Umständen, deren Kenntnis die Anfechtungsfrist in Lauf setzt, gehört regelmäßig bereits ein einmaliger außerehelicher Geschlechtsverkehr der Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, und zwar auch dann, wenn der Ehemann innerhalb dieser Zeit der Kindesmutter ebenfalls beigewohnt hat und es den Umständen nach nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Kind aus der außerehelichen Beiwohnung stammt. Insbesondere setzt der Beginn der Anfechtungsfrist nicht voraus, dass aufgrund der dem Anfechtenden bekannten Umstände die Vaterschaft eines Dritten wahrscheinlicher ist als die des Ehemannes (…).“


    Bis zum BGH ging der Fall, in dem es letztlich um die Rechtsfrage ging, wie sicher Verhütung mit Kondom statistisch ist. Beim Geschlechtsverkehr mit dem anderen Mann hatte die Ehefrau sich nämlich mit einem Kondom geschützt.


    Der BGH betonte, dass die Kenntnis von einem außerehelichen Geschlechtsverkehr der Kindesmutter während der Empfängniszeit die Anfechtungsfrist nicht immer in Lauf setze. Vielmehr müsse sich aus dem außerehelichen Geschlechtsverkehr die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem Dritten ergeben. Dabei ist auf die Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen.


    Ein verständiger Betrachter müsse bei der Benutzung eines Kondomes aber damit rechnen, dass entgegen der Absicht eine Schwangerschaft eintrete:


    „Insoweit hat der Senat bereits darauf hingewiesen, es sei allgemein bekannt, dass die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung mit Kondomen deutlich geringer sei, als die anderer Verhütungsmittel wie etwa der „Pille“. Er hat darauf Bezug genommen, dass nach dem sog. „pearl-Index“ bei regelmäßiger Verwendung von Kondomen zwei bis zwölf von 100 Frauen innerhalb eines Jahres schwanger werden, gegenüber der deutlich höheren Sicherheit bei Einnahme der „Pille“ (…). Zwar könne die Kenntnis der Größenordnung dieser Versagungsquoten nicht allgemein vorausgesetzt werden; eine ungefähre Vorstellung von diesem Risiko müsse aber zum allgemeinen Wissen gezählt werden (…). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Das Versagungsrisiko von Kondomen liegt im Wesentlichen in der fehlerhaften Anwendung begründet. Das wird nicht nur in der gesundheitlichen Aufklärung (…) besonders betont, sondern ist (…) regelmäßig bekannt. Da auf die objektive und vollständige Beurteilung abzustellen ist, kommt es auf den individuellen Bildungsstand des Anfechtungsberechtigten nicht entscheidend an (…)“



    Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.12.2013 (XII ZR 58/12)


  • Heimliche Abstammungstests sind vor Gericht nutzlos

    Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Verwertung heimlich eingeholter Abstammungsgutachten nicht zulässig ist, da ein solches Gutachten das Recht des betroffenen Kindes auf informelle Selbstbestimmung verletzt. Ohne Zustimmung der Kindesmutter zu einem genetischen Abstammungsgutachten wäre damit die reine Feststellung der Vaterschaft faktisch unmöglich geworden.

  • Kann man ein Gutachten erzwingen?

    Als Lösung für diese missliche Situation hat der Gesetzgeber 2008 ein Gesetz verabschiedet, mit dem dem gesetzlichen Kindesvater, ebenso wie dem Kind selbst und der Mutter, die reine Feststellung der Vaterschaft ermöglicht wird. Dadurch besteht ein Anspruch auf Durchführung eines Abstammungsgutachtens. Ergibt das Gutachten, dass der gesetzliche Vater nicht der biologische Vater des Kindes ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass seine Vaterschaft zu diesem Kind aufgehoben ist. Wenn ein solches Ergebnis erreichen werden soll, muss weiterhin ein Anfechtungsverfahren eingeleitet werden. Darauf kann aber auch verzichtet werden.

  • OLG Hamm 2013: Wer die Anfechtung verpasst, schuldet Unterhalt

    1996 wurde das Kind ehelich geboren, die Ehe wurde geschieden und die Mutter heiratete neu: den biologischen Vater. Warum der erste Ehemann die Vaterschaft nicht anfocht, ist unklar, denn alle wussten, dass er nicht der Erzeuger des Kindes war.


    Das Kind lebt jetzt in der neuen Ehe der Mutter mit seinem leiblichen Vater und akzeptiert nur diesen Vater. Den früheren Ehemann der Mutter, der auf dem Papier Vater ist, „ignoriere“ das Kind. Deshalb fand der rechtliche Vater, seine Inanspruchnahme auf Unterhalt sei „treuwidrig“. Die Vaterschaft anfechten konnte er nicht mehr, da die Frist längst abgelaufen war. Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB gilt als Vater, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Ist der rechtlich zugeordnete Vater nicht der leibliche Vater, kann er die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes innerhalb von zwei Jahren gerichtlich anfechten, wobei die Frist gem. § 1600b BGB mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem er von den Umständen erfährt, die gegen seine Vaterschaft sprechen.


    Dem Argument „treuwidrig“ folgte das OLG Hamm nicht. Die rechtliche Vaterschaft wirke für und gegen alle. Dabei sei es gleichgültig, ob zwischen allen Beteiligten unstreitig sei, dass der rechtliche Vater nicht der leibliche Vater sei.


    Deswegen könne sich der rechtliche Vater nur und erst dann auf die Vaterschaft eines anderen Mannes berufen, wenn die gesetzliche Vermutung seiner Vaterschaft aufgrund einer gerichtlichen Vaterschaftsanfechtung beseitigt sei. Diese gerichtliche Klärung sei unverzichtbar, selbst wenn unter den Beteiligten kein Streit darüber bestehe, wer der leibliche Vater sei.


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 20.11.2013 -  2 WF 190/13

  • BGH 15.11.2017: Trotz Beziehung zum Kind keine rechtliche Vaterschaft

    a) Bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater ist der Antrag des leiblichen Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft stets unbegründet (Fortführung von Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 ).

    b) Eine Auslegung des Gesetzes dahin, dass die Anfechtung dennoch möglich sei, wenn der leibliche Vater seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, ist nicht zulässig.

    c) Das mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einhergehende Elternrecht des rechtlichen Vaters ist auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterstellung erlangen zu können, vorrangig (im Anschluss an BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 und Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 ).

     

    BGH - Beschluss vom 15.11.2017 (XII ZB 389/16)


    Vorinstanz: OLG Hamm, vom 13.07.2016 - II-12 UF 51/16


    Der Fall:


    Eine Mutter hat zwei Kinder mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist. Nennen wir ihn Mann 1. Sie hat sowohl mit diesem eine on-off-Beziehung als auch später mit einem anderen Mann, Mann 2.


    Das ganze scheint etwas durcheinander.


    Mann 2 zeugt ein drittes Kind, Mann 2 heiratet sie sogar später. Mann 1 hatte aber mit ihrer Zustimmung die Vaterschaft für das dritte Kind anerkannt (während diese beiden gerade zusammen waren), Mann 1 hat auch zu allen Kindern ein Umgangsrecht.


    Inzwischen ist sie aber mit Mann 2 verheiratet, lebt mit ihm zusammen, und der möchte gern rechtlicher Vater für das von ihm gezeugte Kind 3 sein.


    Die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass neben dem rechtlichen auch der leibliche Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hat. Nach der Einschätzung des Verfahrensbeistands hatten beide Väter eine vertrauensvolle Beziehung zum Kind.


    Aus den Gründen:


    b) Das Anfechtungsbegehren des leiblichen Vaters ist nach § 1600 Abs. 2 BGB nur begründet, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat. Darauf, ob auch zwischen leiblichem Vater und Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht, kommt es nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht an.


    aa) Für eine einschränkende Auslegung der Norm besteht entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts keine Möglichkeit. Dass eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater, wie das Oberlandesgericht meint, einer Anfechtung durch den leiblichen Vater dann nicht entgegenstehe, wenn dieser seinerseits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind habe und mit ihm in einer Familie zusammenlebe, findet im Gesetz keine Grundlage und ergibt sich insbesondere nicht aus einer historischen oder teleologischen Auslegung.


    (1) Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 598 ) eingeführt worden. Der Gesetzgeber kam damit einer Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach, die dieses in seiner Entscheidung vom 9. April 2003 (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 ) getroffen hatte. Das Bundesverfassungsgericht hatte § 1600 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung für insoweit mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar erklärt, als er den leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos von der Anfechtung einer Vaterschaftsanerkennung ausschloss. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stehe. Leiblicher Vater eines Kindes zu sein, mache diesen zwar allein noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG . Die Grundrechtsnorm schütze den leiblichen Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Dieser Schutz vermittle ihm kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Ihm sei jedoch vom Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehe und festgestellt werde, dass er der leibliche Vater des Kindes sei (BVerfGE 108, 82 = FamRZ 2003, 816 , 818).


    (2) Damit hat das Bundesverfassungsgericht den verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen einer gesetzlichen Neuregelung bereits dahin vorgegeben, dass das Anfechtungsrecht gesetzlich zu gewährleisten ist, wenn keine familiäre Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater besteht. Dass sich die Begründung insoweit nicht nur auf den rechtlichen Vater, sondern auf beide rechtlichen Eltern bezieht, ist schon deshalb nicht ausschlaggebend, weil für die Anfechtung der Vaterschaft das Bestehen oder Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Mutter nicht erheblich sein kann. Dementsprechend stellt das Gesetz auch nicht auf eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes mit seinen rechtlichen Eltern, sondern nur auf eine solche mit seinem rechtlichen Vater ab. Denn auch für das Elternrecht des rechtlichen Vaters kommt es nicht darauf an, ob dieser in familiärer Gemeinschaft mit der Mutter lebt oder nicht. Nach der Trennung von der Mutter bleibt er unverändert Träger des Elternrechts. Geht das Elternrecht des rechtlichen Vaters mit einer bestehenden sozial-familiären Beziehung einher, ist es auch in dieser Konstellation gegenüber dem grundrechtlich geschützten Interesse des leiblichen Vaters, in die rechtliche Vaterstellung einrücken zu können, vorrangig. Daran hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien bewusst orientiert (BT-Drucks. 15/2253 S. 11).


    (3) Dem entspricht es zudem, dass das Kind nicht selten eine sozial-familiäre Beziehung auch zu seinem leiblichen Vater haben kann, sei es, dass dem leiblichen Vater - wie vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit zugleich entschieden worden ist - aufgrund einer früheren sozial-familiären Beziehung ein Umgangsrecht gemäß § 1685 Abs. 2 BGB zusteht, sei es, dass er nach § 1686 a BGB erstmals Umgangskontakte mit seinem leiblichen Kind erwirken kann (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 212, 155 = FamRZ 2016, 2082 Rn. 19 ff.). In diesen Fällen kann der leibliche Vater auch neben dem rechtlichen Vater eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufbauen, ohne dass ihm dies zugleich die Anfechtung eröffnen würde. Die vom Oberlandesgericht hier weiter aufgestellte Voraussetzung, zwischen dem leiblichen Vater, der Mutter und dem Kind müsse zusätzlich eine familiäre Beziehung bestehen, würde hingegen letztlich die sozial-familiäre Beziehung zur Mutter den Ausschlag geben lassen. Das würde aber sowohl dem Elternrecht des rechtlichen Vaters als auch der gesetzlichen Systematik in § 1600 Abs. 2 und 3 BGB widersprechen, die nur auf die Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das Kind abstellt, nicht aber auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung des rechtlichen Vaters zur Mutter. Der Mutter steht ohnedies ein eigenes Anfechtungsrecht zu, das selbst von einer bestehenden sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater nicht gehindert wird. Von diesem hat die Kindesmutter, die vor dem Amtsgericht der Vaterschaftsanfechtung ausdrücklich widersprochen hat, im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht.


    bb) Die wortlautgetreue Gesetzesanwendung entspricht somit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Dafür, dass der Gesetzgeber darüber hinausgehen und dem leiblichen Vater weitergehende Rechte einräumen wollte, als dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Blick auf die widerstreitenden Grundrechtspositionen von rechtlichem und leiblichem Vater geboten war, ist nichts ersichtlich (ebenso BeckOGK BGB/Reuß [Stand: 1. Juli 2017] § 1600 Rn. 84 mwN). Die Regelung in § 1600 Abs. 2 BGB ist somit ihrem Wortlaut entsprechend als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren. Die Frage, ob die bestehende gesetzliche Regelung auch zukünftig noch rechtspolitisch wünschenswert erscheint oder ob den Interessen des leiblichen Vaters ein höherer Stellenwert gebührt, fällt schließlich in die alleinige Zuständigkeit des Gesetzgebers (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt).


    c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Neuregelung ergeben sich nicht. Der Gesetzgeber hat sich bei der Gesetzesfassung an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts orientiert, die dieses aus einer grundrechtlichen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten entwickelt hat. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner nachfolgenden Rechtsprechung die gesetzliche Regelung nicht beanstandet (BVerfG FamRZ 2015, 817 f. mwN; vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).


    Die Gesetzeslage ist schließlich auch mit Art. 8 EMRK vereinbar (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 817 ; Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 525/16 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die vom deutschen Gesetzgeber getroffene Entscheidung als im Rahmen des nationalen Beurteilungsspielraums zulässig angesehen (vgl. etwa EGMR Urteil vom 22. März 2012 - 45071/09 - [...] Rn. 64 ff.; EGMR FamRZ 2014, 1257 und FamRZ 2016, 437 ). Zwar lag den Entscheidungen noch kein Fall wie der vorliegende zugrunde, in dem das Kind zu dem leiblichen wie dem rechtlichen Vater zugleich in einer sozial-familiären Beziehung steht und zudem mit dem leiblichen Vater und der Mutter zusammenlebt. Auch insoweit liegt es aber im Rahmen des nationalen Beurteilungsspielraums, dass der deutsche Gesetzgeber die Beseitigung der rechtlichen Abstammung als Statusbeziehung aus Gründen der Rechtssicherheit an geeignete generelle Kriterien geknüpft und eine offene, zeitlich nicht fixierte Abwägung der beiderseitigen Interessen des leiblichen und des rechtlichen Vaters nicht vorgesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 170, 161 = FamRZ 2007, 538 , 540). Den gleichwohl anzuerkennenden Interessen des leiblichen Vaters an einem familiären Leben mit seinem Kind (vgl. EGMR FamRZ 2011, 269 Rn. 61 und FamRZ 2011, 1715 , 1716) ist dann auf andere Weise Rechnung zu tragen, wie dies der Gesetzgeber durch die Gewährung eines Umgangsrechts des leiblichen Vaters in § 1686 a BGB umgesetzt hat.


    BGH - Beschluss vom 15.11.2017 (XII ZB 389/16)

  • Kuckuckskind: Mutter muss möglichen Vater nicht benennen

    „Scheinväter“ sind nicht leiblich mit dem Kind verwandt, aber rechtlich verantwortlich, weil sie z.B. mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet sind. Wenn ihre fehlende leibliche Vaterschaft erst später auffällt, haben sie Unterhalt für ein „fremdes“ Kind geleistet und damit den biologischen Vater entlastet. Daraus entsteht ein Schadenersatzanspruch gegen den biologischen Vater.


    Wurde die Vaterschaft erfolgreich angefochten und zur Vorbereitung eines Unterhaltsregresses, muss die Mutter den Namen des Mannes nennen, der für das Kind als Vater in Frage kommt.


    Im Fall des BGH waren die Parteien nicht verheiratet, aber der Mann hatte das Kind als seines beim Jugendamt frewillig anerkannt, weil er der Mutter gegalubt hatte, er sei der biologische Vater. Da sich die Parteien inzwischen getrennt hatten, zahlte er an die Mutter insgesamt 4.575 € Kindes- und Betreuungsunterhalt.


    Als sich später mit einem Vaterschaftstest herausstellte, dass er nicht biologischer Vater war, focht er die rechtliche Vaterschaft erfolgreich an. Dadurch gingen die Unterhaltsansprüche gegen den leiblichen Vater nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB in Höhe des geleisteten Unterhalts auf den Mann über. Er konnte dies aber faktisch nicht durchsetzen, weil ihm der leibliche Vater nicht bekannt war. Die Mutter kannte ihn.


    Bis zum BGH bekam der Mann recht: Die Mutter musste ihm Auskunft geben. Die Familiengerichte, OLG´s bis hin zum BGH hatten den Auskunftsanspruch aus einer Allgemeinklausel „Treu und Glauben“ hergeleitet. 


    Das Verfassungsgericht kippte dies:


    So geht es nicht, sagt das BVerfG, wegen der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung. Solange der Gesetzgeber die Lücke nicht schließt, wiegt das Grundrecht der Mutter schwerer. Immerhin geht es bei ihr um die Intimsphäre. Die Richter des OLG Schleswig waren davon ausgegangen, dass ja ohnehin klar gewesen sei, dass die Mutter mit einem anderen Mann Sex gehabt habe - da sei die Nennung des Namens kein zusätzliches intimes Geheimnis. Diese Bewertung halten die Richter des BVerfG für unzureichend.


    Damit ist das BGH-Urteil vom 9.11.2011 (XII ZR 136/09) überholt.


    BVerfG, Beschl. v. 24.02.2015, Az. 1 BvR 472/14

  • Darf der Samenspender die Vaterschaft erkämpfen?

    Der BGH hat am 15. Mai 2013 über die Reichweite des Rechts des sogenannten biologischen Vaters zur Anfechtung der Vaterschaft in Fällen einer Samenspende verhandelt und ein Anfechtungsrecht des Mannes bejaht, der einem lesbischen Paar seine Samenflüssigkeit in einem Gefäß zur Verfügung gestellt hatte.


    BGH vom 15. Mai 2013 - XII ZR 49/11


    Nicht ohne weiteres übertragbar ist diese Entscheidung auf anonyme Samenspenden durch Vermittlung einer Samenbank.

  • Darf der gesetzliche Vater nach Samenspende anfechten?

    Im Fall des OLG Oldenburg wollte der Ehemann der Mutter die Vaterschaft des Kindes anfechten, weil er zeugungsunfähig sei und die Mutter sich heimlich habe künstlich befruchten lassen. Allerdings kam im Verfahren heraus, dass er mit der künstlichen Befruchtung sehr wohl einverstanden gewesen war. Daher konnte er seine gesetzliche Vaterschaft nicht anfechten. Der Gesetzgeber habe in Fällen, in denen sich Eheleute bewusst für die Zeugung eines Kindes durch künstliche Fremdsamenübertragung entscheiden, die Anfechtung ausgeschlossen. Die Eltern übernehmen eine besondere Verantwortung für das auf diese Weise gezeugte Kind und dürften nicht im Nachhinein über die zuvor einvernehmlich getroffene Wahl der Fremdzeugung ihre elterliche Verantwortung wieder aufheben lassen.


    Etwas anderes gelte nur dann, wenn es sich nicht um eine künstliche Befruchtung handele, sondern der Geschlechtsakt mit dem Samenspender tatsächlich vollzogen worden sei.


    Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 30.06.2014 - 11 UF 179/13



  • BVerfG 19.4.2016: DNA-Probe nicht ins Blaue hinein

    Abstammungsinteresse gegen Privatsphäre


    Besonders kompliziert wird das Familienrecht in Sachen Vaterschaft. Da gibt es den rechtlichen Vater, den biologischen Vater, den sozialen Vater und den Putativvater.    

    Putativvater ist ein Mann, von dem jemand denkt, der sei der leibliche Vater, ohne dass es dafür bisher einen Beweis gibt. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich damit auseinander zu setzen, ob man diesen Beweis erzwingen kann.             

    Seit 2008 gibt es dafür § 1598a BGB. Nun kann man aber nicht zu jedermann hingehen und die Entnahme einer genetischen Probe verlangen, sondern es muss zwischen Kind und dieser Person eine rechtliche Beziehung bestehen. Dieser Paragraph hilft also nur, wenn es sich schon um den rechtlichen Vater handelt und aufgeklärt werden soll, ob dieser überhaupt der biologische Vater ist.

    Ein generelles Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gibt es dagegen nicht. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll das auch so bleiben.             

    Abzuwägen war das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegen das Persönlichkeitsrecht des Putativvaters, seine Sexualkontakte geheim halten zu dürfen.           

    Die Entscheidung: Der Schutz der Intimsphäre geht dem Abstammungsinteresse vor.      

    Bestehende Familien könnte es erheblich belasten, wenn Außenstehende ohne nähere Voraussetzung einen Abstammungstest verlangen könnten. Bereits der damit aufkommende Verdacht einer außerehelichen Beziehung und eines unbekannten Kindes würde das Vertrauen und damit die familiäre Beziehung stören. Wegen dieser weitreichenden Folgen lehnte das BVerfG Abstammungstests „ins Blaue“ hinein ab.          

    Darüber hinaus sehen die Karlsruher Richter dafür auch keine Notwendigkeit. Denn aus ihrer Sicht ermöglicht die aktuelle Gesetzeslage auch die Abstammungsklärung im Wege der Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d BGB. Diese ist möglich, sofern keine rechtliche Vaterschaft besteht. Dieses Vorgehen war der Klägerin aber im konkreten Fall jedoch nicht mehr möglich. Denn sie hatte bereits in den 50er-Jahren ein entsprechendes Verfahren gegen ihren mutmaßlichen Vater erfolglos geführt.


    (Bundesverfassungsgericht, Urteil v. 19.04.2016, Az.: 1 BvR 3309/13)

  • Mann besorgt Fremdsperma für seine Freundin und muss Unterhalt für das Kind zahlen, ohne Vater zu sein

    Eher exotisch dürfte folgender Sachverhalt sein:


    Ein unfruchtbarer Mann hatte für seine Freundin Fremdsperma besorgt. Beide begaben sich zum Hausarzt, der den Mann handschriftlich notieren ließ (auf einem "Notfall-/Vertretungsschein"): "Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!".  Nicht bei dieser Insemination, aber bei einer späteren wurde die Freundin schwanger. Bis zur Geburt hatte das Paar sich aber getrennt. Dieser Mann war nun weder Erzeuger noch rechtlicher Vater. Er hatte die Vaterschaft auch nicht anerkannt. Dennoch hatte ihn das OLG Stuttgart hatte ihn zu Unterhaltszahlungen an das Kind verurteilt und der BGH bestätigte die Entscheidung.


    Es liege ein Vertrag zu Gunsten Dritter vor, woraus sich  für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht ergibt, „wie ein rechtlicher Vater“ für dessen Unterhalt zu sorgen. Die Einwilligung des Mannes habe sich auf die auf die Begründung einer der Vaterschaft entsprechenden Verantwortung gerichtet. Sie entspreche insoweit der Einwilligung in eine künstliche Befruchtung im Sinn von § 1600 Abs. 5 BGB, welche die Anfechtung der Vaterschaft durch einen rechtlichen Vater und die Mutter ausschließt. Die Erklärung des Mannes bedarf nach Auffassung des Bundesgerichtshofs keiner besonderen Form, was der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers in § 1600 Abs. 5 BGB entspricht. Ein Schutz vor übereilten Erklärungen ist in diesem Zusammenhang vom Gesetz nicht vorgesehen und kann auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen hergeleitet werden. Im Unterschied zur (jeweils formbedürftigen) Anerkennung der Vaterschaft oder Adoption geht es hier nicht um die Übernahme der väterlichen Verantwortung für ein existierendes Kind. Vielmehr führt erst die Einwilligung des Mannes dazu, dass das Kind gezeugt und geboren wird. Weil dies dem Mann bei seiner Einwilligung auch bewusst ist, hat er wie ein rechtlicher Vater für den Unterhalt des Kindes einzustehen.


    BGH vom 23.09.2015 - XII ZR 99/14



Vaterschafts-Anerkennung nach Scheidungsverfahren
Schwanger im Trennungsjahr?
Geburt zwischen Trennung und Scheidung

Ein Kind, das während rechtlichen Bestehens einer Ehe zur Welt kommt, ist ehelich - auch wenn allseits bekannt ist, dass der Ehemann nicht der Vater ist.

Eine Möglichkeit, ein teures und aufwendiges Anfechtungsverfahren zu vermeiden, ist a) die Einleitung des Scheidungsverfahrens noch vor Geburt plus b) die Zustimmung aller Beteiligten: Mutter, Ehemann und leiblicher Vater.

Das OLG Köln hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Kind während der Ehe geboren wurde (das Scheidungsverfahren lief bereits) und damit als ehelich galt. Alle drei - Mutter, leiblicher Vater und Ehemann - waren aber darüber einig, von wem das Kind abstammt. Der leibliche Vater gab sein Anerkenntnis ab, die Mutter stimmte zu - bloß der Ehemann, in dessen Interesse es eigentlich gewesen wäre, die rechtliche Vaterschaft loszuwerden, war etwas „saumselig". Erst über ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung stimmte er der Vaterschaft des Anderen zu.
Das OLG musste nun prüfen, ob die Jahresfrist des § 1599 BGB abgelaufen war.
§ 1599 Abs. 2 BGB durchbricht den Grundsatz, wonach die gesetzliche Vermutung, dass ein während der Ehe geborenes Kind vom Ehemann der Mutter abstammt, nur durch eine gerichtliche Entscheidung beseitigt werden kann. Die Vorschrift ermöglicht in den Fällen, in denen das Kind nach Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens geboren wird, die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten und die Beseitigung der Vaterschaftszurechnung zum bisherigen Ehemann ohne gerichtliches Anfechtungsverfahren. Voraussetzung ist, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung anerkennt und die Mutter und der geschiedene Ehemann der Anerkennung zustimmen.
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass Kinder, die während eines laufenden Scheidungsverfahrens geboren werden, im Hinblick auf die Zerrüttung der Ehe in der Regel nicht von dem "Noch-Ehemann" abstammen. In diesen Fällen ist schon wegen des der Scheidung in der Regel vorausgehenden Trennungsjahres die tatsächliche Grundlage für die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes nicht gegeben. Allerdings muss nach § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils erfolgen. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob auch die Zustimmungserklärungen der Mutter und des früheren Ehemanns innerhalb dieser Frist abgegeben werden müssen.
Das OLG Köln meint nun:
Nach dem Wortlaut und dem systematischen Aufbau der Vorschrift gilt das Fristerfordernis nur für die Anerkennungserklärung des Dritten. In § 1599 Abs. 2 S. 1 BGB, der die Frist enthält, ist nur davon die Rede, dass der Dritte die Vaterschaft innerhalb eines Jahres anerkennen muss. Die weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Anerkennung - insbesondere die Zustimmung der Kindesmutter und des damaligen Ehemannes der Kindesmutter -, sind in den nachfolgenden Sätzen ohne Bezugnahme auf die Frist geregelt. Der Wortlaut differenziert damit zwischen der Erklärung der Anerkennung durch den Dritten und den zur Wirksamkeit der Anerkennung erforderlichen Zustimmungen.
Der Zweck der Jahresfrist - die Vermeidung eines unnötig langen Schwebezustands - erfordert nicht zwingend die Erstreckung der Frist auch auf die Zustimmungserklärungen. Auch ein auf die Anerkennungserklärung des Dritten beschränktes Fristerfordernis ist geeignet, den durch § 1599 Abs. 2 BGB ermöglichten Schwebezustand zu begrenzen. Ist innerhalb der Jahresfrist keine Anerkennungserklärung beurkundet, entfällt die Möglichkeit, die gesetzliche Vaterschaftsvermutung ohne gerichtliches Verfahren zu beseitigen. In den Fällen, in denen nach der Anerkennung durch den Dritten die erforderlichen Zustimmungen nicht zeitnah erteilt werden, hat der Dritte die Möglichkeit, die Anerkennung gem. § 1597 Abs. 3 BGB nach einem Jahr zu widerrufen. Bis zur Wirksamkeit der Anerkennung durch eine Dritten bleibt es bei der gesetzlichen Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns.
Der noch verbleibende Schwebezustand, der sich daraus ergibt, dass die Vaterschaftsanerkennung erst mit Erteilung der nach dem Gesetz erforderlichen Zustimmungen wirksam wird, besteht auch in den übrigen Fällen der Vaterschaftsanerkennung. Nach § 1595 BGB bedarf die Vaterschaftsanerkennung auch außerhalb der in § 1599 Abs. 2 BGB geregelten besonderen Fallkonstellation des nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrages geborenen Kindes zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Mutter und ggfs. des Kindes. Auch in diesen Fällen sieht das Gesetz keine Frist für die Erteilung der Zustimmung vor, so dass in diesen Fällen zwischen der Anerkennungserklärung und der Wirksamkeit der Anerkennung ein längerer Zeitraum verstreichen kann.
Die Vorschrift des § 1599 Abs. 2 BGB knüpft daran an, dass in den dort geregelten Fällen der Vaterschaftsvermutung des Gesetzes die tatsächliche Grundlage entzogen ist. Ihr Zweck liegt in der Vermeidung gerichtlicher Anfechtungsverfahren in den Fällen, in denen zwischen den Beteiligten Einigkeit über die tatsächliche Abstammung des Kindes besteht. Dieser Zweck erfordert keine zusätzliche Befristung der vereinfachten Vaterschaftsanerkennung. Den Interessen des die Vaterschaft anerkennenden Dritten ist durch die Möglichkeit des Widerrufs der Anerkennung, den Interessen der übrigen Beteiligten durch die Möglichkeit, ein gerichtliches Anfechtungsverfahren einzuleiten, hinreichend Rechnung getragen. Gerade wenn - wie im vorliegenden Fall - die Anerkennung der Vaterschaft erst kurz vor Ablauf der Jahresfrist erklärt wird, erscheint eine Erstreckung des Fristerfordernisses auf die noch erforderlichen Zustimmungserklärungen der Mutter und des geschiedenen Ehemannes, mit dem zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt mehr bestehen muss, nicht gerechtfertigt.
Abweichender Ansicht war zuvor das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, FamRZ 2004, 1054).


Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 22.9.2010, 16 Wx 32/10


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