Das Original des Berechtigungsscheines "Beratungshilfe" muss vorher per Post übersandt werden, der Eigenanteil von 15 Euro muss überwiesen sein.
Auch die Verfahrenskostenhilfe-Anträge nebst Belegen benötige ich vorher im Original.
Für außergerichtliche Beratung und Schreiben gibt es in NRW den "Beratungshilfeschein" beim Amtsgericht Ihres Wohnortes.
Die Mandanten selbst zahlen dem Anwalt 15 Euro, der Anwalt erhält je nach Tätigkeiten zwischen 30 Euro und 200 Euro zzgl. Mehrwertsteuer aus der Staatskasse. Das ist in der Regel nur ein Bruchteil der Vergütung, die ein Selbstzahler tragen würde. Anwälten wird damit als Organ der Rechtspflege eine weitgehend ehrenamtliche Tätigkeit ("pro bono") für Bedürftige abverlangt.
Der Beratungshilfeschein muss vor dem Besuch beim Anwalt geholt werden, weil sonst der Mandant das Risiko trägt, den Anwalt doch selbst bezahlen zu müssen.
Das ist nicht nur dann der Fall, wenn das Gericht errechnet, dass der Mandant nicht arm genug ist - sondern auch, wenn das Gericht für diese Rechtsfrage einen Anwalt für überflüssigen Luxus hält. Das gilt vor allem bei Sorgerechts- und Umgangsfragen und beim Kindesunterhalt, weil da das Jugendamt auch kostenlose Hilfen anbietet.
Der Beratungshilfeschein muss vor dem Termin bei mir geholt werden, damit kein Risiko besteht, dass die Hilfe abgelehnt wird.
Fragen Sie bei dem Amtsgericht Ihres Wohnortes nach der Rechtsantragsstelle für Familiensachen und nehmen Nachweise über Ihre finanziellen Verhältnisse mit (Gehaltsmitteilung, Mietvertrag, Kontoauszüge, Schuldennachweise etc.). Sie können das Formular auch schon über diese Webseite ausdrucken und zuhause in Ruhe ausfüllen.
Lassen Sie sich nicht "abwimmeln": wenn man Ihnen den Beratungshilfeschein nicht bewilligen will, bestehen Sie auf einer schriftlichen Ablehnung ihres Antrages! Nur dann kann ich Sie ggf. unterstützen, den Berechtigungsschein doch noch zu bekommen.
In Familiensachen ist besonders wichtig, dass der Beratungshilfeschein alle Gegenstände aufzählt, über die Sie Beratung wünschen, sonst gibt es abschließend Schwierigkeiten bei der Abrechnung, s.u.. z.B.: "Trennung, Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Hausrat, Wohnungszuweisung, Mietverhältnis, Gewaltschutz, Sorgerecht, Umgangsrecht" usw.
Die Aufhebung der Bewilligung kommt später in Betracht, wenn der Rechtsuchende auf Grund der Beratung oder Vertretung, für die ihm Beratungshilfe bewilligt wurde, etwas erlangt hat.
Wird also Unterhalt ausreichend gezahlt oder kommt es zum Zugewinnausgleich, stelle ich nachträglich eine Selbstzahler-Rechnung.
Bitte lesen Sie dazu unbedingt meine "Wichtigen Hinweise".
Das Antragsformular auf Beratungshilfe und weitere Informationen finden Sie weiter unten.
Ihre private Zuzahlung je Beratungsgegenstand beträgt nach Nr. 2500 VV RVG 15 €. Diese bringen Sie bitte bar zur Beratung mit.
Dieser Schein ist der Grundlage meiner Abrechnung mit der Staatskasse. Ich kann nur das abrechnen, was Ihnen der Rechtspfleger vorher als Beratungsbedarf bewilligt hat.
Wenn sich erst während unseres Gespräches herausstellen sollte, dass Sie noch viel mehr Themen haben, entsteht eine Finanzierungslücke.
Sie werden nicht wollen, dass ich ohne Honorar für Sie arbeite.
Nutzen Sie daher meinen Ihnen vorher zugesandten Fragebogen mit der Themen-Checkliste.
Vor 2009 war es im Bezirk der hiesigen Amtsgerichte üblich, dass auf einen einzelnen Berechtigungsschein dem Anwalt auch nur eine Gebühr zustand. Dabei war es dem Gericht gleichgültig, ob der Anwalt viele, viele Stunden damit verbracht hatte, seinen Mandanten über alle denkbaren Rechtsfolgen der Trennung aufzuklären - bis hin zu Themen außerhalb des Familienrechts (Schadenfreiheitsrabatt beim Kfz, mietrechtliche Fragen, Schuldenhaftung etc.).
2009 habe ich es endlich - zur Freude vieler familienrechtlicher Kollegen - geschafft, eine obergerichtliche Entscheidung zu erstreiten. Die Vergütung aus der Staatskasse ist zwar immer noch nicht in jedem Fall kostendeckend, aber immerhin ist nun grundsätzlich geklärt, dass sich ein Mandat in der Trennungszeit typischerweise aus vielen verschiedenen Einzelthemen zusammensetzt, die einzeln abrechenbar sind - wenn der Berechtigungsschein sie aufzählt.
Die Rechtsfrage „derselben Anlegenheit“ in Familiensachen ist vom OLG Köln, 16 Wx 252/08, im von mir erfochtenen Beschluss vom 9.2.2009 zu meiner Zufriedenheit beantwortet worden:
OLG Köln, 16 Wx 252/08, Beschluss vom 9.2.2009:
"Wie die im Berechtigungsschein bezeichnete Angelegenheit nachträglich im Einzelnen gebührenrechtlich zu bewerten ist, darf nicht der Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren entscheiden. Die Beurteilung ist allein dem anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit im Beratungshilfeverfahren ist allein, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben sind. Insgesamt müssen ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen. Weder bei außergerichtlichen Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen genügt es, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. der Scheidung der Eheleute haben."
Weder bei außergerichtlichen Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen führt die Tatsache, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung der Eheleute haben und die Erstberatung des Mandanten nach Trennung zu gleichzeitigem Handlungsbedarf führt, dazu, dass die rechtlich verschiedenen Angelegenheiten gebührenrechtlich miteinander zu ein und derselben verschmelzen.
Das OLG Düsseldorf hat diese Auffassung im Beschluss vom 16.10.2012 – 3 Wx 189/12 – konkretisiert.
Dem hat sich auch das OLG Hamm angeschlossen:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 8.4.2016, 25 W 295/15:
Ausgehend von den im Rahmen der Gewährung der Beratung zu berücksichtigenden jeweiligen Lebenssachverhalten, deren Abgrenzbarkeit untereinander und den jeweils angesprochenen Tätigkeitsfeldern des Anwalts wird dürfte es im Regelfall angemessen sein, zwischen folgenden, bis zu sechs verschiedenen beratungshilferechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe zu unterscheiden (OLG Naumburg, aaO):
Ehesachen i. S. von §§ 111 Nr. 1, 121 FamFG,
Kindschaftssachen i. S. von §§ 111 Nr. 2, 151 FamFG (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i. V. m. 266 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 FamFG),
Ehewohnungs- und Haushaltssachen i. S. von §§ 111 Nr. 5, 200 FamFG,
Versorgungsausgleichssachen i. S. von §§ 111 Nr. 7, 217 FamFG,
Unterhaltssachen i. S. von §§ 111 Nr. 8, 231 FamFG (d. h. sowohl Kindschafts- als auch Ehegattenunterhalt) sowie
Güterrecht i. S. von §§ 111 Nr. 9, 261 FamFG und sonstige Vermögensauseinandersetzungen (ggf. auch §§ 111 Nr. 10 i. V. m. 266 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG).
Die Differenzierung der familienrechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung der Ehe in Ehesachen, Kindschaftssachen und Unterhaltssachen entspricht inzwischen der zumindest überwiegenden Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 09.02.2009, Wx 252/08, FamRZ 2009,1345; OLG Rostock, Beschluss v. 25.11.2010, 10 WF 124/10; OLG Nürnberg, Beschluss v. 29.03.2011, 11 WF 1590/10, MDR 2011, 759; OLG Celle, Beschluss v. 14.07.2011, 2 W 141/11, NJW 2011, 3109; OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.10. 2012, 8 W 379/11, RPfl 2013, 101).
Soweit zum Teil (OLG Köln aaO; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2012, 3 Wx 189/12, juris) weiter zwischen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt differenziert wird, ist diese Unterscheidung bei der grundsätzlich gebotenen typisierenden Betrachtung nicht erforderlich. Denn die Beratung in beiden Arten von Unterhaltssachen bezieht sich hinsichtlich des Bedarfs der Unterhaltsberechtigten und der Leistungsfähigkeit einschließlich Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten regelmäßig auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt; in den hier häufig vorkommenden Fällen der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit sind beide Gegenstände zusätzlich miteinander verbunden (ebenso OLG Naumburg, aaO, m.w.Nachw..; OLG Koblenz, Beschluss v. 23.11.2011, 4 W 554/11, JurBüro 2012, 419).
Ebenso entspricht es inzwischen der vorherrschenden Rechtsprechung, die Ehewohnungs- und Hausratssachen als eigenständige Angelegenheit im Rahmen der Auseinandersetzungen bei Beendigung der Ehe anzusehen (vgl. OLG Naumburg aaO, m.w.Nachw.).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden die weiteren finanziellen Auswirkungen der Beendigung der Ehe uneinheitlich behandelt; wohl überwiegend werden Unterhaltsansprüche, Güterrecht, Versorgungsausgleich u.ä. als eine Angelegenheit angesehen (so OLG Nürnberg aaO; OLG Celle aaO; OLG Stuttgart, aaO; OLG Schleswig, Beschluss vom 25.04.2013, 9 W 41/13, juris; OLG München, Beschluss vom 26.02.2015, 11 WF 1738/14; juris), teilweise erfolgt allerdings eine weitergehende Differenzierung (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.).
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 04.03.2014, 25 W 305/13, nicht veröffentlicht) ist es jedenfalls als sachgerecht anzusehen, zum einen die Beratung in Unterhaltssachen als eine eigenständige anwaltliche Tätigkeit mit spezifischen tatsächlichen Grundlagen und u.U. auch spezifischen Haftungsrisiken zu bewerten. In gleicher Weise gilt dies zum anderen auch die Beratungen betreffend den Versorgungsausgleich, die sich hinsichtlich der Zielrichtung der erforderlichen Sachaufklärung und der erforderlichen rechtlichen Beurteilungen deutlich von den allgemeinen Vermögensauseinandersetzungen zwischen Geschiedenen, insbesondere im Rahmen des Güterrechts abheben, was im Regelfall eine Bewertung als eigenständige Angelegenheit rechtfertigt. Dies mag nur bei besonders einfach gelagerten Fällen anders zu bewerten sein.
Meine Argumentation, mit der ich das 2009er-Verfahren in Köln gewonnen hatte:
Eine Angelegenheit kann bei mehreren Gegenständen nur dann angenommen werden, wenn ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist.
Ein solcher Zusammenhang kann nicht einmal dann angenommen werden, wenn verschiedene Trennungsfolgen Gegenstand des Beratungshilfeauftrags sind, wenn deren Geltendmachung in einem gerichtlichen Verfahren als einheitliche Angelegenheit anzusehen wäre, betrifft also die Scheidung und die Scheidungsfolgesachen nach § 137 Abs. 2 und 3 FamFG.
Ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG, wonach „eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind“, ist bei der Beratungshilfe nicht möglich.
Bei Erteilung des Beratungshilfeauftrags steht nämlich nicht fest, ob und inwieweit die Beratung in die Tat umgesetzt und ein Scheidungs- oder sonstiges Verfahren überhaupt durchgeführt bzw. eingeleitet werden wird, so dass Regelungen für die Zeit nach Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten übertragen werden können, die vor solcher Einleitung entfaltet werden.
Schon daher erscheint die Annahme eines inneren Zusammenhangs zweifelhaft mit der Folge, dass eine einheitliche Beauftragung insoweit nicht angenommen werden kann. Im Übrigen ist die Interessenlage in beiden Verfahrensstadien nicht vergleichbar. Da für die Zusammenfassung von Ehe- und Folgesachen zu einer Angelegenheit im Sinne von § 16 Nr. 4 RVG ein Ausgleich der damit verbundenen Mehrarbeit des Anwalts darin besteht, dass die Gegenstandswerte der verschiedenen Gegenstände für den Gebührenstreitwert zu addieren sind (§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3 RVG; 33 FamGKG), würde eine Anwendung des § 16 Nr. 4 im Beratungshilfeverfahren – in welchem nach der gesetzlichen Regelung für jeden Beratungsgegenstand (geringe) Festgebühren anfallen – dazu führen, dass der Anwalt in der Ehesache und sämtlichen Folgesachen für dieselbe Vergütung tätig zu sein hätte, die er schon allein für die Ehesache oder eine einzige Folgesache erhielte.
Kommt aber hinsichtlich der im Beratungshilfeverfahren angefallenen Tätigkeiten eine entsprechende Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG nicht in Betracht, kann – gerade angesichts der Festgebührenregelung der VV 2501 ff. zum RVG - ohne weitere Anhaltspunkte auch kein innerer Zusammenhang der zu regelnden Gegenstände (Trennung, Scheidung und die Folgesachen) angenommen werden. Auszugehen ist vielmehr von gebührenrechtlich verschiedenen Angelegenheiten (hier verweist das OLG Düsseldorf auf die o.g. Entscheidung des OLG Köln).
Noch viel mehr gilt dies bei Themen, die nicht einmal verbundfähig sind, wie z.B. der Trennungsunterhalt und die Vermögensauseinandersetzung (Zugewinnausgleich).
Ein solches Gesamtpaket mündet in der Regel in einen einheitlichen Notarvertrag. Auch dadurch wird es nicht zu einer einzigen gebührenrechtlichen Angelegenheit, wie OLG Köln, 16 Wx 252/08 bereits entschieden hat - vorgehend AG Monschau hatte dies anders gesehen.
BGH, Urteil vom 29.10.2020 - IX ZR 264/19:
"Das Tatbestandsmerkmal der Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG und das der Angelegenheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BerHG betreffen unterschiedliche Sachverhalte und sind nicht einheitlich auszulegen. Wenn zur Bestimmung der Höhe des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts gegen den Mandanten verschiedene Gegenstände zu einer Angelegenheit zusammengefasst werden, werden die Werte der Gegenstände addiert. Demgegenüber kann der Rechtsanwalt nach dem Beratungshilfegesetz gegen die Staatskasse für jede Angelegenheit lediglich Festgebühren geltend machen. Je mehr Gegenstände unter den Begriff einer Angelegenheit zusammengefasst werden, desto mehr wird der Anwalt durch die in der Beratungshilfe ohnehin niedrigen Gebühren belastet. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht darauf verwiesen, es spreche aus verfassungsrechtlicher Sicht viel dafür, im Rahmen der Beratungshilfe verschiedene Gegenstände im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung nicht als dieselbe Angelegenheit anzusehen (BVerfG, AGS 2002, 273; vgl. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 16 Rn. 42 ff; vgl. Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, 10. Aufl., § 16 Rn. 27c). Dem sind die Oberlandesgerichte gefolgt und haben aus verfassungsrechtlichen Gründen mehrere Angelegenheiten im Sinne des Beratungshilfegesetzes angenommen, wenn der Anwalt im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung Beratungshilfe leistet (OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 574, 575; OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 1244, 1245; OLG Dresden, FamRZ 2011, 1684, 1685; OLG Naumburg, FamRZ 2014, 238, 240; OLG Hamm, AGS 2016, 539)."
Ist zum Zeitpunkt der Einigung bereits ein Scheidungsverfahren mit VKH-Bewilligung anhängig, besteht die Lösung in der Erstreckung der Beiordnung nach § 48 Abs. 3 RVG.
Dieser Gebührenanreiz für Rechtsanwälte ist auch rechtspolitisch wünschenswert, denn nur auf diese Weise werden den Gerichten zahllose streitige Scheidungsfolgeverfahren mit VKH-Bewilligung erspart.
Die positive Folge für den Mandanten: Auch der Beratungshilfe-Mandant kann in Richtung "Scheidungsfolgevertrag beim Notar" beraten werden, ohne dass der Anwalt tüchtig draufzahlt.
Denn nur weil man derzeit ein Beratungshilfefall ist, ist das nicht gleichbedeutend damit, dass nichts zu verteilen ist, keine Konfklikte da sind, über die man sich einigen könnte.
Leider muss man sich als Anwalt doch immer wieder neu mit den Rechtspflegern über einen Lohn streiten, der oft nicht einmal kostendeckend ist - und vergeudet Energie.
Beratungshilfe: Es genügt nicht, wenn der Rechtspfleger auf kostenlose Beratung bei Behörden verweist. Der Bürger hat Anspruch auf einen begründeten Ablehnungsbeschluss mit Rechtsmittelbelehrung.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT vom 19.4.2015 - 1 BvR 1849/11 -
Der Fall:
Es ging um den Widerspruch gegen einen Rentenbescheid. Übertragbar ist dieser Fall aber gut ins Familienrecht, nämlich immer dann, wenn der Rechtspfleger keinen Beratungshilfeschein ausstellt, auch keinen Ablehnungsbeschluss aushändigt, sondern bloß auf die kostenfreie Beratung des Jugendamtes hinweist, wenn der Rechtssuchende da schon vergeblich Beratung gesucht hat oder diese Beratung aus anderen Gründen keinen genügenden Rechtsschutz bietet (Kindesunterhalt, Unterhaltsvorschuss, Umgangsrecht).
Leitsatz
1. Erachtet ein Amtsgericht einen Beratungshilfeantrag nach Erteilung mündlicher Hinweise durch den Rechtspfleger als erledigt, obwohl ausdrücklich eine anwaltliche Beratung gewünscht war, liegt ein Verstoß das gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit vor.
2. Der Begriff der Zumutbarkeit wird überdehnt, wenn der Rechtsuchende für das Widerspruchsverfahren an die Beratungsstelle der Behörde, gegen die Widerspruch eingelegt werden soll, verwiesen wird.
3. Grundsätzlich muss über einen Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz, dem nicht in vollem Umfang entsprochen wird, durch einen zu begründenden und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehenden Beschluss entschieden werden.
(Leitsatz der Redaktion des Anwaltsblatts)
Aus den Gründen:
Für die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung ihres Antrags auf eine Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragte die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz, im Folgenden BerHG).
Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wies die Beschwerdeführerin mündlich darauf hin, dass sie schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch bei der Rentenversicherung einlegen oder sich an die im Bescheid genannte Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden könne. Er stellte weder einen Berechtigungsschein aus noch beschied er den Antrag förmlich.
Noch am selben Tag legte die Beschwerdeführerin „Erinnerung, hilfsweise Beschwerde“ beim Amtsgericht ein, mit der sie konkret darlegte, aus welchen Gründen sie Widerspruch erheben wolle und aufgrund welcher Erkrankungen sie nicht in der Lage sei, das Widerspruchsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu betreiben. Die Richterin beim Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss vom 10. Juni 2011 zurück. Beratungshilfe sei nicht abgelehnt, sondern durch die Hinweise des Rechtspflegers gewährt worden. Die Sache sei damit gemäß § 3 Abs. 2 BerHG erledigt. Eine Bescheidung einer Ablehnung komme daher nicht in Betracht.
(…) Es verstößt nicht gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit, wenn keine Beratungshilfe zugesprochen wird, weil ausreichende Selbsthilfemöglichkeiten bestehen, aufgrund derer auch Bemittelte die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>). Ob Rechtsuchende zumutbar auf Möglichkeiten der Selbsthilfe verwiesen werden können, haben die Fachgerichte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Insbesondere kommt es darauf an, ob der dem Beratungsanliegen zugrunde liegende Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft, ob Rechtsuchende selbst über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. September 2010 - 1 BvR 623/10 -, juris, Rn. 13) oder ob Beratung durch Dritte für sie tatsächlich erreichbar ist. Keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit ist jedoch die pauschale Verweisung auf die Beratungspflicht der den Bescheid erlassenden Behörde (vgl. BVerfGK 15, 438 <444>; 15, 585 <586>; 18, 10 <13>).
(…) Auch soweit das Amtsgericht die Inanspruchnahme der Beratungsstelle des Rentenversicherungsträgers als andere zur Verfügung stehende Hilfemöglichkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG für zumutbar erachtet hat, wird die Rechtsschutzgleichheit der Beschwerdeführerin verletzt. Der Begriff der Zumutbarkeit wird von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender - wie vorliegend die Beschwerdeführerin - für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet (vgl. BVerfGK 15, 585 <586>).
(…) Da sich der Beratungshilfeantrag der Beschwerdeführerin nicht durch die Erteilung seiner Hinweise erledigt hat, hätte der Rechtspfleger über die Zurückweisung - nach § 5 BerHG in Verbindung mit §§ 38, 39 FamFG durch einen zu begründenden und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehenden Beschluss (vgl. Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 12. Aufl. 2014, § 6 BerHG Rn. 4 und 18) - entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers verkennt den Anspruch der Beschwerdeführerin auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des außergerichtlichen Rechtsschutzes. Sie erschwert ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Beschwerdeführerin zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren. Im Übrigen erschwert eine solche Verfahrensweise auch generell die Durchsetzung des Anspruchs auf Beratungshilfe, weil ein vor Bewilligung von Beratungshilfe in der Regel noch nicht anwaltlich vertretener Antragsteller mangels eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschlusses nicht ohne weiteres weiß, dass und wie er gegen die Versagung der Beratungshilfe vorgehen kann.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT vom 19.4.2015 - 1 BvR 1849/11 -
Einkommensfreibeträge nach § 115 ZPO - Stand 1.1.2020
Mit der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2020 wurden die neuen Einkommensfreibeträge nach § 115 ZPO zur Berechnung der Prozesskosten- und Beratungshilfeberechtigung festgelegt. Diese sind bei allen Entscheidungen über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ab dem 1. Januar 2020 maßgeblich, auch wenn der Antrag bereits 2019 gestellt wurde.
Die ab dem 1. Januar 2020 maßgebenden Beträge, die nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 der Zivilprozessordnung vom Einkommen der Partei abzusetzen sind, betragen
1. für Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 Buchstabeb der Zivilprozessordnung), 228 Euro,
2. für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Buchstabe ader Zivilprozessordnung) 501 Euro,
3. für jede weitere Person, der die Partei auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt leistet, in Abhängigkeit von deren Alter (§ 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 Buchstabe b der Zivilprozessordnung):
a) Erwachsene 400 Euro,
b) Jugendliche vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 381 Euro,
c) Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 358 Euro,
d) Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 289 Euro.
Wenn Sie Beratungshilfe bewilligt bekommen haben, muss ich Ihnen folgende wichtige Informationen geben:
Das Gericht kann die Bewilligung später widerrufen. Es handelt sich daher nur um eine vorläufige Kostenzusage.
Ein Widerruf kommt insbesondere vor, wenn Sie falsche Angaben machen.
Aber auch, wenn sich Ihre wirtschaftlichen verhältnisse verbessern. Das gilt insbesondere, wenn Sie durch meine Tätigkeit Unterhalt, Zugewinnausgleich oder eine sonstige Forderung bekommen.
Personen mit kleinem Einkommen und ohne Vermögen können für ein gerichtliches Verfahren Verfahrenskostenhilfe (VKH) beantragen, allerdings bleibt immer ein gewisses Kostenrisiko:
a) der Richter kann die Erfolgsaussicht verneinen - gilt nicht bei Scheidungen
b) das Gericht kann binnen der nächsten vier Jahre Kosten rückfordern, wenn Sie vermögend geworden ist oder Raten zahlen können
c) Kosten der Gegenseite, die ihnen auferlegt werden, werden nicht von der VKH übernommen - gilt nicht bei Scheidungen.
d) der getrennt lebende Ehegatte muss vorrangig auf Verfahrenskostenvorschuss in Anspruch genommen werden.
Sie müssen für den VKH-Antrag ein Formular ausfüllen, das Sie am Ende dieser FAQ zum Download finden. Folgende Belege benötigen Sie:
Nachweise über Ihr aktuelles Einkommen. Beziehen Sie Arbeitslosengeld II oder sonstige Sozialleistungen, genügt der Bescheid.
Belege über Wohnkosten, Nebenkosten, Ratenkredite, besondere Belastungen.
Belege über die Bestände Ihrer Konten (Giro, Sparbuch, Bausparvertrag, Lebensversicherung, Kredite ...). Auch wenn auf Ihrem Girokonto nur die laufenden Einnahmen und Ausgaben zu finden sind und dies evtl. gar im Minus ist, müssen Sie diese Angaben genau machen.
Bei einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bzw. Eigentumswohnung müssen zum Wert nur ca.-Werte angegeben werden. Sie müssen nicht extra ein Wertgutachten einholen!
Das Formular reiche ich zusammen mit Ihrem Klagebegehren oder Antrag bei Gericht ein.
Beachten Sie bitte, dass das Formular ggf. Ihrem Gegner zur Einsicht übersandt wird.
Obwohl in Scheidungsverfahren kein Anwaltszwang auf der Gegnerseite herrscht, hat trotzdem jeder Scheidungsgegner das Recht auf kostenlose anwaltliche Vertretung. Zu empfehlen ist dies immer, weil zwar die Scheidung selbst in einvernehmlichen Fällen unkompliziert ist, nicht aber der automatische Versorgungsausgleich., der durchaus kompliziert sein kann. Nur anwaltlich vertreten können Sie ihn modifizieren (z.B. verrechnen).
Wenn Sie Beratungshilfe bewilligt bekommen haben oder Verfahrens (Prozess-) kostenhilfe unter meiner Beiordnung, muss ich Ihnen folgende wichtige Informationen geben:
Es könnten Ihnen schon im Verfahrenskostenhilfe-Prüfverfahren Gebühren entstehen. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht Ihnen die begehrte Hilfe nicht bewilligt.
Das Gericht kann entscheiden, dass Ihnen nur für einen Teil Ihrer Forderung Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird.
Wenn Sie mit der Entscheidung über Ihre Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfenicht einverstanden sind, kann ich Rechtsmittel einlegen, hierfür entstehen Ihnen jedoch möglicherweise eigene Kosten.
Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe befreit Sie nur vor der Zahlung der eigenen Kosten und der Gerichtskosten. Wenn der Prozess ganz oder teilweise verloren wird, entstehen möglicherweise Kostenforderungen des Gegners.
Das Gericht kann Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe später widerrufen. Es handelt sich daher nur um eine vorläufige Kostenzusage.
Ein Widerruf kommt insbesondere vor, wenn Sie falsche Angaben machen.
Aber auch bis 4 Jahre nach dem Verfahren wird die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe widerrufen, wenn sich Ihre wirtschaftlichen verhältnisse verbessern. Das gilt insbesondere, wenn Sie durch das Verfahren Unterhalt, Zugewinnausgleich oder eine sonstige Forderung bekommen.
Sie müssen diese 4 Jahre nach dem Verfahren Ihrem Anwalt jede Adressenänderung mitteilen , da er Ihnen sonst die Schriftstücke im Nachverfahren nicht zuleiten kann und Sie dadurch möglicherweise Fristen verpassen.
Sie müssen unaufgefordert mitteilen, wenn sich in diesen 4 Jahren nach dem Verfahren Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern.
Ihre Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe kann schon deswegen widerrufen werden, weil Sie diese Mitteilungen nicht machen!
Ihre VKH-Erklärung ist nur dann simpel, wenn Sie Hartz IV beziehen, dann genügt erstmal der Bescheid.
Anderenfalls macht das Ausfüllen des Formulars durchaus Mühe, und auch die Belege müssen vollständig sein. Schlampigkeit wird bestraft.
Das Ausfüllen können Sie aus Haftungsgründen nur selbst übernehmen, nicht Ihr Anwalt, denn Sie allein unterschreiben für die Vollständigkeit und Richtigkeit.
Ungenügend i. S. v. § 124 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ist eine Erklärung nach den § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO auch dann, wenn die darin enthaltenen Angaben nicht glaubhaft gemacht sind, also wenn Belege fehlen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 1.12.2020 – 13 WF 206/20
Ist die Hürde der "Erfolgsaussicht" genommen, kann die VKH-Bewilligung aber an fehlender Bedürftigkeit scheitern, selbst wenn man Sozialleistungen bezieht.
Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kann unter Umständen auch dann versagt werden, wenn dem Antragsteller fiktiv erzielbare Einkünfte zuzurechnen sind. Es sind solche Einkünfte fiktiv zuzurechnen, die der um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ersuchende Antragsteller schuldhaft nicht erzielt, obgleich dies ihm zuzumuten wäre.
Der Antragsteller bezog Hartz IV, war aber grundsätzlich arbeitsfähig. Das Amtsgericht verlangte Nachweise der Bemühungen um Arbeit während der letzten 6 Monate. Da es solche Nachweise nicht gab, unterstellte das Amtsgericht, dass der Hartz-IV-Empfänger bei ordentlichen Bemühungen Arbeit hätte und ausreichend Einkommen verdienen könnte, um den Prozess selbst zu bezahlen. Das OLG bestätigte dies.
Zwar sei der Antragsteller der Allgemeinheit gegenüber nicht wie minderjährigen Kindern gegenüber verschärft erwerbspflichtig. Es bestehe jedoch eine der allgemeinen unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit entsprechende Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit.
Daraus folgt: Hartz IV ist kein „Freifahrtschein“ bei Gericht!
OLG Brandenburg, Beschluss v. 28.02.2011 - 9 WF 47/11
VKV statt VKH:
Die Gerichte verteidigen die Staatskasse zunehmend schärfer.
OLG Hamm, Beschluss vom 17.06.2014 - Aktenzeichen 11 WF 98/14: „Verfahrenskostenhilfe ist wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen, wenn ein zuvor bestehender Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss nicht geltend gemacht worden ist, solange die vorschusspflichtige Person noch leistungsfähig war.“
Das bedeutet, dass zuerst der andere Ehegatte, der eventuell ausreichend Einkommen oder Vermögen hat, in Anspruch genommen werden muss, die Verfahrenskosten vorzustrecken, bevor die Staatskasse einspringt.
Zum einsetzbaren Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO zählt auch ein realisierbarer Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (bzw. in Familiensachen Verfahrenskostenvorschuss) gegen den anderen Ehegatten gem. § 1360a Abs. 4 BGB. Deshalb muss der Antragsteller in einem aussagekräftigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (bzw. Verfahrenskostenhilfe) darlegen, dass er außerstande ist, die Prozesskosten im Wege eines gegenüber dem Ehegatten durchsetzbaren Prozesskostenvorschussanspruchs (bzw. Verfahrenskostenhilfeanspruchs) aufzubringen.
In einer Ehe hat jeder Ehegatte eigenes Einkommen und eigenes Vermögen. Auch wenn faktisch gemeinsam gewirtschaftet wird, ist rechtlich nicht alles „ein Topf”. Das zeigen die Regelungen zum Familienunterhalt in § 1360a Abs. 1 BGB und zum Zugewinnausgleich in § 1363 Abs. 2 BGB. Folglich darf bei der Beantragung von Prozesskostenhilfe (bei Familiensachen Verfahrenskostenhilfe) auch nur das Einkommen/Vermögen des Antragstellers berücksichtigt werden, nicht das Familieneinkommen. § 115 ZPO schließt eine Zusammenrechnung der Einkommen aus. In § 115 ZPO spielt der Ehegatte nur dann eine Rolle, wenn der PKH/VKH-Antragsteller ihn unterhält, dann nämlich durch den weiteren Freibetrag von derzeit 400 €. Zwischen den Gatten besteht jedoch eine Unterhaltsbeziehung, die inzident im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe eine Rolle spielt.
Gesetzlicher Anspruch auf Prozesskostenvorschuss bzw. Verfahrenskostenvorschuss
Zum Anspruch auf Unterhalt gehören nach § 1360a BGB Abs. 4 ausdrücklich die Kosten eines Rechtsstreits, der eine persönliche Angelegenheit betrifft. Diesen Anspruch bezeichnet man als Prozesskostenvorschuss (PKV). In Familiensachen spricht man nicht mehr von Prozesskostenvorschuss, sondern von Verfahrenskostenvorschuss (VKV). Dieser Unterhaltsanspruch gilt für zusammenlebende Ehegatten ebenso wie für getrennt lebende, jedoch nicht für geschiedene.
Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe ist subsidiär
Ein realisierbarer und zeitnah durchzusetzender Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (bzw. Verfahrenskostenvorschuss) gegen den anderen Ehegatten gemäß § 1360 a Abs. 4 BGB zählt zu dem einsetzbaren Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 ZPO. Die Bedürftigkeit entfällt.
Darlegungslast liegt beim Antragsteller
Dem OLG Celle, Beschl. v. 15.09.2011 - 14 W 28/11 war in einer Unfallsache ins Auge gefallen, dass die Antragstellerin einen Mercedes der gehobenen E-Klasse finanzieren konnte, obgleich ihre eigenen Einkünfte dies nicht zuließen. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) wurde abgelehnt, weil die Antragstellerin trotz Hinweises nichts betreffend ihren möglichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss (PKV) gegen ihren Ehemann vorgetragen hatte. Der Senat konnte „im gegenwärtigen Verfahrensstand” nicht erkennen, dass die Antragstellerin i.S.d. § 114 S. 1 ZPO Prozesskostenhilfe (PKH) benötigte. Das OLG Celle ließ offen, ob die Antragstellerin unaufgefordert zu dem möglichen PKV-Anspruch hätte vortragen müssen oder ob das Gericht sie auf ihren möglichen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) hätte hinweisen müssen (so OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1414).
Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten
Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten im Hinblick auf Prozesskostenvorschuss oder Verfahrenskostenvorschuss gilt Unterhaltsrecht, nicht § 115 ZPO. Daher kommt bei Getrenntleben ein Prozesskostenvorschuss (bzw. Verfahrenskostenvorschuss) neben dem Quotenunterhalt in der Regel nicht in Betracht; Prozesskostenvorschuss oder Verfahrenskostenvorschuss können jedoch möglich sein, wenn durch Anwendung der Sättigungsgrenze beim Unterhaltspflichtigen noch ungeteiltes Einkommen vorhanden ist oder wenn der Prozesskostenvorschuss oder Verfahrenskostenvorschuss aus dem Vermögen gezahlt werden kann.
Rechtsstreit, der eine persönliche Angelegenheit betrifft
Im entschiedenen Fall ging es um Sachschäden aus einem Verkehrsunfall. Die nahe liegende Frage, ob dies unter „persönliche Angelegenheit” zu subsumieren ist, hat das OLG Celle sich ersichtlich nicht gestellt. Die Folgerungen aus der Entscheidung sind: In Fällen, in denen das Gericht aufgrund des Sachverhalts Anhaltspunkte dafür sieht, dass der Ehegatte des PKH/VKH-Antragstellers leistungsfähig für Prozesskostenvorschuss (bzw. Verfahrenskostenvorschuss) sein könnte, sollte der Antragsteller unaufgefordert dazu vortragen, um das Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe-Prüfverfahren nicht zu verzögern.
Achtung!
Die Gerichte gehen zunehmend dazu über, die Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe-Antragsteller in passenden Fällen auf den vorrangigen Prozesskostenvorschuss (bzw. Verfahrenskostenvorschuss) zu verweisen.
Die Antragstellerin beantragte Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren. Das Amtsgericht hat den Anspruch abgelehnt, da sie nicht darlegt habe, ob sie einen Verfahrenskostenvorschuss von ihrem Ehemann beanspruchen könne. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht verwies die Angelegenheit zu einer erneuten Prüfung an das Amtsgericht zurück.
Der Ehemann verdiente nur rd. 1.600 € und hatte ein bereinigtes Einkommen von ca. 1.148 €. Abzüglich des Selbstbehaltes in Höhe von 1.100 € blieben auf seiner Seite 48,00 € mtl. zum Einsatz für einen Verfahrenskostenvorschuss übrig.
Der Senat für Familiensachen des OLG Celle, Beschluss vom 04.11.2013, 17 WF 203/13, meint dazu:
1. Der Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss (…) kann auch in Raten erbracht werden.
2. Solange der Vorschusspflichtige selbst nicht um Verfahrenskostenhilfe nachsucht, kann die Auferlegung eines Vorschusses schließlich auch nicht unbillig erscheinen.
Mithin hat die Antragstellerin nur Anspruch auf VKH mit Ratenzahlung, und zwar in der monatlichen Höhe, die ihr Mann leisten kann (hier: 48 €).
Das Amtsgericht durfte nach alledem der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht versagen, sondern hatte ihr solche unter Anordnung einer Ratenzahlung von monatlich 48 € ab einem näher zu konkretisierenden, der Realisierbarkeit des Anspruchs Rechnung tragendem Zeitpunkt zu bewilligen(…)
Dann führt das OLG Celle noch zum Eigenheim aus: Für die Zukunft wird zu beachten sein, dass ein eventuell überschießender Erlös aus der Verwertung des im gemeinsamen Eigentum der Beteiligten stehenden Hauses -soweit er den Schonbetrag übersteigt- ebenfalls für die Kosten der Verfahrensführung einzusetzen ist. Der Verkauf eines Hauses, der infolge der Scheidung notwendig wird, hebt etwaigen Bestandsschutz auf. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass sich Grundstücke in der Regel nicht unverzüglich verkaufen lassen. Dem ist regelmäßig dadurch zu begegnen, dass Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist, allerdings unter einer gleichzeitigen Anordnung der Stundung bis zu demjenigen Zeitpunkt, zu welchem in der Zukunft Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten sind.
Zweite Ehefrau muss die Kosten des Verfahrens gegen die erste Ehefrau bezahlen
Wer jemanden heiratet, der schon eine sogenannte "Erstfamilie" hatte, weiss manchmal gar nicht, welche Verbindlichkeiten er damit eingeht. Eine Familienrichterin fasste es mal salopp zusammen: "Wenn ich ein paar gebrauchte Schuhe kaufe, muss ich mich nicht wundern, wenn die Absätze schiefgelaufen sind." Der Fall des OLG Hamm: Ein Mann wollte vom Familiengericht den Unterhalt für seine erste Ehefrau und die gemeinsamen Kinder reduziert haben, weil er mit seiner Firma pleite gegangen war, Insolvenz angemeldet hatte und die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. So weit, so gut. Für das Abänderungsverfahren begehrte er Verfahrenskostenhilfe. Leider nein, denn er war neu verheiratet mit einer gut verdienenden Frau - und diese zweite Ehefrau schuldete ihm im Rahmen des Familienunterhaltes den "Verfahrenskostenvorschuss". Auf deutsch: Die zweite Ehefrau muss das Gerichtsverfahren gegen die erste Ehefrau bezahlen.
Unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit
Bei der im Rahmen eines Prozess-/Verfahrenskostenhilfeverfahrens vorzunehmenden Prüfung, ob der Antragsteller von seinem Ehepartner gem. § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB einen Prozess-/Verfahrenskostenvorschuss verlangen kann, ist dessen Leistungsfähigkeit nicht gem. § 115 Abs. 1 und 2 ZPO, sondern nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen.
Der auf Leistung eines Prozess-/Verfahrenskostenvorschusses in Anspruch genommene Ehepartner kann sich auf den eheangemessenen Selbstbehalt berufen.
OLG Bremen, Beschluss vom 25.11.2020 – 4 WF 65/20:
Das Amtsgericht hatte eine an § 115 Abs. 1 und 2 ZPO orientierte Berechnung des Einkommens des Ehemannes durchgeführt. Mit einer derartigen Berechnung kann jedoch die Leistungsfähigkeit nur in den Fällen ermittelt werden, in denen Eltern ihren minderjährigen Kindern einen Verfahrenskostenvorschuss schulden, weil § 115 Abs. 1 und 2 ZPO regelmäßig den sogenannten notwendigen Selbstbehalt wahrt. Der notwendige Selbstbehalt ist aber nur im Verhältnis zwischen Eltern und ihren minderjährigen bzw. nach § 1603 Abs. 2 BGB privilegierten Kindern anzuwenden. Wird ein Ehepartner von dem anderen Ehepartner auf Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses in Anspruch genommen, kann er sich hingegen auf den höheren eheangemessenen Selbstbehalt berufen.
Ob eine Vorschusspflicht im Sinne des § 1360a Abs. 4 S. 1 BGB besteht, war daher im vorliegenden Fall nicht anhand von § 115 ZPO , sondern unterhaltsrechtlich zu ermitteln.
Zu hohe Wohnkosten: mutwillig?
Wer nach der Trennung im bisherigen Familienheim wohnt und hohe Verbindlichkeiten dafür trägt (hier: die Hälfte des Nettoeinkommens), muss sich im Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht sagen lassen, das sei mutwillig im Missverhältnis zu seinen Lebensverhältnissen im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO.
OLG Schleswig, Beschluss vom 24.06.2013 – 15 WF 186/13
Wird einem Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz nicht in vollem Umfang entsprochen, muss hierüber grundsätzlich förmlich entschieden werden. Es genügt nicht, wenn das Amtsgericht den Beratungshilfeantrag nach Erteilung mündlicher Hinweise durch den Rechtspfleger als erledigt erachtet.Der Fall:Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung war abgelehnt worden. Hiergegen wollte sie - mit anwaltlicher Hilfe - Widerspruch einlegen. Sie begab sich zum Amtsgericht, um einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz zu beantragen.Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wies die Beschwerdeführerin mündlich darauf hin, dass sie Widerspruch bei der Rentenversicherung einlegen oder sich an die Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden könne. Er stellte weder einen Berechtigungsschein aus noch beschied er den Antrag förmlich.Die Beschwerdeführerin legte hiergegen "Erinnerung, hilfsweise Beschwerde" beim Amtsgericht ein, mit der sie konkret darlegte, aus welchen Gründen sie Widerspruch erheben wolle und aufgrund welcher Erkrankungen sie nicht in der Lage sei, das Widerspruchsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu betreiben.Die Richterin beim Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss zurück. Die Beratungshilfe sei nicht abgelehnt, sondern durch die Hinweise des Rechtspflegers gewährt worden. Die Sache sei damit erledigt. Die Bescheidung einer Ablehnung komme daher nicht in Betracht.Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 1849/11)Der Beschluss des Amtsgerichts verstößt gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, so das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1849/11). Das Amtsgericht hätte den beantragten Berechtigungsschein erteilen müssen.Das Amtsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass sich das Beratungshilfebegehren aufgrund der Hinweise des Rechtspflegers erledigt hat, da die Beschwerdeführerin ausdrücklich einen Beratungshilfeschein für die Konsultation eines Rechtsanwalts beantragt hatte.Zudem wird der Verweis auf Selbsthilfe dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rechtsschutzgleichheit nicht gerecht. Aufgrund des mit der Erinnerung von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalts war hinreichend deutlich, dass das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft, für deren Klärung auch ein kostenbewusster solventer Rechtsuchender einen Rechtsanwalt in Anspruch nähme anstatt selbst Widerspruch zu erheben.Auch soweit das Amtsgericht es für zumutbar erachtet hat, die Beratungsstelle des Rentenversicherungsträgers in Anspruch zu nehmen, wird die Rechtsschutzgleichheit der Beschwerdeführerin verletzt. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, wird der Begriff der Zumutbarkeit von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet.Da sich der Beratungshilfeantrag nicht durch die Erteilung der Hinweise erledigt hat, hätte der Rechtspfleger über ihn entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers erschwert ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Beschwerdeführerin zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren. Sie erschwert auch generell die Durchsetzung des Anspruchs auf Beratungshilfe, weil ein vor Bewilligung von Beratungshilfe in der Regel noch nicht anwaltlich vertretener Antragsteller mangels eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschlusses nicht ohne weiteres weiß, dass und wie er gegen die Versagung der Beratungshilfe vorgehen kann.In eigener Sache:Beratungshilfeschein in Familiensachen werden oft abgelehnt mit dem Hinweis auf kostenfreie Beratungsmöglichkeiten beim Jugendamt. Dabei behaupten die Rechtspfleger sogar fälschlich, das Jugendamt rechne auch Trennungsunterhalt oder Betreuungsunterhalt für Mütter aus.Auch hier hilft nur Hartnäckigkeit: bestehen Sie auf einer schriftlichen Ablehnung!
Wird einem Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz nicht in vollem Umfang entsprochen, muss hierüber grundsätzlich förmlich entschieden werden. Es genügt nicht, wenn das Amtsgericht den Beratungshilfeantrag nach Erteilung mündlicher Hinweise durch den Rechtspfleger als erledigt erachtet.
Wird einem Antrag auf anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz nicht in vollem Umfang entsprochen, muss hierüber grundsätzlich förmlich entschieden werden. Es genügt nicht, wenn das Amtsgericht den Beratungshilfeantrag nach Erteilung mündlicher Hinweise durch den Rechtspfleger als erledigt erachtet.
Der Fall:
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung war abgelehnt worden. Hiergegen wollte sie - mit anwaltlicher Hilfe - Widerspruch einlegen. Sie begab sich zum Amtsgericht, um einen Berechtigungsschein für eine anwaltliche Beratung nach dem Beratungshilfegesetz zu beantragen.
Der Rechtspfleger beim Amtsgericht wies die Beschwerdeführerin mündlich darauf hin, dass sie Widerspruch bei der Rentenversicherung einlegen oder sich an die Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung wenden könne. Er stellte weder einen Berechtigungsschein aus noch beschied er den Antrag förmlich.
Die Beschwerdeführerin legte hiergegen "Erinnerung, hilfsweise Beschwerde" beim Amtsgericht ein, mit der sie konkret darlegte, aus welchen Gründen sie Widerspruch erheben wolle und aufgrund welcher Erkrankungen sie nicht in der Lage sei, das Widerspruchsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu betreiben.
Die Richterin beim Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss zurück. Die Beratungshilfe sei nicht abgelehnt, sondern durch die Hinweise des Rechtspflegers gewährt worden. Die Sache sei damit erledigt. Die Bescheidung einer Ablehnung komme daher nicht in Betracht.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Az. 1 BvR 1849/11)
Der Beschluss des Amtsgerichts verstößt gegen das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, so das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1849/11). Das Amtsgericht hätte den beantragten Berechtigungsschein erteilen müssen.
Das Amtsgericht durfte nicht davon ausgehen, dass sich das Beratungshilfebegehren aufgrund der Hinweise des Rechtspflegers erledigt hat, da die Beschwerdeführerin ausdrücklich einen Beratungshilfeschein für die Konsultation eines Rechtsanwalts beantragt hatte.
Zudem wird der Verweis auf Selbsthilfe dem Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rechtsschutzgleichheit nicht gerecht. Aufgrund des mit der Erinnerung von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Sachverhalts war hinreichend deutlich, dass das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren tatsächliche und rechtliche Fragen aufwirft, für deren Klärung auch ein kostenbewusster solventer Rechtsuchender einen Rechtsanwalt in Anspruch nähme anstatt selbst Widerspruch zu erheben.
Auch soweit das Amtsgericht es für zumutbar erachtet hat, die Beratungsstelle des Rentenversicherungsträgers in Anspruch zu nehmen, wird die Rechtsschutzgleichheit der Beschwerdeführerin verletzt. Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, wird der Begriff der Zumutbarkeit von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet.
Da sich der Beratungshilfeantrag nicht durch die Erteilung der Hinweise erledigt hat, hätte der Rechtspfleger über ihn entscheiden müssen. Die hiervon abweichende Vorgehensweise des Rechtspflegers erschwert ohne erkennbaren Sachgrund den Zugang der Beschwerdeführerin zu Rechtsberatung für das von ihr beabsichtigte Widerspruchsverfahren. Sie erschwert auch generell die Durchsetzung des Anspruchs auf Beratungshilfe, weil ein vor Bewilligung von Beratungshilfe in der Regel noch nicht anwaltlich vertretener Antragsteller mangels eines mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Beschlusses nicht ohne weiteres weiß, dass und wie er gegen die Versagung der Beratungshilfe vorgehen kann.
In eigener Sache:
Beratungshilfeschein in Familiensachen werden oft abgelehnt mit dem Hinweis auf kostenfreie Beratungsmöglichkeiten beim Jugendamt. Dabei behaupten die Rechtspfleger sogar fälschlich, das Jugendamt rechne auch Trennungsunterhalt oder Betreuungsunterhalt für Mütter aus.
Auch hier hilft nur Hartnäckigkeit: bestehen Sie auf einer schriftlichen Ablehnung!
Wenn der Rechtsanwalt auf Kosten der Staatskasse beigeordnet ist, kann das Mandant seinerseits nur in Ausnahmefällen beendet werden. Das OLG hatte über einen solchen Fall zu entscheiden:
Mandatsniederlegung auch bei PKH/VKH wegen gestörten Vertrauens zum Mandanten möglich
Eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Mandanten und dem beigeordneten Rechtsanwalt kann einen wichtigen Grund im Sinne des § 48 Abs. 2 BRAO darstellen. Im vorliegenden Fall arbeitet der Mandant bei der Führung des Verfahrens nur unzureichend mit, indem er mehrfach die anwaltliche Aufforderung missachtet, eigene Eingaben bei Gericht zu unterlassen. Dies kann zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses führen, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt aufgrund dieses Verhaltens außerstande ist, der ihm im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegenden Pflicht zur sachgerechten Vertretung der Interessen des Mandanten zu genügen.
OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2017 – 2 WF 204/17
Wie man auch der "armen" Partei eine gute Gesamtlösung verschaffen kann:
VKH für einen Ehevertrag
Hinweis auf die Möglichkeit, die Gebühren für die anwaltliche Mitwirkung an Scheidungsfolgeverträgen gegen die Staatskasse abzurechnen, wenn VKH für die Ehesache bewilligt ist
Offensichtlich weithin unbekannt ist diese Möglichkeit, die der Gesetzgeber geschaffen hat, um entbehrlich zu machen, dass in VKH-Sachen Folgeanträge nur deswegen gestellt werden, damit im Termin eine Einigung auf Staatskosten erfolgen kann. Haben die Ehegatten nämlich eine Immobilie, die Gegenstand einer umfassenden Scheidungsfolgenvereinbarung werden soll, ist ein Notarvertrag unentbehrlich, aber die Honorarfrage gegenüber dem im Übrigen mittellosen Mandanten unerquicklich.
Kraft Gesetzes erstreckt sich die Beiordnung für eine Ehesache lt. § 48 III RVG auf die außergerichtliche Einigung in Folgesachen, z.B. mittels Notarvertrages.
Gesetzesfassung § 48 III RVG ab 1.8.2013:
(3) Die Beiordnung in einer Ehesache erstreckt sich im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag
1. den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
2. den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
3. die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
4. die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
5. die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen oder
6. die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht betrifft.
Welche Gebühren fallen an?
Durch die Neufassung von § 48 III 1 RVG ab 08/2013 wird klargestellt, dass sämtliche im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss tatsächlich anfallenden Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind, also auch ggf. Differenzverfahrens- (3101 Nr.2 Anm.(1) VV-RVG ) und Differenzterminsgebühr, BT-Drs.17/11471 S.270. Der für die Ehesache beigeordnete Anwalt verdient für einen Vergleich über nicht rechtshängige Folgesachen (also auch für den scheidungsvorbereitend geschlossenen Notarvertrag) eine 1,5 Einigungsgebühr, eine 0,8 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr, OLG Bamberg - Beschluss vom 05.05.2009 (2 WF 20/09), OLG Nürnberg - Beschluss vom 22.12.2010 (7 WF 1773/10).
Mehrvergleich im VKH-Mandat
Der BGH hat im Beschluss vom 17.1.2018 - XII ZB 248/16 - eine umstrittene Frage geklärt: Bekommt der Anwalt bei einem Mehrvergleich im VKH-Mandat alle Gebühren aus der Staatskasse ersetzt, auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr? Der BGH hat sich der zutreffenden Auffassung angeschlossen, dass, wenn die Beteiligten einer selbstständigen Familiensache einen Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände (Mehrvergleich) schließen, der unbemittelte Beteiligte einen Anspruch auf Erweiterung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche in diesem Zusammenhang ausgelöste Gebühren hat. Die durch Art. 3 I iVm Art. 20 III GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit im Vergleich zu Bemittelten wäre nicht gewährt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des RVG erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden. Auch aus § 48 III RVG lasse sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs nicht auf die Verfahrens- und Terminsgebühr erstreckt werden könne.
1. Wird in einer selbständigen Familiensache ein Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände geschlossen (sog. Mehrvergleich), entsteht für den am Vergleich mitwirkenden Rechtsanwalt hinsichtlich der nicht anhängigen Verfahrensgegenstände neben der Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) regelmäßig auch eine 0,8-fache Verfahrensgebühr (Nrn. 3100, 3101 Ziffer 2 VV RVG). Erfolgt der Abschluss des Vergleichs in einem Termin zur mündlichen Verhandlung, fällt zudem eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 2 VV RVG sowie Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG aus dem Wert des Vergleichs an. Wegen der Begrenzung der jeweiligen Einzelgebühren auf den Wert aus dem Gesamtbetrag sämtlicher Verfahrensgegenstände nach dem höchsten Gebührensatz (§ 15 Abs. 3 RVG) reduzieren sich die Einzelgebühren für die nicht anhängigen Verfahrensgegenstände gewöhnlich auf sogenannte Differenzgebühren.
2. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob der beigeordnete Rechtsanwalt - außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG - diese zusätzlichen Gebühren im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe von der Staatskasse erstattet verlangen kann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Bewilligungsbeschluss die Verfahrenskostenhilfe nur auf den Abschluss der Vereinbarung erstreckt. Dies ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
(…) c) Andere Oberlandesgerichte sind der Meinung, dass durch die Erweiterung einer bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss eines Mehrvergleichs dem beigeordneten Rechtsanwalt sämtliche mit dem Vergleichsschluss anfallenden Gebühren aus der Staatskasse zu erstatten sind, auch wenn der Bewilligungsbeschluss dies nicht ausdrücklich anordnet. Dabei werden insbesondere der Sinn und Zweck der Verfahrenskostenhilfe sowie die Verfahrensökonomie in den Vordergrund gerückt (OLG Karlsruhe FamRZ 2017, 1959 f.; OLG Celle [21. Zivilsenat] FamRZ 2017, 394, 395 f. und OLG Celle [15. Zivilsenat] FamRZ 2014, 1878 f.; OLG Stuttgart FamRZ 2017, 317, 318; OLG Koblenz [2. Senat für Familiensachen] JurBüro 2016, 136 f.; OLG Köln FamRZ 2014, 1875, 1876 f.; OLG Schleswig FamRZ 2012, 1416, 1417; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 22. Aufl. § 48 Rn. 168 ff. mwN).
d) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Der unbemittelte Verfahrensbeteiligte in einer selbständigen Familiensache hat einen Anspruch auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche im Zusammenhang mit einem Mehrvergleich ausgelöste Gebühren sei es im Wege der Auslegung einer bereits erfolgten Bewilligung, sei es im Wege einer ergänzenden Beschlussfassung.
aa) Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG bzw. § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dieser Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gebots einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, welches in Art. 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (BVerfG NJW 2012, 3293 mwN; BVerfG NJW 1991, 413 [BVerfG 13.03.1990 - 2 BvR 94/88] mwN). Danach darf Unbemittelten die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Er muss einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG NJW 2012, 3293 [BVerfG 02.07.2012 - 2 BvR 2377/10] mwN).
Diese durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit wäre nicht gewahrt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden und im Übrigen die Vergütungspflicht des bedürftigen Beteiligten bestehen bliebe. Anders als ein begüterter Verfahrensbeteiligter könnte der bedürftige Beteiligte in diesem Fall von der Möglichkeit, das anhängige Verfahren durch den Abschluss eines Mehrvergleichs zu beenden, nur dann Gebrauch machen, wenn er trotz seiner im Bewilligungsverfahren festgestellten Bedürftigkeit wirtschaftlich in der Lage wäre, die zusätzlich anfallenden Rechtsanwaltsgebühren zu tragen. Sollte er die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufbringen können, bliebe ihm nur die Möglichkeit, bezüglich der nicht anhängigen Gegenstände ein gesondertes Verfahren zu betreiben und dort erneut um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe anzutragen. Dem bedürftigen Beteiligten würde dadurch gegenüber einem begüterten Beteiligten die - oft zweckmäßige - umfassende Regelung von streitigen Rechtsverhältnissen erheblich erschwert. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen tragfähigen sachlichen Grund.
(…) Da die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts für die Mitwirkung an einem (Mehr-)Vergleich sich nicht in der Einigungsgebühr aus dem erhöhten Vergleichswert erschöpft, sondern sich auch auf die Differenzverfahrens- und terminsgebühr erstreckt, widerspräche eine Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe auf die Einigungsgebühr nicht nur dem Grundsatz des § 45 Abs. 1 RVG, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse erhält (OLG Celle FamRZ 2014, 1878, 1879). Es bliebe auch unberücksichtigt, dass die zuletzt genannten Differenzgebühren in einem engen Zusammenhang mit dem Abschluss des Mehrvergleichs stehen (vgl. OLG Celle FamRZ 2017, 394, 396). Die Verfahrensgebühr ist sogar unlösbar mit der Entstehung der Einigungsgebühr verbunden (OLG Köln FamRZ 2014, 1875, 1876) und der unbemittelte Verfahrensbeteiligte darf darauf vertrauen, aufgrund der für den Abschluss des Mehrvergleichs bewilligten Verfahrenskostenhilfe von sämtlichen Gebührenansprüchen freigestellt zu werden, die seinem beigeordneten Rechtsanwalt zustehen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2017, 1959 f.).
(…)
(1) Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG erstreckt sich die Beiordnung in einer Ehesache im Falle des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag einen der in der Vorschrift bezeichneten Regelungsbereiche betrifft. Der Vorschrift kommt insoweit Ausnahmecharakter zu, als der für die Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt kraft Gesetzes auch für den Abschluss eines Mehrvergleichs beigeordnet ist, sofern dieser einen der in der Vorschrift genannten Regelungsbereiche betrifft. Das Gericht muss daher innerhalb des Anwendungsbereichs der Norm die für die Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe nicht auf den Abschluss des Mehrvergleichs erstrecken. Zweck dieser Vorschrift ist es, Beteiligten mit geringem Einkommen auch ohne einen entsprechenden Ausspruch in der Bewilligungsentscheidung die gleiche Möglichkeit zu verschaffen, eine Vereinbarung zu Scheidungsfolgen zu schließen, wie Beteiligten mit ausreichend hohem Einkommen und dadurch weitere Rechtsstreitigkeiten über die Scheidungsfolgen zu verhindern. In der Zusammenschau mit § 48 Abs. 1 und 5 RVG lässt sich daher aus § 48 Abs. 3 RVG im Wege eines Umkehrschlusses nur herleiten, dass bei selbständigen Familiensachen eine Erweiterung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss eines Mehrvergleichs nicht kraft Gesetzes eintritt, sondern einer Anordnung durch gerichtlichen Beschluss bedarf. Demgegenüber lässt sich hieraus nicht folgern, außerhalb des Ehescheidungsverbunds könne sich eine Erweiterung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Fall eines Mehrvergleichs allein auf die Einigungsgebühr und nicht auch auf die übrigen Differenzgebühren beziehen.
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber durch das zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (BGBl I 2586) mit Wirkung zum 1. August 2013 den Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG dahingehend ergänzt hat, dass sich die Beiordnung in einer Ehesache im Fall des Abschlusses eines Vergleichs auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten erstreckt, soweit der Vergleich auch eine der in § 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 6 RVG genannten Angelegenheiten betrifft.
Aufgrund des Wortlauts des § 48 Abs. 3 Satz 1 RVG in der bis zum 31. Juli 2013 gültigen Fassung wurden in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen insbesondere dazu vertreten, ob die gesetzliche Ausdehnung der in einer Ehe- oder Partnerschaftssache bewilligte Verfahrenskostenhilfe zur Folge hat, dass der beigeordnete Rechtsanwalt neben der Einigungsgebühr auch die Differenzterminsgebühr von der Staatskasse erstattet verlangen kann (ablehnend: OLG Brandenburg FamRZ 2005, 1264; OLG München FamRZ 2009, 1779 und OLG Hamm Beschluss vom 25. Februar 2012 - 6 WF 109/12 - juris; bejahend: OLG Köln FamRZ 2008, 707; OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1010 und OLG Saarbrücken FamRZ 2009, 143).
Im Hinblick auf diesen Meinungsstreit wollte der Reformgesetzgeber mit der Ergänzung des Wortlauts der Vorschrift lediglich klarstellen, dass im Falle eines Vergleichsschlusses in einer Ehe- oder Lebenspartnerschaftssache alle in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren zu erstatten sind, weil allein hierdurch Beteiligte mit einem geringem Einkommen die gleiche Möglichkeit erhalten würden, ihre Streitigkeiten möglichst umfangreich beizulegen, wie Beteiligte mit einem ausreichend hohen Einkommen (BT-Drucks. 17/11471 S. 270). Diese Erwägung, welche maßgeblich auf den verfahrensökonomischen Aspekt eines Vergleichsschlusses abstellt, gilt aber in gleichem Maße für einen Mehrvergleich im Rahmen einer selbständigen Familiensache. Deshalb wäre es nach diesem Gesetzeszweck bereits von Verfassungs wegen (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht gerechtfertigt, die Frage des Vergütungsanspruchs für die Herbeiführung eines Mehrvergleichs bei selbständigen Familiensachen anders zu behandeln als bei einem Vergleichsschluss im Scheidungsverbund (OLG Celle FamRZ 2014, 1878, 1879).
(3) Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 3 RVG die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht auf sämtliche durch den Abschluss eines Mehrvergleichs anfallenden Rechtsanwaltsgebühren erstreckt werden kann, lassen sich daher weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem Gesetzeszweck entnehmen. Auch die Gesetzesbegründung gibt für eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers nichts her.
dd) Der vom Antragsteller begehrten Erweiterung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass für die weiteren in den Vergleich einbezogenen Regelungsgegenstände die nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich erforderliche Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht erfolgen kann.
Richtig ist, dass ohne Anhängigkeit der betreffenden Verfahrensgegenstände, d.h. ohne einen verfahrenseinleitenden Antrag gemäß §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1 FamFG oder eine Antragsschrift im Sinne der §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 253 Abs. 2 ZPO, eine diesbezügliche summarische Prüfung kaum durchführbar sein dürfte (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2014, 1877, 1878). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die von einem Mehrvergleich erfassten nicht anhängigen Verfahrensgegenstände regelmäßig allenfalls eingeschränkt einer Beurteilung ihrer Erfolgsaussichten nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugänglich sind. Denn ein Mehrvergleich erschöpft sich nicht darin, einen Streit oder eine Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen (§ 779 Abs. 1 BGB). Er geht vielmehr über den eigentlichen Streitfall hinaus. Die nicht anhängigen Verfahrensgegenstände, welche im Rahmen eines Mehrvergleichs mitgeregelt werden, müssen daher nicht notwendigerweise streitige Positionen betreffen. Es erscheint ebenso naheliegend, dass die Beteiligten zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen gegnerische Ansprüche unstreitig stellen und einer einvernehmlichen Regelung zuführen, deren Durchsetzung nach summarischer Prüfung eher wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Oder sie beziehen von vornherein unstreitige Punkte in ihren Vergleich mit ein, um etwa im Zusammenhang mit ihrer Ehescheidung eine umfassende Vermögensauseinandersetzung zu erreichen. Eine derartige Einigung würde aber weniger das Ergebnis gegenseitigen Nachgebens wiedergeben als vielmehr eine bloße Feststellung beinhalten (vgl. OLG Celle FamRZ 2011, 835, 836).
Daher müsste in zahlreichen Fällen mangels Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung schon die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die Einigungsgebühr für einen Mehrvergleich auf rechtliche Bedenken stoßen. Dies würde der besonderen Bedeutung nicht gerecht, welche dem Mehrvergleich für eine umfassende Regelung komplexer Lebenssachverhalte zukommt. Im Übrigen liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Einigung, welche über den Verfahrensgegenstand hinausgeht, als gerichtlichen Vergleich protokolliert (Senatsbeschluss BGHZ 191, 1 = FamRZ 2011, 1572 Rn. 16 f.).
ee) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts steht einer Erstreckung der Verfahrenskostenhilfebewilligung auf sämtliche durch den Abschluss eines Mehrvergleichs anfallenden Rechtsanwaltsgebühren auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen.
(1) Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Abschluss eines Mehrvergleichs im Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO Prozesskostenhilfe nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt werden könne. Deshalb beschränke sich die Gewährung der Prozesskostenhilfe ausschließlich auf den Vergleich und umfasse insbesondere nicht die einem Rechtsanwalt unabhängig hiervon zustehende Verfahrensgebühr gemäß Nrn. 3100, 3335 VV RVG (nach altem Recht: §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) sowie die Terminsgebühr gemäß Vorb. 3 Abs. 3 i.V.m. Nr. 3104 VV RVG (nach altem Recht: Erörterungsgebühr nach §§ 51 Abs. 1, 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO).
(2) Diese Rechtsprechung beruht indes auf dem Grundsatz, wonach für das Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfeverfahren an sich eine Bewilligung von Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 159, 263 = FamRZ 2004, 1708, 1709; BGHZ 91, 311 = FamRZ 1985, 690). Insoweit stellt § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO eine Ausnahmevorschrift dar. Bei Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten sprengt die Vorschrift den Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens und gestattet aus Zweckmäßigkeitsgründen eine gütliche Regelung über die Hauptsache bereits vorprozessual im Wege eines Vergleichs (BGHZ 159, 263 = FamRZ 2004, 1708, 1709).
Wird demgegenüber - wie im vorliegenden Fall - ein Mehrvergleich im Rahmen einer bereits rechtshängigen selbständigen Familiensache geschlossen, ist dem unbemittelten Beteiligten für den rechtshängigen Verfahrensgegenstand Verfahrenskostenhilfe bereits bewilligt worden. Der Grundsatz, wonach Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren an sich nicht gewährt werden kann, entfaltet dann keine Wirkung mehr. Es kommt nicht länger darauf an, ob und inwieweit § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO ausnahmsweise eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im Verfahrenskostenhilfeverfahren ermöglicht, sondern es geht um den Umfang der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten in einem bereits rechtshängigen Verfahren, in dem zulässigerweise materiell-rechtliche Gegenstände mitgeregelt werden, welche außerhalb des Verfahrensstoffs streitig oder ungewiss sind (OLG Schleswig FamRZ 2012, 1416, 1417 mwN).
3. Gemessen hieran kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. (…)
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 248/16
(Intern: 3181/20)
aktuell:
OLG Brandenburg - Beschluss vom 21.12.2021 (9 WF 286/21)
Wer auf Staatskosten etwas beim Familiengericht klären will, braucht „Verfahrenskostenhilfe“.
Vor der Bewilligung liegen zwei Hürden: 1. Man muss arm im Sinne des Gesetzes sein, z.B. Hartz-IV-Empfänger, 2. Das Anliegen muss Aussicht auf Erfolg haben. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn ein Selbstzahler vernünftigerweise kein Geld für ein Gerichtsverfahren ausgegeben hätte.
An der zweiten Hürde scheiterte eine Mutter beim OLG Brandenburg, die vom Vater keine Zustimmung bekommen hatte, das gemeinsame Kind bei einer Frühförderstelle vorzustellen.
Im Laufe des Rechtsstreits erteilte der Vater seine Zustimmung und erläuterte, er sei nie dagegen gewesen, sondern es hätten ihm Informationen für die Entscheidung gefehlt.
Daraus schlossen FamG und OLG, dass eine kostenfreie Vermittlung beim Jugendamt dasselbe Ergebnis hätte bringen können: Informationsaustausch und letztlich Zustimmung.
Hinweis:
Die Entscheidung ist eine von vielen, die zeigt, dass man sich in Kindschaftssachen nur bei hohem Eilbedarf sofort an das Gericht wenden darf, wenn man auf VKH angewiesen ist. Die kostenfreien Vermittlungsmöglichkeiten über Jugendamt oder freie Beratungsstellen müssen vorher ausgeschöpft worden sein. Der Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt bei der Ausübung des Umgangsrechts beruht auf § 18 SGB VIII.
OLG Brandenburg - Beschluss vom 15.11.2021
13 WF 189/21 und Beschluss vom 07.04.2022 (13 WF 52/22)
Ausnahmefall:
Ein Verfahrenskostenhilfegesuch für einen Umgangsantrag ist nicht mutwillig, wenn der umgangsberechtigte Elternteil zwar keine vorgerichtlichen Streitschlichtungsversuche – insbesondere über das Jugendamt – unternommen hat, der betreuende Elternteil aber das beteiligte Kind gerade auf anwaltlichen Rat nicht mehr zum Umgangsberechtigten lässt.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.9.2019 – 6 WF 126/19
Vor der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe prüft das Gericht die Erfolgsaussicht des Begehrens.
Was ist in einem Umgangsverfahren der "Erfolg"?
OLG Karlsruhe - Beschluss vom 31.07.2020
20 WF 44/20:
1. Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 FamFG für ein Amtsverfahren (hier: Umgangsverfahren) ist der Maßstab für die hinreichende Erfolgsaussicht großzügiger als im Zivilprozess.
2. Hinreichende Erfolgsaussicht besteht in diesen Verfahren regelmäßig bereits dann, wenn das Familiengericht den Sachverhalt weiter aufzuklären hat und sich nicht allein darauf beschränken kann, den Antrag ohne jede Ermittlung oder jede Anhörung der Beteiligten zurückzuweisen.
3. In Verfahren, die darauf abzielen, eine bestehende Umgangsregelung nach § 166 FamFG i.V.m. § 1696 BGB abzuändern, hat die Erfolgsprüfung auch das Vorliegen triftiger Gründe für eine Abänderung zu umfassen (im konkreten Fall bejaht).
Der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich gemäß § RVG § 48 RVG § 48 Absatz I RVG nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Bewilligung und Beiordnung erstrecken sich grundsätzlich nicht auf weitere nachträglich hinzukommende Gegenstände, die diese Sache betreffen oder damit zusammenhängen.
Daher kann der Anwalt bei Abschluss eines Mehrwertvergleich – ausgenommen von den Fällen des § RVG § 48 RVG § 48 Absatz III RVG – eine Vergütung aus der Landeskasse hierfür nur verlangen, wenn Verfahrenskostenhilfe auch für den Mehrwert bewilligt und der Anwalt insoweit beigeordnet worden ist.
OLG Koblenz, Beschl. v. 16.12.2019 – 13 WF 1035/19
Der Antrag kann bis Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden, nicht nachträglich.
Nur im Scheidungsverbundverfahren bedarf es betreffend die Scheidungsfolgesache nicht der Erstreckung der Beiordnung, da diese kraft Gesetzes wirkt.
OLG Brandenburg - Beschluss vom 07.01.2021 (13 WF 222/20)
Der Fall: Die Antragstellerin hatte aus einem Vergleich im November 2020 15.000 € (bzw. den Anspruch darauf) bekommen.
Sie hat dieses Geld aber zum großen Teil verbraucht. Das Amtsgericht hat Verfahrenskostenhilfe im Dezember 2020 zu Recht abgelehnt.
Aus den Gründen des OLG:
Dass ihr ein die Schonvermögensgrenze übersteigender Geldbetrag aktuell möglicherweise nicht mehr zur Verfügung steht, ändert daran nichts. Denn sie hat bzw. hätte gegebenenfalls die Verringerung ihres Vermögens auf ein unter der Schonvermögensgrenze liegendes Guthaben herbeigeführt, als sie das Verfahren bereits begonnen hatte und ihr klar sein musste, dass Verfahrenskosten auf sie zukommen können.
Begibt sich ein Beteiligter in dieser Lage seines Vermögens durch Ausgaben, für die keine dringende Notwendigkeit bestand, so ist sein Begehren nach staatlicher Verfahrensfinanzierung rechtsmissbräuchlich (vgl. BGH FamRZ 2008, 1163; BGH VersR 2018, 1149; BeckOK ZPO/Reichling, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 115 Rn. 85, jew. m.w.N).
Gegebenenfalls muss er aus seinem Vermögen Rücklagen zur Führung des absehbaren Prozesses bilden (OLG Hamm BeckRS 2011, 23547; OLG Brandenburg, Senat BeckRS 2019, 1110). Handelt er dem zuwider, so muss er sich das weggegebene Vermögen fiktiv zurechnen lassen (BeckOK ZPO/Reichling, a. a. O. § 115 Rn. 85).
So liegt der Fall hier. Dass die Antragstellerin ihr Vermögen aus unabweisbar lebensnotwendigen Gründen zurückführen musste, ist nicht ersichtlich und in Ansehung ihres Nettomonatseinkommens von wenigstens 1.500 € (Bl. 6 VKH: 1.678,89 €, Bl. 41 VKH: 1.898,90 €) auch nicht naheliegend.
Wofür sie im Zusammenhang mit ihren Umzügen über ihr monatliches Einkommen hinaus mehr als 20.000 € für die Finanzierung von Kaution, neuer Wohnungseinrichtung und Geräten sowie für die normale Lebenshaltung, für die regelmäßige Anschaffung von Brillen und Kosten für ärztliche Behandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen und Therapien sowie Medikamente aufgewendet haben will, legt sie nicht konkret dar. Dass es sich um lebensnotwendige Ausgaben gehandelt hätte, ist - auch in Ansehung ihrer Krankenversicherung - weder ersichtlich noch naheliegend.
Das OLG Bamberg hatte folgenden Sachverhalt zu prüfen:
Der VKH-Antragsteller hatte auf ein Sparbuch mtl. über 500 € für die Altersvorsorge gespart und wollte dieses Guthaben nicht für die Kosten des Rechtsstreits einsetzen. Damit wurde er nicht gehört: Beiträge für die Altersvorsorge sind danach nur berücksichtigungsfähig als Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII ), als geförderte Beiträge zur Altersvorsorge nach § 82 EStG innerhalb der dort festgelegten Grenzen oder als Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII ). Ein Sparbuch fällt nicht unter diese Regelung. Mit einer öffentlichen oder privaten Versicherung oder einer ähnlichen Einrichtung sind berufsständische oder betriebliche Altersvorsorge gemeint. Der Antragsteller entrichtete auf das Sparbuch auch keine vertraglich bestimmten Beiträge, sondern hat Einzahlungen nach seiner jeweiligen Möglichkeit vorgenommen. Das Sparbuch hätte der Antragsteller auch vor dem Bezug von Sozialhilfe einsetzen müssen.
Im Lauf des Rechtsstreits setzte der Antragsteller aber das Sparbuchguthaben ein, um Unterhaltsrückstände zu bezahlen. Das war ein „billigenswerter Zweck“. Ab diesem Zeitpunkt galt er als „arm im Sinne des Gesetzes“.
OLG Bamberg, Beschluss vom 13.01.2022 - Aktenzeichen 2 UF 123/21
Eine 16jährige wollte nicht bei ihrer Mutter wohnen, auch nicht in einer Jugendwohngruppe, sondern bei ihrem volljährigen Freund. Dies entsprach jedoch nicht den Vorstellungen ihrer sorgeberechtigten Mutter, die einen Umgang der Tochter mit ihrem Freund ablehnt. Das Jugendamt nahm sie in Obhut. Die 16jährige beauftragte einen Rechtsanwalt mit dem Ziel, bei ihrem Freund wohnen zu dürfen. Das Familiengericht leitete von Amts wegen ein Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB ein. Da die 16jährige kein eigenes Einkommen hatte, wollte sie die anwaltliche Tätigkeit über Verfahrenskostenhilfe abrechnen. Leider nein, sagt der BGH:
In Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB ist ein Minderjähriger auch dann, wenn er mindestens 14 Jahre alt ist, nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig.
Für solche Verfahren kann auch dem mindestens 14 Jahre alten Minderjährigen Verfahrenskostenhilfe nicht auf eigenen Antrag bewilligt werden, weil er mangels Verfahrensfähigkeit keinen wirksamen Verfahrenskostenhilfeantrag stellen kann.
Sie hätte daher nur durch ihre Mutter als ihre gesetzliche Vertreterin, nicht aber - wie erfolgt - selbst den für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 Abs. 1 FamFG, § 117 ZPO erforderlichen Antrag stellen können, so dass ihr Verfahrenskostenhilfe mangels wirksamen Antrags nicht bewilligt werden kann.
Der BGH führt weiter aus, dass die Interessen des Kindes durch den obligatorischen Verfahrensbeistand ausreichend vertreten gewesen wären.
BGH, Beschluss vom 12.05.2021 - XII ZB 34/21
Im Fall der Betreuung eines Kindes im paritätischen Wechselmodell ist vom Einkommen eines um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Elternteils ein hälftiger Unterhaltsfreibetrag i.S.v. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 lit. b ZPO abzusetzen.
Die Freibeträge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 lit. b ZPO für die minderjährigen Kinder könnten aufgrund des paritätischen Wechselmodells (nur) zur Hälfte in Anspruch genommen werden. Der Elternteil sei nämlich während des Zeitraums, in dem die Kinder beim anderen Elternteil versorgt würden, von Unterhaltsaufwendungen entlastet. Ein Großteil der Kosten, die der Freibetrag umfasse, entstehe ihm in dieser Zeit nicht. Es verblieben zwar gewisse Mehrkosten des Wechselmodells, insbesondere höhere Wohnkosten durch die Bereithaltung weiterer Kinderzimmer, die jedoch nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und 5 ZPO gesondert geltend gemacht werden könnten. Auch mit Blick auf den sozialhilferechtlichen Charakter der Verfahrenskostenhilfe sei es daher gerechtfertigt, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Elternteil nur bezogen auf die Hälfte der Zeit für die Kosten der Lebensführung des Kindes aufkommen müsse.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall zahlt der um Verfahrenskostenhilfe nachsuchende Vater vorliegend neben dem von ihm im Rahmen des Wechselmodells erbrachten Naturalunterhalt keine Geldrente zur Deckung des Barbedarfs des Kindes. Mithin greift § 115 Abs. 1 Satz 9 ZPO , nach dem eine gezahlte Geldrente anstelle des Freibetrags (hier gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 lit. b ZPO ) vom Einkommen des Bedürftigen abzusetzen ist, soweit dies angemessen ist, schon nach seinem Wortlaut und demnach unabhängig davon nicht ein, dass ihm für das paritätische Wechselmodell eine derartige Ausschlusswirkung ohnehin nicht zukommt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 19. Januar 2022 - XII ZB 276/21 ).
BGH, Beschluss vom 16.02.2022 - Aktenzeichen XII ZB 19/21
Es ist immer noch nicht bei allen Rechtsanwälten und Rechtspflegern bekannt, dass man einen Scheidungsfolgenvertrag über VKH abrechnen kann, jedenfalls die anwaltliche Mitwirkung.
OLG Rostock - Beschluss vom 10.08.2006 (11 WF 4/06):
„Die Erstreckung gilt selbst dann, wenn für eine entsprechende Folgesache PKH (Anm.: mangels Erfolgsaussicht) verweigert wurde, vgl. Zöller[26.] 114 ZPO R.47. Der Abschluss eines Scheidungsfolgenvergleichs über Folgesachen, die die Parteien bisher im Scheidungsverbund nicht anhängig gemacht haben, ist nicht mutwillig im Sinne des § 114 ZPO. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Ehegatten, sich über die Scheidungsfolgen (den Kindesunterhalt, den nachehelichen Unterhalt und die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat) zu einigen und erforderlichenfalls einen Vollstreckungstitel zu schaffen.“
OLG Nürnberg - Beschluss vom 29.04.2009 (9 WF 472/09):
„Die Vorschrift bezweckt, der bedürftigen Partei den Abschluss einer Vereinbarung auch über familienrechtliche Folgesachen zu möglichen, die noch nicht rechtshängig sind.“
Und nochmal OLG Nürnberg - Beschluss vom 29.04.2009 (9 WF 472/09):
„Es kann dahinstehen, ob der Begriff der >Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht< in § 48 Abs. 3 RVG dahin auszulegen ist, dass er auch die Verpflichtung zur Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück und zur Übernahme der mit dem Grundstück verbundenen Schulden umfasst; nach § 48 Abs. 4 S. 1 RVG ist der bedürftigen Partei die Prozesskostenhilfe auf Antrag nämlich auch für die Vereinbarung über weitere familienrechtliche Angelegenheiten zu gewähren, wenn sie im Zusammenhang mit der Ehesache stehen.“
Und erneut OLG Nürnberg - Beschluss vom 22.12.2010 (7 WF 1773/10):
„Mangels ausdrücklicher Einschränkung im Gesetz gilt auch für Einigungen, die die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung betreffen, die nicht Folgesachen sein könnten, namentlich den Trennungsunterhalt und den Kindesunterhalt während der Trennungszeit.“
Namhafte Stimmen in der Literatur:
„Auf die Anhängigkeit der entsprechenden Folgesachen und die Erfolgsaussicht etwaiger Anträge kommt es nicht an“ (Zöller/Philippi-ZPO, 27. Aufl., § 114 Rdn. 47; Gerold-Schmidt/Müller-Rabe-RVG, 18.Aufl., § 48 Rdn. 28).
Das OLG Koblenz war sich 2015 seiner Außenseiterstellung in dieser Rechtsfrage bewusst:
„Ob sich dies bei außergerichtlicher Einigung aber nur auf anhängige oder auch nicht anhängige Folgesache bezieht, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der Senat schließt sich der auch von anderen Familiensenaten des Oberlandesgerichts Koblenz vertretenen Auffassung an, wonach der in einer Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt für die Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich über Folgesachen nach § 48 Abs. 3 RVG, die nicht anhängig waren, keine Vergütung aus der Staatskasse beanspruchen kann.“
Der für Aachen zuständige Senat des OLG Köln entschied 2016, 10 WF 5/16 vom 15.3.2016 - Entscheidung als PDF hier abrufbar.
2018 hatte der BGH Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Meinungsstreit.
Im BGH-Beschluss vom 17.1.2018 - XII ZB 248/16 – ging es auch um eine weitere umstrittene Frage: Bekommt der Anwalt bei einem Mehrvergleich im VKH-Mandat alle Gebühren aus der Staatskasse ersetzt, auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr?
Der BGH hat sich der zutreffenden Auffassung angeschlossen, dass, wenn die Beteiligten einer selbstständigen Familiensache einen Vergleich unter Einbeziehung nicht anhängiger Verfahrensgegenstände (Mehrvergleich) schließen, der unbemittelte Beteiligte einen Anspruch auf Erweiterung der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten auf sämtliche in diesem Zusammenhang ausgelöste Gebühren hat. Die durch Art. 3 I iVm Art. 20 III GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit im Vergleich zu Bemittelten wäre nicht gewährt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des RVG erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden. Auch aus § 48 III RVG lasse sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs nicht auf die Verfahrens- und Terminsgebühr erstreckt werden könne.
2021 landete die Rechtsfrage auch beim OLG Bamberg, Beschluss vom 10.06.2021 - Aktenzeichen 2 WF 61/21:
„Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 3 RVG ist es unerheblich, ob der Einigungsvertrag außergerichtlich oder im gerichtlichen Verfahren abgeschlossen wird. (…) Unerheblich ist ferner, ob die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Regelungsgegenstände im Verfahren anhängig sind oder nicht. (…) Die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe und der Anwaltsbeiordnung tritt im Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrages kraft Gesetzes ein, ohne dass ein Erstreckungsantrag notwendig ist.“
Ende 2021 entschied so auch das OLG Brandenburg:
"Die gemäß §§ 127 Abs. 2; 567 ff ZPO in Verbindung mit § 113 Abs. 1 FamFG zulässige sofortige Beschwerde ist insoweit begründet, als die begehrte Erstreckung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht gesondert auszusprechen ist, sondern kraft Gesetzes in dem Verfahrenskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren bewilligenden Beschluss vom 18.02.2021enthalten ist.
Der für eine Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt gilt gemäß § 48 Abs. 3 RVG auch als beigeordnet für den Abschluss eines Vertrags (im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses), sofern dieser eine/mehrere der in der Vorschrift genannten Regelungsbereiche betrifft, was hier der Fall ist. Es ist nicht erforderlich, dass diese Regelungsbereiche als Folgesachen bereits anhängig sind. Zweck der Vorschrift ist es, Beteiligten mit geringem Einkommen auch ohne einen ausdrücklichen Ausspruch in der Bewilligungsentscheidung die gleiche Möglichkeit zu verschaffen, eine Vereinbarung zu Scheidungsfolgen zu schließen, wie Beteiligten mit ausreichend hohem Einkommen und zugleich weitere Rechtsstreitigkeiten über die Scheidungsfolgen zu verhindern. Einer ausdrücklichen Beschlussfassung betreffend die Erstreckung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bedarf es dazu nicht [BGH, Beschluss vom 17.01.2018, XII ZB 248/16 Rz. 22; Götsche, jurisPR-FamR 8/2018 Anm. 4, Zöller/Feskorn, ZPO, 34. A., § 76 FamFG Rz. 27; jurisPK-BGB/T. Schmidt, 9. A., Kostenrechtl. Hinweise in Familiensachen Teil 17 Rz. 66; OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2004, 10 WF 234/04 (zu einer früheren Fassung von § 48 RVG); sämtlich bei juris; vgl.: BT Drucks. 17/11471 S. 270].
Der Umfang der zu erstattenden Gebühren, der nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bzw. der Grundentscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist, ergibt sich - worauf vorsorglich hingewiesen werden soll - ebenfalls aus § 48 Abs. 3 S. 1 RVG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 S. 2 RVG."
OLG Brandenburg, Beschluss v. 21.12.2021 - 9 WF 286/21
(Intern: 3181/20)
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„Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“
JOHN RUSKIN, englischer Sozialreformer
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