Obliegenheiten
Fiktive Einkünfte

Wer Unterhaltspflichten hat oder Unterhalt begehrt, muss sich nach Kräften bemühen

Erwerbsbemühungen / Erwerbsobliegenheit
beim Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt

Wer eine "Erwerbsobliegenheit" hat, aber keine Arbeit, der muss sich Arbeit suchen - und zwar mit demselben zeitlichen Aufwand, wie er arbeiten müsste (d.h. z.B. 35 Stunden wöchentlich mit der Suche verbringen und das dokumentieren). Wer den Richter nicht überzeugen kann, dass seine Erwerbslosigkeit nicht an ihm liegt, dem kann - egal ob Pflichtiger oder Bedürftiger - ein Einkommen unterstellt werden, das sog. fiktive Einkommen. Auf den Satz "Ich bin beim Arbeitsamt gemeldet und frage da regelmäßig nach", gilt die Antwort, dass mehr Eigeninitiative erwartet wird.

Das Gericht darf aber auch nichts Unmögliches verlangen, Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 9.11.2020 – 1 BvR 697/20. Der BGH nennt das "reale Beschäftigungschance".

Ab dem 1.1.2024 steigt der gesetzliche Mindestlohn von 12 auf 12,41 Euro brutto pro Stunde. Anfang 2025 erhöht sich der Mindestlohn um weitere 41 Cent auf 12,82 Euro.

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BGH 2014 zur realen Beschäftigungschance

 a) Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB strenge Maßstäbe anzulegen.

b) Dass der Unterhaltspflichtige aus dem Ausland stammt und über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, rechtfertigt allein noch nicht die Schlussfolgerung, dass für ihn keine reale Beschäftigungschance im Hinblick auf eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle bestehe.

BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12


Der Antragsgegner ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft. Er ist im Jahr 2001 nach Deutschland gekommen. Er verfügt über einen Realschulabschluss, aber keine abgeschlossene Berufsausbildung. Es geht um Unterhalt für sein minderjähriges Kind.

Aus dem Urteil: „Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Dies gilt auch für ungelernte Kräfte oder für Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen. Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV gearbeitet hat. Zu den insbesondere im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB zu stellenden Anforderungen gehört es schließlich auch, dass der Unterhaltspflichtige sich um eine Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse bemüht. Mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes erscheint es vielmehr nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner eine Vollzeitstelle erlangen kann. Auch die bisherige Tätigkeit in geringfügiger Beschäftigung steht dem nicht entgegen. Etwa unzureichende Sprachkenntnisse können den Antragsgegner nicht mehr ohne weiteres entlasten, nachdem seine Unterhaltspflicht mit der Geburt des Antragstellers bereits 2004 einsetzte. Dass der Antragsgegner, wie es in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt ist, bemüht ist, sich fortzubilden und eine Ausbildung zu absolvieren, um seinem Kind in der Zukunft einmal Unterhalt zahlen zu können, genügt schließlich nicht.“

"Der Beweis, dass für den Antragsgegner keine reale Erwerbsmöglichkeit für eine Vollzeittätigkeit bestehe, wird unter den Umständen des vorliegenden Falls mangels gegenteiliger Erfahrungssätze nur durch den Nachweis zu führen sein, dass der Antragsgegner sich hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat. Hierzu reicht es nicht aus, dass der Antragsgegner sich auf die ihm vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote beworben hat. Dass der Antragsgegner ein höheres Einkommen als das vom Oberlandesgericht angenommene (7,30 € pro Stunde) erzielen kann, ergibt sich schon aus seiner Beschwerdebegründung, nach welcher er bereits 2010/2011 in einem befristeten Vollzeitarbeitsverhältnis bei einem Zeitarbeitsunternehmen stand, aus dem er einen Stundenlohn von 7,60 € erzielte.

Sollte dem Antragsgegner der entsprechende Nachweis nicht gelingen, so wird bei einem für den Mindestunterhalt (auch im Hinblick auf das 2008 geborene weitere Kind des Antragsgegners) weiterhin unzureichenden Einkommen zu prüfen sein, ob und inwiefern dem Antragsgegner eine zusätzliche Nebentätigkeit zumutbar ist. Auch wenn der Unterhalt aufgrund eines wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit lediglich fiktiven Einkommens festzusetzen ist, trifft den Antragsgegner eine Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit im selben Umfang wie einen seine Erwerbsobliegenheit erfüllenden Unterhaltsschuldner."


BGH zur Nebentätigkeit (zusätzlich zu fiktiver Vollzeittätigkeit)

Es geht um den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder.
Aus den Gründen:
 
Zwar ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in Anbetracht des von ihm vorgetragenen - und vom Oberlandesgericht unterstellten - Einkommens (monatlich 568 € brutto aus seiner Tätigkeit im Restaurant mit einem rechnerischen Stundenlohn von ca. 4,70 € und 240 € aus Schlagzeugunterricht) durch die bisher ausgeübten Tätigkeiten seiner Obliegenheit zur bestmöglichen Ausnutzung seiner Erwerbsfähigkeit nicht genügt hat.

Die Rechtsbeschwerde rügt aber insoweit zu Recht, dass das Oberlandesgericht auf das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe zu Zeiten des Zusammenlebens mit ihrer Mutter aus seiner Tätigkeit in der Gastronomie ein wesentlich höheres Einkommen erzielt, nicht eingegangen ist. Damit hat die Antragstellerin hinreichend bestritten, dass der Antragsgegner in der Gastronomie jedenfalls nicht deutlich mehr als den vorgetragenen Lohn von nur 568 € brutto bei 28 Wochenstunden erzielen kann. Da der Mindestunterhalt in §  1612 a  Abs.  1   BGB  gesetzlich festgelegt ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit beim Antragsgegner als Unterhaltsschuldner.

Abgesehen von der Frage, ob der Antragsgegner aus seiner Tätigkeit im Restaurant und als Musiker nicht ein höheres Einkommen erzielt oder erzielen kann, hätte das Oberlandesgericht jedenfalls erwägen müssen, ob ihm neben der unterstellten Vollzeittätigkeit auch die Ausübung einer Nebentätigkeit möglich ist, die vom Unterhaltspflichtigen im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach §  1603  Abs.  2   BGB  zur Sicherung des Existenzminimums seines Kindes grundsätzlich zu verlangen ist (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 -  XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18). Auch die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit fällt in die Darlegungs- und Beweislast des Antragsgegners. Allein aus der Tatsache, dass er mit weiteren eigenen Kindern und Kindern seiner Partnerin zusammenlebt, folgt für sich genommen noch nicht, dass ihm eine Nebentätigkeit nicht zumutbar sei. Demnach ist nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner das bislang bezogene Einkommen etwa aus Schlagzeugunterricht auch neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit weiter erzielen kann.
BGH, Beschluss vom 24.09.2014 - XII ZB 111/13

BGH 2016: Neben voller Erwerbsminderungsrente kann man evtl. noch jobben

BGH 9.11.2016 - XII ZB 227/15:

Volle Erwerbsminderungsrente wird zugesprochen, wenn man weniger als 3 Stunden täglich arbeiten kann, § 43 Abs. 2 S.2 SGB VI. Dass man auch diese 3 Stunden nicht arbeiten kann, ist im Unterhaltsverfahren zusätzlich darzulegen und zu beweisen.


Aus dem Bezug von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII - Grundsicherung bei Erwerbsminderung - ergibt sich nicht die vollständige Unfähigkeit zur Erzielung eigener Einkünfte. Der Unterhaltsberechtigte hat vielmehr darzulegen und zu beweisen, dass es nicht einmal in der Lage ist, weniger als drei Stunden pro Tag zu arbeiten.

Entschieden für ein volljähriges Kind von OLG Frankfurt a. M. - Beschl. v. 2.10.2019 – 4 UF 209/18


Auch ein Unterhaltsschuldner, der eine sozialrechtliche Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, muss darlegen, warum seine gesundheitlichen Beschränkungen einer Tätigkeit im Rahmen der verbleibenden Arbeitsfähigkeit entgegenstehen. Er muss die vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit beschreiben, konkrete Angaben zu seinem Gesundheitszustand machen und ausführen, aus welchem Grunde dieser jeglicher Erwerbstätigkeit entgegenstehe. Allein die Angabe einer Diagnose (hier: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, chronische Schmerzen und Depressionen) ist insoweit nicht ausreichend.

Entschieden für Minderjährigenunterhalt von OLG Köln, Beschluss vom 28.3.2019 – 10 UF 228/18


Hartz-IV-Vater wird zu 240 € Kindesunterhalt verurteilt

OLG Brandenburg 2019: Trotz Hartz IV Kindesunterhalt, denn 1.200 € netto sind immer erzielbar, wenn man sich bemüht

Ein Unterhaltsschuldner kann sich nicht darauf berufen, auf der Grundlage seiner tatsächlichen Einkünfte nicht in der Lage zu sein, den Mindestunterhalt zu leisten. Ihn trifft gegenüber seinem minderjährigen Kind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und das Kind zu verwenden. Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen.
Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist. Bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist nicht an die untersten beruflichen Möglichkeiten und somit nicht an den gesetzlichen Mindestlohn anzuknüpfen.
OLG Brandenburg - 10 UF 139/17 - 27.6.2019
1. Unterlässt ein Unterhaltsverpflichteter eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden.

2. Voraussetzung für die Zurechnung fiktiver Einkünfte ist neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen.

3. Dem Unterhaltspflichtigen darf auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise erzielt werden kann.

OLG Brandenburg - Beschluss vom 27.06.2019 - 10 UF 139/17

Der Fall:

Das minderjährige Kind begehrt Kindesunterhalt. Sein Vater bezieht Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) . Um Arbeitsstellen habe er sich bemüht. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass er den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule habe. Für anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit unter Einsatz von Hilfsmitteln oder Arbeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, sei er nicht geeignet. Hinzu kämen seine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen. Der Senat hat dazu ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In einer Größenordnung zwischen 50 und 120 € mtl. (verschiedene Zeiträume) wurde der Vater auf Basis eine fiktiven Vollzeit-Einkommens verurteilt.

Aus den Gründen:

(…) Mit Rücksicht auf die soeben dargestellten Anforderungen im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, er sei aufgrund seiner tatsächlichen Einkünfte, das sind Leistungen nach dem SGB II , auch unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts für nicht Erwerbstätige von 880 €, nicht in der Lage, für den Antragsteller Unterhalt zu zahlen.

Denn der Antragsgegner hat sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht.

Soweit der Unterhaltspflichtige keine Arbeit hat, muss er sich ausreichend um eine Beschäftigung bemühen. Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen, wobei grundsätzlich 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zumutbar sind. Denn der Arbeitsuchende muss praktisch die gesamte Zeit, die ein voll Erwerbstätiger berufstätig wäre, für die Arbeitssuche aufwenden. Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken.

Der Antragsgegner hat erstmals in der Beschwerdeinstanz auf Anordnung des Senats überhaupt konkretere Angaben zu seinen Bewerbungsbemühungen gemacht. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 hat er als Anlage 4 drei Aufstellungen über getätigte Bewerbungen vorgelegt. Hierbei handelt es sich offensichtlich um von der Arbeitsverwaltung ausgegebene Formulare, welche der Antragsgegner ausgefüllt hat. Danach hat er sich am 07.09.2018 auf vier Arbeitsstellen beworben, ebenso am 26.10.2018. In der Zeit vom 17.01.2019 bis zum 02.04.2019 hat es danach acht weitere Bewerbungen gegeben. Dass diese Bewerbungen tatsächlich erfolgt sind, hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 08.05.2019 mit Nichtwissen bestritten. Darauf kommt es aber nicht an. Selbst wenn man zu Gunsten des Antragsgegners unterstellte, dass die vorgetragenen Bewerbungen erfolgt seien, reichen diese schon von der Anzahl her nach den genannten Grundsätzen nicht aus, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu genügen.

c)
Mithin ist der Antragsgegner so zu behandeln, als hätte er sich ausreichend und damit erfolgreich um eine Erwerbstätigkeit bemüht. Folglich ist ihm ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Berufstätigkeit zuzurechnen. Dabei sind im vorliegenden Fall aber die beim Antragsgegner vorhandenen erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für seinen schulischen und beruflichen Werdegang.

Der Sachverständige Prof. Dr. K... ist in seinem Gutachten vom 06.03.2019 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner zwar eine Vollzeittätigkeit ausüben könne, aber im Hinblick auf bestehende Leistungsausschlüsse nur alle leichten und fallweise mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, und zwar sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im gewerblichen Bereich, ausführen könne. Diese Feststellungen sind von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden; allerdings ziehen die Beteiligten unterschiedliche Schlüsse aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Eine Einwendung gegen die medizinischen Feststellungen des Sachverständigen findet sich insbesondere auch nicht in dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 01.04.2019. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Angaben des Antragsgegners zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang vom Sachverständigen nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden seien. Hieraus zieht der Antragsgegner den Schluss, dass nicht alle vom Sachverständigen genannten Verweisungstätigkeiten für ihn in Betracht kämen. Dies berührt aber nicht die medizinischen Feststellungen der Sachverständigen im engeren Sinne.

Nach dem Gutachten scheiden Tätigkeiten im Bereich der Garten- und Landschaftspflege, wie sie der Antragsgegner nach seinen Angaben im Senatstermin vom 20.09.2018 in der Vergangenheit angestrebt hat, ebenso aus wie der vom Sachverständigen angesprochene Beruf des Landschaftsgärtners. Denn diese Berufe sind durch häufige mittelschwere und schwere Arbeiten gekennzeichnet. Nicht anders verhält es sich mit einer grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Tätigkeit als Bauhelfer. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allerdings bei einem nicht gesundheitlich eingeschränkten Arbeitsfähigen mittleren Alters sogar dann, wenn er eine formelle Berufsqualifikation nicht erlangt hat, anzunehmen sein, dass er aufgrund der Tarifverträge im Baugewerbe zumindest den dort jeweils ausgewiesenen Mindestlohn als Bauhelfer erzielen könnte. Dies kommt hier aber mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Antragsgegners nicht in Betracht.

Im Hinblick auf das eingeschränkte Leistungsvermögen scheidet schließlich auch ein für den Antragsgegner erzielbares Bruttoeinkommen von monatlich 2500 €, wie es der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 04.04.2019 ermittelt hat, aus. Es mag sein, dass ein solches Einkommen für einen in Vollzeit als Verkäufer, Kundenberater oder Disponent für Malerbedarf im Großhandel tätigen Beschäftigten grundsätzlich erzielbar ist. Auch kann zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass eine solche Tätigkeit sogar mit dem eingeschränkten Leistungsprofil, wie es sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, auszuüben wäre, es sich also überwiegend um leichte oder nur fallweise mittelschwere Arbeiten handelt. Denn es ist im Hinblick auf die schulische und berufliche Bildung sowie die intellektuellen Fähigkeiten des Antragsgegners nicht realistisch, dass er - auch bei erheblichen Erwerbsbemühungen - eine solche Stelle erlangen und erfolgreich ausüben könnte.

Der Antragsgegner hat unstreitig lediglich den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule. Schon vor diesem Hintergrund hat er nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass für ihn anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit oder auch Tätigkeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, nicht in Betracht kämen.

Auch der weitere berufliche Werdegang, wie er sich aus dem mit Schriftsatz vom 23.08.2018 vorgelegten Lebenslauf ergibt, hat den Antragsgegner schon von der Art der ausgeübten Tätigkeiten nicht befähigt, qualifizierteren Beschäftigungen nachzugehen. So war er nach dem Schulabschluss zwei Jahre im Rahmen von "Förderjahren zum Zwecke der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme" bei der T... in B... tätig. Im Anschluss hat er beim I... den Abschluss des Bau- und Metallmalers erlangt. Seit Januar 2002 war er - abgesehen von einer im März 2004 endenden etwa ein Jahr andauernden Beschäftigung als Schlossergehilfe - arbeitslos. Mithin kann er schon seit etwa 15 Jahren keine nennenswerte Berufspraxis vorweisen.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nicht über die für eine Tätigkeit als Verkäufer oder Kundenberater erforderliche geistige Flexibilität verfügt. Dies ist insbesondere bei der Anhörung im Senatstermin vom 06.06.2019 deutlich geworden, als es dem Antragsgegner erst nach mehrmaliger Hilfestellung gelang, seinen aktuellen Status als arbeitslos gemeldete Person mit Arbeitsberater beim Jobcenter einerseits und Bewerbungstrainer beim Maßnahmeträger andererseits nachvollziehbar darzustellen.

d)
Da nach den vorstehenden Ausführungen der Ansatz eines fiktiven Bruttostundenlohns in Höhe des Mindestlohns im Baugewerbe ausscheidet, hat sich das für den Antragsgegner erzielbare Einkommen an dem gesetzlichen Mindestlohn zu orientieren, der sich im Unterhaltszeitraum in den Jahren 2017 und 2018 auf 8,84 € brutto in der Stunde belaufen hat und im Jahr 2019 auf 9,19 € brutto in der Stunde angehoben worden ist. Damit allein hat es aber nicht sein Bewenden. Denn bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist nicht an die untersten beruflichen Möglichkeiten anzuknüpfen.

Vielmehr muss sich der Unterhaltsschuldner so behandeln lassen, als würde er eine nach seinen Fähigkeiten gut bezahlte Stelle einnehmen.

Der Antragsgegner hätte sich also nicht allein um eine seinem Leistungsprofil entsprechende Stelle mit einer Vergütung nach dem Mindestlohngesetz bemühen müssen, sondern auch Bemühungen entfalten müssen, eine besser dotierte Stelle zu erlangen. Ausreichende Bewerbungsbemühungen unterstellt, kann davon ausgegangen werden, dass er dann auch etwas über dem Mindestlohn bezahlte Beschäftigungen hätte finden können. Daher kann angenommen werden, dass der Antragsgegner in den Jahren 2017 und 2018 einen Bruttostundenlohn von 9,50 € und im Jahr 2019 einen solchen von 10 € hätte erzielen können.

e)
Der Antragsgegner ist unterhaltsrechtlich jedenfalls verpflichtet, vollschichtig, d.h. 40 Stunden in der Woche bzw. 173,33 Stunden im Monat, berufstätig zu sein. Eine Ausweitung der Tätigkeit auf bis zu 48 Stunden in der Woche, was ein nach § 3 ArbZG zulässiges Tätigwerden auch am Samstag beinhalten würde, kann vom Antragsgegner nicht verlangt werden, zumal er nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Senatstermin vom 06.06.2019 mit dem Antragsteller regelmäßigen Umgang alle 14 Tage am Wochenende von Freitag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 16 Uhr, pflegt. Hinzu kommen die gesundheitlichen Einschränkungen beim Antragsgegner. Diese gebieten es, die Phasen der körperlichen Regeneration nicht zu knapp zu bemessen.

Die Wochenenden sind daher arbeitsfrei zu halten.

f)
Nach alledem ergeben sich auf der Grundlage einer 40-Stunden-Arbeitswoche monatliche Bruttoeinkommen von 1646,67 € in den Jahren 2017 und 2018 sowie 1733,33 € im Jahr 2019. Bei einer Versteuerung nach Steuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag sowie Abzug der Sozialversicherungsbeiträge errechnen sich folgende monatliche Nettoeinkünfte:

- 1.191,46 € im Jahr 2017,

- 1.197,62 € im Jahr 2018,

- 1.261,17 € im Jahr 2019.

Daraus errechnete das OLG Brandenburg unter Berücksichtigung fiktiver Fahrtkosten und Selbstbehaltes die Leistungsfähigkeit für Kindesunterhalt.

Wie ermittelt man das fiktive Einkommen?

Wie man das fiktive Einkommen bei Hartz-IV-Empfängern ermittelt, ist streitig.

Möglichkeit a): neben Hartz IV kann anrechnungsfrei hinzuverdient werden – die Differenz ergibt die Leistungsfähigkeit – so OLG Brandenburg.

Möglichkeit b): Der 3. Senat des OLG Hamm (3 UF 192/13 vom 06.01.2014): Im Hinblick auf die Systematik des Kindesunterhaltsrechts und der Regelungen des SGB II sei es verfehlt, den Antragsgegner dadurch zur Zahlung von Mindestkindesunterhalt als leistungsfähig anzusehen, dass er ihm fiktiv gerade weniger als eine vollschichtige Erwerbstätigkeit, sondern lediglich eine Teilzeiterwerbstätigkeit neben dem Bezug von Sozialleistungen ansinnen würde. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei vielmehr ein fiktives Vollerwerbseinkommen zuzurechnen. Dies betrage bei einem Hilfskoch in Nordrhein-Westfalen monatlich durchschnittlich 1.387 € brutto. Nach Abzug der üblichen Aufwendungen ergebe sich ein bereinigtes Netto von unter 1.000 €, so dass Leistungsfähigkeit nicht vorliege.

Möglichkeit b) steht im Einklang mit der Wertung des BGH:

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist. Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Maßstäben.

Die Vorinstanz OLG Frankfurt a.M., Entscheidung vom 22.12.2010 - 2 UF 274/10 ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner im Verlauf seiner wechselvollen Erwerbsbiografie keine Qualifikation erwerben konnte, die es ihm heute ermöglichen würde, eine Vollzeitstelle zu erlangen. Dafür hat es die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder aufgezeigt, in denen der Antragsgegner beschäftigt war und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es ihm zuletzt (seit 2002) auf wechselnden Arbeitsstellen nicht mehr gelungen ist, eine Erwerbstätigkeit nachhaltig zu sichern. Auch soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, gerade die Vielseitigkeit der Tätigkeiten eröffne dem Antragsgegner eine reale Beschäftigungschance, bleibt die Würdigung des Oberlandesgerichts nach den Maßstäben des Rechtsbeschwerdeverfahrens noch vertretbar. Da das Oberlandesgericht nicht zuletzt das Alter des Antragsgegners und den persönlichen Eindruck, den es von ihm gewonnen hat, in die Würdigung einbezogen hat, verstößt seine tatrichterliche Würdigung weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht auch von der Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens abgesehen, das dem Antragsgegner neben seinem Leistungsbezug gemäß dem Sozialgesetzbuch II anrechnungsfrei zu belassen wäre.

Allerdings schließt der Bezug eines (Erwerbs-)Einkommens neben einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung für sich genommen noch nicht aus, dass das (Erwerbs-)Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung stehen kann. Vielmehr kann der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch dann unterhaltsrechtlich leistungsfähig sein, wenn er seinen unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt aus Sozialleistungen bestreiten und ein den Selbstbehalt übersteigendes Nebeneinkommen für den Unterhalt einsetzen kann.

Davon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu getroffen, dass es dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner nicht möglich sei, eine Geringverdienertätigkeit auszuüben, durch die er neben der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein nach § 11 b Abs. 2, 3 SGB II teilweise anrechnungsfreies Einkommen erzielen könnte. Indessen hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass dem Antragsgegner bei Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens mehr als der sogenannte notwendige Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte (in diesem Fall Zwischenbetrag zwischen Erwerbstätigen- und Nichterwerbstätigenselbstbehalt) zur Verfügung stünde, so dass er für den Unterhalt teilweise leistungsfähig sein könnte.

BGH-Urteil vom 19. Juni 2013 · Az. XII ZB 39/11

Mindestens mit Vollzeit-Mindestlohn rechnen?

OLG Brandenburg: Den Mindestlohn kann jede ungelernte Kraft verdienen

Im Rahmen von Unterhaltsprozessen spielt das Mindestlohngesetz jetzt eine Rolle.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.08.2014 – 9 UF 159/13:
"Es kann davon ausgegangen werden, dass eine zwar ungelernte, aber erfahrene Bürokraft mindestens ein Entgelt in Höhe des künftigen Mindestlohns von 8,50 € erzielen kann. Die Ehefrau befindet sich mit 47 Jahren im mittleren Erwerbsalter. Sie ist zwar – auch wenn sie eine Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin abgeschlossen hat – als ungelernt anzusehen, da sie in dem Bereich, der aufgrund ihrer Situation für eine Erwerbstätigkeit in Betracht kommt, keine Ausbildung aufgenommen oder beendet hat.
Dass sie nicht als Bäckereifachverkäuferin arbeiten will, ist zu akzeptieren. Da sie aber über Berufserfahrung verfügt, kann sie nicht geltend machen, sie habe auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit kann sie bei ausreichenden Bemühungen einen Arbeitsplatz finden. Ausgehend von einem künftigen Mindestlohn von 8,50 €, den eine zwar ungelernte, aber erfahrene Bürokraft erzielen kann, ist davon auszugehen, dass die Ehefrau jedenfalls monatlich brutto 1.470 € = netto 1.076 € (Steuerklasse I, 0,5 Kinderfreibetrag) verdienen könnte."


BVerfG: jedenfalls im VKH-Prüfverfahren dürfen 8,50€ nicht einfach unterstellt werden

Das Kammergericht Berlin zitiert in seinem Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az. 13 WF 263/14 – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. August 2014 zum Mindestlohn:

Zwar ist richtig, dass der Mindestlohn derzeit 8,50 € brutto/Stunde beträgt. Dafür, dass die Antragsgegnerin aber tatsächlich Zugang zu diesem Teil des Arbeitsmarktes hat, sind bislang keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist vielmehr daran zu erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 27. August 2014 (1 BvR 192/12, FamRZ 2014, 1977 [bei juris Rz. 22]) - allerdings für einen ungelernten Arbeiter, wohingegen die Antragsgegnerin IHK-geprüfte Fachgehilfin im Gastgewerbe ist - entschieden hat, dass ein Gericht, das ohne weitere Feststellungen zu der Auffassung gelangt, ein Bruttostundenlohn von 8,50 € sei erzielbar, den im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren eingeräumten Entscheidungsspielraum überschreite. Zur Vermeidung eines Grundrechtsverstoßes gelte Entsprechendes von der Feststellung, durch eine Nebentätigkeit könnten weitere 150 €/Monat hinzuverdient werden: Derartige Feststellungen dürfen, so das Bundesverfassungsgericht, nur unter Berücksichtigung der Erwerbsbiografie und nach Darlegung der persönlichen Umstände getroffen werden; für die Zurechnung eines Nebenverdienstes sei der Stundensatz und die fiktiv angenommene zeitliche Beanspruchung darzulegen.

KG · Beschluss vom 25. Februar 2015 · Az. 13 WF 263/14


vgl. dazu auch die BVerfG-Beschlüsse vom 18. Juni 2012:

1 BvR 774/10
1 BvR 1530/11
1 BvR 2867/11


Gehaltsumwandlung in Freizeit wird fiktiv zugerechnet

Manche Arbeitgeber gewähren „Zeitwertkonten“, z.B die Deutsche Bahn. Der Arbeitnehmer verzichtet dann auf die Auszahlung von Gehaltsteilen und kann für Freizeit ansparen, bis hin zu einem Sabbatical.

Das OLG Brandenburg musste sich damit befassen, was das unterhaltsrechtlich bedeutet.

Im Ergebnis wurde beim Trennungsunterhalt so gerechnet, als würde die Ehefrau nicht mtl. brutto 122 Euro auf ihr Zeitwertkonto einzahlen, allerdings erfolgte die Umrechnung in ein fiktives Netto.

Sogenannten Zeitwertkonten kommt eine unterhaltsrechtliche Bedeutung zu, weil die Bildung von Zeit-Werten eine Verminderung des aktuellen Einkommens zur Folge hat, weshalb dies beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen zu einer Zurechnung eines fiktiven Einkommens führen kann.

 

OLG Brandenburg - Beschluss vom 30.08.2021 - 9 UF 239/20


Mindestunterhalt für minderjährige Kinder: Wer nicht zahlen kann, muss das sehr ausführlich begründen

Den Gerichten genügt es nicht, wenn ein Unterhaltspflichtiger bloß sein Einkommen offenlegt und damit seine Leistungsunfähigkeit belegt. Zusätzlich muss er von sich aus, ungefragt, noch Angaben zu seinem Alter, seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang machen. Er muss sich also ausführlich dafür „entschuldigen“, nicht genug zu verdienen, um den Mindestunterhalt bezahlen zu können.

Sonst bekommt er nicht einmal Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung bewilligt. Auch bei gesundheitlichen Problemen greifen Auskunfts- und Darlegungspflichten.

Der Fall

Das 2003 geborene Kind verlangt Mindestunterhalt. Der Vater will nicht zahlen und bekommt für diese Verteidigung gegen den Anspruch keine Verfahrenskostenhilfe. Deshalb geht der Fall zum OLG.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Das OLG stellt klar, dass sich die Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB) des Vaters nicht feststellen lässt. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Wenn seine tatsächlichen Einkünfte nicht ausreichen, um den Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes zu decken, trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen.

Er muss insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einsetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit ausüben. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er das Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, tatsächlich erzielt. Zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zählen daher auch Einkünfte, die der Unterhaltspflichtige in zumutbarer Weise erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt.

Der Unterhaltsschuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Lebensstellung. Im vorliegenden Fall hat der Vater aber hinsichtlich eines ihm möglichen Einkommens schon keine hinreichenden Ausführungen zu seiner Vorbildung und seinem vollständigen beruflichen Werdegang gemacht. So fehlen z.B. Angaben über den Zeitpunkt und das Niveau seines Schulabschlusses ebenso wie eine lückenlose Darstellung seines Ausbildungsgangs, seiner nach dem Ausbildungsabschluss ausgeübten Tätigkeiten und seiner dabei erzielten Einkommen.

Also lässt sich nicht ausschließen, dass der Vater den beanspruchten Unterhalt bei Erfüllung seiner einfachen Erwerbsobliegenheit ohne Beeinträchtigung seines angemessenen Selbstbehalts leisten kann.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2016 – 13 WF 244/16

Kein Recht der Eltern auf Ausbildung, wenn der Mindestunterhalt eines Kindes sichergestellt werden muss

Oberlandesgericht Hamm, 12 UF 225/14 – Beschluss vom 24.04.2015:

Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt jedenfalls dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalt zurück, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und aufgrund seiner Schulausbildung sowie sonstigen beruflichen Erfahrung in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.

Der Fall:

Ein 11jähriger Junge lebt beim Vater und begehrt von der Mutter Mindestunterhalt.

Die inzwischen 35-jährige Mutter stammt aus Mexiko und hat bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung, aber in Mexiko die allgemeine Hochschulreife erworben. Nachdem sie ein erstes Studium abgebrochen hatte, begann sie ein Studium des International Business. Sie lernte den Vater ihres Kindes kennen, heiratete ihn im Jahr 2001 und lernte die deutsche Sprache. Nach der Geburt des Sohnes blieb sie zunächst zu Hause. Später begann sie eine Ausbildung zur Erzieherin, die sie abbrach. Im Juli 2010 begann sie eine Ausbildung, die sie im März 2011 abbrach. Im Sommer 2011 nahm sie erneut das Studium Internationales Business auf, welches sie im Sommer 2013 abbrach. Ab November 2013 bezog sie zunächst Leistungen nach dem SGB II. Im August 2014 begann sie eine zweijährige Ausbildung/Umschulung zur Veranstaltungskauffrau. Diese brach sie im Oktober 2014 ab. Seit dem 24.11.2014 ist sie angestellt und verdient mtl. rund 1.425,00 € netto.

Es geht um den Kindesunterhalt ab November 2013.

Für die Zeit ab Dezember 2014 (tatsächliche Einkünfte) entscheidet das OLG:

Nach Abzug der vollen Fahrtkosten verbleiben der Antragsgegnerin noch 1.234,37 €. Ihr fehlten damit nach Abzug des vollen Selbstbehalts im Dezember 2014 knapp 40,00 €, ab Januar 2015 knapp 120,00 € um aus ihrem tatsächlichen Einkommen den Mindestunterhalt für ihr Kind zu zahlen. Diese tatsächlich nicht vorhandenen Beträge sind ihr fiktiv zuzurechnen, da sie in der Lage wäre, durch eine Nebentätigkeit entsprechende Einkünfte zu erzielen. Neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit ist der Antragsgegnerin eine Nebentätigkeit im Umfang von vier Stunden in der Woche zuzumuten, mit denen sie ein weiteres Einkommen von zumindest 120,00 € monatlich erzielen könnte. Wenn die Antragsgegnerin neben ihrer vollschichtigen Tätigkeit weitere vier Stunden arbeiten würde, käme sie auf eine Wochenarbeitszeit von 44 Wochenstunden und läge damit innerhalb der gem. § 3 ArbZG zulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Darüber hinaus ist bei der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit auf die spezifische Arbeits- und Lebenssituation des Pflichtigen abzustellen (OLG Hamm, FamRZ 2010, 985). Angesichts ihrer geregelten Arbeitszeiten, der einfachen Entfernung zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle von 17,4 km, dem Umstand, dass sie diese Wegstrecke mit dem PKW und damit in kurzer Zeit zurücklegen kann und schließlich vor dem Hintergrund, dass sie keine weiteren Kinder zu betreuen hat, ist es ihr ohne weiteres zuzumuten, eine zusätzliche (geringfügige) Nebentätigkeit aufzunehmen, die sie in die Lage versetzt, die fehlenden Beträge für den Mindestunterhalt zu erwirtschaften. In Betracht kommt beispielsweise eine Nebentätigkeit als Thekenkraft im Fitnessstudio/Tanzschule oder als Aushilfskraft in einer Bäckerei oder Tankstelle. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen oder die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit hat der Unterhaltsschuldner. Da die Antragsgegnerin anscheinend bislang nicht einmal auf die Idee gekommen ist, neben ihrer Vollzeittätigkeit eine Nebentätigkeit auszuüben, können entsprechende Bemühungen nicht festgestellt werden. Von einer realen Beschäftigungschance ist angesichts der Zeit, die der Antragsgegnerin hierfür zur Verfügung steht – in den frühen Morgenstunden, den Abendstunden oder am Wochenende – bei lebensnaher Betrachtung auszugehen.

Für die Zeit davor rechnet das OLG ihr die späteren tatsächlichen Einkünfte als erzielbar (fiktiv) an:

Der Streit zwischen den Beteiligten, welches Einkommen die Antragsgegnerin als ungelernte Arbeitskraft hätte erzielen können, hat sich durch die tatsächliche Entwicklung erledigt. Die Antragsgegnerin erzielt inzwischen als Sachbearbeiterin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.425,37 €. Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, schon ein Jahr früher eine solch dotierte Stelle zu finden, wenn sie sich hinreichend bemüht hätte, denn ihre berufliche Qualifikation hat sich in dem einen Jahr nicht wesentlich gesteigert. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihre dreimonatige Ausbildung/Umschulung ihre beruflichen Kenntnisse so wesentlich vorangebracht hätte, dass sich hierdurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht hätten.

Anders beim Ehegattenunterhalt:

Da ist Fortbildung vor Wiedereinstieg erlaubt

Die Erwerbsobliegenheit eines unterhaltsberechtigten Ehegatten kann sich unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe bei Geburt und Kindererziehung mit einer erheblichen Berufspause zunächst auf längere Fortbildungen zum Wiedereinstieg in den gelernten Beruf richten (hier anderthalb Jahre für eine Erzieherin bei vieljähriger Berufspause).
OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.12.2019 – 13 UF 74/15


OLG Dresden zu leichtfertigem Arbeitsplatzwechsel

Ein Vater war sieben Jahre lang bei einem Betrieb unbefristet beschäftigt gewesen und hat dort rund 2.300 Euro monatlich netto verdient. Im März 2012 kündigte er dort, um bei einem Veranstalter mittelalterlicher Märkte zu arbeiten (befristet von April bis Dezember, Lohnerwartung 3.000 Euro netto). Nun könnte man meinen, der Vater habe das Richtige getan, um seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt zu erhöhen – aber weit gefehlt.

Im Nachhinein ist man nämlich immer klüger: Bereits im Mai musste er sich mit einer Lohnabsenkung auf 2.000 € zufrieden geben, weil die Veranstaltungen nicht wie erwartet liefen, im Dezember wurde das Arbeitsverhältnis nicht verlängert. Der Vater meinte, das habe er nicht vorhersehen können, die Richter sahen das anders. Bei einer beruflichen Veränderung, die sich nachhaltig auf die Einkünfte auswirke, sei zu prüfen, ob der Unterhaltsverpflichtete die Leistungsunfähigkeit selbst verschuldet habe. Dies sei bei einem leichtfertigen, vom üblichen sozialen Standard abweichenden Verhalten der Fall. Leichtfertig in diesem Sinn handele, wer seine Arbeitskraft auf sinnlose Art aufs Spiel setze und einbüße. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der Mann sich zumindest leichtfertig verhalten habe. Wer zu Unterhalt verpflichtet ist, trägt eine besondere Verantwortung, was seine finanzielle Leistungsfähigkeit angeht. Geht er etwa leichtfertig berufliche Risiken ein und gerät deswegen in finanzielle Nöte, kann das Gericht bei der Berechnung des Unterhalts ein fiktives Einkommen zugrunde legen.

Ein befristetes Arbeitsverhältnis in einer berufsfremden Tätigkeit mit einem Einzelunternehmer im Hinblick auf die Möglichkeit eines kurzfristig höheren Entgelts sei unterhaltsrechtlich nicht zu verantworten. Der Mann habe die Aussicht gehabt, innerhalb von achteinhalb Monaten 25.500 Euro netto zu verdienen mit dem Risiko anschließender Arbeitslosigkeit, während er bei Weiterbeschäftigung innerhalb eines Jahres sicher über ein Nettoeinkommen von rund 27.650 Euro verfügt hätte. Unter diesen Umständen habe er keine berechtigte Erwartung auf eine langfristige Verbesserung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Situation hegen können.
Oberlandesgericht Dresden am 7. März 2013 (AZ: 20 WF 192/13, 20)


OLG Köln zum Umfang der Bewerbungsbemühungen

OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2011, 4 WF 51/11:

1. Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte, der ohne Arbeit ist, genügt seiner Erwerbsobliegenheit nicht, wenn er für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten lediglich rund 40 Bewerbungen vorlegen kann. Dabei ist ihm auch die Einarbeitung in neue Tätigkeitsbereiche, die Beschäftigungschancen bieten, zuzumuten.

2. Genügt der unterhaltsberechtigte Ehegatte seiner Erwerbsobliegenheit nicht, so ist ihm ein Nettoeinkommen von etwa 1.000 EUR fiktiv zuzurechnen.

Aus den Gründen:

Mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin für die Folgesache nachehelicher Unterhalt mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Die vorgelegten Bewerbungen reichen zur Erfüllung der unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit weder quantitativ noch qualitativ aus. Es wurden ohne näheren Sachvortrag nur rund 40 Bewerbungen für einen Zeitraum von über 6 Monaten vorgelegt. Dies reicht quantitativ bei weitem nicht aus. Zu beanstanden ist zudem, dass sich die Antragsgegnerin - abgesehen von einer Bewerbung auf eine Stelle als Verkäuferin – nur als Bürokraft beworben hat. Tätigkeitsbereiche, in denen gerichtsbekannt erheblicher Bedarf an Arbeitskräften besteht, wie etwa in der Kinder- und Seniorenbetreuung sowie vor allem im Bereich Pflege, wurden in die Bewerbungsbemühungen nicht einbezogen. Der 47-jährigen Antragsgegnerin kann durchaus zugemutet werden, sich in neue Tätigkeitsbereiche einzuarbeiten.


OLG Celle 2014: Jeder gesunde Mann kann am Bau 1300 € netto verdienen

Es geht um Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind. Der Vater hat keine formale Berufsausbildung, jedoch einen Führerschein und keine gesundheitlichen Einschränkungen. Er hatte früher ein Kleingewerbe mit monatlichen Einnahmen von bis zu 800 € (kaum Gewinn). Er lebt zusammen mit einer Lebensgefährtin und deren Kind sowie einem gemeinsamen Baby in einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf durch das JobCenter gedeckt wird (Hartz IV).

Die Entscheidung:

„Ein gesundheitlich nicht eingeschränkter arbeitsfähiger Unterhaltsschuldner mittleren Alters ohne formelle Berufsqualifikation - aber mit Führerschein - kann z.B. aus einer möglichen Tätigkeit als Bauhelfer ein bereinigtes Nettoeinkommen von etwa 1.280 EUR erzielen (Fortführung von OLG Celle 10 UF 33/13 - 20.03.2013).“

Der Mann bekommt auch keine Verfahrenskostenhilfe (VKH) – mangels Erfolgsaussicht.

OLG Celle, Beschluss vom 22.08.2014- Aktenzeichen 10 UF 180/14

Aus den Gründen:
1. Der Antragsgegner ist seinen minderjährigen unverheirateten Kindern - wie vorliegend der Antragstellerin - gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltsverpflichtet, muß also in jeder ihm möglichen und zumutbaren Art und Weise zu deren (Mindest-) Unterhalt beitragen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei für seine Leistungsfähigkeit nicht allein auf die tatsächlichen, sondern vielmehr auch auf erzielbare Einkünfte abzustellen, soweit seine Erwerbsbemühungen nicht ausreichend sind und für ihn eine hinreichend reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht (vgl. zuletzt etwa BGH - Beschluß vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 ff. = MDR 2014, 347 ff. = NJW 2014, 932 ff. = juris [Tz 9] m.w.N.).


2. Der Unterhaltspflichtige trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für eine geltend gemachte vollständige oder teilweise Leistungsunfähigkeit; diese ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich ausdrücklich auch auf ein behauptetes Fehlen einer entsprechenden realen Beschäftigungschance (BGH aaO. [Tz 11] m.w.N.). Dabei sind an die Feststellung, daß für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance besteht, strenge Maßstäbe anzulegen. Es bestehen selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und für ungelernte Kräfte regelmäßig auch keine Erfahrungssätze etwa dahin, daß ein gesunder Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsaltern nicht - ggf. auch erstmalig - in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln wäre (BGH aaO. [Tz 13] m.w.N.). Ohne Rückgriffsmöglichkeit auf einen derartigen Erfahrungssatz kann das Fehlen realer Erwerbsmöglichkeiten für eine Vollzeittägigkeit allerdings nur durch den Nachweis geführt werden, daß der Unterhaltspflichtige sich hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat (BGH aaO. [Tz 17] m.w.N.).


3. Nach diesen Grundsätzen ist für den Antragsgegner, bei dem es sich um einen gesunden Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter handelt, in jedem Fall von der realen Möglichkeit der Aufnahme einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung auszugehen. Offen bleibt insofern allenfalls noch, welche Art von Tätigkeit dabei für den konkreten Antragsgegner zugrunde gelegt werden kann.

Der Senat hat sich einen persönlichen Eindruck vom Antragsgegner verschafft.

Danach hält der Senat eine Tätigkeit als Helfer im Bauhauptgewerbe für möglich. Gesichtspunkte, die der Ausübung einer derartigen Tätigkeit durch den Antragsgegner entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich; er verfügt sogar - wie in entsprechenden Stellenangeboten teilweise im Hinblick auf den Einsatz an wechselnden Baustellen erwünscht - über eine Fahrerlaubnis. Der Senat hat sich schließlich - nicht zuletzt bereits anläßlich früherer Verfahren - durch Recherchen im Internet davon überzeugen können, daß auch in Hannover und dem entsprechenden Umfeld durchaus Vollzeitstellen als Bauhelfer angeboten werden.


Insolvenzverfahren als Verpflichtung

Ein Unterhaltsschuldner ist, wenn er nicht im Einzelfall die Unzumutbarkeit darlegt, grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten. Vorteile und Nachteile des Insolvenzverfahrens sind dabei im jeweiligen Einzelfall insgesamt gegeneinander abzuwägen. Ein Argument gegen eine Pflicht zur Verbraucherinsolvenz könnte ein deswegen drohender Arbeitsplatzverlust sein.


Als die Eltern zweier Kinder sich trennten, blieben Schulden übrig, für die beide hafteten. Der Vater war neben seinem Vollzeitberuf noch im Minijob tätig und stotterte die Schulden ab, weshalb er meinte, keinen Kindesunterhalt zahlen zu können. Die Mutter bezog Unterhaltsvorschuss, das Jugendamt nahm den Vater für die Zahlungen in Regress.

Das OLG hatte bei den Schulden den Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe seiner Unterhaltsverpflichtungen und seine Möglichkeiten, seine Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen, abzuwägen. Insbesondere wenn der Mindestkindesunterhalt nicht gedeckt ist, gibt die Rechtsprechung dem Schuldner nämlich nur einen Anspruch darauf, dass seine Verschuldung nicht wächst, so dass Tilgungsraten teilweise nicht berücksichtigt werden. Zudem muss sich der Schuldner intensiv um eine Tilgungsstreckung bemühen, wobei dies - wie auch hier - in den seltensten Fällen erfolgreich ist.

Im Ergebnis war er dazu verpflichtet, einen Privatinsolvenzantrag zu stellen. Er müsse seine Zahlungen an Drittgläubiger bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenzen einstellen, um den unterhaltsberechtigten Kindern die Möglichkeit der erweiterten Pfändung bis zum Selbstbehalt nach § 850 d ZPO zu eröffnen.

Der Vater argumentierte dagegen: da die Mutter der Kinder gesamtschuldnerisch mitverpflichtet sei, werde die Bank sich an sie wenden, was zum Nachteil des Haushaltseinkommens auch die Kinder betreffe. Das OLG sah das als unzulässige Vermischung: Der Unterhalt stehe den Kindern zu und habe nichts mit der Einkommens- und Ausgabensituation der Mutter zu tun.

Allerdings sah das OLG ein, dass man nicht rückwirkend fiktiv so rechnen könne, als habe der Vater den Insolvenzantrag bereits vor Jahren gestellt – die Überlegungen galten daher nur für die Zukunft. Die Raten, die der Vater aus der Ehe mitgenommen hatte und nach vergeblichen Verhandlungen mit der Bank bedienen musste, wurden für die Vergangenheit berücksichtigt – neu aufgenommene Kredite aber nicht. Auch Raten auf ein Bußgeld konnte er den Kindern nicht entgegenhalten.


OLG Hamm - Beschluss vom 11.12.2023 (4 UF 141/22)



Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle

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