Der Ehegattenunterhalt folgt im Normalfall dem "Halbteilungsgrundsatz", ist also ein "Quotenunterhalt", nämlich 50% aller nicht-Erwerbseinkünfte und 45% aller Erwerbseinkünfte.
Aber das gilt nicht bei hohem Familieneinkommen.
Wie der Begriff Sättigungsgrenze schon sagt: Wenn man satt ist, ist man satt - mehr geht nicht. Unterhalt ist zum "Verzehr" im weitesten Sinn gedacht, nicht zum Sparen (außer im Rahmen der Altersvorsorge).
Wenn die Einkommensverhältnisse in der Ehe also so sind, dass man nicht von der Hand in den Mund gelebt hat, sondern jeden Monat neu Vermögen bilden konnte und wenn auch durch trennungsbedingten Mehraufwand dies nicht verbraucht werden kann, dann greift die sogenannte relative Sättigungsgrenze.
Ausgangspunkt der Überlegung des BGH ist:
Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.
vgl. Beschluss vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16,
vertieft in BGH 25.9.2019 - XII ZB 25/19
und BGH 29.9.2021 - XII ZB 474/20
Grundsatzurteil: BGH-Urteil vom 11.8.2010 - XII ZR 102/09
Die tatsächliche Vermutung, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16 - FamRZ 2018, 260 ff. und vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19 - FamRZ 2020, 21 ff.), kann von dem Unterhaltspflichtigen entkräftet werden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Unterhaltspflichtige.
Die Besonderheit des Falles:
Die Frau hatte zunächst konkreten Bedarf geltend gemacht und diesen selbst mit „nur“ 3.650 € beziffert. Auf dieser Basis erhielt sie eine Weile Trennungsunterhalt.
Dann wechselte sie die Anwältin und verlangte für die Zukunft 3/7 des Gesamteinkommens, das war deutlich mehr als der zuvor bezifferte konkrete Bedarf. Es ging nun um die Auslegung der Entscheidung des BGH vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16 – die veröffentlicht worden war, nachdem die Frau ihren Bedarf mit „nur“ 3.650 € beziffert hatte.
Das Amtsgericht:
Zwar habe der BGH in seiner Entscheidung vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16 - die tatsächliche Vermutung aufgestellt, dass ein Familieneinkommen bis zu 11.000 € vollständig für den Lebensunterhalt verbraucht werde, um mit dieser Beweiserleichterung eine praktikable Bewältigung des Massenphänomens Unterhalt zu ermöglichen. Alle tatsächlichen Vermutungen ließen aber den Gegenbeweis zu und führten auch nicht zu einer Beweislastumkehr entsprechend § 292 ZPO. Vielmehr reiche es aus, wenn der Beweisgegner dartue, dass im konkreten Fall die ernsthafte Möglichkeit eines anderweitigen, untypischen Verlaufs gegeben sei. Im Streitfall lägen solche anderweitigen Anhaltspunkte vor. Die Antragstellerin habe vorgerichtlich mit Schreiben vom 25.01.2017 ihren Gesamtbedarf mit 3.076 € beziffert und im Einzelnen aufgeführt. Nach ihrer eigenen Darstellung habe ihr Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen damit weniger als 5.500 € und der Lebensbedarf der Familie also weniger als 11.000 € betragen. Es erscheine auch unbillig, entgegen der früheren Erklärung der Antragstellerin zu monatlichen Lebenshaltungskosten von 3.076 € die tatsächliche Vermutung zu ihren Gunsten eingreifen zu lassen und von einem Bedarf in Höhe von 4.714 € (3/7 von 11.000 €) auszugehen.
Der Ehemann konnte ein als excel-Tabelle geführtes Haushaltsbuch über zehn Jahre des Zusammenlebens vorlegen, aus dem sich die konkreten Ausgaben der Familie deutlich unter 11.000 € pro Monat ergaben, der Rest floss in Vermögensbildung.
Aus den Gründen des OLG Hamm:
Sofern die Antragstellerin in Anlehnung an die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des BGH zu einer quotalen Unterhaltsbedarfsbemessung auch bei gehobenen Einkommen (vgl. Beschlüsse vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16, FamRZ 2018, 260 und vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19, FamRZ 2020, 21) von der im Trennungsjahr vorgenommenen konkreten Bedarfsermittlung abrücken möchte und ihren Trennungsunterhaltsanspruch nunmehr mit dem für sie deutlich günstigeren Quotenbedarf begründet, dringt sie hiermit nicht durch.
Entgegen der Annahme des Amtsgerichts führt der Umstand, dass die verfügbaren Familieneinkünfte der beteiligten Ehegatten über der für einen Quotenunterhalt relevanten Grenze liegen, allerdings nicht dazu, dass der Antragstellerin eine Unterhaltsberechnung nach der Einkommensquote und eine Inanspruchnahme der von dem BGH konstatierten tatsächlichen Verbrauchsvermutung von vornherein zu verwehren wäre. Nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen hat der Unterhaltsberechtigte in einem solchen Fall vielmehr die Wahl, ob er seinen Bedarf konkret vorträgt oder nach der Einkommensquote bemisst. Sofern er die Quotenmethode wählt, kann er indes die Verbrauchsvermutung nur insoweit für sich in Anspruch nehmen und auf eine Darlegung der konkreten Einkommensverwendung verzichten, als der von ihm aus der Einkommensquote ermittelte Bedarf die relative Sättigungsgrenze nicht übersteigt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19, FamRZ 2020, 21-27). Vorliegend liegt der von der Antragstellerin zur Berechnung ihres Elementarunterhalts angemeldete Quotenbedarf mit 4.614,01 € noch unterhalb der 3/7-Quote aus 11.000 € (4.714 €).
Die Antragstellerin kann die von ihr maßgeblich angeführte Verbrauchsvermutung aber deshalb nicht mit Erfolg zu ihren Gunsten reklamieren, weil diese im Streitfall zur sicheren Überzeugung des Senats durch besondere Umstände entkräftet wird. Der Antragsgegner hat jedenfalls in zweiter Instanz - unter detaillierter Darlegung der ehelichen Lebensverhältnisse und der in der Ehe betriebenen Vermögensbildung - besondere Umstände dargetan, die in der Gesamtschau die tatsächliche Verbrauchsvermutung vollständig entkräften. In der Beschwerdeinstanz hat der Antragsgegner mit Recht darauf verwiesen, dass die von der Antragstellerin ursprünglich vorgenommene konkrete Bedarfsermittlung und der von ihr mit einem Betrag von insgesamt 3.076 € bezifferte Elementarbedarf bereits eindeutig gegen die Annahme spricht, die beteiligten Ehegatten hätten während der Ehe ein verfügbares Gesamteinkommen von 11.000 € im Monat verlebt.
OLG Hamm, Beschluss vom 23.04.2020 - 2 UF 152/19
Einem vermögenden Ehemann war es mehr als lästig, seiner getrenntlebenden Frau allerhand Auskünfte über seine Finanzen erteilen zu müssen. Daher überschlug er selbst pi mal Daumen, was ihr zustehen könne. Zuerst hatte er mtl. 10.000 € gezahlt und ihr noch Sachleistungen überlassen, dann überwies er ihr vorbehaltlos eine Million Euro „zur Verrechnung auf Unterhalt und Zugewinn“.
Damit argumentierte er vor Gericht gegen seine Auskunftspflicht. Er sei „unbegrenzt leistungsfähig“, daher spiele nicht sein Einkommen eine Rolle, nur der Bedarf der Ehefrau. Der Unterhaltsbedarf der Frau sei aber offensichtlich auf viele Jahre gedeckt und sie sei mithin nicht bedürftig. Damit sei auch keine Auskunft mehr über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse geschuldet. Das sahen das AG Mönchengladbach und das OLG Düsseldorf differenzierter.
Für die augenblickliche Unterhaltsfrage möge der Mann zwar recht haben, aber er habe die Million ja für „Unterhalt und Zugewinn“ gezahlt, und damit man nun wisse, welcher Teil worauf entfalle, komme es doch auf eine genaue Berechnung auch des Unterhaltes an.
Auch nach Erhalt der 1.000.000 € benötigt sie die Information über die Höhe des ihr monatlich zustehenden Unterhalts für ihre Finanzplanung. Zwar ist sie in der Verwendung des Geldbetrages grundsätzlich frei und darf ihn auch für unterhaltsfremde Zwecke verwenden. Auf den Verbrauch des zugewandten Betrages und eine damit einhergehende erneute Bedürftigkeit wird sie sich in einem künftigen Unterhaltsverfahren gegenüber dem Antragsgegner allerdings nur dann berufen können, wenn sie das Geld entsprechend der Zweckbestimmung für ihren Unterhalt verbraucht hat. Hierzu muss sie die Höhe ihres Unterhaltsanspruchs kennen oder - durch die begehrte Auskunft - zumindest in die Lage versetzt werden, den ihr monatlich zustehenden Unterhalt selbst zu errechnen. Weil ein etwa überschießender Betrag jedoch als Vorausleistung auf den Zugewinnausgleich zu verrechnen ist, benötigt die Frau die begehrte Information auch für das Zugewinnausgleichsverfahren.
Fazit: Auch Zahlungen in einer solchen Höhe entbinden nicht von der allgemeinen Auskunftspflicht unter Ehegatten.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2022 - 5 UF 197/21
Der eheangemessene Unterhaltsbedarf beim Trennungsunterhalt ist im Falle einer konkreten Bedarfsbemessung nach den Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind (im Anschluss an Senatsurteil vom 1. April 1987 - IVb ZR 33/86, FamRZ 1987, 691).
2. Der konkrete Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. Januar 2012 - XII ZR 178/09, FamRZ 2012, 517).
3. Der Quotenunterhalt stellt unter Berücksichtigung eines objektiven Maßstabs im Hinblick auf die Halbteilung die Obergrenze auch bei der konkreten Bedarfsbemessung dar.
Bundesgerichtshof, Beschluss v. 29.9.2021 - XII ZB 474/20
Der Fall:
Aus der Ehe (seit 1994) waren 5 Kinder hervorgegangen, 4 davon noch minderjährig, als die Ehe 2016 scheiterte.
Der Ehemann ist Rechtsanwalt und hat Mieteinkünfte.
Die Ehefrau arbeitet mit einer 80%-Stelle als Richterin.
Der Bedarf der Kinder wird z.T. aus Mitteln einer Stiftung gedeckt.
Es handelt sich hier also insgesamt um einen Besserverdiener-Fall mit mehr als 11.000 € verfügbarem Einkommen pro Monat.
Die Eheleute streiten über den Trennungsunterhalt der Frau. Dieser sollte aufgrund der hohen Gesamteinkünfte konkret anhand des angemessenen Bedarfs berechnet werden.
Die Sache wurde vom BGH an das OLG zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen, aber der BGH gab einige Grundsätze mit auf den Weg, zunächst die bereits bekannten Ausführungen zur relativen Sättigungsgrenze.
Ein wesentlicher Punkt war die Höhe des Wohnbedarfes der Ehefrau, den AG und OLG mit 788 € angesetzt hatten. Frau und Kinder wohnten im Eigenheim. Die Frau hatte in ihrer Berechnung für jedes minderjährige Kind 20% des Tabellenbedarfs als dessen Wohnbedarf ermittelt – der Rest entfalle auf sie selbst. Problematisch war nun, wie zu berücksichtigen ist, dass sie auch für das volljährige Kind Wohnraum vorhalte und dass das Haus nach Auszug des Ehemannes unangemessen groß sei.
Aus den Gründen des BGH:
Der Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte. (…) Danach hätte das Oberlandesgericht den Wohnbedarf der Kinder mit 20 % des sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile ermittelten Unterhaltsbedarfs feststellen müssen. Dass der Unterhalt des Barunterhaltspflichtigen auf den Betrag begrenzt ist, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 14), hat auf den Wohnbedarf der Kinder nach ihrem gesamten Barunterhaltsbedarf keinen Einfluss.
Von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils ist somit der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt.
Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 201/16 - FamRZ 2017, 711 Rn. 10 ff., 15 ff. mwN).
Zudem ist ein erhöhter Bedarf für solche Positionen, die ihrer Art nach bereits in der Struktur der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind, wie etwa ein erhöhter Wohnbedarf, möglich. Dieser ist kein Mehrbedarf im eigentlichen Sinne, sondern stellt einen erhöhten Regelbedarf dar (Senatsbeschluss BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn. 24).
Der Ehefrau bleibt es unbenommen, gegebenenfalls nach der Zurückverweisung ihre Bedarfsbemessung auf einen Quotenunterhalt umzustellen. In diesem Fall wird das Oberlandesgericht das Einkommen des Ehemanns feststellen und ihm gegebenenfalls die Möglichkeit einräumen müssen, dazu vorzutragen, welcher Teil seines Einkommens nicht für die Lebensführung zur Verfügung gestanden hat, sondern namentlich für Vermögensbildung zurückgelegt worden ist. Auf der anderen Seite wird es der Ehefrau Gelegenheit zu geben haben, dazu vorzutragen, wieviel den Eheleuten in der Ehezeit an Einkommen zum regelmäßigen Verbrauch zur Verfügung gestanden hat. Letztlich wird das Oberlandesgericht zu bedenken haben, dass mit Eintritt der Kinder in die Volljährigkeit der Unterhalt von den Eltern anteilig zu zahlen sein wird. Das kann auch zu einer Verschiebung hinsichtlich des Wohnbedarfs führen.
Schließlich wird das Oberlandesgericht noch festzustellen haben, seit wann das Scheidungsverfahren rechtshängig ist. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wird es der Ehefrau ohnehin nicht zuzumuten gewesen sein, die Ehewohnung zu wechseln (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 15 mwN).
Neu ab 2020 war, dass die Tabelle fortgeschrieben werden kann (BGH 16.09.2020 - XII ZB 499/19).
Ab 2022 hat die DT 5 Einkommensgruppen mehr.
Erklärt sich ein Vater hinsichtlich des Kindesunterhalts für "unbegrenzt leistungsfähig", ist er seinem Kind gegenüber dennoch zur Auskunft über sein Einkommen verpflichtet. Eine rechnerische Fortschreibung des Bedarfs ist nicht mehr ausgeschlossen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16.09.2020 entschieden und damit teilweise seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, nach der die Düsseldorfer Tabelle mit den pauschalen bei einem Einkommen von 5.500 € endete und danach nur noch konkreter Mehrbedarf geltend gemacht werden konnte. Konsequent geht der Senat davon aus, dass die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Auskunftserteilung und Belegvorlage erst entfalle, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben könne und daher offensichtlich nicht mehr unterhaltsrelevant sei.
Der Fall:
Eine Schülerin verlangte von ihrem Vater Auskunft zu seinem Einkommen zwecks Zahlung von Kindesunterhalt. Er hatte sich für "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt und 160% tituliert. Er war Geschäftsführer eines Verlags und weiterer Gesellschaften.
Das OLG München verpflichtete ihn dennoch zur Auskunft.
Der BGH:
Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Das OLG München sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine Auskunftsverpflichtung des Vaters nach § 1605 BGB bestehe. Durch den Umstand, dass sich der Unterhaltspflichtige für "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt hat, steht aus Sicht der Bundesrichter lediglich fest, dass das Gericht den Unterhalt grundsätzlich ohne Rücksicht auf dessen Leistungsfähigkeit festzusetzen hat. Dies bedeute nicht, dass der Unterhaltsbedarf auch ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden könne.
Eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte hatte der XII. Zivilsenat in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht für sachgerecht gehalten und bei hohen Einkommen stattdessen grundsätzlich eine konkrete Bedarfsermittlung verlangt. An dieser Auffassung hält der BGH nicht mehr uneingeschränkt fest.
Das Kind leitet aus Sicht des BGH seinen Lebensstandard von den Eltern ab, ohne dass es an diesem tatsächlich teilgenommen haben muss. Einen Anspruch auf Teilhabe am Luxus der Eltern habe es dagegen nicht. Der Unterhalt werde durch das "Kindsein" geprägt.
Laut BGH wird diese Grenze durch eine an der neueren Rechtsprechung des Senats zum Ehegattenunterhalt ausgerichtete Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle noch nicht berührt. Aus Sicht des Familiensenats lässt sich der Unterhalt, basierend auf dem konkreten Einkommen des Vaters, nunmehr aus der der möglichen Fortschreibung des Tabellenbedarfs über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle ermitteln.
Das OLG habe im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass auch ein Mehrbedarf (zum Beispiel Hortkosten) in Rede stehe, bezüglich dessen sich der Ex-Mann auf eine anteilige Mithaftung der Kindesmutter berufen habe. Insoweit bedürfe die Tochter der Einkommensauskunft, um die mögliche - in ihre Darlegungslast fallende - Haftungsquote berechnen zu können.
Bei der „Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle“ ist nach Auffassung des Senats zu beachten, dass die Steigerungssätze der Düsseldorfer Tabelle keine quotenmäßige, gar lineare, Beteiligung des Unterhaltsgläubigers am Einkommen des Unterhaltsschuldners beinhalten. Die Quote des Kindesunterhalts bezogen auf das Elterneinkommen nimmt also nach der Tabelle stetig degressiv ab. Eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle würde also nur zu moderaten einkommensabhängigen Steigerungen des Kindesunterhalts führen. In der Praxis dürfte es aber bei Familieneinkommen über 11.000 € eher so sein - jedenfalls in intakter Familie - dass der Bedarf der Kinder um erhebliche Positionen steigt. Das wäre dann konkret darzulegen, so dass die BGH-Wende an diesen Fällen nichts ändert.
BGH, Beschluss vom 16.09.2020 - XII ZB 499/19:
1. Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“.
2. Eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (zurzeit) ausgewiesenen Einkommensbetrags ist nicht ausgeschlossen.
3. Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diesen Betrag, bleibt eine Einkommensauskunft bei Geltendmachung eines neben dem Tabellenbedarf bestehenden Mehrbedarfs erforderlich, um die jeweilige Haftungsquote der Eltern bestimmen zu können.
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