Umgangsrecht


Das Kind hat ein eigenes Recht auf Umgang mit beiden Eltern. Und umgekehrt: Die Eltern eines Kindes haben - unabhängig von der Familienform - ein Recht auf Umgang mit ihrem Kind. Und: sie sind zu diesem Umgang verpflichtet. Das Umgangsrecht geht von dem Grundsatz aus, dass der Umgang mit beiden Eltern zum Wohle des Kindes ist. Bei Vätern wird nicht mehr dahingehend unterschieden, ob der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder war.  Auch Großeltern, Geschwister, Stiefeltern und andere enge Bezugspersonen des Kindes haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind. Allerdings gilt da dieser Grundsatz vom Kindeswohl nicht. Bei den Bezugspersonen findet Umgang nur dann statt, wenn dieser dem Wohl des Kindes entspricht und für seine Entwicklung förderlich ist.


Individuelle Lösung oder Standard

Wohnt das Kind überwiegend bei einem Elternteil (Lebensmittelpunkt), so hat der andere Elternteil ein Umgangsrecht (und vom Kind aus gesehen eine Pflicht). Das beste wäre, die Eltern könnten sich aus der Sicht des Kindes / der Kinder auf eine ganz individuelle Lösung einigen.
Individuell ist dabei aber kein Widerspruch zu regelmäßig!

Können die Eltern sich nicht einigen und erwarten eine richterliche Entscheidung, wird diese "typisiert" sein: jedes 2. Wochenende, jeden zweiten der hohen Feiertage, die Hälfte der Sommerferien, vielleicht sogar die Hälfte der übrigen Ferien. Spielraum bieten dann noch Einzelfragen wie Übernachtungen, ob das Wochenende von Freitagmittag bis Montagmorgen dauert und ob noch einzelne Werktagnachmittage hinzukommen oder ob das Alter des Kindes oder sonstige Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Vor einer gerichtlichen Entscheidung würde das Jugendamt gehört, zumeist auch das Kind, eventuell noch ein Verfahrensbeistand.

Praktische Hilfen bei der Organisation Ihrer Umgangskontakte

Kalender-App für Trennungsfamilien "Pendelkinder" Orga-App für Trennungsfamilien "Getrennt-Gemeinsam" Übernachtungsangebote für Umgangsberechtigte, deren Kinder weit weg wohnen: Projekt "Mein Papa kommt"

  • Wer darf entscheiden, was beim Umgang unternommen wird?

    Was während des Besuchs stattfindet, entscheidet der Umgangsberechtigte.  Abgesehen von Fällen der Kindeswohlgefährdung geht dies den anderen Elternteil oder Allein-Sorgeberechtigten nichts an. Den Umgang mit der neuen Freundin des Vaters kann die Mutter also z.B. nicht verbieten.

    Der Ort, an dem der Umgang eines Elternteils mit seinem Kind stattfinden soll, wird bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung vom Umgangsberechtigten bestimmt. 

  • Muss Wechselwäsche und Sportkleidung zum Umgang mitgegeben werden?

    So lange ein Elternteil den Lebensmittelpunkt stellt und Kindesunterhalt erhält, muss er davon das Kind ausstatten – auch mit der für den Umgang erforderlichen Bekleidung. Selbst gesunde Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Umgangsberechtigten verpflichten diesen nicht, die Kinder mit Wechselbekleidung für den Umgang ausstatten. Spezifisches, besonders teures oder umfangreiches Sport- oder Freizeitgerät kann im Einzelfall von der Ausstattungspflicht im Rahmen des Umgangs ausgenommen sein. Das hat das Kammergericht Berlin entschieden. 

    Der Fall:

    Die Zwillinge der geschiedenen leben bei der Mutter. Das Elternverhältnis ist aufgrund wechselseitiger zivil- und strafrechtlicher Verfahren sehr angespannt. Den Umgang musste das Gericht regeln und hat ihn sehr konkret bestimmt, auch mit Ordnungsgeldandrohung.

    Schwerpunkt des aktuellen Streits ist die jeweils in der Arztpraxis des Vaters abzuliefernde, aus sechs Rücksäcken bestehende Tennisausrüstung, jahreszeitliche Kleidung inklusive Schuhwerk sowie pro Quartal eine Tasche mit Wechselkleidung. Da die Mutter die Sachen nicht wie vereinbart lieferte, wurde auf Antrag des Vaters Ordnungsgeld verhängt.

    Die Mutter beantragte die Aufhebung der Umgangsvereinbarung, in der die zu übergebenden Sachen konkretisiert wurden. Gegen die im Abänderungsverfahren erfolgte Entscheidung, lediglich die Sportausstattung ersatzlos zu streichen, legte die Mutter Beschwerde ein. Diese ist unbegründet.

    Das KG entschied:

    Die Mutter hat die erforderlichen Sachen nicht abgeliefert und damit schuldhaft gegen die von ihr übernommene Verpflichtung verstoßen. Ein einseitiges Lossagen von dieser Umgangsverpflichtung ist nicht möglich. Vielmehr bedarf es bei fehlendem Einvernehmen eines Abänderungsverfahrens bis zu dessen gerichtlicher Entscheidung, dass die ursprüngliche Umgangsvereinbarung wirksam bleibt.

    Für ihren Aufenthalt beim Vater benötigen die Kinder mehrere Sätze an Wechselwäsche und quartalsweise jahreszeitlicher Wäsche, was bereits ein Dreivierteljahr erfolgreich praktiziert wurde. Gründe, die gegen eine Fortsetzung sprechen, sind nicht ersichtlich. Die Sportausstattung ist hingegen von erheblichem Umfang und soll grundsätzlich abgeliefert werden, unerheblich ob tatsächlich ein Spieleinsatz erfolgt oder nicht.

    Die Wechselbekleidung wird kontinuierlich benötigt. Vom Vater ist nicht zu erwarten, dass er für die Kinder einen kompletten Bekleidungssatz für alle Jahreszeiten bereithält und diesen regelmäßig ergänzt. Aufgrund des Alters ändern sich die Kleidergrößen der Kinder regelmäßig. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Kinder auch im Haushalt des Vaters diejenige Kleidung tragen möchten, die sie auch im Haushalt der Mutter gerne anziehen.

    Die Ansicht der Mutter, die Ausstattung der Kinder beim Umgang mit Wechselbekleidung sei mindestens dann Aufgabe des Umgangsberechtigten, wenn keine beengten Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlägen, ist nicht korrekt.

    Tatsächlich entspricht es ganz allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. AG Monschau, Beschl. v. 31.03.2003 - 6 F 107/02) und Literatur (vgl. MünchKomm/Hennemann, BGB [7. Aufl. 2017], § 1684 Rn. 36; Erman/Döll, BGB [14. Aufl. 2014], § 1684 Rn. 27; Heilmann/Gottschalk, Praxiskommentar Kindschaftsrecht [1. Aufl. 2015], § 1684 BGB Rn. 55; Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht [6. Aufl. 2014], § 2 Rn. 92; Palandt/Götz, BGB [76. Aufl. 2017], § 1684 Rn. 5), dass aus der umgangsrechtlichen Loyalitäts- und Wohlverhaltenspflicht der Eltern nach § 1684 Abs. 2 BGB dem betreuenden Elternteil die Verpflichtung erwächst, das Kind mit der für den Umgang erforderlichen Bekleidung auszustatten.

    Zwar kann der Umgangsberechtigte seinerseits aufgrund der auch ihn treffenden Wohlverhaltenspflicht gehalten sein, für das Kind Ersatzkleidung bereitzuhalten. Wird jedoch ein erweiterter Umgang praktiziert, sind an den umgangsberechtigten Elternteil in entsprechendem Maße erhöhte Anforderungen zu stellen. Dennoch obliegt es dem betreuenden Elternteil bis zur Grenze eines paritätischen Wechselmodells, in dem beide für den Barunterhalt des Kindes einzustehen haben (vgl. BGH, Beschl. v. 01.02.2017, XII ZB 601/15; BGH, Beschl. v. 11.01.2017, XII ZB 565/15), das Kind zum Umgang mit Kleidung und Wechselwäsche auszustatten. Denn die Bekleidung des Kindes ist ein Bestandteil seines Unterhaltsanspruchs.

    Nach Trennung der Eltern spaltet sich der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes in einen Bar- und einen Betreuungsunterhaltsanspruch auf (§ 1606 Abs. 3 S.2 BGB ). Vom Fall des paritätischen Wechselmodells abgesehen, wird im Regelfall der Pflege- und Erziehungsanteil des kindlichen Elementarbedarfs vom betreuenden Elternteil gedeckt, wohingegen der andere Elternteil den Barbedarf im Elementarbedarf durch Unterhaltszahlung erfüllt (vgl. Eschenbruch/Schürmann/Menne-Schmidt, Kohne, Der Unterhaltsprozess [6. Aufl. 2013], Kap. 2 Rn. 165, 215).

    Da diese Zahlungen gerade auch dazu bestimmt sind, um für das Kind Bekleidung etc. anzuschaffen, würde dem barunterhaltspflichtigen umgangsberechtigten Elternteil ein nicht gerechtfertigtes Sonderopfer abverlangt, wenn er zusätzlich zum Barunterhalt noch das Kind beim Umgang mit dem Nötigsten ausstatten müsste (vgl. AG Monschau, Beschl. v. 31.03.2003, 6 F 107/02). Vor diesem Hintergrund muss der Vater seine beiden Söhne nicht mit der erforderlichen Kleidung beim Umgang ausstatten.

    Folgerungen aus der Entscheidung

    Der betreuende Elternteil muss unter Verwendung der Unterhaltszahlungen die Kinder auch mit der für den Umgang erforderlichen Bekleidung ausstatten, § 1684 Abs. 2 BGB. Nicht ausgeschlossen ist jedoch das Beisteuern des ein oder anderen Stücks durch den Vater (so zutreffend MünchKomm/Hennemann, BGB [7. Aufl. 2017], § 1684 Rn. 36).


    KG Berlin, Beschl. v. 03.03.2017 - 13 WF 39/17



  • Wer muss die Wechselwäsche der Kinder waschen?

    Nicht der Umgangs-Elternteil – so OLG Brandenburg.


    Das Familiengericht hatte in einem Umgangsbeschluss aufgenommen, dass der Vater die Sachen seines Sohnes an Umgangswochenenden zu waschen habe und ihm montags wieder anzuziehen habe.


    Die Beschwerde des Vaters war erfolgreich.


    Die Entscheidung über die Bekleidung des Kindes und die dabei einzuhaltenden Hygienestandards betreffe eine Angelegenheit der tatsächlichen Betreuung und falle in die alleinige Entscheidungsbefugnis des Elternteils, bei dem sich das Kind auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung befindet, § 1687 Abs. 1  S. 4 BGB.


    Die nach § 1687 Abs. 2 BGB eröffneten Eingriffe in diese Befugnis zur Alleinentscheidung setze triftige, das Kindeswohl berührende nachhaltige Gründe voraus, die besorgen lassen, dass ohne die Maßnahmen das Kind eine ungünstige Entwicklung nehmen könnte. Anhaltspunkte dafür, dass das Kindeswohl ohne die Verpflichtung des Antragstellers zur Wäsche der bei Übergabe getragenen Kleidung des Kindes gefährdet sein könnte, seien nicht dargetan und nicht ersichtlich.


    OLG Brandenburg, Beschluss v. 11.05.2016 – 13 UF 37/16


     

  • Wer trägt die Fahrtkosten beim Umgang?

    Der Ort, an dem der Umgang eines Elternteils mit seinem Kind stattfinden soll, wird bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung vom Umgangsberechtigten bestimmt. 

    Es ist daher Aufgabe des Umgangsberechtigten, das bereits zu der Umgangszeit zählende Abholen und Zurückverbringen des Kindes zu organisieren und die entsprechenden Kosten zu tragen. Das gilt umso mehr, wenn die sehr weite Entfernung zwischen den elterlichen Wohnorten im Wesentlichen auf den Umzug des umgangsberechtigten Elternteils zurück zu führen ist.

    OLG Brandenburg - Beschluss vom 20.08.2020

    9 UF 119/20


    Hinweis: Übersteigen die Fahrtkosten die Kindergeldhälfte und sind die wirtschaftlichen Verhältnisse beengt, können die Umgangskosten eine Rolle beim Unterhalt spielen.

  • Ab welchem Alter ist Umgang mit Übernachtung üblich?

    Die Frage lässt sich nicht mit einer fixen Zahl beantworten,  sondern mit Kriterien:

    Wie gut ist die Bindung zum Umgangselternteil?

    Welche Gewöhnung des Kindes an anderswo-übernachten gibt es?

    Ist die Umgangswohnung die ehemalige Familienwohnung?

    Hat das Kind besondere Ängste die Übernachtung betreffend?

    ...


    OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.01.2013 - 6 UF 20/13: "Kinder werden lebenstüchtiger, wenn sie nicht überbehütet werden" 


    In jüngerer Zeit wird in der Rechtsprechung - auch vor dem Hintergrund der zitierten Judikate des Bundesverfassungsgerichts (siehe insbesondere BVerfG FamRZ 2007, 1078) - eine generelle Altersgrenze für Übernachtungen in der Rechtsprechung soweit ersichtlich nicht mehr vertreten. Das bloße Alter eines Kindes ist kein maßgebliches Kriterium, das für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten herangezogen werden. Es dient zudem grundsätzlich nicht dem Entwicklungsprozess von Kindern, sie unter eine "Schutzglocke" zu legen und ihnen damit alle familiären Auseinandersetzungen ersparen zu wollen.


    Auch Kinder müssen lernen, durch neue Strukturen, durch Veränderungen vielfältiger Art belastet zu werden, aus deren Wirklichkeit sie neue Kräfte beziehen. Kinder werden nicht dadurch "lebenstüchtig", dass sie in überbehüteter und einseitig auf die Vorstellungen eines Elternteils ausgerichteter Weise „erzogen“ werden, sondern auch darin, dass ihnen die Realität - hier in Gestalt eines mitsorgeberechtigten und zu ausgiebigem Umgang berechtigten Vaters - angemessen deutlich wird. Diesem Ziel dient zur Überzeugung des Senats die ausgewogene Übernachtungsregelung des Familiengerichts.


    Eine Umgangsregelung ohne Übernachtung hält sich noch im Rahmen des durch § 1684 Abs. 1 BGB dem Richter eröffneten Ausgestaltungsspielraums. Sie ist jedenfalls dann keine Umgangseinschränkung im Sinne des § 1684 Abs. 4 BGB, solange nicht dadurch eine faktische Umgangseinschränkung entsteht, dass die Wohnorte des Umgangsberechtigten und des Kindes sehr weit voneinander entfernt sind. Allerdings bedarf der Ausschluss von Übernachtungen auch bei geringer Distanz dieser Wohnorte besonderer Rechtfertigung, weil Übernachtungen des Kindes beim umgangsberechtigten Elternteil in der Regel dem Kindeswohl entsprechen.


  • Umzug mit Kind - wann ist das erlaubt?

    Bei der Trennung ist es manchmal gar nicht streitig, bei wem das Kind bleibt. Wenn die Rollenaufteilung vorher schon so war, dass das Kind eine Hauptbezugsperson hat, wird es in der Regel auch nach der Trennung bei diesem Elternteil wohnen.


    Wenn dann der Umgang noch zufriedenstellend geregelt ist, das Sorgerecht gemeinsam verbleibt - super.

    Probleme treten aber auf, wenn der Elternteil mit Kind umziehen will.


    Im Wesentlichen werden zu diesem Problem drei Ansichten vertreten:

    • Das Interesse des umzugswilligen Elternteils an örtlich freizügiger Lebensgestaltung für sich und das Kind hat Vorrang vor der ungehinderten Ausübung des Umgangsrechts

    • Wird durch den Umzug das Besuchsrecht beeinträchtigt, so wäre dies für das Kindeswohl schädlich. Der Umzug muss im Zweifel unterbleiben.

    • Vermittelnd fragt eine dritte Auffassung (m.E. zutreffend) danach, ob nachvollziehbare oder beachtenswerte Gründe für den Umzug vorliegen. Ist dies der Fall, das Kindeswohl im Übrigen nicht gefährdet und der Umzugswillige deutlich besser als die Hauptbezugsperson geeignet, so muss das Umgangsrecht als schwächeres Recht zurückstehen.


    So entschied auch das OLG Koblenz, das allerdings bei der Mutter, die mit ihrem Kind zurück in ihr Heimatland Italien wollte, beachtenswerte Gründe nicht als überzeugend dargelegt ansah. Die Mutter hatte in der Anhörung auf die Frage nach dem Warum erklärt: Der Antragsgegner mache „immer nur Stress", dies seit Dezember 2007. Sie wolle nach Italien, um „Ruhe" zu haben. Auch das Kind müsse ihre „Ruhe" haben. Das Kind wolle den Vater nicht sehen und sie zwinge das Kind auch nicht zu Umgangskontakten.

    OLG Koblenz v. 04.05.2010 - 11 UF 149/10

    vgl. auch BGH v. 28.04.2010 - XII ZB 81/09


     

    Einfach ummelden - darf man das?


    "Im Übrigen bedarf es bei einer Anmeldung einer minderjährigen Person bei einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern auch dann nicht der Unterschriften beider Elternteile auf dem Meldeschein, wenn die Eltern getrennt leben. Die Meldebehörde ist nicht verpflichtet zu prüfen, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht obliegt. Bei der Erfüllung der Meldepflicht nach Absatz 3 sind personensorgerechtliche Erwägungen unbeachtlich. Gesondert hiervon zu beachten ist § 22 BMG." (BMGVwV 17.3)


    Besonderheiten im Dreiländereck


    Die Familiengerichte sind besonders streng, wenn es um einen Umzug ins Ausland geht. Das hat den Hintergrund, dass dadurch in den Lebensalltag eines Kindes mehr eingegriffen wird (Sprache, Schulsystem, Rechtsordnung etc.) und der Umgang komplizierter wird (Grenzübertritt, weite Entfernung etc.). Das Verbringen eines Kindes über eine Landesgrenze gegen den Willen des Mitsorgeberechtigten ist daher eine Kindesentführung, die in einigen Ländern (z.B. Belgien) strafrechtlich hart verfolgt wird. Zum Schutz gibt es das "Haager Abkommen", aufgrund dessen die Gerichte des Ursprungsstaates eine sofortige Rüchführung anordnen, damit das Kindeswohl dort geprüft wird und nicht im neuen Wohnsitzland. Demgegenüber gibt es bei einem Umzug zwischen Hamburg und München kein solches Gesetz, das sofortige Rückführung ohne vorherige Kindeswohlprüfung anordnet.


    Aachen - Vaals - Kelmis: Gilt das Haager Abkommen in der Euregio?


    Aber ja, selbstverständlich. Nach den Buchstaben des Gesetzes ist ein Umzug von Aachen nach Vaals oder Kelmis (und umgekehrt) eine internationale Kindesentführung! Was das praktisch heisst, möchte ich nicht im Internet veröffentlichen ...


    Mutter zieht mit Kindern nach Deutschland - Kinder müssen erstmal zurück in die Slowakei


    Die 9 und 12 Jahren alten Töchter einer deutschen Mutter und eines slowakischen Vaters müssen in die Slowakei zurückkehren, nachdem sie von ihrer Mutter widerrechtlich nach Deutschland verbracht wurden. Das hat der 11. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.11.2012 entschieden und damit die Beschwerde der Kindesmutter gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm zurückgewiesen. 

     

    Der Sachverhalt

    Die beteiligten Eheleute und ihre in den Jahren 2000 und 2003 geborenen Töchter hatten in Bratislava gelebt. Dort waren die Kinder geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nachdem sich die Eheleute getrennt und die Scheidung beantragt hatten, übten sie die elterliche Sorge über die beiden Kinder, die bei der Mutter lebten, weiterhin gemeinsam aus. Anfang September 2012 zog die Mutter mit den beiden Kindern nach Augustdorf, um in Deutschland als Lehrerin zu arbeiten.

    Der Vater, der mit dem Wegzug der Kinder nach Deutschland nicht einverstanden war, beantragte ihre Rückführung in die Slowakei nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ).


    Die Entscheidung

    Ebenso wie das Amtsgericht Hamm hat der 11. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm dem Antrag des Kindesvaters entsprochen. Die Voraussetzungen für eine Rückführung seien erfüllt, weil die Mutter die Kinder widerrechtlich, nämlich ohne Zustimmung des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters, von der Slowakei nach Deutschland verbracht habe. In der Slowakei hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Nach Art. 13 HKÜ erhebliche, einer Rückführung entgegenstehende Gründe, könne der Senat nicht feststellen.


    Als solche kämen nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls in Betracht, weil das HKÜ die Beteiligten von einer widerrechtlichen Entfernung abhalten und eine Sorgerechtsentscheidung am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Kinder sicherstellen solle. Derart schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls seien bei einer Rückführung der beiden Kinder nicht zu erwarten.

    Die Kinder seien in der Slowakei aufgewachsen und könnten dort vom Vater betreut werden. Dass sie im Rahmen ihrer Anhörung erklärt hätten, sie wollten in Deutschland bei ihrer Mutter bleiben und nicht mit ihrem Vater in der Slowakei zusammenleben, rechtfertige keine andere Entscheidung. Diese Vorstellung beruhe auf einer von der Mutter hervorgerufenen Drucksituation, nachdem diese ihren Töchtern klar gemacht habe, dass sie sich gegen sie und ein Zusammenleben mit ihr entscheiden würden, wenn sie sich vorstellen könnten, zum Vater in ihr altes Lebensumfeld zurückzukehren. Das habe die Anhörung der Kinder durch den Senat gezeigt.


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27.11.2012 - II-11 UF 250/12


    Zustimmung zum Umzug konkludent möglich


    Nach einer Trennung in Italien nahm die Mutter das knapp zweijährige Kind mit in ihre deutsche Heimat zurück. Zuvor hatte sie sich darüber mit dem Vater per SMS ausgetauscht. Ein ausdrückliches „Veto“ des Vaters gegen den Umzug nach Deutschland ließ sich daraus nicht herauslesen. Das legte das OLG Hamm als „konkludente Zustimmung“ aus. Der Rückführungsantrag des Vaters nach dem HKÜ wurde abgelehnt. Es fehle im vorliegenden Fall an Umständen, denen die Kindesmutter entnehmen musste, dass der Vater einer Ausreise der Tochter widersprechen wolle.

    OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2013 - 11 UF 95/13


    Anerkennung einer ausländischen Entscheidung


    Für die Entscheidung, ob Kinder ein Land verlassen dürfen, ist das Gericht des ursprünglichen Wohnsitzstaates zuständig.


    Kommen die Kinder dann in Deutschland an, kann geprüft werden, ob Deutschland diese ausländische Entscheidung anerkennt. Dabei kommt es z.B. darauf an, ob unsere Verfahrensvorschriften beachtet wurden, insbesondere das "Recht auf Gehör" beider Eltern und die persönliche Anhörung der Kinder. Falls nicht, kann das dazu führen, dass die ausländische Entscheidung gegen den "ordre public" verstösst.


    OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.04.2012 - Aktenzeichen 4 UF 14/12:


    "Die Entscheidung des High Court of South Africa verstößt nicht gegen den ordre public (§ 109 Abs. 1 Nr.4 FamFG ), weil die Kinder nicht angehört worden wären.


    Der Antragstellerin ist darin zuzustimmen, dass die Anhörung der Kinder, um ihren Willen zu erforschen und eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu ermöglichen, ein fundamentales Prinzip des deutschen Sorgerechtsverfahrens darstellt. Dem entspricht, dass in den wesentlichen supra- und internationalen Regelungen sinngemäß vorgesehen ist, dass bei unterbliebener Anhörung des Kindes der ausländischen Sorgerechtsentscheidung die Anerkennung zu versagen ist, wenn die Anhörung ein wesentliches Verfahrensprinzip des Anerkennungsstaates darstellt (vgl. Art 23 lit b der VO Brüssel IIa, EG Nr. 2201/2003 vom 27.11. 2003, vgl. Art 23 Abs.2 lit b KSÜ) . Dementsprechend versagen deutsche Gerichte zutreffend unter Hinweis auf den ordre public die Anerkennung, wenn eine Anhörung unterblieben ist (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2011, OVG 3 B 8/08 1.b.cc) der Urteilsgründe - Juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2006 - 1UF 40/04 NJOZ 2006, 2652, 2654 a.E. f.; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2008, 12 UF 203/07 - Juris Rn.37 ff; vgl. im Übrigen in diesem Sinne MünchKomm-Rauscher, FamFG , 3. Aufl., § 109 Rn.39).


    Hier hat indessen eine Anhörung der Kinder stattgefunden und zwar durch die Gutachterin, und zwar eine Woche vor der Entscheidung des High Court. Wie dem vorliegenden Gutachten der Sachverständigen S... zu entnehmen ist, hat sie den Kindeswillen erforscht und diesen dem Gericht in dem Gutachten ausführlich mitgeteilt (vgl. Ziff 4 des Gutachtens vom 06.April 2011, S.4 - 11). Im Gutachten ist explizit das Gespräch mit den Kindern wiedergegeben, die sich dafür ausgesprochen haben, mit dem Vater nach Deutschland zu gehen. Der High Court hat seine Entscheidung damit entgegen der Annahme der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Kindeswillens getroffen.


    Sofern die Antragstellerin meinen sollte, der Entscheidung sei deshalb die Anerkennung zu versagen, weil die Anhörung nicht durch den Richter persönlich durchgeführt worden ist, wie dies das deutsche Recht vorsieht bzw. durch die höchstrichterliche Rechtsprechung für den gesamten Spruchkörper postuliert wird, ist diese Sichtweise nicht zutreffend. Vorrangiger Sinn des § 159 FamFG ist es, verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass der Kindeswille zuverlässig festgestellt und im Verfahren berücksichtigt wird. Dieses Ziel wird auch erreicht, wenn der Kindeswille in der Weise festgestellt wird, dass das Kind durch andere sachkundige Stellen angehört wird und diese dem Gericht das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitteilen, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen. Nach Ansicht des Senates handelt es sich auch insoweit um den Mindeststandard, der gewahrt sein muss, damit eine ausländische Entscheidung die inländische Anerkennung erfahren kann. Dem entspricht Art 12 Abs. 2 der UN-Kinderrechtskonvention, der festlegt, dass der Kindeswille nicht nur durch unmittelbare Anhörung sondern auch durch Anhörung eines Vertreters oder durch Anhörung vor geeigneten staatliche Stellen, ermittelt werden kann.


    Soweit das deutsche Verfahrensrecht darüber hinaus, die persönliche Anhörung durch das Gericht verlangt und demgemäß die Äußerung gegenüber einem Sachverständigen regelmäßig nicht ausreichen lässt (§ 159 FamFG bzw. § 50 b FGG a.F.), wird der Zweck gemeinhin darin gesehen, dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, das Gutachten aus eigener Anschauung kritisch würdigen zu können, und darin sicherzustellen, dass das Kind als Betroffener im Verfahren zu Wort kommt (BayObLG Beschluss vom 11.06.1997 1Z BR 74/97 -Juris Rn.11). Diese Erwägungen des deutschen Gesetzgebers erscheinen dem Senat indessen nicht als so bedeutsam in ihren Auswirkungen für die Rechte der Verfahrensbeteiligten, als dass es geboten wäre, die persönliche Anhörung durch das erkennende Gericht zum absoluten Mindeststandard der internationalen Urteilsanerkennung in Sorgerechtssachen zu machen, solange die Kindesanhörung zeitnah durch kompetente Stellen für das Gericht durchgeführt und diesem das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitgeteilt wird, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen.


    Damit ist die Beschwerde schon deshalb zurückzuweisen, weil die Entscheidung des High Court, mit welcher dem Antragsgegner das Sorgerecht zugewiesen worden ist, für die inländischen Gerichte bindend ist und - wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat- Gründe nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Recht für eine Abänderung zu Gunsten der Antragstellerin nicht bestehen (§ 1696 BGB )."


    Mutter zieht um - Kind bleibt beim Vater


    ++ OLG Brandenburg 16.7.2009: Aufenthaltsbestimmungsrecht und Kindeswille bei Umzug in eine andere Stadt ++

    Ein nicht verheiratetes Paar hatte eine Sorgeerklärung nach § 1626 a BGB abgegeben. Nach der Trennung lebte der jetzt 14jährige Sohn zunächst bei der Mutter. Als diese jedoch zu ihrem neuen Partner in eine andere Stadt umziehen und ihren Sohn mitnehmen wollte, beantragte der Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Auch der Sohn bekräftigte, in der Heimatstadt bleiben zu wollen, vor allem wegen der Schule und der Freunde. Dem Willen des Jugendlichen hat das Gericht die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es hat dem Kindesvater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. 9 UF 21/09


    Eigenmächtiger Umzug - die Macht des Faktischen: Eile ist geboten

    ++ OLG Saarbrücken vom 25.5.2011, 6 UF 76/11 ++


    In Fällen eigenmächtigen Vorbringens eines Kindes durch einen Elternteil aus seinem bisherigen Lebenskreis in eine neue Umgebung ist ein sorgerechtliches Eilverfahren besonders zu beschleunigen, um zu verhindern, dass der eigenmächtig handelnde Elternteil aus einer sonst dadurch entstehenden, von ihm ertrotzten Kontinuität ungerechtfertigte Vorteile ziehen und dem anderen Ehegatten allein dadurch effektiver Rechtsschutz versagt bleiben kann.


    Tritt in solchen Fällen im Laufe des Eilverfahrens ein Zielkonflikt zwischen dem Erfordernis besonderer Beschleunigung des Verfahrens einerseits und einer eigenständigen Interessenvertretung des Kindes andererseits auf, so kann im Eilverfahren von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes abgesehen werden, wenn ansonsten eine Verfahrensverzögerung zu befürchten ist.

  • Kindesentziehung - ertrotzte Kontinuität

    Das OLG Stuttgart hatte es 2023 mit einem Fall der Kindesentziehung bei Trennung zu tun. Die Eheleute und die beiden Kinder hatten zusammen in Süddeutschland gewohnt. Um sich zu trennen, tauchte die Frau in einem Frauenhaus in Norddeutschland unter und nahm die beiden Kinder mit. Das 1,5 Jahre alte jüngere Kind wurde noch beigestillt, das ältere war im Kindergartenalter. 

    Weil es in der Natur der Sache liegt, wenn eine Frau ins Frauenhaus flüchtet, kannte der Vater den Aufenthaltsort seiner Kinder nicht und hatte keinen Kontakt zu seinen Kindern.


    Der Vater wollte erreichen, dass die Kinder zurück nach Süddeutschland kommen.


    Er beantragte beim Familiengericht an seinem Wohnort das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Er war bereit, Mutter und Kindern die Familienwohnung zu überlassen und auszuziehen. Alternativ bot er an, die Kinder selbst zu betreuen.

     

    Das Jugendamt am Ort des Frauenhauses attestierte eine gute Versorgung der Kinder und teilte mit, die Mutter habe dort eine Wohnung gefunden, in die sie demnächst umziehe. Der Verfahrensbeistand sprach sich für einen Verbleib der Kinder bei der Mutter aus, weil die Bindung zu ihr enger sei. Eine Trennung des Säuglings von der Mutter komme nicht in Betracht.


    Ob für die Mutter eine Bedrohungslage durch den Vater bestanden hatte, ließ sich nicht aufklären.


    Familiengericht und OLG entschieden im Eilverfahren vorläufig, beide zum Nachteil des Vaters. 


    Dabei kam es ausdrücklich nicht auf die Frage an, dass die Mutter die Kinder entführt und damit das Sorgerecht des Vaters verletzt hatte. Denn Familienrecht ist kein Strafrecht. Bei der Abwägung darf daher nur das Kindeswohl eine Rolle spielen, nicht das Bedürfnis der Sanktion eines Fehlverhaltens eines Elternteils. Eine ggf. widerrechtliche Kindesentführung hat nur dann eine automatische Rückführungskonsequenz, wenn die Kinder ins Ausland verbracht wurden (HKiEntÜ).  Das gilt sogar in Grenzregionen, in denen die Kinder nur wenige km weit weg sind. Allerdings beinhaltet der Rückführungsanspruch auch nur, dass die Kinder wieder nach Deutschland gebracht werden müssen – nicht automatisch zum anderen Elternteil. Innerhalb Deutschlands greift das nicht analog, egal wie weit die Kinder weggezogen sind. Auch eine strafbare Kindesentziehung (§235 StGB) gibt es nur als Auslandsentführung.


    Der Ortswechsel ohne das Einverständnis des anderen Elternteiles kann daher nur Bedeutung für die Frage haben, ob daraus Rückschlüsse auf eine Entfremdungsabsicht zu ziehen sind. Eine fehlende Bindungstoleranz könnte eine Einschränkung der Erziehungsfähigkeit sein. 


    Das OLG glaubte der Mutter nicht, dass kein näheres Frauenhaus aufnahmebereit gewesen wäre. Es sah auch, dass der Vater seine Kinder seit Monaten nicht gesehen hatte. Dennoch unterstellte es ihr nicht, die Kinder dem Vater entfremden zu wollen.


    Das Grundrecht eines Elternteiles verbietet es, ihn selbst zum Rückzug aufzufordern. Es geht allein um den Aufenthalt der Kinder.


    Wäre es nur um das Kindergartenkind gegangen, hätte einiges dafür gesprochen, im Eilverfahren anzuordnen, dass es vorläufig beim Vater wohnt. Denn neben den Beziehungen zu seinen Eltern spielen auch die zu Erzieherinnen und Freunden eine Rolle. Das 1,5 Jahre alte Noch-Stillkind sei aber auf die Nähe der Mutter angewiesen, hatte zum Vater noch keine enge Bindung aufgebaut. Eine Geschwistertrennung komme nicht infrage.


    Hinweis: In einem Hauptsacheverfahren kann noch der endgültige Verbleib der Kinder geklärt werden. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für den Vater ist in diesen Fällen aber gering. Das Verhalten der Mutter wird als „ertrotzte Kontinuität“ bezeichnet. Bis das Hauptsacheverfahren entscheidungsreif ist, werden sich die Kinder am neuen Wohnort und mit der neuen Situation so eingelebt haben, dass kein Gericht sie wieder herausreißt. Die Eigenmächtigkeit führt daher bei kleinen Kindern häufig zum Ziel.


    OLG Stuttgart Beschl. v. 10.2.2023 – 15 UF 267/22



  • Starre Regelung auch bei wechselnden Dienstplänen

    Ein Fall des OLG Karlsruhe zeigt, dass ungewöhnliche Lebensformen von Familien eigentlich individuelle Umgangsregelungen erfordern, dass das Gericht den Eltern diese Autonomie aber nicht abnehmen kann.


    Der Fall:


    Die Mutter arbeitet als Flugbegleiterin und lässt das Kind während ihrer beruflichen Abwesenheit von einer privaten Pflegefamilie betreuen. Das führt zu mehrwöchigen Pausen im Umgang des Vaters mit dem Kind. Daher möchte er eine verlässliche Umgangsregelung. die Mutter hingegen strebt eine sehr flexible Regelung an, die von ihren eigenen Arbeitszeiten abhängt. Familiengericht und OLG ordneten für den Vater 14-tägig den Umgang von Freitag 16:30 Uhr bis Sonntag 18:30 Uhr sowie in der Hälfte der Schulferien an. Die Mutter argumentiert dagegen, dass sie durch diese Regelung ihr Kind selbst manchmal 12 Tage am Stück nicht sehe - das sei ein Eingriff in ihr Erziehungsrecht.


     


    Aus den Gründen:


    Der Umstand, dass die Mutter teilweise auf Fremdbetreuung angewiesen ist, kann jedenfalls nicht zu Lasten des väterlichen Umgangs gehen. Der Mutter ist zuzugestehen, dass vereinzelte Überschneidungen zwischen Dienstplan und Umgangszeiten dazu führen können, dass sie das Kind über einen Zeitraum von bis zu 12 Tagen nicht sieht. Insoweit liegt es in der Verantwortung der Mutter, derartige Überscheidungen, auf die der Vater keinen Einfluss nehmen kann, im Bedarfsfall ggf. durch Absprachen mit ihrem Arbeitgeber oder mit dem Vater selbst auf Grundlage der konkreten gerichtlichen Umgangsregelung zu vermeiden. Die von der Mutter begehrte flexible Umgangsregelung kann gerichtlich nicht angeordnet werden. Diese wäre mangels hinreichender Bestimmtheit nicht vollstreckbar und damit für die Eltern nicht bindend.


    Flexible Umgangsregelungen können daher nur in direkter Absprache zwischen den Eltern getroffen werden. Im vorliegenden Fall sind die betroffenen Eltern hierzu jedoch leider nicht in der Lage. Ihnen ist nicht gelungen, eine außergerichtliche Lösung in Form eines sachgerechten Konsenses herbeizuführen, der sowohl den Belangen beider betroffener Elternteile als auch denen ihres Kindes gerecht wird.


    Das Familiengericht hatte daher den persönlichen Umgang des Vaters mit seiner Tochter so zu regeln, wie es dem Kindeswohl am besten entspricht, und dabei die Einzelheiten des Umgangs insbesondere nach Art, Zeitpunkt, Dauer und Übergabeort in allen maßgeblichen Einzelheiten festzulegen. Nur hierdurch lasst sich der Gefahr entgegenwirken, dass zwischen den Eltern über die Ausgestaltung des Umgangs erneut Konflikte entstehen und diese sich nachteilig auf das Wohl des Kindes – z.B. durch einen Loyalitätskonflikt, in den das Kind zwingendermaßen gerät - auswirken.


     


    OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2017 – 18 UF 166/17

  • Kein "Umgang auf Zuruf"

    Der Fall:

    Die Eltern sind getrennt, die Kinder leben bei der Mutter und sehen den Vater an zwei Wochenenden im Monat von Freitags bis Montags. Der Vater möchte mehr Umgang: Am liebsten das paritätische Wechselmodell, hilfsweise eine Ausweitung des jetzigen Umgangs.

    Die Kommunikation zwischen den Eltern war schwierig. Die Mutter behauptete, die Söhne würden die jetzige Regelung schon ablehnen, weil sie diese in ihrer Freizeitgestaltung beeinträchtige. Am besten sei ein „Umgang auf Zuruf“, wenn die Söhne wollen würden. Sie würden sonst mit gesundheitlichen Auffälligkeiten und Ablehnung gegen den Vater reagieren.

    Das Amtsgericht änderte die Umgangszeiten nicht im Umfang, sondern nur in den konkreten Zeiten: auf vierzehntägig von Freitagabend um 18 Uhr bis zum darauffolgenden Dienstag zum Schulbeginn plus die Hälfte aller Schulferien. Der Vater wäre damit zufrieden gewesen. Aber die Mutter ging zum OLG.

    Vom „Umgang auf Zuruf“ hielt das OLG gar nichts. Eine Umgangsregelung erfordere grundsätzlich einen kontinuierlichen, periodischen Kontakt. Ein ersatzloser Wegfall einer bislang praktizierten Umgangsregelung mit der Folge, dass der Umgang auf Zuruf wahrgenommen wird, sei nicht kindeswohlgerecht.

    Die Eltern hätten Anspruch gegen das Familiengericht, eine konkrete Regelung zu treffen (jedenfalls in den Fällen, in denen nicht ein Umgangsausschluss oder eine Umgangspflegschaft in Rede steht). Gerade weil diese Eltern ein hohes Konfliktpotential hatten und über den Umgang zerstritten seien, könne die Regelung nicht offenbleiben.

    Hinweis: Anders sieht es nur dann aus, wenn sich ein älterer Jugendlicher mit gereifter Persönlichkeit gegen eine starre Umgangsfrequenz wehrt, da eine erzwungene Durchsetzung des Umgangsrechts nicht mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes vereinbar ist. Dabei gibt es keine starre Altersgrenze, ab der der Wunsch des Kindes nach einer flexiblen Handhabung des Umgangs ausschlaggebend ist; vielmehr hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab.


    OLG Brandenburg - Beschluss vom 18.08.2021 (13 UF 90/21)




  • Umgang dient auch der Enlastung des Elternteiles

    Im typischen Umgangsverfahren vor Gericht will eine Mutter den Umgang zeitlich begrenzen, der Vater mehr Zeit mit seinem Kind. 

    Aber es gibt auch die umgekehrten Fälle: Mutter verklagt Vater darauf, dass er sich öfter oder regelmäßiger oder verbindlicher um seine Kinder kümmern soll. So lag der Fall beim OLG Nürnberg. 


    Der Vater war Pilot mit einer Vollzeitstelle, die Mutter Flugbegleiterin mit einer 2/3-Stelle. Wegen der flexiblen Arbeitszeiten beider wurde im notariellen Scheidungsfolgenvertrag nur vermerkt, dass der Vater „nach Absprache“ 1/3  der Betreuungszeiten übernehmen solle. Beide Elternhäuser waren in Fürth, die Kinder konnten auch vom Vater aus morgens zur Schule gehen.


    Für die Mutter zeigte sich die Flexibilität zunehmend als unpraktikabel, die Absprachen würden nicht funktionieren - sie beantragte daher 6 Jahre später beim Familiengericht, dass die Kinder 14-tägig im Zeitraum von Donnerstag nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn und zudem an 2 Tagen nach flexibler Absprache beim Vater sein sollen. Der Vater argumentierte damit, dass er Vollzeit arbeite, die Mutter Teilzeit – deshalb sei es ihr zuzumuten, dass sie sich voll und ganz nach seinen Bedürfnissen richten könne, was keine feste Regelung zulasse. Er könne lediglich einmal im Monat 3 Tage im Block freinehmen. Sein Arbeitgeber habe es abgelehnt, ihm zweimal im Monat 5 Tage am Stück freizugeben. Eine Fremdbetreuung der Kinder während der Umgangszeiten sei widersinnig. 


    Das Amtsgericht Fürth hat den Umgang Vater - Kinder dahingehend geregelt, dass dieser 14-tägig donnerstags nach Schulschluss bis Montag vor Schulbeginn stattfindet. 


    In der Anhörung vor dem OLG erzählten die Kinder, dass die Umgangswochenenden seit dem amtsgerichtlichen Beschluss so durchgeführt worden seien. Zwar sei ihr Vater dann nicht immer durchgehend zu Hause. Dies sei jedoch unproblematisch. Sie hätten ein gutes Verhältnis zur Stiefmutter und zu deren Tochter. 

    Das OLG bestätigte die Entscheidung des AG.


    Aus den Gründen:

    „Aus Gründen, über die der Senat nur mutmaßen kann, funktioniert die jahrelang praktizierte flexible Absprache der Umgänge nun nicht mehr. Der Antragsgegner betont, dass er den Umfang der Umgänge mit den beiden Kindern nicht reduzieren wolle. Er fordert jedoch von der Antragstellerin mehr Flexibilität ein, als zu der er selbst bereit oder in der Lage ist.

    Die Antragstellerin und der Antragsgegner üben die elterliche Sorge für die beiden Kinder gemeinsam aus. Insbesondere in diesen Fällen dient der Umgang gemäß § 1684 BGB nicht nur dazu, den Kontakt und die Bindungen des Kindes zu seinen Eltern aufrechtzuerhalten, zu pflegen und zu fördern. Der Umgang dient auch dazu, den hauptbetreuenden Elternteil zu entlasten und die tatsächliche Betreuung der Kinder in einem zu bestimmenden Umfang aufzuteilen.

    Daher ist es im vorliegenden Falle eines erweiterten Umgangs dem Antragsgegner auch zuzumuten, die Kinder während des Umgangs in einzelnen Fällen fremdbetreuen zu lassen. Es besteht für ihn weiterhin die Möglichkeit der Absprache mit der Antragstellerin und einem möglichen Tausch des Umgangswochenendes.

    Ferner kann er die Kinder gemeinsam mit seiner 12-jährigen Stieftochter betreuen lassen. Die Kinder sind bereits 11 und 14 Jahre alt und benötigen keine lückenlose Anwesenheit einer Betreuungsperson. Auch die Antragstellerin muss gelegentlich Fremdbetreuung in Anspruch nehmen und diese organisieren. Es ist daher auch dem Antragsgegner zuzumuten, sich im Einzelfall um eine entsprechende Fremdbetreuung, während des Drittels der Zeit, die Kinder bei ihm verbringen, zu kümmern.

    Eine gerichtliche Umgangsregelung muss praktikabel sein. Dies setzt jedoch nicht voraus, dass der Umgang an jeglichem von der Regelung vorgesehenen Termin mit völliger Sicherheit stattfinden kann. Regelmäßig kommt es vor, dass Umgangstermine wegen Krankheit, Urlaubs oder sonstigen besonderen Vorkommnissen nicht stattfinden können oder verschoben werden müssen. Für die Festsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung reicht es daher aus, dass diese grundsätzlich praktikabel ist und regelmäßig wie vorgesehen ausgeübt werden kann. Dies ist bei der vom Erstgericht getroffenen Regelung der Fall, was die geübte Praxis auch zeigt.

    Im Rahmen der Umgangsregelung, kann der Senat, worauf er vor der Verhandlung bereits schriftlich und im Rahmen des Termins mehrfach mündlich hingewiesen hat, keine flexible Lösung treffen, da eine solche nicht gemäß § 89 FamFG vollstreckbar wäre.

    Die vom Erstgericht getroffene Umgangsregelung ist ausgewogen und auch nach Überzeugung des Senats praktikabel.“


    OLG Nürnberg - Beschluss vom 18.01.2024 (9 UF 744/23)



  • Auch 15jähriger muss sich an die Umgangstermine halten

    Wenn Eltern ihre Erziehungsvorstellungen gegen einen 15jährigen durchsetzen wollen, ist das nicht immer leicht. Umso schwieriger noch, wenn die Eltern getrennt sind und nicht an einem Strang ziehen. So hat sich das OLG Brandenburg mit der Umgangsregelung für einen 15jährigen befasst.


    Das Kind selbst kann nicht gerichtlich verpflichtet werden, den Umgang wahrzunehmen. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, das Kind zum Umgang zu überreden oder zu bedrängen. Allerdings wird dies vom Obhuts-Elternteil erwartet. § 1684 BGB regelt das einklagbare Rechtsverhältnis der Eltern untereinander. Dazu gibt es in Abs. 2 eine Wohlverhaltensklausel.


    Die Mutter hat also auch auf einen schon 15jährigen erzieherisch einzuwirken, damit es die Widerstände gegen den Umgang abbaut und das Kind eine positive Einstellung zum Vater gewinnt - und hat es zur Wahrnehmung des Umgangs anzuhalten. Das gelte auch dann, wenn der Sohn seinen Vater „schwierig“ finde: „Auch solche Auseinandersetzungen im Verhältnis Kind - Elternteil fördern die kindliche Entwicklung.“


    Stattdessen hatten die Richter hier den Eindruck, dass die Mutter dem kindlichen Willen - jedenfalls bzgl. des Umgangs mit dem Vater - freien Lauf lässt und allein den kindlichen Willen respektieren will. Der Sohn wird zitiert mit „Das ist eine Sache zwischen mir und meinem Vater“, was rechtlich so nicht ist. Er wolle nicht dem Zwang einer Umgangsregelung (eines festen Gerüstes) unterlegen sein, vielmehr nach eigener spontaner Entscheidung den Vater ggf. besuchen.


    Darauf nahmen die Richter keine Rücksicht: „Der freie Willen, den der betroffene Sohn bei der Wahrnehmung von Umgang gerne für sich in Anspruch nimmt, ist ein typisches kindliches Merkmal, dem Eltern bei der Erziehung ihres Kindes eben durch entsprechende erzieherische Maßnahmen begegnen müssen.“


    Die Mutter befürchtete nun, dass sie Ordnungsgeld zahlen muss, wenn der Sohn die Termine boykottiert. Mit Recht: Klappt der Umgang nicht, wird vermutet, dass die Mutter diese o.g. Pflichten verletzt hat – zu ihrer evtl. Entlastung muss sie dann vortragen, was sie konkret unternommen hat und wie sie erzieherisch so eingewirkt hat, dass der 15jährige bereitwillig zur Wahrnehmung des Umgangs wäre.


    OLG Brandenburg - 17.06.2021 - 9 UF 39/21

  • Wann gibt es nur begleiteten Umgang ?

    In Fällen von Kindeswohlgefährdnung oder zur Anbahnung eines brach liegenden Kontaktes ordnet das Gericht "begleiteten Umgang" an. 


    Beispiele mögen der dringende Missbrauchsverdacht oder eine psychische Erkrankung des Umgangsberechtigten sein. 


    Die praktische Umsetzung des sogenannten "begleiteten Umgangs" ist in vielen Städten noch ungeklärt. Ein Problem lautet: Wer bezahlt diese Begleitperson? Ein anderes: Wie kann so etwas nach 17 Uhr und am Wochenende stattfinden?


    Einige caritative Einrichtungen bieten inzwischen begleiteten Umgang an, sogar einige progressive Jugendämter. Sie müssen fragen, wie es in Ihrer Stadt aussieht. Als praktische Lösung hat sich bewährt, selbst eine ehrenamtliche Begleitperson vorzuschlagen, die von beiden akzeptiert wird - von der engagierten Kindergärtnerin bis zur Patentante.


    Der begleite Umgang ist in der Regel eine befristete Maßnahme mit der Zielsetzung, einen eigenverantwortlichen, sicheren Umgang zwischen diesem Elternteil und dem Kind anzubahnen.

  • Kann man Umgang erzwingen, wenn der Elternteil gar nicht will?

    Umgangspflicht: Kinder haben Recht auf Kontakt mit Eltern

    Die Vorstellung, dass ein Gerichtsvollzieher den Vater zwangsweise zum Umgang vorführt, ist absurd. Soll der Vollziehungsbeamte den Vater festhalten, während seine Kinder mit ihm "Memory" spielen?

    Tatsächlich gibt es aber Fälle, in denen ein Umgangs-Verpflichtungsantrag das richtige Mittel ist.


    In diesen Verfahren geht es zumeist um jemanden, der nicht grundsätzlich den Kontakt ablehnt, aber ein festes gerichtliches Gerüst des wann-und-wie benötigt. 

    In diesen Verfahren geht es meist um einen Elternteil, der nur unzuverlässig den Anderen entlasten will (Wochenenden, Ferien, berufsbedingte Abwesenheiten) und seine Rachegelüste darüber auslebt, den anderen regelmäßig hängenzulassen - oder sich zu selten Zeit nimmt, weil er andere Prioritäten setzt.


    Solchen Eltern wird dann durch das System (Jugendamt - Familiengericht - eigener Anwalt) deutlich gemacht, warum der Umgang wichtig ist und warum er zuverlässig und regelmäßig sein muss. Allein das hat in Einzelfällen schon genügt, tragfähige Umgangsregelungen zu erarbeiten, die dann freiwillig durchgeführt wurden.


    Im Vordergrund wird im Verfahren immer der Appell an Einsicht stehen. Dann gibt es noch einen Umgangspfleger und schließlich Zwangsgeld, falls ein Elternteil entgegen richterlicher Anordnung Umgang boykottiert. 


    Das OLG Frankfurt hat am 11.11.2020 die Beschwerde eines Vaters zurückgewiesen, der sich gegen eine monatliche Umgangsverpflichtung mit seinen drei ehelichen Söhnen gewehrt hatte. Er hatte sich nach der Trenung nur noch sporadisch sehen lassen. Die Mutter leitete ein Umgangsverfahren ein, da die Kinder den Vater vermissen würden und sich einen regelmäßigen Umgang wünschten. Der Vater verwies darauf, beruflich und privat unter enormen Druck zu stehen. Er habe ein neugeborenes Kind, arbeite bis zu 120 Stunden wöchentlich und schlafe lediglich 3-4 Stunden. Ihm sei derzeit ein Umgang nicht möglich.


    Das OLG zitierte das Grundrecht der Kinder auf Pflege und Erziehung durch ihre Eltern (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Dieses Recht sei untrennbar mit einer Pflicht der Eltern verbunden. Die Verweigerung jeglichen Umgangs mit dem Kind und damit die Loslösung von einer persönlichen Bindung stelle einen maßgeblichen Entzug elterlicher Verantwortung und zugleich die Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der Erziehungspflicht dar. Festzuhalten sei zudem, dass die vorgetragenen Belange des Kindesvaters ihn eher zu einer Umstrukturierung seiner Prioritäten veranlassen sollten, statt seiner verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Umgangspflicht mit seinen drei älteren Kindern weiter nicht nachzukommen.

    OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.11.2020 - 3 UF 156/20


    Ein weiterer Fall aus Köln:

    Der Vater dreier Söhne – geboren 2010, 2013 und 2015 – sah nach der Trennung ein Problem darin, immer mit allen drei Kindern gleichzeitig Umgang zu haben. Seine Wohnung sei nicht groß genug und er sei nicht so belastbar. Seine neue Ehefrau empfinde die lautstarken Streitereien der Kinder als Zumutung. Beim Familiengericht in Rheinbach wurde er damit nicht gehört. Es sei nicht im Sinne der Kinder, Sonderrollen und Stigmatisierungen zu erleben, wenn sie für den Umgang mit dem Vater getrennt würden. Die Geschwisterbeziehung sei normal. 

    Das FamG ordnete daher einen Umgang alle 2 Wochen von Samstagvormittag bis Sonntagnachmittag und in der Hälfte der Ferien an. Eine Wochenend-Übernachtung sei ihm auch mit den drei Kindern zumutbar und zur Entlastung der Mutter bedürfe es der Ferienregelung. Er könne sich bezüglich der Erziehungsschwierigkeiten beim Jugendamt beraten lassen und in den Ferien auf Betreuungsangebote der Schule oder andere Anbieter zurückgreifen.

    Als der Vater auch beim OLG Köln nichts anderes erreichen konnte, wandte er sich an das Bundesverfassungsgericht.  Er sah sein Persönlichkeitsrecht, sein Elternrecht und Rechte der Kinder durch den erzwungenen Umgang verletzt.

    Das BVerfG setzte sich damit auseinander, ob man einen unwilligen Elternteil überhaupt zu Umgang zwingen kann und ob ein mit Zwangsmitteln erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen könne. Bereits 2008 hatte es eine BVerfG-Entscheidung dazu gegeben, dass Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Verantwortung für ihre Kinder haben und § 1684 Abs. 1 BGB den Umgang mit dem Kind zur elterlichen Pflicht erhebt. Der Umgang trage in der Regel zur gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung der Kinder bei.

    Allerdings sei zu prüfen, ob ein erzwungener Umgang dazu führe, dass nur die körperliche Anwesenheit des Elternteiles zu erwarten sei, nicht seine emotionale Zuwendung. Denn wenn ein Kind Ablehnung und Widerwillen spüre, sei das nicht gut für sein Selbstwertgefühl. Daraus hatte das BVerfG in dem früheren Fall den Grundsatz abgeleitet, dass ein durch die Androhung von Zwangsmitteln herbeigeführter Umgang grundsätzlich nicht kindeswohldienlich ist.

    Hier aber lag es anders: der Vater lehnte die Kinder nicht ab und hatte keinen Widerwillen gegen die Kinder, ihm gefiel nur die konkrete Regelung nicht. Es sei auch nicht vorwegzunehmen, ob der Umgang wirklich mit Zwangsmitteln durchgesetzt werde oder ob der Vater sich mit dem Ergebnis doch arrangieren werde. In einem Zwangsmittelverfahren werde die konkrete Sachlage erneut geprüft.

    Seine Verfassungsbeschwerde wurde daher verworfen.

    Hinweis:

    Soweit der Vater auch die Verletzung von Grundrechten der Kinder vorbrachte, wurde dies nicht geprüft, denn bei gemeinsamem Sorgerecht konnte er dies nicht ohne Mitwirkung der Mutter.

    Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 17.2.2022 – 1 BvR 743/21


  • Entscheidet der Scheidungsrichter automatisch über das Umgangsrecht?

    Nein. Der Scheidungsrichter entscheidet über die Scheidung. Sonst nichts - außer, es werden Anträge gestellt. Wenn man also will, dass zusammen mit der Scheidung über den Umgang entschieden wird, muss man einen eigenen Antrag stellen. In der Praxis kann die Umgangsregelung aber nicht bis zur Scheidung warten - dann wird ein eigenständiges Verfahren mit eigenem Aktenzeichen (und Kosten) eingeleitet, wenn die Eltern sich nicht einigen konnten. 


    Können Eltern sich einigen (egal ob mündlich oder schriftlich, ob mit oder ohne Jugendamt), brauchen sie den Richter gar nicht. Der Staat mischt sich also nur bei Trennungs-Familien ein, die darum bitten.

  • Belgien / Niederlande - Zuzug aus dem Ausland

    Deutschland ist eines der letzten europäischen Länder, in denen dem Vater nicht ab Geburt automatisch die Mitsorge zusteht, wenn er nicht verheiratet ist.


    Typischer Fall in der Euregio:

    Ein deutsches unverheiratetes Paar wohnt in Eupen, Kelmis, Raeren oder Kerkrade - also im Ausland.


    Ein Baby wird geboren. Es bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit.


    Nach welchem Recht beurteilt sich nun das Sorgerecht?


    Die Brüssel IIa-Verordnung ist anzuwenden; mangels kollisionsrechtlicher Regelungen ist auf das Internationale Privatrecht am ständigen Wohnsitz / gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes abzustellen. Das IPR kann auf das Aufenthaltsrecht oder das Heimatrecht abstellen, das ist je nach Land zu prüfen.


    Angenommen, das nun auf das Baby anzuwendende Recht ergibt eine natürliche Mitsorge des Vaters (anders als das deutsche Recht). In Belgien und Holland wäre dies der Fall.


    Was geschieht mit dem Sorgerecht bei Umzug aus dem Ausland nach Deutschland?

    Sobald das Kind nach dem Umzug nach Deutschland hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Achtung: Internationale Kindesentführung vermeiden), sind deutsche Gerichte zuständig für die Beurteilung des Sorgerechts.


    Dabei war für möglich gehalten worden, dass der Vater seine Mitsorge durch den Umzug verliert.


    Anders OLG Celle, Beschl. v. 04.06.2018 - 10 WF 86/18:


    Nach Art 16 Abs. 3 KSÜ führt ein Aufenthaltswechsel des Kindes nicht zum Wegfall eines bestehenden Sorgerechts, vielmehr besteht es entsprechend dem Recht des früheren Aufenthaltsorts fort. Hierdurch sollen die Beteiligten vor überraschenden Folgen eines solchen Aufenthaltswechsels des Kindes geschützt werden.


    Das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht bestimmt sich nach dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, die Vollstreckung und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (fortan: KSÜ) und ist in Deutschland seit 01.01.2011 in Kraft. Es ist in zeitlicher Hinsicht auf Maßnahmen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten in einem Vertragsstaat getroffen werden sollen (Art. 53 Abs. 1 KSÜ).


    Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kap. II des Übereinkommens wenden Gerichte ihr eigenes Recht an (Art. 15 Abs. 1 KSÜ), also deutsches Recht. Die Herstellung des gemeinsamen Sorgerechts (§ 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) setzt voraus, dass dem antragstellenden Elternteil die elterliche Sorge noch nicht zusteht.


    Der Vater kann also kein Verfahren auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge einleiten, denn diese steht ihm ja bereits zu.


    Praktisches Problem

    Der unverheiratete Vater wird vor deutschen Behörden, in Schulen und bei Ärzten aber immer vor dem Problem stehen, dass er keine Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB vorweisen kann und dass ihm daher nicht geglaubt wird, dass er das gemeinsame Sorgerecht hat. Denn die genannten Ansprechparter werden nicht internationales Kollisionsrecht prüfen. Daher ist ihm nun anzuraten, vor dem deutschen Familiengericht ein Verfahren auf Feststellung der gemeinsamen Sorge zu führen. Dafür kann er auch VKH bekommen, so war es im Fall des OLG Celle.

  • BGH: Billigung einer Umgangsregelung

    Eine Umgangsregelung nach § 156 Abs. 2 FamFG bedarf der anschließenden familiengerichtlichen Billigung durch Beschluss.

    Gegen den Billigungsbeschluss ist die Beschwerde statthaft. Dabei ist auch ein Elternteil, der der Umgangsregelung zugestimmt hat, zur Beschwerde befugt.

     

    BGH XII ZB 507/18

  • Gericht darf Umgangsausschluss nicht billigen und Umgangsgestaltung nicht delegieren

    Ein Umgangsverfahren als Amtsverfahren kann im Grundsatz regelmäßig nur durch Beschluss des Familiengerichts im Sinne des § 38 FamFG oder den familiengerichtlich gebilligten Vergleich beendet werden. In Amtsverfahren haben die Beteiligten keine Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand.


    Die Vereinbarung der Beteiligten über einen Umgangsausschluss im Sinne des § 1684 Absatz IV 1, 2 BGB ist der familiengerichtlichen Billigung gemäß § 156 Absatz II FamFG nicht zugänglich.


    Denn § 156 Absatz II FamFG spricht von einer „Regelung“ des Umgangs (S. 1) bzw. von einer „Umgangsregelung“ (S. 2). Hierunter sei nach allgemeinem Sprachverständnis etwas Positives, nicht etwas Ausschließendes zu verstehen. Entsprechend stelle § 1684 BGB der positiven „Regelung“ in Abs. 3 die negative „Einschränkung“ und den „Ausschluss“ in Abs. 4 gegenüber. Auch § 15 Absatz III 2 FamFG unterscheide zwischen Regelung und Ausschluss des Umgangs.

    Das Familiengericht kann sich seiner Aufgabe nicht entziehen, indem „die Abstimmungs- und Regelungsarbeit vom Gericht weg zum Jugendamt hin verlagert“ wird. Das ergibt sich auch aus § 36a Absatz II FamFG, wonach das Gericht das Verfahren lediglich aussetzt, nicht aber beendet, wenn sich die Beteiligten zur Durchführung einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung entscheiden.


    OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.5.2020 – 2 UF 187/19


  • Umgangsvergleich: nur mit Zustellung vollstreckbar

    Die nach § 87 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustellung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung im Ordnungsmittelverfahren ist nur dann wirksam, wenn sie im Amtsbetrieb durch das Familiengericht erfolgt. Eine Zustellung lediglich im Beteiligtenbetrieb (Parteibetrieb) ist nicht ausreichend.


    Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt ist. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG beschränkt ihrem Wortlaut nach das Zustellungserfordernis zwar nur auf Beschlüsse, so dass vertreten wird, dass die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG über dessen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen ist, dass nicht nur Beschlüsse, sondern auch weitere Vollstreckungstitel wie gerichtlich gebilligte Vergleiche zum Umgang nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 156 Abs. 2 FamFG der Zustellung vor der Vollstreckung bedürfen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11; juris Rdn. 5; Giers in Keidel, FamFG, 19. Aufl, 2017, § 87 Rdn. 12; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 87 FamFG, Rdn. 4; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 87 Rdn. 9). Einer solchen, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung bedarf es aber nur dann, wenn nicht der gerichtliche Billigungsbeschluss, der den Vergleich erst vollstreckbar macht, sondern auch der Vergleich selbst als Vollstreckungstitel betrachtet wird. Vollstreckungstitel wird die einvernehmliche Regelung über den Umgang erst dann, wenn das Gericht diese durch Beschluss billigt (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG). Mithin ist jedenfalls der Beschluss über die gerichtliche Billigung zuzustellen. Da die Vollstreckung aber auch einen Vergleich voraussetzt, ist nicht nur der Billigungsbeschluss sowie der hierin in Bezug genommene Vergleich zuzustellen. § 87 Abs. 2 FamFG ist dahingehend auszulegen, dass er der Zustellung sowohl des Billigungsbeschlusses als auch des Vergleichs bedarf. Die Zustellung hat eine Warnfunktion und bietet dem Vollstreckungsschuldner gleichzeitig rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren (vgl. Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 11).


    OLG Oldenburg: Beschluss vom 10.8.2018 11 WF 104/18

  • Auch zwangsweise Umgangs-Durchsetzung möglich

     Vereitelt die Kindesmutter die Abholung der Kinder aus der Schule durch den Kindesvater zu einer Zeit, zu der ein Umgang dem Kindesvater zustand und zu der ihr nach der wirksamen Anordnung des Amtsgerichts auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht gänzlich entzogen war, liegen ganz offenkundig die Voraussetzungen dafür vor, auf den ausdrücklich gestellten Antrag des Kindesvaters hin auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der Herausgabe der Kinder zu genehmigen bzw. anzuordnen.

    (vgl. hierzu auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 UF 270/19, 10 UF 10/20 und 10 WF 186/19)


    OLG Celle Senat für Familiensachen, Beschluss vom 31.01.2020, 10 UF 16/20


    Der Fall:

    Die Eltern hatten ein gerichtlich gebilligtes Doppelresidenzmodell (Woche - Woche) vereinbart, diese Einigung reute die Mutter aber unverzüglich, so dass sie gegen die Billigung Beschwerde einlegte und die Kinder nicht zur Papawoche herausgab.


    Aus den Gründen:

      Nachdem die Kindesmutter wiederholt gegen die – ungeachtet ihrer Beschwerdeeinlegung – wirksame Vereinbarung verstoßen und die Kinder in der Betreuungszeit des Kindesvaters diesem vorenthalten hatte, hat der Kindesvater die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts allein auf sich sowie die Anordnung der Herausgabe der Kinder an ihn im Wege einstweiliger Anordnung beantragt. Dem hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2020 ohne vorherige mündliche Anhörung entsprochen und die sofortige Wirksamkeit angeordnet. Nachdem sich die Kindesmutter der Vollstreckung dieses ebenfalls wirksamen Beschlusses tätlich widersetzte und der Kindesvater am 16. Januar 2020 nachmittags in der Schule demzufolge auch in Anwesenheit der von der Schule hinzugezogenen Polizei nicht die vereinbarungsgemäße Herausgabe der Kinder bewirken konnte, hat das Amtsgericht den Beschluss am selben Tage gegen 15:00 Uhr dahin ergänzt, dass den Vollzugsorganen für die Durchsetzung der Herausgabe auch die Anwendung von Zwang/Gewalt gestattet wurde.


    Das OLG revidierte dies nicht.


    Die Kinder gelangten so zum Vater.



  • Ordnungsgeld: "Umgang von Schulende bis Schulbeginn" gilt nur an Schultagen

    Wenn der Umgang zwischen einem Kind und einem Elternteil durch das Familiengericht geregelt werden muss, dann hat es vorher schon Schwierigkeiten zwischen den Eltern gegeben und die hören oft mit Erlass des Beschlusses oder Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches nicht auf. Der Wert eines solchen Schriftstückes liegt in der Vollstreckbarkeit – wobei es dabei nicht darum geht, das Kind vom Gerichtsvollzieher abholen zu lassen, sondern darum, den Elternteil, der sich nicht an die Regelung hält, mit einem Ordnungsmittel zu sanktionieren. Das läuft aber ins Leere, wenn die Formulierung der Umgangsregelung nicht hundertprozentig eindeutig ist.

    So ging es einem Vater, dessen Umgangsrecht „alle 14 Tage von Freitag nach der Schule bis Montag früh zum Beginn der Schule, beginnend mit dem 16.09. bis 19.09.2022“ formuliert war. Am 16.09. waren aber noch Ferien. Die Schule begann für das Kind also erst am Montag, dem 19.09.2022. Die Mutter verweigerte aus diesem Grund den Umgang vom 16.09. bis 19.09.2022.

    Der Familienrichter, der den Beschluss formuliert hatte, hatte offensichtlich gemeint, dass das Kind das Einschulungswochenende beim Vater verbringen soll und setzte ein Ordnungsgeld von 300 € gegen die Mutter fest. 

    Beim OLG wurde das allerdings aufgehoben.

    Für die Vollstreckung muss die gerichtliche Entscheidung einen vollstreckbaren Inhalt aufweisen, insbesondere hinreichend bestimmt sein. Umgangsregelungen müssen so konkret gefasst sein, dass den Beteiligten ausreichend deutlich wird, welche Pflichten sie zu erfüllen haben. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich (BGH vom 01.12.2012 - XII ZB 188/11), insbesondere auch eine konkrete Uhrzeit (OLG Bamberg vom 12.03.2013 - 7 WF 356/12). Dabei wird die hier gewählte Formulierung ("Umgang ... von Freitag nach der Schule ...") für den Normalfall des Schulbesuchs jedenfalls dann als ausreichend angesehen, wenn die Abholung des Kindes an der Schule durch den umgangsberechtigten Elternteil angeordnet ist, weil dann die Verpflichtung des betreuenden Elternteils eindeutig ist, zu veranlassen, dass der Vater das Kind zum Schulende abholen kann (vgl. OLG Celle vom 31.01.2020 - 10 UF 10/20). Mit dieser Formulierung ist aber keine ausreichend bestimmte Verpflichtung des betreuenden Elternteils geregelt, wie an Tagen ohne Schulbesuch des Kindes zu verfahren ist. Dies gilt ganz besonders für Tage, an denen nicht nur das Kind selbst am Schulbesuch verhindert ist, sondern überhaupt kein Schulunterricht stattfindet, da in solchen Fällen nicht festgestellt werden kann, wann die Schule endet. Außerdem ist für diese Fälle kein Ort der Übergabe geregelt. Die mögliche Bestimmbarkeit durch ergänzende Auslegung einer im Titel enthaltenen Regelung reicht im förmlichen Vollstreckungsverfahren nicht aus.

    Zwar liegt angesichts der Erklärung der Mutter, das Kind solle das betreffende "Einschulungswochenende" bei ihr verbringen, womit sich der Vater aber nicht einverstanden erklärt hat, spätestens mit Beginn des Samstags ein Verstoß gegen den Sinn der Umgangsregelung nahe, auch wenn dieser nicht genau zeitlich konkretisiert werden kann. Für die Verhängung von Ordnungsmitteln in solchen Fällen ist aber eine Rechtsgrundlage im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren nicht ersichtlich (so wie hier im Ergebnis auch OLG Bamberg vom 12.03.2013 - 7 WF 356/12).

    OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.04.2023 - Aktenzeichen 5 WF 29/23 

  • Ordnungsmittel: Auch wenn die Vereinbarung reut

    Wenn vor Gericht eine Umgangsregelung vereinbart wird, bei der gewisse Formalien eingehalten werden, ist diese genau wie eine richterliche Entscheidung vollstreckbar. Die Vollstreckung geschieht aber nicht „gegen das Kind“, also nicht mit körperlichem Zwang durch Vollstreckungsbeamte oder Jugendamt. Mittel der Wahl ist ein Ordnungsgeld gegen den Elternteil, bei dem das Kind lebt.

    Dass das betreffende Kind den Umgang mit dem anderen Elternteil nicht wünscht, hindert die Vollstreckung nicht. 

    Denn derjenigen Elternteil, bei dem das Kind wohnt, muss auf das Kind erzieherisch so einwirken, dass das Kind eine positive Einstellung zum Umgang bekommt. Gelingt das nicht, wird vermutet, dass diese Einwirkung gar nicht stattgefunden hat und das mit dem Zwangsgeld bestraft. Das wäre nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der Elternteil konkret schildern könnte, wie er auf das Kind vergeblich eingewirkt hat. 

    Stattdessen hat die Mutter sich hier damit verteidigt, dass sie inzwischen sowieso generelle Bedenken gegen die Umgangsregelung habe. Das war ein Eigentor, denn damit stand für das OLG fest, dass sie gerade nicht hinter den Umgängen stand und das Kind entsprechend motivierte. Sie hätte eine vorläufige Einstellung der Vollstreckung beantragen können und im Verfahren vorbringen müssen, was nun doch gegen diese Regelung, der sie selbst zugestimmt hatte, spricht. Ein einseitiges Abweichen von der Vereinbarung stand ihr nicht zu.


    OLG Brandenburg - Beschluss vom 14.06.2021 - 9 WF 129/21


  • Ordnungsgeld: nicht ohne Zustellung der Billigung

    KG, Beschluss vom 29.1.2020 – 3 WF 200/19, BeckRS 2020, 2189

    1. Vollstreckungstitel bei einem gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich ist allein der Billigungsbeschluss. 

    2. Jedoch ist der Billigungsbeschluss ohne den in Bezug genommenen Umgangsvergleich nicht vollstreckungsfähig, so dass auch Letzterer der Zustellung vor der Vollstreckung bedarf. 

    3. Die Zustellung muss in jedem Fall von Amts wegen erfolgen.



    OLG Köln Beschluss vom 13.02.2020 - II-10 WF 2/20:


    „Gegenstand der Vollstreckung ist nicht die vom Amtsgericht (…) gerichtlich protokollierte Umgangsvereinbarung vom 23.5.2018, sondern der ebenfalls im Erörterungstermin protokollierte gerichtliche Billigungsbeschluss (vgl. BGH, Beschluss vom 10.7.2019 - XII ZB 507/18 -, juris Rn.10 f.). Eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung ist nur vollstreckbar, wenn dem Verpflichteten - hier der Kindesmutter - gemäß § 87 Abs. 2 FamFG sowohl der Billigungsbeschluss als auch der hierin in Bezug genommene Vergleich zugestellt worden sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.8.2018 -11 WF 104/18 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016 -15 WF 22/16 -, juris).

    An dieser Zustellung mangelt es vorliegend nach dem Akteninhalt. Die Niederschrift über die gerichtlich protokollierte Umgangsvereinbarung vom 23.5.2018 sowie die zu Protokoll diktierte gerichtliche Billigung der Umgangsvereinbarung als auch die Folgenbelehrung sind den Beteiligten nicht zugestellt worden, sondern nach dem Absendevermerk vom 24.5.2018 nur formlos übersandt worden. Da somit eine Zustellungsabsicht nicht gegeben war, ist durch den tatsächlichen Erhalt der

    Protokollausfertigung auch keine Heilung eingetreten, § 15 Abs. 2 FamFG, § 189 ZPO (vgl. BGH FamRZ 1993, 309). Auch folgt aus der Verfahrensakte nicht, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels, welcher der Antragsschrift beigefügt war,

    veranlasst worden ist.

    Folge ist, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist, damit dort die Zustellung des gerichtlichen Protokolls mit der Umgangsvereinbarung vom 20.9.2019 sowie des Billigungsbeschlusses und der Ordnungsmittelandrohung veranlasst wird (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.8.2018 - 11 WF 104/18 -, juris). Im Anschluss ist erneut über den Ordnungsgeldantrag zu entscheiden.


  • Ordnungsgeld: Höhe ist Streitwert

    OLG Köln Beschluss vom 13.02.2020 - II-10 WF 2/20:


    Der Beschwerdewert beträgt 1.000,00 Euro. Da die Antragsgegnerin das Rechtsmittel eingelegt hat und der Gegenstandswert sich nach allgemeinen Grundsätzen am „Angreiferinteresse" ausrichtet, bestimmt er sich nach dem

    Interesse, das festgesetzte Ordnungsgeld nicht zahlen zu müssen, und entspricht deshalb dem Ordnungsgeldbetrag (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 28.01.2011 - 5 W 312/10, FamRZ 2011, 1258; OLG Thüringen, Beschl. v. 03.07.2012 - 1 WF 306/12,

    FamRZ 2013, 656).


  • Ordnungsgeld: Auch Wöchnerin mit krankem Baby muss Umgang des älteren Kindes ermöglichen

    Wenn vor Gericht der Umgang zwischen einem Kind und seinem getrenntlebenden Elternteil festgelegt wurde – egal ob durch Beschluss oder Einigung – dann ist das für alle verbindlich. Bei Verstößen dagegen kann das Gericht finanziellen Druck aufbauen – die Beträge fließen aber in die Staatskasse, nicht an den, dessen Umgangskontakt ausgefallen war.

    Im Fall des OLG Brandenburg durfte der Vater seine Tochter ohnehin schon nur unter professioneller Begleitung sehen. Die Mutter war durch das Amtsgericht verpflichtet worden, das Kind zu den Terminen im sog. „Familienzentrum“ abzugeben. Zwei Mal erschien die Mutter nicht. Sie begründete das damit, dass sie zwei bzw. vier Wochen zuvor erneut ein Kind geboren habe, noch Wöchnerin war, und das Neugeborene krank. Weder ihr noch dem Baby seien die Strapazen einer solchen mehrstündigen Aktivität zumutbar gewesen. Niemand sonst habe die ältere Tochter zum 30 km entfernten Familienzentrum bringen und abholen können.

    Trotz dieser Begründung musste sie ein Ordnungsgeld von 300 € zahlen.

    Das OLG Brandenburg bestätigte das Amtsgericht: Die Umgangsregelung ist für beide Elternteile verbindlich. Wer Termine ausfallen lässt, muss sich so entschuldigen, dass man ihm nichts vorwerfen kann, denn die Vorwerfbarkeit wird gesetzlich vermutet. Das OLG war hier der Meinung, dass sowohl die Wöchnerin als auch ihr Neugeborenes die Autofahrt und die Wartezeit während des Umgangs hätten schaffen müssen. Eine „krankheitsbedingte Transportunfähigkeit“ sei nicht ärztlich attestiert worden – und wenn nicht, hätte die Mutter sich rechtzeitig um jemanden kümmern müssen, der die ältere Tochter zum Umgang mit ihrem Vater bringt.

    Hinweis:

    Solche Beschlüsse haben meist eine lange Vorgeschichte von Umgangsverweigerung, weshalb die Gerichte über das Ordnungsgeld versuchen, einen verweigernden Elternteil zu erziehen.

    OLG Brandenburg - Beschluss vom 21.04.2022 (13 WF 51/22)

  • Ordnungsgeld: keine Kindeswohlprüfung im Vollstreckungsverfahren

    Es kommt nicht selten vor, dass ein Familiengericht zwar den Umgang zwischen einem Kind und seinem getrennt lebenden Elternteil festgelegt hat, der Kontakt aber trotzdem nicht stattfindet.

    So ging es einem Vater schon seit Jahren, bis er 2021 einen Ordnungsgeldantrag stellte. 

    2018 hatte es ein Umgangsverfahren gegeben, in dem der Kontakt mit der 2014 geborenen Tochter sehr sparsam geregelt wurde: Wöchentlich donnerstags für 2 ½ Stunden, mit Übergabe unter Aufsicht des Jugendamtes. Einige Monate später äußerte die Mutter den Verdacht, dass der Vater dem Kind etwas angetan habe. Die Umgangskontakte wurden sofort eingestellt. Ihre Strafanzeige führte zur Verfahrenseinstellung mangels Tatverdacht. Daraufhin beschaffte die Mutter eine kinderpsychiatrische Stellungnahme: Die Mutter sei wegen des Missbrauchsverdachtes hochängstlich, was das Kind in Alarmbereitschaft versetze und weshalb die Begleitumstände des Umgangs dem Kind nicht zumutbar seien. Die Mutter lehnte ab 2019 mit dieser Begründung ab, das Kind weiterhin zu den Umgangskontakten im Jugendamt zu bringen. Der Missbrauchsvorwurf sei ihrer Meinung nach nicht ausgeräumt, weshalb sie ihr Kind schützen müsse.

    Das OLG verurteilte die Mutter zu 500 € Ordnungsgeld.

    Im Fall der grundlosen Weigerung des betreuenden Elternteils, den titulierten Umgang zustande kommen zu lassen, muss das Gericht grundsätzlich Ordnungsmittel festsetzen.

    Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens hätte die Mutter den Umgang wieder gewähren müssen. Es entlastet sie auch nicht, dass sie glaubt, der Umgang sei kindeswohlwidrig. Hier wurde das OLG sehr formal: es gab einen vollstreckbaren Umgangstitel. Im Zwangsgeldverfahren ist nicht das Kindeswohl zu prüfen. Die Prüfung des Kindeswohls war Gegenstand des Erkenntnisverfahrens. Einer erneuten Kindeswohlprüfung im Vollstreckungsverfahren stehen der Grundsatz der strengen Formalisierung der Zwangsvollstreckung sowie der Zweck der effektiven Durchsetzung des Titels entgegen. Anders wäre es nur dann, wenn die Mutter zugleich auch einen Antrag auf Abänderung der Umgangsvereinbarung aus 2018 gestellt hätte.


    Hinweis:

    Zwang darf nie gegen das Kind ausgeübt werden, immer nur gegen den Elternteil, bei dem das Kind wohnt, und der mit Ordnungsgeld dazu gebracht werden soll, sein Kind für den Umgang zu motivieren. Bei wiederholten Verstößen kann immer wieder Ordnungsgeld beantragt werden. Die Höhe liegt im Ermessen des Gerichts, ist auch von den wirtschaftlichen Verhältnissen abhängig. Das Ordnungsgeld bekommt allerdings nicht der Elternteil, dessen Umgang ausfiel, sondern die Staatskasse.


    OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.07.2022 - Aktenzeichen 1 WF 165/21 


  • Schadenersatz für vereitelte Urlaubsreise

    Wer ohne Rechtsgrund vereitelt, dass die gemeinsamen Kinder mit dem anderen Elternteil in Urlaub fliegen oder fahren können, haftet für den Schaden – auch betreffend die anderen Familienmitglieder, dies deshalb Mehrkosten hatten.

    Der Fall:

    Eine Patchworkfamilie wollte in den Sommerferien nach Thailand fliegen. Kurz zuvor ereigneten sich – einige 100 km Luftlinie vom Badeort entfernt – terroristische Anschläge. Daraufhin wollten der Vater des einen und die Mutter des anderen Kindes verhindern, dass ihre beiden Kinder mit den neuen Patchwork-Eltern und -Geschwistern den Urlaub antraten. Der Vater von Kind 1 reichte einen Eilantrag beim Familiengericht ein und unterlag, weil es keine Reisewarnung für den Badeort gab. Die Mutter von Kind 2 zog ihren Eilantrag beim FamG mangels Erfolgsaussicht zurück. 

    Sie schrieb aber eine mail an die Bundespolizei und untersagte die Ausreise, womit sie auch Erfolg hatte. Die Erwachsenen und Kind 1 hätten nun fliegen können, aber die Familie stornierte die Reise.

    Nachdem das FamG kurzfristig entschieden hatte, dass auch Kind 2 reisen darf, wurde neu gebucht.

    Die Mutter musste alle Kosten der Umbuchung der gesamten Familie tragen.

    Zusätzlich musste sie ein Ordnungsgeld bezahlen.

    KG,  Beschluss v. 18.5.2020 – 13 UF 88/18


  • Wegweiser für den Umgang nach Trennung / Scheidung

    Es gibt eine sehr gute Broschüre "Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung". Sie enthält neben vielen rechtlichen und praktischen Informationen auch ein Muster für einen Elternvertrag.


    Der Wegweiser ist als Einzelexemplar für 3,00 Euro, ab zehn Exemplaren für je 2,50 Euro, ab 100 Exemplaren für je 2,00 Euro (jeweils zzgl. Versandkosten) erhältlich bei:


    Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V.

    Tel.: 030 - 21 48 09 24

    E-Mail: bestellung@dksb.de


    Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft e.V.

    Tel.: 030 - 28 59 99 70

    Fax: 030 - 28 59 99 71

    E-Mail: post@liga-kind.de


    Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V.

    Tel.: 030 - 69 59 78 6

    Fax: 030 - 69 59 78 77

    E-Mail: kontakt@vamv.de


    Eine niedrigschwellige anonyme Beratung im Internet bietet die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung unter www.bke-beratung.de

  • Umgangsrecht von Großeltern

    Wenn sich Eltern trennen, strahlt der Konflikt oft auch in die Ebene der Großeltern aus.

    Hier lebten die 6 und 9 Jahre alten Kinder beim Vater, weil die Mutter psychische Probleme hatte. Anfangs nach der Trennung hatten die Kinder zu den Großeltern mütterlicherseits noch häufig Kontakt. Aber die Großeltern mischten sich zu sehr in die Erziehung ein und schwärzten den Vater mehrfach beim Jugendamt an, ohne dass ihre Vorwürfe dort objektiv bestätigt wurden. 

    Außerdem respektierten sie das alleinige Sorgerecht des Vaters nicht – sie bezeichneten dies als Fehlentscheidung - und stellten Kontakte der Kinder zu deren Mutter her, obwohl der Vater das ausdrücklich abgelehnt hatte und auch die vom Jugendamt eingesetzte Familienhilfe das kritisch sah.

    Weil der Vater daraufhin den Kontakt abbrach, klagten sie nun ein Wochenend- und Ferien-Umgangsrecht ein.

    Damit verloren sie. Während nämlich im Eltern-Kind-Verhältnis die gesetzliche Vermutung ist, dass Kontakt dem Kindeswohl dient, ist es im Großeltern-Kind-Verhältnis so, dass die Kindeswohldienlichkeit positiv festgestellt werden muss.

    Hier spielte die Einmischung der Großeltern und die Herabwürdigung der Erziehungsleistung des Vaters eine Rolle. Dadurch waren naturgemäß erhebliche Spannungen entstanden, die auch den Kindern nicht verborgen blieben. Obwohl eines der Kinder sich in ihrer Anhörung ein Wiedersehen mit den Großeltern wünschten, lehnten AG und OLG das ab.

    Der Loyalitätskonflikt sei bereits erkennbar und die Kinder könnten dafür nur geschützt werden, indem sie dem vater-kritischen Einfluss der Großeltern nicht mehr ausgesetzt werden. Das Umgangsrecht der Großeltern nach § 1685 BGB hänge davon ab, dass die Großeltern den grundsätzlichen Erziehungsvorrang des sorgeberechtigten Elternteils akzeptieren.

    OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2021 - Aktenzeichen 9 UF 188/21 


    Auch das OLG Braunschweig entschied 2021, dass Großeltern zurückhaltend mit Kritik an ihrem Schwiegerkind (oder Kind) sein müssen. Denn beim Großeltern-Umgang muss positiv festgestellt werden, dass der Umgang dem Kindeswohl dient – es reicht nicht, dass er nicht schädlich wäre.

    Ein Loyalitätskonflikt des Kindes, weil die Großeltern schlecht über die Eltern reden, gilt jedenfalls als kindeswohlwidrig.

    Im Fall des OLG Braunschweig waren Vater und Mutter getrennt, die Großeltern väterlicherseits wollten die Enkel regelmäßig an Wochenenden und in den Ferien sehen. Ihre Schwiegertochter wandte ein, es werde wiederholt abwertend über sie geredet, z.B. weil sie aus dem Osten stamme. Die Großeltern väterlicherseits thematisierten, dass sie als Akademikerpaar besser geeignet für die Förderung der Enkel seien als die Mutter selbst. Dieses Argument erwies sich als Eigentor.


    Das OLG Braunschweig lehnte den Antrag ab. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Großeltern den verfassungsrechtlich eingeräumten Erziehungsvorrang der Eltern missachteten. Das OLG beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 12.07.2017, Az. XII ZB 350/16), der Kriterien für die Beurteilung des Umgangs von Großeltern für das Kindeswohl angelegt habe.


    OLG) Braunschweig, Beschl. v. 30.06.2021, 2 UF 47/21).



  • Umgang des sozialen Vaters

    Umgangsvereinbarungen sind umso komplexer, je verzweigter die Patchworkfamilie ist. Im Fall beim AG Bensberg ging es um einen 5jährigen, dessen Eltern sich noch in der Schwangerschaft getrennt hatten, die Mutter wohnte dann mit einem anderen Mann zusammen. Mit diesem bekam sie 4 Jahre später ein weiteres Kind, trennte sich aber kurz darauf von diesem Vater und zog wieder mit dem Vater des ersten Kindes zusammen. Es gab also für jedes Kind einen leiblichen Vater und einen sozialen Vater.  Das Paar, das nun mit den beiden Kindern zusammenlebte, wollte dem anderen Mann keinen Umgang mit seinem nicht-leiblichen Kind gewähren.


    Enge Bezugspersonen können gemäß § 1685 Abs. 2 BGB ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben, wenn sie für dieses Kind die tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben und der Umgang dem Wohl des betroffenen Kindes dient.

    Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass das erforderlich enge Bezugsverhältnis hier aufgrund des langjährigen Zusammenlebens des betroffenen Kindes mit dem Beteiligten zu 5. besteht, weil dieser eine elterngleiche Funktion wahrgenommen hat, die das Gesetz grundsätzlich als erhaltenswert ansieht (vgl. Staudinger/Dürbeck, aaO., § 1685 BGB , Rz. 16). Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ein Umgang auch dem Wohl des Kindes entspricht. Vielmehr bestehen Umgangsbefugnisse nur dann, wenn die Kindeswohldienlichkeit positiv festgestellt werden kann. Die Ausgestaltung des konkreten Umgangs orientiert sich am Kindeswohl. Regelmäßig wird der Umgang nach § 1685 BGB anlässlich üblicher Tagesbesuche stattzufinden haben (vgl. zum Ganzen Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1685 , Rn. 47). Besteht zu einer engen Bezugsperson iSd. Abs. 2 eine für das Kind elternähnliche Bindung und kommt es zu keiner Konkurrenz mit anderweitigen elterlichen Umgangsrechten nach § 1684 BGB , kann dies gegebenenfalls Anlass sein für eine an § 1684 BGB orientierte Umgangsregelung mit regelmäßigen Übernachtungen und Ferienumgang (Staudinger/Dürbeck, a.a.O.). Ob hier ein solcher Ausnahmefall für ein großzügiges Umgangsrecht vorliegt, dürfte nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage eher zu bezweifeln sein. Tatsächliche Erkenntnisse zur Ausgestaltung der Bindung zwischen dem Kind und dem Beteiligten zu 5. fehlen bislang. Die ablehnende Haltung der Kindeseltern und die von ihrer Seite erhobenen Vorwürfe gegen den Beteiligten zu 5. einerseits und die Geschehnisse um das weitere gemeinsame Kind B (Entziehung des Kindes, Gefährdungsmeldung, kindschaftsrechtliche Verfahren) andererseits legen zudem nahe, dass das Verhältnis zwischen den Kindeseltern und dem Beteiligten zu 5. durch erhebliche Spannungen belastet ist. Neben den seitens des Amtsgerichts angeführten Aspekten im Rahmen der Kindeswohlprüfung werden daher auch die Auswirkungen der Verweigerungshaltung der Kindeseltern auf das Kind zu berücksichtigen sein, nachdem diese Kindeseltern sich vehement gegen einen Umgang ausgesprochen haben. Gegenwärtig ist zudem nur schwer vorstellbar, wie die Beteiligten dem notwendigen Absprachebedarf in den alltäglichen Betreuungsfragen des Kindes in Anbetracht des angeordneten erweiterten Umgangs genügen könnten. Dabei wäre schließlich auch zu beachten, dass dem Beteiligten zu 5. (anders als einem auch nicht sorgeberechtigten Elternteil) keinerlei erzieherische Aufgaben zukommen und deshalb sorgerechtliche Fragen als Teil der Personensorge allein von den Sorgeberechtigten zu entscheiden wären (vgl. Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1685 , Rn. 45). Auch dies spricht eher gegen ein solch großzügiges Umgangsrecht.


    OLG Frankfurt/Main - Beschluss vom 18.01.2024 (6 UF 224/23)




  • BGH 2024: Vertragsstrafe in Umgangsvereinbarung

    In einem Verfahren beim Familiengericht standen sich die Zugewinnforderung einer Ehefrau und der Umgangswunsch des Ehemannes mit seinen Kindern gegenüber. Die Kinder lebten mit der Mutter in Peru. Weil sein Umgangsrecht dort schwer durchzusetzen war, machte der Vater die Zahlung des Zugewinnausgleiches in Raten davon abhängig, dass die Umgangsvereinbarung auch tatsächlich klappte:

    Die jährliche Rate von 20.000 € sollte jeweils erst dann fällig werden, nachdem die gemeinsamen Kinder drei Wochen Sommer-Umgang mit dem Vater in Deutschland gehabt haben. 

    Die Mutter stimmte zu, das Familiengericht protokollierte dies als Vereinbarung und billigte diese im Hinblick auf das Kindeswohl, ohne die Kinder angehört oder das Jugendamt beteiligt zu haben.

    Die Frau klagte nun bis zum BGH auf Unwirksamkeit der Vereinbarung: weder wollte sie den Vergleich zum Zugewinn noch akzeptieren noch ein Ordnungsgeld riskieren für den Fall, dass sie den Umgang mit den Kindern vereitelte. AG und OLG gaben ihr nicht recht, aber der BGH.

    Zunächst prüfte der BGH eine Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Kommerzialisierung des Umgangsrechts nach § 138 Abs. 1 BGB. Elternvereinbarungen sind unwirksam, in denen ein Verzicht auf das Umgangsrecht mit geldwerten Gegenleistungen so verknüpft werden, dass das Kind darin zum Gegenstand eines Handels gemacht wird. Eine Vereinbarung, bei der die zusagten wirtschaftlichen Vorteile einen Anreiz bieten, Umgang zu gewähren oder zu unterlassen, ist als unzulässige Kommerzialisierung des elterlichen Umgangsrechts anzusehen. 

    Aus dieser Rechtsprechung lässt sich aber nicht ohne weiteres herleiten, dass jede Verknüpfung zwischen einer Umgangsvereinbarung und einer Beilegung vermögensrechtlicher Streitigkeiten zwischen den Eltern bereits als unzulässige Kommerzialisierung des Umgangsrechts einzuordnen wäre. Wird das Recht und die Pflicht des Elternteils zum persönlichen Umgang mit dem Kind nicht in Frage gestellt, sondern (lediglich) eine konkrete und kindeswohldienliche Gestaltung des Umgangsrechts angestrebt, deren Zustandekommen durch vermögensrechtliche Zugeständnisse noch gefördert wird, könnte das Verdikt der Sittenwidrigkeit nicht gerechtfertigt sein. Etwas anderes mag dann gelten, wenn im Einzelfall die Annahme berechtigt ist, dass ein offensichtlich nicht kindeswohldienlicher Umgang durch vermögenswerte Gegenleistungen - etwa durch die Zahlung eines nicht oder nicht in dieser Höhe geschuldeten Zugewinnausgleichs - "erkauft" werden soll. So liegt der Fall hier jedoch erkennbar nicht. Wie das OLG ausgeführt hat, sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Umgang des Vaters mit den Kindern in Deutschland aus Kindeswohlgründen von vornherein ausgeschlossen gewesen sein könnte.

    Es ging ihm offenbar darum, die Lästigkeiten oder Unmöglichkeiten einer Vollstreckung im Ausland zu beseitigen.

    Die Regelungen des gerichtlichen Vergleichs wiesen dadurch Ähnlichkeiten mit einer Vertragsstrafenvereinbarung auf, weil die Verknüpfung erkennbar die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf die Mutter bezweckte, die Umgangsvereinbarung einzuhalten. Vertragsstrafenbewehrte Umgangsvergleiche sind in Fällen mit Auslandsberührung ausnahmsweise zulässig, wenn ihnen das grundsätzlich billigenswerte Motiv des umgangsberechtigten Elternteils zugrunde liegt, bei der Durchsetzung seines Umgangsrechts nicht auf eine ineffektive grenzüberschreitende Vollstreckung angewiesen sein zu müssen. Dafür müssen sie aber entsprechend den §§ 86 ff. FamFG ausgestaltet sein, woran es hier fehlte.

    Der BGH sah als Problem, dass es kein Umgangsverfahren gegeben hatte, in dem der Richter das Kindeswohl geprüft, die Kinder angehört und das Jugendamt beteiligt hatte. Außerdem bemerkte er, dass sich das Kindeswohl in den nächsten Jahren ja ändern könne und es in der Zukunft gute Gründe geben könne, aus denen der Umgang mit dem Vater in Deutschland nicht stattfinde.  Es fehlte eine Regelung dazu, was dann mit dem Zahlungsanspruch der Mutter geschehen solle.


    BGH - Beschluss vom 31.01.2024 (XII ZB 385/23)


     


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Ordnungsgeld, wenn Umgangsbeschlüsse nicht eingehalten werden

Jeder Verstoß gegen eine gerichtliche Umgangsregelung kann ein Ordnungsgeld nach sich ziehen. Der betreuende Elternteil muss alle erzieherischen Möglichkeiten ausschöpfen, um auf das Kind einzuwirken, damit es den titulierten Umgang wahrnimmt. Tut er dies nicht, kann ein Ordnungsgeld gegen ihn festgesetzt werden. Einzelne Entscheidungen hierzu finden sich unter den FAQ.

Download: OLG Köln verhängt Ordnungsgeld gegen Vater, weil 12jährige nicht zur Mutter will

Fragen rund um Kindeswohl eignen sich nicht für email-Beratung. Ich möchte Sie persönlich kennenlernen: Buchen Sie ein Gespräch. Das geht telefonisch oder per Videocall. Wir rechnen nach Zeitaufwand ab.


Väterreport 2023

Bundesfamilienministerin Lisa Paus veröffentlichte Ende 2023  den neuen Väterreport. Dieser beschreibt auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen, Werte und Einstellungen von Vätern in Deutschland. Er nimmt erstmals auch verschiedene Vätertypen und ihre Wünsche, Aufgabenteilung und berufliche Situation in den Blick. Die Publikation ist auf der Website des BMFSFJ zu finden.



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