Wenn alte Eltern im Heim leben und sich das nicht leisten können, dann prüft das Sozialamt, ob die Kinder zu Kosten herangezogen werden können. Das „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ 2020 hat dazu geführt, dass das Thema nur noch diejenigen betrifft, die 100.000 EUR Bruttoeinkommen haben.
Unterhaltspflicht erst ab 100.000 Euro Jahreseinkommen
Sozialhilfeträger dürfen ab 2020 auf das Einkommen der Kinder pflegebedürftiger Eltern erst dann zurückgreifen, wenn deren Bruttoeinkommen 100.000 Euro übersteigt. Umgekehrt gilt dies auch für Eltern von volljährigen pflegebedürftigen Kindern. Der Nachranggrundsatz der Sozialhilfe wird damit eingeschränkt. Das Gesetz enthält darüber hinaus eine
Vermutungsregel: Nur in Ausnahmefällen, in denen die Behörden ein Einkommen über der Schwelle vermutet, müssen Betroffene ihr Einkommen offenlegen - dies soll Bürger und Verwaltung entlasten.
Es hinterließ aber langjährige Rechtsunsicherheit, was das Gesetz für den Selbstbehalt der Kinder bedeutet. Eine Bezifferung des angemessenen Selbstbehaltes beim Elternunterhalt war seitdem in den Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle bis einschließlich 2024 ausdrücklich unterblieben. Es heißt nur: „Dem Unterhaltspflichtigen ist der angemessene Eigenbedarf zu belassen. Bei dessen Bemessung sind Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigen- Entlastungsgesetzes vom 10. Dezember 2019 zu beachten.“
Daraus musste man schließen, dass der Selbstbehalt höher ist, als die 2.000 €, die zuletzt für Singles in den Leitlinien beziffert wurden. In der Literatur wurden die 100.000 Euro brutto auf ein fiktives Netto heruntergerechnet, um einen Anhaltspunkt für den Selbstbehalt zu knüpfen. Da kommen beim angestellten kinderlosen Single 4.700 EUR raus, beim Beamten 5.400 EUR, beim Selbständigen deutlich weniger, weil er seine soziale Absicherung alleine tragen muss.
Es blieb aber dann noch die Frage offen, ob es sich um einen „Sockel-Selbstbehalt“ handelt, der individuell – wie vor 2020 – noch um die Hälfte des freien Einkommens erhöht wird.
Zwei Oberlandesgerichte hatten solche Konstellationen zu entscheiden, beide Entscheidungen liegen auf der Linie der Literaturmeinung, dass sich der Selbstbehalt von den 100.000 brutto ableiten muss - beide sind noch nicht (Stand 09/2024) rechtskräftig, sondern liegen dem BGH zur Entscheidung vor.
Der Fall:
Frau A. befindet sich seit 2016 im Heim, nach Einsatz von Rente und Pflegegeld fehlen ihr mtl. rd. 1500 EUR. 2017 wurde der Sohn in Kenntnis gesetzt, dass das Sozialamt Unterhaltsansprüche auf sich übergeleitet hat: seine finanziellen Verhältnisse wurden geprüft mit dem Ergebnis, dass er nichts zahlen müsse. Mit weiterem Schreiben vom 09.12.2019 wurde der Sohn darüber informiert, dass die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Unterhaltsfällen ab dem 01.01.2020 auf den Kreis G. übergehen und sodann eine neue Überprüfung erfolgen werde. Mit Schreiben vom 29.06.2020 wurde der Antragsgegner über den Übergang eines ggf. bestehenden Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger gem. § 94 Abs. 1, Abs. 1a SGB XII informiert, wenn sein jährliches Gesamteinkommen mehr als 100.000 € beträgt.
Nach Eingang des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2020 beim Kreis - wobei in der Entscheidung offen bleibt, ob der Sohn diesen freiwillig vorgelegt hatte - wurde festgestellt, dass das Einkommen des Antragsgegners 100.000 € überschritten hatte. Sein Jahresbruttoeinkommen belief sich im Jahr 2020 auf 133.618,36 €. Für die Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 forderte das Sozialamt 7.126,03 € und klagte das letztlich beim Familiengericht ein.
Der Sohn wendete sich gegen seine Zahlungspflicht mit dem Argument, dass der Familienselbstbehalt von jedenfalls 9.000 € nicht berücksichtigt worden sei.
Das Familiengericht rechnete:
Ausgehend von einem Jahresbruttoeinkommen von 133.618,36 € betrage das Jahresnettoeinkommen 104.356,23 €, also monatlich 8.696,35 €. Hinzuzurechnen sei eine monatliche Steuererstattung von 154,13 € sowie ein unstreitiger Wohnvorteil von 179,10 €. Nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen von 150,00 € verblieben 8.879,58 €.
Hiervon seien Altersvorsorgebeträge für eine Direktversicherung von 230,00 €, vermögenswirksame Leistungen von 39,88 € sowie eine sekundäre Altersvorsorge von 1.074,55 € abzuziehen, ebenso Kosten für eine Unfallversicherung von 43,29 €. Von den verbleibenden 7.473,86 € sei weiter der Kindesunterhalt für die Tochter in Abzug zu bringen, die der Antragsgegner anteilig in Höhe von 753,93 € zu tragen habe.
Von den verbleibenden 6.719,93 € sei dem Antragsgegner ein angemessener Selbstbehalt zu belassen. Dieser sei nicht der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2020 zu entnehmen, weil in dieser noch nicht das Angehörigenentlastungsgesetz vom 10.12.2019 berücksichtigt wurde. In der Düsseldorfer Tabelle für das Jahr 2021 sei der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen nicht mehr konkret beziffert worden. Das Gericht erachte es für angemessen, dem Antragsgegner den Betrag als Selbstbehalt zu belassen, der ihm bei einem fiktiven Bruttoeinkommen von 100.000 €, bei dem eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Mutter nicht bestünde, nach Abzug aller Verbindlichkeiten verbleiben würde. Es errechne sich zunächst ein Nettoeinkommen von monatlich 5.826,99 €, von dem insbesondere berufsbedingte Aufwendungen sowie Altersvorgebeträge und die Unfallversicherung in Abzug zu bringen seien. Darüber hinaus würde die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter 580,82 € betragen. Der angemessene Selbstbehalt des Antragsgegners für ihn selbst betrage daher konkrete 4.331,55 €.
Da er verheiratet sei, sei ihm darüber hinaus der Familienselbstbehalt zu belassen. Der Unterhaltsanspruch seiner Ehefrau betrage 3.279,45 € - hier wurde nicht mit dem Tabellenselbstbehalt gerechnet -, so dass von einem Familienselbstbehalt von 7.611,00 € auszugehen sei und mithin keine Leistungsfähigkeit bestehe.
Dagegen argumentierte das Sozialamt:
Eine Übertragung der Jahreseinkommensgrenze von 100.000 € auf den Selbstbehalt sei systemwidrig. Bei der Einführung des Angehörigenentlastungsgesetzes habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, das Unterhaltsrecht selbst nicht zu ändern, sondern nur die Rückgriffsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger ganz erheblich einzuschränken.
Im Übrigen gingen die Ausführungen des Amtsgerichts bei der Feststellung des Selbstbehalts noch weit über das Angehörigenentlastungsgesetz hinaus. Das Amtsgericht habe verkannt, dass die Begrenzung des Anspruchsübergangs nach § 94 Abs. 1a SGB XII nach dem unbereinigten Einkommen erfolge.
Das OLG gab dem Sohn Recht – zitiert aus der Entscheidung:
Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners (§ 1603 Abs. 1 BGB) zur Zahlung von Elternunterhalt für seine Mutter aus übergegangenem Recht gemäß §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII im Zeitraum 7/20-12/20 verneint.
1.
Dem Ansatz des Antragstellers, dass die Aufwendungen für die sekundäre Altersvorsorge des Antragsgegners nicht zu berücksichtigen seien, weil es sich lediglich um Einzahlungen auf Sparbücher handelt, kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2015, 1172, Rn. 26; ebenso Klinkhammer in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 2 Rn. 941) nicht gefolgt werden. Danach kann auch die Anlage eines bloßen Sparvermögens als anzuerkennende Art der Altersvorsorge gewertet werden. Der Antragsgegner hat auch dargelegt und belegt, dass er die Einzahlungen auf den Konten belassen und keine Auszahlungen vorgenommen hat, so dass keine Zweifel daran bestehen, dass die eingezahlten Beträge der Altersvorsorge dienen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner in seiner Berechnung der zu berücksichtigenden zusätzlichen Altersvorsorge im Schriftsatz vom 08.08.2023 (Seite 6) die Höchstgrenze von 5 % beachtet.
Es besteht auch kein Anlass, dem Antragsgegner nunmehr im Beschwerdeverfahren einen deutlich höheren Wohnwert gegenüber der erstinstanzlichen Berechnung zuzurechnen. Es verbleibt dabei, dass dem Unterhaltspflichtigen beim Elternunterhalt nur ein angemessener Wohnwert auf Grundlage des unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Mietzinses zuzurechnen ist (BGH FamRZ 2003, 1179, Rn. 11 mit zust. Anm. Klinkhammer). Der Umstand, dass auch volljährige Kinder mit im Haus leben, ändert hieran nichts.
2.
Ausgehend von einem unterhaltsrelevanten Einkommen von 5.451,54 € entsprechend dem Vortrag in der Beschwerdeerwiderung (bis zum 20.09.2020) kann eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht festgestellt werden. Hieran ändert sich auch nichts durch den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter C. in Höhe von 753,93 € ab dem 21.09.2020. Dem Antragsgegner ist ein Selbstbehalt zuzubilligen, der deutlich über sein Einkommen hinausgeht.
Zutreffend ist das Amtsgericht dem Grunde nach davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 nicht mehr mit dem Selbstbehalt entsprechend Anmerkung D I. zur Düsseldorfer Tabelle Stand: 01.01.2020 zu rechnen ist, da in dieser noch nicht das Angehörigenentlastungsgesetz vom 10.12.2019 berücksichtigt wurde. In den Folgetabellen ab dem 01.01.2021 ist zum angemessenen Selbstbehalt gegenüber Eltern ohne Benennung eines Festbetrages nur noch geregelt, dass bei dessen Bemessung Zweck und Rechtsgedanken des Angehörigenentlastungsgesetzes zu beachten sind. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, ist, soweit ersichtlich, ober- und höchstgerichtlich noch nicht entschieden worden.
Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen einer sozialrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Bewertung, die sich daraus ergeben können, dass ein Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 € als angemessen erachtet wird, wird in der Literatur einhellig die Auffassung vertreten, dass eine Anpassung des Selbstbehalts geboten ist (vgl. Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137, 139; Viefhues, ZAP 2020, 345, 348; BeckOK BGB/Reinken, 67. Edition 01.08.2023, BGB § 1601 Rn. 27; Wendtland in: beck-online, Großkommentar, Stand: 01.08.2023, BGB § 1610 Rn. 169.3; Pfuhlmann-Riggert in: Praxishandbuch Familienrecht, 43. EL März 2023, Teil L Sozialleistungen und Unterhalt, Rn. 158f).
Zur Vermeidung dieser Widersprüche hat das Amtsgericht dem Grunde nach zutreffend darauf abgestellt, dass einem Unterhaltsschuldner, der über ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 € verfügt, jedenfalls ein solches Nettoeinkommen verbleiben muss, das ein nicht in Anspruch genommener Angehöriger mit einem Bruttoeinkommen bis 100.000 € erhält. Ob der Selbstbehalt im jeweiligen Einzelfall konkret zu berechnen ist, wie es das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss gemacht hat, oder ob eine pauschale Berechnung angezeigt ist (vgl. etwa den Vorschlag von Doering-Striening/Hauß/Schürmann, a.a.O., und Wendtland in: beck-online, Großkommentar, a.a.O., einen Selbstbehalt von 5.000 € bzw. 9.000 € bei Zusammenleben mit einem Ehegatten als Familienselbstbehalt anzusetzen), muss im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Entscheidend ist vorliegend, dass der Antragsgegner seiner Ehefrau gegenüber (vorrangig) unterhaltspflichtig ist und daher entsprechend der früheren Rechtslage ein Familienselbstbehalt anzusetzen ist. Auch hier kann offenbleiben, ob der Anspruch der Ehefrau entsprechend der Berechnung im angefochtenen Beschluss konkret zu berechnen oder mit einem Pauschalbetrag unter Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes unter Berücksichtigung der Vorteile des Zusammenlebens berücksichtigt wird. In diesem Fall wäre der Familienselbstbehalt mit jedenfalls 9.000 € in Ansatz zu bringen.
Da bei dem zutreffend berechneten unterhaltsrelevanten Einkommen des Antragsgegners von 5.451,54 € (bis zum 20.09.2020) bzw. 6.205,47 € (ab dem 21.09.2020) nach allen vorgeschlagenen Lösungen eine Leistungsfähigkeit nicht festzustellen ist, kann die Berechnungsweise des Selbstbehalts dahinstehen. Der Senat neigt allerdings aus Vereinfachungsgründen zu einer pauschalierten Betrachtungsweise.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH war zugelassen, eine Entscheidung des BGH ist bislang nicht getroffen.
OLG Düsseldorf - Beschluss vom 04.12.2023 - 3 UF 78/23
Aus dem 1. Quartal 2024 gibt es eine weitere veröffentlichte obergerichtliche Entscheidung:
Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz vom 10.12.2019 wurde der Übergang des Anspruchs auf Elternunterhalt nach §§ 1601 ff BGB auf den Träger der Sozialhilfe grundlegend neu geregelt und findet nunmehr nur noch dann statt, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen die Jahresobergrenze von 100.000 € brutto übersteigt, § 91 Absatz 1a SGB XII i.V.m. § 16 SGB IV . Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur noch leistungsstarke Kinder zur Finanzierung des Elternunterhalts in Anspruch zu nehmen, kann nicht ohne Einfluss auf die Frage der Bemessung des Selbstbehalts und damit der Leistungsfähigkeit in derartigen Fällen sein (vgl. Niepmann, NZFam 2022, 141). Entsprechend geben die Süddeutschen Leitlinien unter Ziffer 21.3.3 nunmehr nur noch folgendes vor: Bei der Bemessung des Selbstbehalts gegenüber Eltern sind Zweck und Rechtsgedanken des Gesetzes zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10.12.2019 zu beachten.
1. Allerdings ist entgegen dem Vorbringen der Beschwerde eine Differenzierung des Selbstbehalts nach den Süddeutschen Leitlinien für das Jahr 2020 und den Süddeutschen Leitlinien für das Jahr 2021 nicht angezeigt. Die noch vor Verabschiedung des Angehörigen-Entlastungsgesetzes erfolgte Neufestsetzung der Selbstbehaltssätze durch die Leitlinienkonferenz der Oberlandesgerichte für das Jahr 2020 auf 2.000 € hat nach Inkrafttreten des Gesetzes keine die Rechtsprechung bindende Wirkung (Hauß, Elternunterhalt, 6. Aufl. Rz 88). Nach Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes gelten die Kriterien für die Angemessenheit des Selbstbehalts für das Jahr 2020 und das Jahr 2021 gleichermaßen.
Auch soweit der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 20.02.2024 vorbringt, einige Oberlandesgerichte hätten in ihren Leitlinien einen Selbstbehalt gegenüber Eltern in Höhe von 2.500 € festgelegt, ist klarzustellen, dass es sich bei den Leitlinien der Oberlandesgerichte lediglich um Richtlinien zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung in den jeweiligen Bezirken handelt und die Leitlinien andere Oberlandesgerichte nicht binden.
2. Unter Berücksichtigung des Zwecks und Rechtsgedankens des Angehörigen-Entlastungsgesetzes erscheint es angemessen, den im Rahmen der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts vorzunehmenden Unterhaltsberechnung zu berücksichtigenden Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen auf einen Betrag zu erhöhen, der dem mit einem Gesamtbruttoeinkommen von 100.000 € erzielbaren durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen entspricht, was je nach Familienstand und Beschäftigungsart zwischen 5.000 € und 5.500 € liegen dürfte.
Dem entspricht auch der Grundsatz des Gleichlaufs von Unterhaltsrecht und Sozialhilferecht mit dem Grundgedanken, dass der Unterhaltspflichtige unterhaltsrechtlich nicht schlechter gestellt werden soll als sozialhilferechtlich.
Angesichts dessen ist der Selbstbehalt mit 5.500 € netto monatlich anzusetzen.
Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ehegattenunterhalt, wonach im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon auszugehen ist, dass ein Einkommen bis zum Doppelten des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle von den Ehegatten konsumiert werde, was zur Folge hat, dass bis zu einem Unterhaltsbedarf von 5.500 € von dessen vollständigem Verzehr auszugehen ist (BGH FamRZ 2018, 260 ; FamRZ 2020, 21 ). Nimmt man das Bekenntnis zur Lebensstandardgarantie im Elternunterhalt ernst, wäre bei vollständigem Einkommensverzehr zur Finanzierung des Lebensstandards eine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben. Wenn andererseits im Sinne einer tatsächlichen Vermutung nach der Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass ein Nettoeinkommen von bis zu 5.500 € vollständig für den Lebensunterhalt verbraucht wird und daraus Vermögensrücklagen nicht gebildet werden, ist es konsequent, den Selbstbehalt im Elternunterhalt auf dieses Niveau anzuheben (Hauß a.a.O. Rz 18).
Für eine entsprechende Anpassung des Selbstbehalts auf der Ebene des Unterhaltsrechts spricht auch, dass ansonsten eine nicht zu legitimierende Ungleichbehandlung von Geschwisterkindern und ihren Familien mit Einkünften von bis zu 100.000 € und über 100.000 € erfolgen würde, die mit Art. 3 GG nicht vereinbar scheint. Es wäre unverständlich, wenn von Geschwistern mit um einen Euro (!) unterschiedlichem Bruttoeinkommen und ohne sonstige Verpflichtungen, der eine mit 100.001 € Bruttoeinkünften für ca. 940 € Unterhalt leistungsfähig wäre und in Anspruch genommen werden könnte, der andere jedoch nicht (Doering-Striening/Hauß/Schürmann, FamRZ 2020, 137 (140)).
3. Angesichts der Höhe des pauschalen Selbstbehalts von 5.500 € monatlich ist eine Erhöhung um die Hälfte des den Sockel-Selbstbehalt übersteigenden anrechenbaren Einkommens entsprechend dem vom BGH (BGH FamRZ 2002, 1698 ) entwickelten Modell nicht mehr angebracht. Auch ist fraglich, ob über die gesetzlichen Abzüge und Verpflichtungen für Steuern, Sozialabgaben und gesetzliche Unterhaltsansprüche hinaus weitere Abzugsposten zu akzeptieren sind, oder ob dem Unterhaltspflichtigen angesichts des großzügigen Selbstbehalts zugemutet werden kann, seinen Lebenszuschnitt auf das Niveau dieses Selbstbehalts einzustellen (so Hauß a.a.O. Rz 561).
Es erscheint angemessen, die Verwendung des Eigenbedarfs keiner weiteren Kontrolle zu unterwerfen und auch keine Kreditraten, Wohnvorteile oder Mietbelastungen sowie Aufwendungen für Besuchsfahrten etc. anzuerkennen (Döring-Striening/Hauß/Schürmann a.a.O.).
Allerdings ist eine zusätzliche Altersvorsorge in Form von Lebensversicherungen wohl zu berücksichtigen. Hierfür spricht, dass die Unterhaltsverpflichtung des unterhaltspflichtigen Kindes nur so weit reicht, als dieses ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren in der Lage ist. Nach BVerfG FamRZ 2005, 1051 gilt dies auch für den angemessenen zukünftigen Unterhalt, also den Unterhalt im Alter. Die private Altersvorsorge sei zwar nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben, angesichts der Schwäche des gesetzlichen Rentenversicherungssystems aber unter Aspekten der Eigenverantwortlichkeit obligatorisch (so auch BGH FamRZ 2003, 860 ).
Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen, da der Antragsgegner auch ohne Erhöhung des Selbstbehalts wegen erhöhter Wohnkosten und ohne Abzug der zusätzlichen Altersvorsorge mit einem monatlichen Nettoeinkommen nach Abzug der gesetzlichen Abgaben mit 5.349 € (im Jahr 2020) bzw. 5.304 € (im Jahr 2021) unterhalb des Selbstbehalts in Höhe von 5.500 € liegt.
Die Rechtsbeschwerde zum BGH war zugelassen, eine Entscheidung des BGH ist bislang nicht getroffen.