Nachscheidungsunterhalt

Unterhalt nach der Scheidung

Betreuungsunterhalt - ehebedingte Nachteile - Vertrauensschutz - Begrenzung - Befristung - Verwirkung

"Wie lange muss ich Unterhalt zahlen?" - "Bekomme ich den Unterhalt lebenslang?"

Das sind verständlicherweise die Fragestellungen, die meine Mandanten an mich haben. Und viele erliegen dem Irrtum, ich könne nun die "Düsseldorfer Tabelle" zur Hand nehmen und ihnen die Antwort errechnen. So einfach geht es nicht. Auch die Faustformel "1/3 der Ehezeit" gibt es nicht wirklich. Unterhalt ist keine Mathematik, sondern Billigkeitsabwägung. Deshalb ist die Frage der Begrenzung und Befristung von Unterhalt nach der Scheidung die, die im Vorfeld bei der Beratung am schwierigsten zu beantworten ist. Zudem spielt ja auch die Entwicklung während der Trennungszeit eine Rolle. Nicht nur, ob die besonders lang oder kurz ist, sondern auch, ob der/die Unterhaltsberechtigte die Zeit nutzen kann, um berufliche Nachteile aufzuholen. 

Die einzig zuverlässige Antwort auf Ihre Fragen lautet daher:

"Das kommt drauf an!"


"Wurde der Nachscheidungsunterhalt 2008 nicht so gut wie abgeschafft?"

Auch nach der Unterhaltsreform 2008 gibt es noch zahlreiche Fälle, in denen nach der Scheidung weiter Unterhalt gezahlt wird. Gegenüber dem Trennungsunterhalt ändert sich "nur" die Begründung und der Rechenweg - und es gibt die Möglichkeit der Begrenzung und Befristung.


In seinen Entscheidungen vom 25.9.2019 – XII ZB 25/19 - und 16.10.2019 – XII ZB 341/17 - fasst der BGH noch einmal seine Rechtsprechung zur Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts zusammen. Er betont, dass die Befristung regelmäßig ausscheidet, wenn der Unterhaltsberechtigte nach einer durch die Rollenverteilung in der Ehe verursachten Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit lediglich Einkünfte erzielt, die seinen eigenen angemessenen Bedarf nach § 1578 Abs. 1 BGB unterschreiten. Allerdings könnrn ehebedingten Nachteile  durch ehebedingte Vorteile kompensiert werden.


§ 1578 b BGB berücksichtigt aber nicht nur ehebedingte Nachteile, sondern auch die nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige – unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten – durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein.


Eine Erkrankung ist zwar regelmäßig als schicksalhaft anzusehen und begründet keine ehebedingten Nachteile - BGH vom 14.05.2014 - XII ZB 301/12 - und der infolge der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse eingeschränkte Erwerb von Rentenanwartschaften wird durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen - BGH vom 4.7.2018 – XII ZB 122/17. Erfüllt der erkrankte unterhaltsberechtigte Ehegatte aber aufgrund der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente, so reicht dies aus, um die Befristung zu hindern.


Wohlhabend?

Wenn Sie über 11.000 € mtl. netto Familieneinkommen haben (ersparte Miete im Eigenheim zählt auch dazu), dann gelten für Sie andere Regeln: bitte aufs Bild klicken. Für Unterhalt in wohlhabenden Familen gilt nämlich die Bedarfsmethode der relativen Sättigungsgrenze.

Alle anderen finden weiter unten in den FAQ ihre Antworten zum Nachscheidungsunterhalt.


OLG Köln 2021 zur Begrenzung und Befristung nach 23 Jahren Ehe

Der Fall:

Die Scheidung war kurz nach der Silberhochzeit, die die Eheleute aber schon nicht mehr feierten, weil sie da seit gut zwei Jahren getrennt waren. Von den drei Kindern war das Jüngste da 17.

Die geschiedene Ehefrau hatte Physiotherapeutin gelernt.  Während des Zusammenlebens war sie überwiegend Hausfrau und Mutter, nach der Trennung fand sie in ihrem erlernten Beruf eine Vollzeitstelle. Dabei verdient sie rd. 2.000 € netto. Der Mann hat als selbständiger Architekt rd. 9.000 € netto und einen Wohnvorteil von 1.350 €, aber auch rd. 3.500 € Abzugsposten. Rechnerisch ergeben sich so 1/2 ( (6/7 von 2.000) + (6/7 von 9.000-3.500) + 1.350 ) rd. 2.000 € Unterhalt für die Frau.


Das Amtsgericht befand 1/3 der Ehezeit als "Schonfrist" für Nachscheidungsunterhalt angemessen, eine Faustformel, von der man an Amtsgerichten oft hört.


Vor dem OLG wollte die Frau lebenslang Unterhalt mit der Begründung, die Rollenteilung während der Ehe habe einen Karriereknick verursacht, so dass sie dauerhafte ehebedingte Nachteile habe. Ohne Heirat, Erziehung und Betreuung der Kinder stünde sie aktuell als sehr gut verdienende Physiotherapeutin da. Hätte sie nicht geheiratet, hätte sie sich im Bereich Gesundheitswissenschaften fortgebildet und würde mittlerweise eine Führungsaufgabe in einem Krankenhaus, eine Reha-Klinik oder Pflegeeinrichtung ausüben. Alternativ hätte sie sich selbständig gemacht mit 60.000 € Gewinn.


Das OLG Köln führt die Üblichkeiten zu § 1578b BGB aus (Kompensation ehebedingter Nachteile, nacheheliche Solidarität und Billigkeitsabwägungen, Darlegungs- und Beweislast).


Diese Grundsätze zugrundegelegt fand das OLG, dass die Frau keine ehebedingten Nachteile ausreichend substantiiert dargelegt hatte. Allein aus der Tatsache, dass sie sich während der Ehe den Kindern und dem Haushalt gewidmet hatte, lasse sich nicht ohne weiteres ein ehebedinger Nachteil schließen.  Denn als Physiotherapeutin sei sie in einem Beruf / Fachgebiet tätig, in dem es keine klassischen Aufstiegschancen durch Fort- oder Weiterbildungen gebe, da es schon an einem hierarchischen Aufbau innerhalb einer Physiotherapiepraxis fehle.

Der allgemeine Hinweis auf hypothetische Chancen (Klinik, Selbständigkeit) war dem OLG nicht konkret genug, weil es dazu auch der Darlegung der entsprechenden Bereitschaft und Eignung bedurft hätte, die vom OLG auf Plausibilität hätte geprüft werden und der Widerlegung durch den Ehemann zugänglich gewesen wäre. Die Frau habe nicht vorgetragen, dass Physiotherapeuten regelmäßig notwendigerweise im Laufe ihres beruflichen Daseins diesen Weg gehen und aufgrund dessen finanziell besser dastehen.


Das OLG befasste sich dann mit der 1/3-Faustformel. Diese war dem OLG zu pauschal, es vermisste die konkrete Abwägung (Ehedauer, schützenswertes Vertrauen, wirtschaftliche Verflechtung, Belastung des Unterhaltspflichtigen, bereits gezahlter Trennungsunterhalt).


Das OLG sprach der Frau für 5 Jahre den vollen rechnerischen Unterhalt zu, dann schmolz der Unterhalt allmählich ab, bis 8 Jahre nach der Scheidung endgültig Schluss war.


Ein unbegrenzter und unbefristeter Unterhaltsanspruch kommt also auch bei einer Ehedauer von mehr als 23 Jahren - gerechnet bis zur Einreichung der Scheidung - und der Betreuung und Erziehung dreier gemeinsamer Kinder nicht automatisch in Betracht.


OLG Köln, Beschluss v. 16.3.2021 - 14 UF 196/19


Anmerkung: An die nirgends geschriebene 1/3-Faustformel klammert die Praxis sich, vor allem bei außergerichtlichen Verhandlungen. Denn es bleibt das Problem, dass auch das hier vom OLG Köln bezifferte Abwägungsergebnis rechnerisch nicht erklärlich ist und daher keine Handhabung für die Praxis in anderen Fällen bietet. Auf die Frage meiner Mandanten "Wie lange?" kann man also weiterhin keine seriös-verbindliche Antwort geben.



OLG Düsseldorf 2022 zur Befristung nach 25 Ehejahren

Heirat 1999, Trennung 2020, Unterhalt bis 2027

Zu den Kriterien bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578b BGB. Eine lange Ehedauer auch von über 25 Jahren ist allein kein ausreichender Umstand, um von einer Begrenzung bzw. Befristung nach § 1578b BGB abzusehen.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2022 – II-3 UF 53/22:

Der Anspruch ist gemäß § 1578b BGB bis zum 31.12.2027 zu befristen. Eine weitergehende Verpflichtung des Antragstellers zu nachehelichem Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen wäre unbillig.a) Bei der Billigkeitsabwägung im Rahmen des § 1578b BGB ist vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Ein solcher ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde.

Wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (BGH, Urt. v. 20.3.2013 – XII ZR 72/11, zit. nach juris, Rn 33 ff.).

Jedoch ist eine lange Ehedauer auch von über 25 Jahren allein kein ausreichend rechtfertigender Umstand, um von einer Begrenzung bzw. Befristung nach § 1578b BGB abzusehen (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.7.2021 – 9 UF 135/20, zit. nach juris, Rn 248). Ferner sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten von Bedeutung, so dass in die Abwägung einzubeziehen ist, wie dringend der Berechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maß der Unterhaltspflichtige durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird (BGH, Urt. v. 23.11.2011 – XII ZR 47/10, zit. nach juris, Rn 31 ff.).


b) Ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin, die eine längere Laufzeit des Unterhaltsanspruchs geböten, sind nicht festzustellen. Es nicht zu erkennen, dass die berufliche Entwicklung der der Antragsgegnerin aufgrund der Ehe und der Kindererziehung nachhaltig und nicht kompensierbar beeinträchtigt wäre. Den Ausschlag gibt, dass die Antragsgegnerin unverändert in ihrem erlernten Beruf bei demselben Arbeitgeber, der Stadt D.-Stadt, beschäftigt ist. Dass sie ohne Ehe und Kindererziehung weitergehende Erwerbsmöglichkeiten hätte, ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Konkrete höherqualifizierte Tätigkeiten, die sie ohne eheliche Einschränkungen hätte ausüben können, werden von der Antragsgegnerin nicht aufgezeigt und sind nicht ersichtlich. Daher kommt es auch nicht darauf an, inwieweit die Antragsgegnerin von Fortbildungsmaßnahmen abgesehen hat und dies auf der ehelichen Lebensplanung beruhte. Letztlich handelt es sich um bloße hypothetische Erwägungen, die in der realen Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin keine tragfähige Grundlage finden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin schon seit 2002 wieder – wenn auch nur halbschichtig – bei ihrem Arbeitgeber tätig ist. Da ihr Eintritt bei der Stadt D.-Stadt bereits auf den 1.9.1988 datiert, ergeben sich auch keine Vergütungsnachteile bezüglich einer ehebedingt verkürzten Anstellungsdauer. Dass die Antragsgegnerin ehebedingt nicht weitergehend als im Umfang einer Halbtagsstelle erwerbstätig sein kann, lässt sich schon mangels diesbezüglicher Bemühungen um eine solche Aufstockung nicht feststellen, wobei die Arbeitgeberauskunft vom 19.7.2022 nichts über eine Vollzeittätigkeit in einer anderen Abteilung besagt.


c) Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der nachehelichen Solidarität erscheint ein über die Zeit bis zum 31.12.2027 und damit über eine Dauer von mehr als fünf Jahren hinausgehender Unterhaltsanspruch unbillig. Angesichts der seit Langem vollzogenen Rückkehr der Antragsgegnerin in ihre angestammte Anstellung und ihre Verdienstmöglichkeiten aus einer ihr obliegenden Vollzeiterwerbstätigkeit sind die wechselseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen der Beteiligten nicht als so schwerwiegend einzuschätzen, dass eine weitergehende Teilhabe der Antragsgegnerin an dem höheren ehelichen Bedarf angemessen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Trennung im Januar 2020 mit 49 Jahren in einem Alter befand, in dem sie durchaus in der Lage war, wieder nachhaltig im Erwerbsleben Fuß zu fassen. Die Befristungsdauer von über fünf Jahren gibt der Antragsgegnerin hinreichend Gelegenheit, sich auf die Absenkung ihres Lebensstandards auf den angemessenen Bedarf, den sie mit ihren eigenen Einkünften decken kann, einzustellen.


Eine solche Verpflichtung des Antragstellers zum nachehelichen Unterhalt führt für diesen angesichts seiner durchaus nicht beengten Einkommensverhältnisse nicht zu einer unbilligen Belastung. Der Antragsteller ist aufgrund der Höhe seiner Einkünfte auch unter Berücksichtigung der nicht geringen Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin hinreichend in der Lage, seinen Lebensstandard angemessen zu wahren.



OLG Hamm 12.12.2023 lebenslanger Unterhalt für Rentner

Als die Eheleute 2007 heirateten, waren beide schon über 50 Jahre alt. Sie war Beamtin, er selbständig und ab 2013 insolvent, so dass sie 2023 bei der Scheidung durch den Versorgungsausgleich einen Teil ihrer Pension an den Mann verlor. Beide Eheleute waren da auch schon in Pension / Rente.

Der Mann begehrte zusätzlich lebenslangen Unterhalt, rd. 1.300 € mtl.

Das Familiengericht Olpe lehnte diesen Antrag ab: er habe bereits durch den Versorgungsausgleich alle ehebedingten Nachteile ersetzt bekommen.


Anders das OLG: es sprach dem Mann einen sog. Altersunterhalt nach § 1571 BGB in der beantragten Höhe zu. Mit Erreichen des Rentenalters müsse er nicht mehr arbeiten, auch wenn das bei Selbständigen oft üblich sei (BGH FamRZ 2011, 454 , 455 Rn. 18). Auf seine konkrete gesundheitliche Situation, die streitig war, kam es daher nicht an.

Auch auf die Frage, ob ehebedingte Nachteile entstanden seien, komme es nicht an. Der Altersunterhalt sei davon unabhängig. Dem Mann sei auch nicht vorwerfbar, dass er keine eigene Altersvorsorge betrieben habe. Dieses Verhalten habe der Mann bereits vor der Ehe an den Tag gelegt und dieser Umstand war der Frau nach Aktenlage auch bekannt. Jedenfalls wurde von ihr nicht vorgetragen, dass der Mann ihr vorgegaukelt habe, eine Altersversorgung zu besitzen.


Das OLG setzte sich mit der Frage auseinander, ob § 1571 BGB deshalb nicht anwendbar sei, weil der Mann nicht im Laufe der Ehe alt geworden war, sondern erst mit 50 geheiratet hatte. Nein – so das OLG – das ist unerheblich. Denn § 1571 BGB verlangt gerade keine ehebedingte Bedürfnislage, so dass allein das Vorliegen einer Altersehe bzw. das Fehlen einer ehebedingten Bedürfnislage keine Gründe zur Unterhaltsbegrenzung nach § 1579 Nr. 8 BGB darstellen.

Auch eine Befristung kam nicht infrage, denn die Befristung des Altersunterhalts ist auch ohne ehebedingte Nachteile nicht der gesetzliche Regelfall (BGH FamRZ 2010, 1633 Rn. 15 mwN).


Durch die Ehedauer von rd. 14 Jahren und die Insolvenz des Mannes sei eine wirtschaftliche Abhängigkeit von der Frau entstanden, die eine nacheheliche Solidarität erzeugt habe. In seinem nunmehrigen Alter sei ihm eine Absenkung des gewohnten gehobenen Lebensstandardes nicht zuzumuten, daher wurde der Anspruch auch nicht in der Höhe begrenzt.


Das OLG fasst zusammen: Im Ergebnis muss sich die Antragstellerin daran festhalten lassen, dass eine Folge der Eheschließung und des ehelichen Zusammenlebens die hierdurch begründete Mitverantwortung ist, die der leistungsfähige Ehepartner gegenüber dem Unterhaltsbedürftigen trägt. Dieser Mitverantwortung im Sinne der nachehelichen Solidarität kann sich die Antragstellerin nicht entziehen.


Allerdings wendete das OLG die Regel an, dass mit Erreichen des Rentenalters auch vorhandenes Kapital zu verzehren ist – das waren hier 65.000 € aus einem Hausverkauf. Unstreitig war das Haus nämlich als „Altersvorsorge“ gedacht gewesen. Nach der Sterbetafel war der Betrag durch 175 Monate zu teilen.

OLG Hamm - Beschluss vom 21.12.2023 (4 UF 36/23)

 


  • Was ist ein bereinigtes Einkommen?

    Relevant ist immer 1/12 des künftigen (prognostischen) Jahreseinkommens. 

    "Bereinigtes Einkommen" ist das Nettoeinkommen (aus Erwerbstätigkeit, aus Zinseinkünften, aus Mieteinnahmen aus Renten usw.) abzüglich der berufsbedingten Aufwendungen und eheprägenden Belastungen, die dem Unterhaltsberechtigten entgegengehalten werden dürfen. 

    Dazu könnten Fahrtkosten, Hauskredite, Verbraucherkredite, Altersvorsorge, Versicherungen u.v.m. gehören.


    Beim Nachscheidungsunterhalt kommt der Aspekt hinzu, dass die Einnahmen und Ausgaben im Grunde die eheliche Lebensgemeinschaft schon geprägt haben müssen - allerdings sind Lebensumstände "wandelbar".


    Bei den Verbindlichkeiten ist ebenfalls zu prüfen, ob diese eheprägend waren, vgl. OLG Brandenburg, 11.8.2020, 13 UF 192/19: keine Berücksichtigung einer nach Trennung ohne erkennbare Notwendigkeit erfolgten Umschuldung mit Erhöhung des Darlehensbetrages, nur die "alte" Rate wird abgezogen.


    Eine sinnvolle Vorbereitung für den Besuch beim Anwalt ist, alle Fixkosten eines Jahres zu notieren - damit dieser sortieren kann, welche unterhaltsrelevant sind. Indem dies vorweg abgezogen wird, beteiligt sich ein Unterhaltsberechtigter rechnerisch an den Kosten oder Krediten. Bei Ehegattenunterhalt wird dadurch eine zusätzlicher Gesamtschuldnerausgleich entbehrlich.


    Die Bereinigung des Einkommens ist die Säule der Unterhaltsberechnung mit erheblichen Auswirkungen auf das Ergebnis.


  • Gilt der Trennungsunterhalt automatisch weiter?

    Nein. Der Unterhalt während der Trennungszeit kann höher sein als der Nachscheidungsunterhalt, weil nach der Scheidung die Verantwortung füreinander sinkt. Rechtlich sind dies verschiedene Tatbestände, so dass eine Vereinbarung oder ein Urteil über Trennungsunterhalt mit Rechtskraft der Scheidung seine Wirkung verliert.

  • Was ist mit dem Wohnvorteil?

    Zur Unterhaltsberechnung gehört auch die Bewertung der Tatsache, dass ein Ehegatte nach ein Eigenheim bewohnt. Das gilt auch dann, wenn er den anderen bei Scheidung ausgezahlt hatte.


  • Auch nach Auszahlung aus dem Haus gibt es noch den Wohnvorteil - Böse Falle!

    Böse Falle:


    Die Ehefrau behält das Haus, zahlt den Ehemann aus. Nun haben doch beide dasselbe erhalten, so dass man den Wohnvorteil der Frau nicht mehr beim Unterhalt berücksichtigen muss. Richtig? So dachte das OLG Rostock. Falsch, sagt der BGH.


    Die Beteiligten streiten noch über nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Beide Ehegatten sind Vollzeit erwerbstätig. Der Ehemann hat 2.870 € netto, die Ehefrau 1.967 € netto. Ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen haben beide Ehegatten nicht erlitten. Das frühere gemeinsame Familienheim bewohnt die Ehefrau inzwischen allein. Sie hat den Ehemann mit 50.000 € ausgezahlt. Der Ehemann verwendete das Geld, um für sich und seine neue Partnerin ein Wohnhaus zu errichten. Beide Ehegatten haben zur teilweisen Finanzierung der Immobilien jeweils ein Darlehen aufgenommen.


    Das Oberlandesgericht Rostock hatte gemeint:


    Bei der Einkommensberechnung der Ehefrau sei ein Wohnvorteil durch ihr mietfreies Wohnen in der ehemaligen Ehewohnung nicht zu berücksichtigen. Denn um sich den Wohnvorteil zu erhalten, habe sie dem Ehemann bereits 50.000 € für seinen früheren Miteigentumsanteil gezahlt. Nachdem der Ehemann die Summe zum Erwerb eines neuen Wohnhauses eingesetzt habe, profitierten beide Ehegatten in gleichem Ausmaß von dem Wert des früheren gemeinsamen Familienheims, so dass sich weder der eine noch der andere Ehegatte einen Wohnvorteil anrechnen lassen müsse.


    Anders der BGH:


    Das Oberlandesgericht hat den Wohnvorteil zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.


    Beide haben einen Wohnvorteil. Soweit die Ehefrau die Auszahlung von 50.000 € bankfinanziert hat, kann sie jedenfalls die Zinsen absetzen. Die Tilgung kann sie insgesamt nur als Altersvorsorge absetzen (Kappung auf 4% des Bruttoerwerbseinkommens).


    Dasselbe beim Mann: Auch er hat einen Wohnvorteil und kann Zinsen und ggf. Tilgung (gekappt) abziehen.


    Hätte er kein Haus gebaut, sondern seine 50.000 € auf der Bank liegen und würde es schlecht verzinst bekommen, müsste er weniger Unterhalt an seine Ex-Frau zahlen.


    BGH-Urteil vom 9. April 2014 · Az. XII ZB 721/12


    Daraus ergibt sich:

    Im Zusammenhang mit Auszahlungen aus der Immobilie brauchen Sie guten anwaltlichen Rat.


    Es kann "nach hinten losgehen", wenn Sie zuerst die Immobilienfrage notarvertraglich lösen, ohne an die Auswirkungen auf den Unterhalt zu denken. Wenn Sie das tun, um "das Haus aus dem Streitwert zu nehmen", dann ist das ein Denkfehler, den Sie teuer bezahlen, denn ein Haus, das beiden je zu 1/2 gehört, erhöht ohnehin weder bei den Scheidungskosten noch beim Zugewinnausgleich den Streitwert.

  • BGH: Wohnvorteil auch, wenn es ein kostenfreies Wohnrecht gibt

    Eine Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung kann auch zugesprochen werden, wenn ein Ehegatte während des Getrenntlebens aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden Ehegatten gemeinsam ein unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt ist. Dies setzt nicht voraus, dass der Ehegatte, der in der Ehewohnung verbleibt, die Vorteile wirtschaftlich verwerten kann, die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsen. Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren.


    BGH XII ZB 268/13, Beschluss vom 18.12.2013

  • Nach der Scheidung gibt`s oft weniger

    Durch eine Gesetzesänderung zum 1.1.2008 ist das Unterhaltsrecht für die Zeit nach der Ehescheidung in seinen Grundzügen verändert worden. Die Höhe richtet sich nicht mehr wie früher nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern bekommt mehr den Charakter eines Schadenersatzes (Ausgleich von ehebedingten Nachteilen und Vertrauensschaden).


    Die 3/7-Methode versagt für den nachehelichen Unterhalt in vielen Fällen.


    Vom Unterhaltsberechtigten wird verlangt, einen fiktiven Lebenslauf zu entwerfen: wie hätte man sich beruflich entwickelt und was könnte man heute verdienen, wenn es die eheliche Rollenverteilung nicht gegeben hätte?

  • Wann gibt es weiter Unterhalt nach der Scheidung?

    Der nacheheliche Unterhalt steht auf drei Beinen:


    Der Betreuungsunterhalt steht Eltern zu, die ihre minderjährigen Kinder betreuen, der Kompensationsunterhalt gleicht die einem Ehegatten ehebedingten Erwerbsnachteile aus und der Übergangsunterhalt überbrückt für eine begrenzte Zeit die Differenz zwischen dem Niveau der ehelichen und den aus eigener Erwerbstätigkeit erzielbaren Lebensverhältnissen.


    Zwischen diesen simplen Grundsätzen und deren mathematischer Umsetzung steht dann vie Vielzahl typischer beiderseitiger Argumente, so dass bei der Findung des Ergebnisses jede Menge Angemessenheit, Billigkeit, Vertrauensschutz, Zumutbarkeit etc. mitspielt. Umso schwieriger ist eine seriöse Vorhersage in der außergerichtlichen Beratung.


    Wer behauptet, dazu gebe es Faustformeln, die sich schlicht nach der Anzahl der Ehejahre richten, der glaubt auch an Medizinerstatistiken.


  • Unterhalt nur noch bis zum dritten Lebensjahr eines Kindes?

    § 1570 BGB kennt für den Nachscheidungsunterhalt nur noch einen Basisunterhalt bis zum 3. Lebensjahr des jüngsten Kindes. Daraus folgt nicht, dass es danach keinen Unterhalt mehr gibt: Danach muss konkret zu kind- und elternbezogenen Gründen vorgetragen werden, warum neben der Kinderbetreuung keine vollschichtige Tätigkeit möglich ist bzw. aus welcher anderen Anspruchsgrundlage ein Unterhalt hergeleitet werden soll.


    Früher gab es dazu eine sogenannte 08/15-Tabelle: Beim 8. und 15. Lebensjahr der Kinder änderte sich die Erwerbsobliegenheit. Diese frühere Tabelle darf nicht mehr angewendet werden, sagt der BGH. Jeder Fall muss individuell geprüft werden:


        Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes, etwa bis zum achten und zum zwölften Lebensjahr, abstellt, wird den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.

        Das gilt auch, wenn solche Altersphasen nur als Regelfall behandelt werden, innerhalb dessen die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, die Begründung der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils aber nicht auf individuelle Einzelumstände gestützt ist. (LSe des BGH) – BGH XII ZR 94/09


  • Was heisst Erwerbsobliegenheit?

    Beide Ehegatten, der Verpflichtete und der Berechtigte, sind verpflichtet (= Obliegenheit), ihre Arbeitskraft voll für das gemeinsame Auskommen einzusetzen. Gegengründe sind die Schutzfrist des ersten Trennungsjahres, Kinderbetreuung, Krankheit oder der Arbeitsmarkt. Wer nicht voll arbeitet, hat die Darlegungs- und Beweislast, warum ihm dies nicht möglich ist. Beim Grund "Kinderbetreuung" muss detailliert zu fehlenden Fremdbetreuungsmöglichkeiten vorgetragen worden, nachdem das pauschale Altersphasenmodell abgeschafft ist. Bei "Krankheit" muss dargelegt werden, was für die Gesundung und Wiederherstellung der vollen Arbeitskraft getan wird. Beim Argument "Arbeitsmarkt" stellt das Familiengericht viel höhere Anforderungen an den Umfang der Bemühungen um neue Arbeit als die Arbeitsagentur.


    Ausführlich zu den erforderlichen Bemühungen um Aufstockung von Teilzeit- auf Vollzeittätigkeit:

    OLG Brandenburg, 11.8.2020, 13 UF 192/19.

  • Können wir den Unterhalt frei vereinbaren?

    Beim nachehelichen Unterhalt (nicht beim Trennungs- und Kindesunterhalt)  ist jede Art von Vereinbarung möglich, sogar ein Totalverzicht - aber, Achtung: nur notariell oder zu Gerichtsprotokoll wirksam!

  • Wie lange muss ich Unterhalt zahlen?

    Diese Frage ist allgemeingültig gar nicht zu beantworten. Alles andere wäre unseriös. Das Spektrum reicht von "schon nach dem Trennungsjahr nicht mehr" bis zu "lebenslänglich". Das hängt viel zu sehr vom Einzelfall ab: Der Ehedauer, der Zahl der Kinder, der wirtschaftlichen Verflechtung der Ehegatten, dem Alter im Zeitpunkt der Scheidung, der Rollenverteilung während der Ehe, der Aufholbarkeit von Karriereknicks, etwaiger Erkrankung u.v.m. Bedeutung hat ausserdem, ob es sich um Aufstockungsunterhalt, Betreuungsunterhalt, Ausbildungsunterhalt, Krankenunterhalt etc. handelt. Hier helfen allgemeine Auführungen auf einer Internetseite nicht weiter. Dazu muss ich Sie auf eine persönliche Beratung verweisen. Die typischerweise relevanten Argumente finden Sie weiter unten.

  • Welche Argumente zählen beim nachehelichen Unterhalt?

    Die Entscheidungen, gerichtlichen Vergleiche oder Vereinbarungen betreffend den nachehelichen Unterhalt sind deshalb so individuell, weil erst in zweiter Linie gerechnet wird, "Wie viel". Das "Ob überhaupt" und das "Wie lange" stehen beim nachehelichen Unterhalt im Vordergrund und sind das Ergebnis der Abwägung von Argumenten beider Ehegatte.


    In dem typischen Fall, in dem ER der Mehrverdiener ist und SIE im Wesentlichen für Haushalt und Kinder zuständig war (natürlich gilt dasselbe bei Rollentausch) , sehen die Argumente typischerweise wie folgt aus:


    Er sagt ...

    Du hast auf dem Standesamt "Karriere gemacht".  Mit der Scheidung verlierst Du dieses Recht.

    Aus eigener Kraft hättest Du Dir diesen Lebensstandard nicht erarbeiten können.

    Wenn Du Dich mehr bemühen würdest, könntest Du jetzt mehr Geld verdienen.

    Die Kinder brauchen keine Mutter mehr, die für sie zuhause sitzt. Sie sind groß genug.

    Du hast keinerlei wirtschaftlichen ehelichen Nachteile - eher Vorteile.

    Ich fühle mich nach der Scheidung nicht mehr für Dich verantwortlich.

    Deine Erkrankung hättest Du auch ohne Ehe gehabt.

    Dir steht maximal das zu, was Du aufgrund Deiner eigenen Qualifikation verdienen könntest, wenn wir nicht geheiratet hätten.

    Dein neuer Freund kann für Dich aufkommen. 


    Sie sagt ...

    Ich habe meine eigene berufliche Karriere der Deinigen geopfert.

    Deine Karriere konntest Du nur machen, weil ich Dir den Rücken freigehalten habe.

    Meine Erwerbsbiographie ist lückenhaft. Mir fehlen moderne Qualifikationen.

    Ich bin zu alt für den Arbeitsmarkt.

    Ich bin nach dem Familienstress nicht mehr voll belastbar.

    Wenn ich Vollzeit arbeiten würde und die Kinder gut versorgen wollte, hätte ich eine 60-Stunden-Woche.

    Nur ich trage durch das Scheitern der Ehe jede Menge berufliche und wirtschaftliche Nachteile davon.

    Du hast für mich lebenslang Verantwortung übernommen und ich habe mein ganzes Leben auf dieses Vertrauen aufgebaut.

    Aufgabe des Rechtsanwaltes ist es, für seinen jeweiligen Mandanten den Sachverhalt - sprich die Geschichte der Ehe - so aufzuarbeiten, dass damit die Argumente überzeugend mit Leben gefüllt werden.


    Die Argumente fließen in die gegenseitige Darlegungs- und Beweislast ein, hierzu ausführlich OLG Brandenburg 11.8.2020 - 13 UF 192/19.

  • Befristung

    Die Richter bemühen sich bei der Frage der Befristung des Nachscheidungsunterhaltes um sog. Einzelfallgerechtigkeit. Für die außergerichtliche Beratung und die Verhandlung um einen Scheidungsfolgenvertrag ist das mißlich - denn eine klare Antwort auf die berechtigte Frage beider Mandanten, wie lange denn nun noch Unterhalt geschuldet sei, können wir Anwälte nicht geben.


    Die folgende Faustformel wird oft zitiert, aber sie ist mit gehöriger Vorsicht anzuwenden - wegen der Einzelfallgerechtigkeit:


    a) im Prinzip so lange, bis ehebedingte Nachteile ausgeglichen sind


    b) ohne ehebedingte Nachteile, bei Ehedauer unter 10 Jahre: 1/4 der Ehezeit*


    c) ohne ehebedingte Nachteile, bei Ehedauer unter 20 Jahre: 1/3 der Ehezeit*


    d) bei Ehedauer 20-25 Jahre: Befristung möglicherweise nicht mehr machbar, abhängig von der Rentenferne der Eheleute


    e) bei Ehedauer 25-30 Jahre: Befristung nur in Einzelfällen


    f) bei Ehedauer über 30 Jahre: Befristung wohl nicht - nur ausnahmsweise denkbar.


    * Ehezeit ist die Zeit von Hochzeit bis Zustellung des Scheidungsantrages.


    Die Zahldauer wird gerechnet ab Rechtskraft der Ehescheidung.


    Trennungsunterhalt wird auf die Zahldauer allenfalls in den Ausnahmefällen angerechnet, in denen das Scheidungsverfahren länger als 2 Jahre gedauert hat.


    Die Trennungsunterhaltszeit vor Rechtshängigkeit der Scheidung wird nie angerechnet, weil es in der Macht des Unterhaltspflichtigen gelegen hätte, die Scheidung zügiger einzureichen.


  • § 1570 - keine Befristung möglich

    Beruht der Nachscheidungsunterhalt noch auf § 1570 BGB, muss eine Befristung nach § 1578b BGB dem Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben, das dann zu führen ist, wenn die Betreuung der Kinder keine vollschichtige Erwerbstätigkeit mehr hindert – so OLG Celle, Beschluss vom 13.05.2020 - 15 UF 154/19: 

    „Dies gilt selbst dann, wenn eine solche Befristung nicht jetzt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt (in der amtsgerichtlichen Entscheidung: Ende 2025) wirksam werden sollte. (…) Solange nämlich – wie hier derzeit noch der Fall – § 1570 BGB die maßgebliche Anspruchsgrundlage eines nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruchs darstellt, kann eine Befristung nämlich regelmäßig bereits wegen der dieser Anspruchsgrundlage ohnehin immanenten zeitlichen Begrenzung einerseits wie auch aufgrund der nicht hinreichend verlässlichen Prognose des künftigen Umfangs der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils noch nicht ausgesprochen werden (BGH FamRZ 2009, 770 [Rn. 43]; 2014, 823 [Rn. 13]; Wendl/Dose–Wönne, a.a.O., § 4 Rn. 1027). (…) Eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit auf eine Vollzeitstelle mit höherer Vergütung, gegebenenfalls in einer größeren räumlichen Entfernung vom Wohnort der Antragsgegnerin, erscheint dem Senat daher gegenwärtig nicht hinreichend sicher zu erlangen. Für eine Befristung des Unterhaltsanspruchs zum jetzigen Zeitpunkt dürfte daher die hinreichend verlässliche Prognosegrundlage noch fehlen. Stattdessen würde der Befristungseinwand § 1578 b Abs. 2 BGB zu einem späteren Zeitpunkt in einem Abänderungsverfahren vorgebracht werden können und wäre dann dort zu prüfen. Da eine Befristung aus den genannten Gründen derzeit noch nicht möglich ist, brauchte der Senat auch nicht bereits dem Grunde nach zu prüfen, ob ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin vorliegen. Auch dies bleibt einem etwaigen späteren Abänderungsverfahren vorbehalten.“

  • Lebenslangen Unterhalt: es gibt ihn doch noch!

    Der BGH-Entscheidung vom 20.3.2013 (XII ZR 72/11) lag ein Fall von 33 zusammen gelebten Ehejahren zugrunde, bei Scheidung waren es 36 Jahre. Hier sprechen die Gerichte von einer "in der Tat sehr langen Dauer". Der BGH hatte an das OLG Zweibrücken zurück verwiesen, das am 15.10.2013 (5 UF 117/08) entschied. Die Ehe war dann bereits seit 12 ½  Jahren geschieden. Alle Beteiligten waren bereits im Rentenalter und der Versorgungsausgleich war durchgeführt worden. Der Ehemann wohnte mietfrei und hatte auch  wegen dieses Wohnvorteiles insgesamt höhere Einkünfte.


    Alle Instanzen stellten fest, dass diese Ehefrau zwar keine fortwirkenden ehebedingten Nachteile hatte, die einer Befristung nach § 1578b BGB entgegen gestanden hätten, dass aber von einer Befristung dennoch abzusehen sei. Die Begrifflichkeit lautet dann „fortwirkende nacheheliche Solidarität“ und „Ehedauer gewinnt durch die wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht“.


    Das OLG Zweibrücken stellte auch klar, dass die Ehefrau nicht ihr Vermögen verzehren muss, das sie über den Zugewinnausgleich erhalten hatte: "Ansonsten würde sie mit ihrem Anspruch auf Zugewinnausgleich die Unterhaltsverpflichtung des Klägers finanzieren."


    Allerdings machte das OLG Zweibrücken von der Billigkeitsvorschrift der Begrenzung Gebrauch und reduzierte den Unterhaltsbetrag. Dies hinzunehmen sei der Klägerin nach Abwägung aller Interessen ebenso zuzumuten wie dem Ehemann die unbefristete Verpflichtung.


  • Vertrauensschutz für Altehen

    § 1578b Abs. 1 BGB regelt die Befristung des Ehegattenunterhalts.


    Mit Wirkung zum 1.3.2013 wurde er neu gefasst:


    Ҥ 1578b Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit

    (1) Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen[,] oder eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile im Sinne des Satzes 2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben.”


    Zur Änderung des materiellen Unterhaltsrechts, das am 1.2.2013 den Bundesrat passiert hatte, erklärt Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger:


    Bedürftige Ehegatten werden nach der Scheidung einer so genannten Altehe in Zukunft besser geschützt. Es ist gesellschaftliche Realität, dass die Scheidungsraten jedes Jahr steigen. Das betrifft auch langjährige Ehen. Ehepartner, die ihre Lebensplanung auf die Ehe ausgerichtet und auf ihren Beruf verzichtet haben, stehen bei einer Scheidung oftmals finanziell vor dem Nichts. Eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch stellt klar, dass nach einer Scheidung die Dauer der Ehe maßgeblich mitberücksichtigt werden muss, wenn Gerichte über den Unterhalt entscheiden. Das ist eine notwendige Nachbesserung des Unterhaltsrechts, ohne die Reform grundsätzlich in Frage zu stellen.



    Zum Hintergrund


    Mit dem am 1.2.2013 beschlossenen Gesetz wird den Härten, die es nach langer Ehedauer seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 gegeben hat, ein Ende bereitet. Die Neuregelung sorgt dafür, dass bedürftige Ehegatten nach Scheidung einer langjährigen Ehe durch die Beschränkung des nachehelichen Unterhalts nicht unverhältnismäßig stark getroffen werden. Denn solche sogenannten Altehen waren oft vom klassischen Rollenbild einer Hausfrauen-Ehe geprägt. Nach Inkrafttreten der Reform haben einige Gerichte die Unterhaltsansprüche oft rigide beschränkt, ohne die lange Ehedauer zu berücksichtigen. Insbesondere Frauen, die etwa vor vielen Jahren geheiratet haben und dem verbreiteten Gesellschaftsmodell entsprechend nach der Hochzeit ihre Berufstätigkeit aufgaben, standen nach der Scheidung schnell vor dem finanziellen Aus.


    Eine solche "automatische" Beschränkung der Unterhaltsansprüche ohne Rücksicht auf die Dauer der Ehe entsprach nicht dem Zweck der Reform von 2008. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof verdeutlicht, dass eine Befristung oder Begrenzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs bei Ehen von langer Dauer unzulässig sein kann. (Entscheidung XII ZR 202/08 vom 06.10.2010, FamRZ 2010, 1971). Mit der jetzt beschlossenen Aufnahme der Ehedauer als einem weiteren Kriterium bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen in § 1578b Absatz 1 Satz 2 BGB wird diese neue, sich gerade erst festigende Rechtsprechung abgebildet. Die Intention des Gesetzgebers wird so noch einmal ausdrücklich festgelegt. Im Übrigen bleibt es aber beim Grundsatz, dass beide Eheleute nach Scheidung eigenverantwortlich für ihren Unterhalt verantwortlich sind.


    Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 01.02.2013

  • Erwerbschancen und Bewerbungsbemühungen einer 53jährigen Hausfrau

    Der BGH hatte sich schon 2011 mit einer typischen Ehekonstellation zu befassen: Bei Scheidung war die Frau 53 Jahre alt und war in der Ehe über 25 Jahre lang nicht erwerbstätig gewesen. Das OLG Koblenz hatte einen nachehelichen Unterhaltsanspruch verneint, weil sie keine ausreichende Anzahl Bewerbungen vorgelegt hatte. Es hatte die Bemühungen um eine Arbeitsstelle als nicht ausreichend betrachtet. Der BGH hob die Entscheidung auf.


    Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB, dass sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben muss, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen hat. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute.


    Aber: Die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es vielmehr wie für das Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (Fortführung der Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 und vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789).


    Außerdem führt die unzureichende Arbeitssuche noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche muss vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine reale Beschäftigungschance bestanden hat


    Aufgrund des Vortrags der Klägerin scheint es aber zumindest naheliegend, dass die im Jahr 2007 53jährige Klägerin nach einer Erwerbsabstinenz von über 25 Jahren und bei - unstreitigen - gesundheitlichen Einschränkungen jedenfalls nicht sogleich eine Vollzeitstelle finden kann. Anders als in jenem Fall, der dem Senatsurteil vom 30. Juli 2008 ( XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 Rn. 23) zugrunde lag, traf die Klägerin auch nicht schon seit längerer Zeit eine Erwerbsobliegenheit, sondern waren die Parteien in dem abzuändernden Vergleich aus dem Jahr 2004 offenbar noch davon ausgegangen, dass der Klägerin - drei Jahre nach der Scheidung - kein eigenes Erwerbseinkommen anzurechnen ist.


    Demnach hätte sich das Berufungsgericht zumindest mit dem Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, dass ihr aufgrund ihres Alters, ihrer langen Berufsabstinenz und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen aktuell jedenfalls eine Vollzeitstelle als Bürokauffrau oder Textilverkäuferin nicht offenstehe. Aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen lässt sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB demnach nicht verneinen.


    Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich überdies nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die - wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571 , 1572 BGB - bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität finden, sondern auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 34).


    In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht lediglich die Dauer der Ehe, die Kindererziehung (und Haushaltsführung) sowie die Dauer der Unterhaltszahlungen einbezogen. Das erscheint nicht ausreichend. Eine umfassende Würdigung hat vielmehr auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - seine während der Ehe durchgeführte berufliche Fortbildung und sein heute erzieltes Einkommen jedenfalls auch der Unterstützung durch die Klägerin zu verdanken hat. Nicht berücksichtigt ist auch, dass die Klägerin während der Arbeitslosigkeit des Beklagten nur einen reduzierten Unterhalt bezogen hat. Dieser Umstand rechtfertigt es, dass sie auch an einem später verbesserten Einkommen länger teilhaben kann. Zudem offenbarte der Beklagte seine wiederum erlangte Tätigkeit als IT-Berater erst mit erheblicher Verzögerung, was seine Unterhaltsbelastung vermindert hat. Es erscheint demnach naheliegend, dass das Berufungsgericht bei einer vollständigen Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte selbst bei - unterstellt - fehlenden ehebedingten Nachteilen zu einer längeren als der von ihm angenommenen Unterhaltsdauer gelangt wäre.


    Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen an das OLG Koblenz.


    BGH, Urteil vom 21.09.2011 - Aktenzeichen XII ZR 121/09


  • Trotz Schwerbehinderung Vollzeit arbeiten?

    Den Senat überzeugt die auch in der Beschwerdeinstanz wiederholte Auffassung der Antragstellerin, lediglich der hälftige Betrag dieser tatsächlichen Einkünfte sei unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, weil sie mit einem Grad von 60 mit dem Merkzeichen „G“ als schwerbehindert anerkannt und deshalb überobligatorisch erwerbstätig sei, nicht. Eine vom zuständigen Versorgungsamt erteilte Bescheinigung über die Schwerbehinderung einer Person ist nicht aussagekräftig hinsichtlich der Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob diese infolge physischer und/oder psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, einer Vollerwerbstätigkeit nachzugehen. An diesbezüglichen verifizierbaren Angaben der Antragstellerin, die konkrete Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit vollschichtiger Erwerbstätigkeit nahelegen könnten, fehlt es. Zu berücksichtigen ist auch die Förderung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte und die gesetzlich vorgegebene Rücksichtnahme auf die Arbeitsbedingungen entsprechender Personen.


    OLG Köln, Beschluss vom 10.01.2013 - Aktenzeichen 4 UF 164/12


     

  • Verwirkung von Ehegattenunterhalt

    Das Schuldprinzip bei Ehescheidungen ist abgeschafft. Dennoch sollte kein Ehegatte sich schwere Verfehlungen leisten - wenn er nach der Trennung vom Anderen Unterhalt haben möchte. Rechtlich geht es hierbei um "Verwirkung".


    Wer dem Ehegatten, von dem er Unterhalt begehrt, Vorwürfe macht, die er nicht beweisen kann, riskiert seinen Unterhaltsanspruch.



    Dem OLG Hamm lag folgender Fall vor:


    Nachdem sich die Eheleute 1999 getrennt hatten, behauptete die Ehefrau im Rahmen der familiengerichtlichen Auseinandersetzung, der Ehemann habe die 1993 geborene gemeinsame Tochter sexuell missbraucht. Es wurde ein Gutachten eingeholt, das keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Kindes durch den Vater fand. In Kenntnis dieses Ergebnisses erklärte die Ehefrau noch im Jahre 2001 gegenüber der Vermieterin des Ehemanns, der Ehemann sei ein "Kinderschänder" und äußerte 2002 gegenüber seiner Lebensgefährtin, er habe pädophile Neigungen. Ihren Verdacht, der Ehemann habe die gemeinsame Tochter missbraucht, teilte sie 2002 zudem dem Jugendamt mit. Den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs wiederholte die Ehefrau 2002 zudem gegenüber zwei ihrer gemeinsamen Kinder. Wegen dieser Äußerungen verurteilte das Landgericht Duisburg die Ehefrau im Jahre 2003 dazu, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, der Ehemann sei ein Kinderschänder. Dennoch wiederholte sie dies 2005 im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Ehemann und deutete den Vorwurf 2006 in einem an den Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns gerichteten Schreiben erneut an.


    Die Eheleute sind seit dem Jahre 2002 rechtskräftig geschieden.


    Die Ehefrau begehrt nachehelichen Unterhalt.



    Die Entscheidung:


    Das Unterhaltsverlangen der Ehefrau ist erfolglos geblieben. Der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat ihren Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt als verwirkt angesehen. Die Ehefrau habe dem Ehemann über Jahre wiederholt zu Unrecht den sexuellen Missbrauch der Tochter vorgeworfen. Nach der Vorlage der Sachverständigengutachten stellten ihre Äußerungen gegenüber unbeteiligten Dritten wie der Vermieterin, der Lebensgefährtin, den Kindern und einer Zivilrichterin ein schwerwiegendes, eindeutig bei der Ehefrau liegendes Fehlverhalten dar.


    Die wiederholt und über mehrere Jahre ohne tatsächliche Anhaltspunkte auch Dritten gegenüber geäußerten Missbrauchsvorwürfe seien objektiv geeignet gewesen, den Ehemann in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und hätten so seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Existenz zerstören können. Bei den schon objektiv sehr schwerwiegenden Vorwürfen komme es nicht darauf an, ob sie von der Ehefrau im Zustand einer Schuldunfähigkeit (angeblich: Depressionen) erhoben worden seien. Bei derart schweren und nachhaltigen Beeinträchtigungen gebiete es die nacheheliche Solidarität auch nicht mehr, einem ggfls. schuldlos handelnden Ehegatten Unterhalt zu gewähren.


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.12.2013 - 2 UF 105/13


     


    Das OLG Oldenburg hatte über einen sehr modernen Fall zu entscheiden, es ging nämlich um Cybersex auf poppen.de.


    Aus den Gründen:


    "Ein etwaiger Anspruch der Antragstellerin auf Trennungsunterhalt gemäß § 1361 Abs. 1 BGB ist wegen eines schwerwiegenden, ausschließlich bei ihr liegenden Fehlverhaltens dadurch ausgeschlossen, dass sie ihr Profil noch während ihres Zusammenlebens mit dem Antragsgegner auf der Internetseite www.p...n.de eingestellt hat. Hierin ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten zulasten des Antragsgegners zu sehen (§ 1579 Nr. 7 BGB). Der Einwand der Antragstellerin, es handele sich bei der betreffenden Internetseite um einen „völlig normalen Chatroom, den viele Erwachsene auch dazu nutzen, beispielsweise über Autos oder über andere Dinge zu kommunizieren", überzeugt nicht. Der Domain-Name sowie der Einführungstext auf der Startseite (P...n.de - 100% kostenlose Sexkontakte. Interessiert Ihr Euch für Swingerclubs, gemeinsame Saunabesuche oder wollt einfach Euren sexuellen Horizont erweitern? Ihr mögt Rollenspiele, vielleicht sogar bizarre Spielarten, seid Swinger, sucht nach Sexkontakten oder einem Seitensprung? Herzlich willkommen bei der Community für mehr, als das konventionelle Miteinander!) sprechen für sich. Damit sind die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB, jedenfalls aber die der Auffangvorschrift des § 1579 Nr. 8 BGB erfüllt, vergleichbar etwa einem Betreiben von Telefonsex ohne Wissen und Wollen des Ehemannes (OLG Karlsruhe NJW 1995, 2796)."


    OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.11.2009 - 3 WF 209/09

    Die neue Liebe als Verwirkungsgrund

    Buchtipp: Verbraucherzentrale


    Der größte Feind des nachehelichen Unterhalts ist die neue Liebe. Seit 2008 steht eine „neue verfestigte Lebensgemeinschaft“ ausdrücklich als Verwirkungsgrund im Gesetz. In der gerichtlichen Auseinandersetzung geht es immer um die Fragen:


        wie lange muss die neue Beziehung dauern, bis sie „verfestigt“ ist?

        gibt es auch verfestigte Beziehungen ohne gemeinsamen Haushalt?

        wer muss was beweisen?


     


    Die Antwort der Rechtsprechung auf diese Fragen:


        eine kürzere Beziehung als zwei Jahre dürfte selten als verfestigt anzusehen sein

        nur ganz ausnahmsweise ist eine Verfestigung vor Ablauf des Trennungsjahres möglich (OLG Oldenburg 19.1.2012 - 13 UF 155/11)

        je fester die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, desto kürzer ist die erforderliche Zeit (gemeinsames Kind, Hauskauf)

        bei einer Beziehung, die nicht durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung etwa dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen

        0b die Aufnahme eines Verhältnisses zu einem anderen Partner die Unterhaltspflicht unzumutbar macht, hängt nicht davon ab, ob es zwischen den Partnern zu Intimitäten kommt oder nicht.

        an eine gleichgeschlechtliche Beziehung werden dieselben Maßstäbe angelegt

        die Darlegungs- und Beweislast für die Verfestigung liegt beim Unterhaltspflichtigen


    Neue Liebe tot - alter Unterhalt lebt auf


    Zweck der gesetzlichen Neuregelung in § 1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.

    Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unter-haltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.

    BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 84/09 


  • Unterhaltsverwirkung durch neue Partnerschaft

    OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.6.2020 – 9 UF 254/19:

    1. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. 

    2. Für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kommt es darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten. 

    3. Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur „probeweise“ zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein. 

    4. Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nummer 2 BGB können erst nach einer Dauer der Beziehung von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, z. B. in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen. 

    5. Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen (ebenso OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 34914). 


  • Neue Partnerschaft missgönnen - länger Unterhalt zahlen

    Einer meiner Mandanten ließ sich nicht davon abhalten, die Unterhaltsüberweisungen an seine getrenntlebende Ehefrau mit Beleidigungen zu spicken, vor allem in Richtung Ihres neuen Freundes. "Ihr zwei sollt dran ersticken" oder "Er wird es irgendwann bereuen" lauteten die Verwendungszwecke. Außerdem lauerte er dem neuen Freund am Haus der Frau auf und beschimpfte und bedrohte ihn. Später ließ er das Paar von einem Detektiv überwachen.


    Weil die Frau das OLG Düsseldorf davon überzeugen konnte, dass sie zwar schon seit drei Jahren mit dem Mann liiert war, sich aber beide wegen der Anfeindungen des Ehemannes nicht auf die Beziehung einlassen konnten und der Mann deshalb auch noch sein "Kinderzimmer" im Elternhaus bewohnte, wertete das OLG diese Beziehung auch im dritten Jahr als nicht ausreichend verfestigt i.S.d. §1579 Nr. 2 BGB.

    Ohne das Verhalten des Ehemannes hätten Zeitablauf, regelmäßiges Übernachten bei der Frau, eigener Schlüssel zu deren Haus und gemeinsame Urlaube auch mit den Kindern genügt.


    Hinweis: Es hätte dem Mandanten genutzt, meinem eindringlichen Abraten von diesem Verhalten Glauben zu schenken.


    OLG Düsseldorf, 17.12.2021 -  3 UF /36/21 - veröffentlicht in FF 12/2022

  • Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch Verschweigen von Einkünften

    Verschweigt der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigene Einkünfte, obwohl der Unterhaltsverpflichtete gezielt nach solchen Einkünften gefragt hat, und verhandelt er so zur Sache, so liegt ein Verwirkungstatbestand vor, auch wenn die verschwiegenen Einkünfte verhältnismäßig gering waren und nur über einen begrenzten Zeitraum erzielt wurden. Az II-8 UF 14/10, Urteil vom 7.7.2010

  • BGH: Detektivkosten im Unterhaltsstreit

    Zur Beschaffung von Beweismitteln  können einer Partei im Unterhaltsstreit Detektivkosten entstehen, zum Beispiel, um festzustellen, ob der Unterhaltsberechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Die Detektivkosten können zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz1 ZPO gehören. Das ist allerdings nur der Fall, wenn das Beweismittel im Rechtsstreit verwertet werden darf. Das war hier nicht der Fall: Erstellung eines umfassenden personenbezogenen Bewegungsprofils mittels eines GPS-Geräts. Der BGH meint, eine punktuelle persönliche Beobachtung hätte ausgereicht .

    XII ZB 107/08, Beschluss vom 15.5.2013

  • OLG Hamm: Unterhalt verwirkt durch Missbrauchs-Vorwürfe

    Wer dem Ehegatten, von dem er Unterhalt begehrt, Vorwürfe macht, die er nicht beweisen kann, riskiert seinen Unterhaltsanspruch.


    Dem OLG Hamm lag folgender Fall vor:


    Obwohl der Vorwurf des sexuellen Missbrauches gegen den Ehemann sich durch ein Gutachten nicht begelen ließ, wiederholte die Ehefrau ihren verdacht auch noch Jahre später, gegenüber dem jugendamt, den Kindern, der vermieterin, vor Gericht...


    Die Ehefrau begehrt nachehelichen Unterhalt.


    Die Entscheidung:


    Das Unterhaltsverlangen der Ehefrau ist erfolglos geblieben. Der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat ihren Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt als verwirkt angesehen.


    Die wiederholt und über mehrere Jahre ohne tatsächliche Anhaltspunkte auch Dritten gegenüber geäußerten Missbrauchsvorwürfe seien objektiv geeignet gewesen, den Ehemann in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und hätten so seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Existenz zerstören können.


    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.12.2013 - 2 UF 105/13



    vgl. auch OLG Düsseldorf vom 11.7.2013 - 9 UF 57/13, Verwirkung des Trennungsunterhaltes durch den Ehemann beleidigende und ehrverletztende emails an Dritte, nicht veröffentlicht

  • Kein Unterhalt unter 50 Euro

    Zweck eines Anspruches auf Aufstockungsunterhalt i.S.d. § 1573 Abs. 2 BGB ist nicht der mathematisch exakte Ausgleich von Einkommensdifferenzen, sondern in der Erhaltung des ehelichen Lebensstandards unter Vermeidung eines unangemessenen sozialen Abstiegs eines der Eheleute. Deshalb bedürfen lediglich geringe Einkommensdifferenzen nach allgemeiner Meinung keiner Aufstockung.


    In der Rechtsprechung werden unterschiedliche Ansätze vertreten, bis zu welcher Grenze die Zahlung eines geringfügigen Unterhaltsbetrages nicht in Betracht kommt. 


    Die von der Antragstellerin errechnete Unterhaltshöhe (41,21 Euro) liegt unterhalb der oftmals diskutierten Bagatellgrenze von 50,00 EUR (OLG Brandenburg FamRZ 2006, 341; OLG München FamRZ 1997, 425; Düsseldorf FamRZ 1996, 947; Hollinger, in: jurisPK BGB, 8. Aufl. 2017, Rnr. 86).


    Sie unterschreitet auch die in der Rechtsprechung diskutierten prozentualen Grenzwerte für die Geringfügigkeit, nämlich


    ● 10% des nach Abzug des Anreizsiebtels verbleibenden Gesamteinkommens  beider Eheleute (OLG Koblenz FamRZ 2006, 704) 

    ● 10% des bereinigten Einkommens des Bedürftigen ohne Abzug des Anreizsiebtels  (OLG München FamRZ 2004, 1208) 

    ●  4% des bereinigten Einkommens des Bedürftigen ohne Abzug des Anreizsiebtels (OLG Oldenburg NJW-RR 1995, 453)


    Nach anderer Auffassung soll zur Beurteilung der Geringfügigkeit (zusätzlich) auf eine Gesamtschau der konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse der unterhalts-bedürftigen Partei abgestellt werden und eine Ausgleichsbedürftigkeit selbst geringer Einkommensdifferenzen zu bejahen sein, wenn diese in sehr engen finanziellen Verhältnissen lebt. Solche „beengten Verhältnisse“ wurden bei einem - teilweise fiktiven - Einkommen der Bedürftigen von 995,00 EUR bejaht (OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1068), bei einem verbleibenden bereinigten Einkommen von 1.150,00 EUR hingegen verneint (OLG Hamm NJW 2011, 3310).

  • Sättigungsgrenze beim Ehegattenunterhalt

    Wie der Begriff Sättigungsgrenze schon sagt: Wenn man satt ist, ist man satt - mehr geht nicht. Unterhalt ist zum "Verzehr" im weitesten Sinn gedacht, nicht zum Sparen.


    Wenn die Einkommensverhältnisse in der Ehe also so sind, dass man nicht von der Hand in den Mund gelebt hat, sondern jeden Monat neu Vermögen bilden konnte und wenn auch durch trennungsbedingten Mehraufwand dies nicht verbraucht werden kann, dann greift die sogenannte Sättigungsgrenze.


    Ausgangspunkt der Überlegung des BGH ist:


    Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.


    vgl. Beschluss vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16


    Grundsatzurteil:


    BGH-Urteil vom 11.8.2010 - XII ZR 102/09

    BGH 15.11.2017: erst ab 11.000 € netto


    Die OLG-Rechtsprechung, ab welchem Einkommen diese Sättigungsgrenze anzuwenden sei, war sehr uneinheitlich, ebenso die Leitlinien.


    Der BGH hat am 15.11.2017 eine Messlatte gelegt, nämlich ein "Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommens".


    Das sind - Stand DT 2018 - 11.000 € netto, wobei auch ein Wohnvorteil zum Einkommen gehört.


    Sehr viele Fälle, die bisher nach der konkreten Bedarfsmethode hätten gerechnet werden müssen, sind jetzt wieder nach Quote (3/7 oder 45%) zu ermitteln.


    Der BGH hat die Grenze höher gelegt "zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalts". Die Fälle, in denen der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf konkret darlegen muss, sollen also die absolute Ausnahme sein, wenn er mit 3/7 bzw. 45% bzw. 50% von 11.000 € (das sind je nach Fall und Region zwischen 4.700 € und 5.500 €) nicht auskommen kann.


    BGH- Beschluss vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16




    Auskunftspflicht und Darlegungslast


    Der BGH-Beschluss vom 15. November 2017 änderte nicht nur die Einkommensgrenze, sondern auch die Auskunftspflicht und Darlegungslast.

    Bisher genügte es, wenn ein gut verdienender Unterhaltspflichtiger sich für unbegrenzt leistungsfähig erklärt - der Unterhaltsberechtigte bezifferte dann seinen Bedarf, ohne je zu erfahren, wie viel genau der andere verdient.


    Neu ist:


    Durch die Erklärung, man sei "unbegrenzt leistungsfähig", entfällt der Auskunftsanspruch nicht.


    Aus den Gründen:


    Eine Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann. (...) Die Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten bezieht sich auf die Umstände, die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs von Bedeutung sind. (...) Steht etwa ein konkreter Bedarf des Unterhaltsberechtigten unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen fest, so entfällt dadurch die Auskunftspflicht noch nicht. Denn der Auskunftsanspruch dient auch dazu, den Unterhaltsberechtigten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu machen und das Prozess- bzw. Verfahrensrisiko verlässlich einschätzen zu können.(...)Für den Auskunftsanspruch genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt hat. Solange es mithin ohne Kenntnis von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auskunftspflichtigen nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Auskunft nach den ausgeführten Maßstäben für die Bemessung des Unterhalts benötigt wird, bleibt es bei der vollumfänglichen Auskunftspflicht. Diese entfällt erst, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben kann und daher offensichtlich nicht mehr unterhaltsrelevant ist.(...) Erklärt sich der auf Auskunftserteilung in Anspruch genommene Unterhaltspflichtige für "unbegrenzt leistungsfähig", so ist einer solchen Erklärung regelmäßig zu entnehmen, dass er darauf verzichtet, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben (Senatsurteil vom 22. Juni 1994 - XII ZR 100/93 - FamRZ 1994, 1169, 1171). Damit ist er im Rahmen der (aktuellen) Unterhaltsfestsetzung an der Erhebung dieses Einwands gehindert, so dass das Gericht den Unterhalt grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen festzusetzen hat. Dieser Aspekt bezieht sich indessen nur auf die Leistungsfähigkeit. Damit steht noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann.


    (...)Der Bedarf bemisst sich beim nachehelichen Unterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Die ehelichen Lebensverhältnisse richten sich wiederum vorwiegend nach dem vorhandenen Familieneinkommen. Der Unterhalt wird dementsprechend in der Praxis bei durchschnittlichen Einkommensverhältnissen in den weitaus meisten Fällen nach einer Quote des Gesamteinkommens der Ehegatten bemessen. Bei dieser Methode wird im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen, dass im Wesentlichen das gesamte Einkommen zu Konsumzwecken verbraucht wird. Dieses wird daher auch bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach dem Halbteilungsgrundsatz (für Einkommen aus Erwerbstätigkeit modifiziert um einen Erwerbsanreiz) im Ergebnis hälftig auf beide Ehegatten verteilt.


     


    Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist. Dieser Darlegungslast für seinen Unterhaltsbedarf kann der Unterhaltsberechtigte auf die Weise genügen, dass er den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) konkret vorträgt.


    Gleichwohl bleibt das Einkommen auch dann ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Darlegung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Denn auch in diesen Fällen kann der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf im Wege der Quotenmethode ermitteln. Allerdings muss er dann mangels tatsächlicher Vermutung für den vollständigen Verbrauch der Einkünfte zu Konsumzwecken zusätzlich vortragen, dass und in welchem Umfang die hohen Einkünfte zur Deckung der ehelichen Lebensverhältnisse verwendet worden sind. Wenn der Unterhaltsschuldner dem substantiiert widerspricht, bleibt es bei der Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten auch für den vollständigen Verbrauch dieser Einkünfte zu Konsumzwecken.


    Soweit der Senat in diesen Fällen stets eine konkrete Darlegung des Unterhaltsbedarfs für notwendig erachtet hat, hält er daran nicht fest.


    BGH-Beschluss 15.11.2017 - XII ZB 503/16



  • Mehrbedarf für ein Pferd, das es im Augenblick gar nicht gibt

    Die Eheleute sind „Privatiers", sie leben von den Vermögenseinkünften des Mannes, weit über 5.100 € mtl.

    Das OLG Köln hat den konkreten Bedarf dieser Frau mit monatlich 3.195 € zuzüglich 557 € Altersvorsorgeunterhalt bemessen.

    Darin sei auch der Bedarf für den Unterhalt eines Reitpferdes incl. Hufschmied- und Tierarztkosten in Höhe von monatlich 345 € enthalten, auch wenn die Ehefrau derzeit kein Pferd habe. Der Ehefrau habe während des ehelichen Zusammenlebens ein Reitpferd zur Verfügung gestanden, das sie selbst geritten habe. Dass sie nach der Einschläferung ihres Pferdes nicht sofort ein neues Reitpferd angeschafft habe, sei auf der Grundlage der bislang ungeklärten finanziellen Situation nachvollziehbar und stehe diesem Unterhaltsbedarf nicht entgegen. Insbesondere könne daraus nicht darauf geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin diesem Hobby künftig nicht mehr nachgehen werde. Bei ihrer Anhörung habe sie ein fortbestehendes Interesse an diesem Hobby glaubhaft bestätigt.

    Der BGH hat dies ausdrücklich gebilligt. (Urteil v. 11.08.2010 - XII ZR 102/09)


     


  • Private KV als ehebedingter Nachteil

    Eine Ehefrau war über Ihren verbeamteten Mann beihilfeberechtigt und privat versichert. Sie war selbst nicht versicherungspflichtig erwerbstätig und konnte nach der Scheidung nicht mehr freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung zurück (§§ 6 Abs.3 a, 9 Abs.1 Nr.1, 186 SGB V SGB V, weil sie älter als 55 Jahre alt ist und in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert war). Dieser Nachteil ist auf die Ehe mit dem Antragsteller zurück zu führen auch wenn der Umstand, dass die Antragsgegnerin nicht mehr in den gesetzlichen Krankenversicherungen Schutz erlangen kann, unmittelbar auf den gesetzlichen Regelungen beruht, die diesen Schutz für die Antragsgegnerin ausschließen. Daher gehörte zu ihrem nachehelichen Unterhaltsbedarf der Beitrag für die günstigste private Krankenversicherung incl. Selbstbehalt – und zwar unbefristet.


    Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 02.10.2012 (Az.: 13 UF 174/11)


     

  • Abänderung von Alttiteln - eine Besprechung des BGH-Urteiles vom 29.9.2010

    Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Titel über nachehelichen Unterhalt aus der Zeit vor dem 01.01.2008 in einem Unterhaltsabänderungsverfahren abgeändert werden können, um erstmalig eine Befristung des Unterhaltsanspruchs zu erreichen, beschäftigt seither die Rechtsprechung. Die Entscheidung des BGH vom 29.09.2010 - XII ZR 205/08 führt zu einer weiteren Klärung.

    Der BGH betont noch einmal, dass eine Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt nur dann möglich ist, wenn sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert haben. Die Grundlagen der Erstentscheidung im Abänderungsverfahren müssen dabei eingehalten werden. Das Unterhaltsabänderungsverfahren (früher: Unterhaltsabänderungsklage) kann wegen der Rechtskraft des früheren Urteils nicht dazu genutzt werden, Fehler der Erstentscheidung zu beseitigen.


    Das rechtliche Problem:

    Am 1.1.2008 wurde das Ehegatten-Unterhaltsrecht gravierend geändert. Was wird mit Titeln (Vergleichen, Urteilen, Notarverträgen), die vorher entstanden sind?


     Können sich die Unterhaltspflichtigen auf die Rechtsänderung berufen und ihre Zahlungspflichten herabsetzen lassen? Vor allem: Wenn vor 2008 von einer lebenslangen Ehegatten-Unterhalt-Verpflichtung ausgegangen war: Können die Unterhaltspflichtigen erreichen, dass nachträglich noch befristet wird?


    Die BGH-Entscheidung vom 29.09.2010 - XII ZR 205/08 führt zu einer weiteren Klärung. Hier die Bedeutung dieses Urteiles:

    Kann ich ein altes Urteil jetzt befristen lassen?


    Der BGH betont, dass eine Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Aufstockungsunterhalt nur dann möglich ist, wenn sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert haben.


    Soweit der alte Titel einen Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB betrifft, stelle die Einführung des § 1578b BGB keine Rechtsänderung dar. Denn der Gesetzgeber habe nur die Rechtsprechung des BGH umgesetzt, die sich aus dem Urteil v. 12.04.2006 ergebe - XII ZR 240/03.


    Der 12.4.2006 wird damit zu einem weiteren wichtigen Datum: Seit Veröffentlichung jenes BGH-Urteils musste in Fachkreisen bekannt sein, dass Befristungen des Aufstockungsunterhalts grundsätzlich zu prüfen sind.


    Im entschiedenen Fall datiert die letzte mündliche Verhandlung vom 1.3.2007. BGH: Damals schon hätten die Beteiligten wissen müssen, dass es für den BGH im Wesentlichen auf die „ehebedingten Nachteile" ankommt, auch wenn es in der Ehe Kinder gab. Dazu war aber 2007 nichts vorgetragen worden. Fazit: Im Nachhinein kann das rechtskräftige Urteil nicht mehr darauf geprüft werden, ob überhaupt „ehebedingte Nachteile" vorlagen - der unbefristete Unterhalt bleibt!


  • Zwei Mal verheiratet: welche Ehefrau bekommt wie viel?

    1. Ist der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit i.d.R. nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen. Der unterhaltsrechtliche Vorrang des geschiedenen Ehegatten wirkt sich bei der Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB vielmehr in Höhe des vollen Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, da die Rangvorschriften des § 1609 BGB selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung sind.   

     

    2. Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 07.12.2011 – XII ZR 151/09).


     3. Steht der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen im Bezug von Elterngeld, bleibt der nach § 11 Satz 1 BEEG geschonte Sockelbetrag des Elterngeldes bei der Ermittlung des für die Dreiteilung verfügbaren Gesamteinkommens unberücksichtigt (Fortführung von BGH, Urt. v. 21.06.2006 – XII ZR 147/04).  

     

    4. Übt der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen wegen der Betreuung der im Haushalt lebenden gemeinsamen minderjährigen Kinder keine Erwerbstätigkeit aus, können ihm bei der Ermittlung des Gesamteinkommens fiktive Erwerbseinkünfte zugerechnet werden, wenn und soweit er im hypothetischen Fall einer Scheidung trotz der Kindesbetreuung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes kommt dies aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige als Rentner selbst keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht.         

     

    BGH, Beschluss v. 07.05.2014 – XII ZB 258/13


     


    Der Fall:


    Von 1975 bis März 2010 war der Mann zum ersten Mal verheiratet, ab Dezember 2010 zum zweiten Mal. Aus erster Ehe gibt es ein längst erwachsenes Kind (geb. 1978), im Sommer 2011 kam in der neuen Ehe ein Baby. Die zweite Ehefrau ist nur unwesentlich älter als die erste Tochter.


    Der Mann ist Hochschulprofessor im Ruhestand. Seine erste Ehefrau hatte während der Ehe ihr Studium und ihr Promotionsvorhaben aufgegeben und war im Wesentlichen Hausfrau und Mutter („traditionelle Rollenverteilung“). Deshalb war ihr bei Scheidung ein auskömmlicher Unterhalt zugesprochen worden.


    Seine zweite Ehefrau ist jetzt wegen des Kindes ebenfalls nicht berufstätig.


    Auch ihr schuldet der Mann daher Unterhalt und möchte deshalb den Unterhalt der Geschiedenen wegfallen lassen.


    Der Fall ging bis zum BGH, der darüber entschied, als das Kind fast drei Jahre alt war.


     


    Die Entscheidung:


    Der BGH differenziert bei seiner Entscheidung zwischen mehreren Unterhaltszeiträumen:


    07.04.2011–21.07.2011 (Wiederheirat bis Geburt des Babys)


    Allein die Wiederheirat des Mannes verkürzt den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau nicht.


    Der Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau ist nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen und wird nicht durch eine nacheheliche Entwicklung beeinflusst, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe findet, insbesondere nicht durch die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten (BGH, Urt. v. 07.12.2011 – XII ZR 151/09), aber auch nicht durch die aus der neuen Ehe hervorgehenden finanziellen Vorteile wie den Splittingvorteil oder sonstige, von der neuen Ehe abhängige Einkommenszuschläge.   

     

    Zu differenzieren ist allerdings bei dem dem Ehemann nach seiner Wiederverheiratung gewährten beamtenrechtlichen Familienzuschlag, der sowohl die Unterhaltsbelastungen aus der geschiedenen Ehe als auch die aus der neuen Ehe herrührenden wirtschaftlichen Belastungen abmildern soll (BGH, Beschl. v. 02.02.2011 – XII ZB 133/08). Daher ist er bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau nur hälftig zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.02.2007 – XII ZR 37/05).      

     

    Zwar ist – wie vom BGH genauer dargestellt – das unterhaltsrelevante Einkommens des Ehemannes gegenüber dem Ausgangsverfahren gesunken, was im Ergebnis aber nicht zu einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse führt, § 238 FamFG.  

     

    Seine Wiederverheiratung hat in diesem Unterhaltszeitraum auch auf die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit (§ 1581 BGB) keinen Einfluss. Zwar hängt die Leistungsfähigkeit gegenüber einzelnen Unterhaltsberechtigten i.d.R. auch von weiteren Unterhaltsverpflichtungen als sonstigen Verpflichtungen i.S.d. § 1581 BGB ab. Bei der Leistungsfähigkeit spielen aber – anders als beim Unterhaltsbedarf – die Rangverhältnisse eine entscheidende Rolle.


    Der BGH bestätigt, dass die geschiedene Ehefrau gegenüber der neuen Ehefrau unter dem Aspekt der langen Ehedauer (§ 1609 Nr. 2 BGB), der in besonderem Maße den Schutz „traditioneller“ Ehemodelle im Blick hat, unterhaltsrechtlich vorrangig gewesen ist. Die Ehe dauerte mehr als 31 Jahre und war aufgrund der gewählten Rollenverteilung und der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von einer engen persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtung geprägt. Diese beruhte auf dem – unstreitig ehebedingten – Abbruch der akademischen Ausbildung der geschiedenen Ehefrau, der Übernahme der Haushaltsführung und Kinderbetreuung und schließlich auch darauf, dass sie ihre spätere Tätigkeit als Übersetzerin in der Ehezeit im Wesentlichen für den Ehemann entfaltete.     

     

    Demgegenüber war die neue Ehefrau bis zur Geburt ihres Kindes nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig. 

     


    22.07.2011–30.11.2011 (Ab Geburt des Kindes bis die Geschiedene ihre Rente aus dem Versorgungsausgleich bekam)


    In diesem Unterhaltszeitraum haben sich die tatsächlichen Verhältnisse durch das Hinzutreten der nach § 1609 Nr. 1 BGB vorrangigen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind und die mit der Kinderbetreuung verbundene Rangverschiebung aufseiten der neuen Ehefrau verändert. Der Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau ist zwar auch dadurch unberührt geblieben. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist im Rahmen der Billigkeitsprüfung des § 1581 BGB i.d.R. aber auch die hinzugekommene gleichrangige Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Nicht zu beanstanden ist, wenn dem bei gleichrangigen Unterhaltsberechtigten i.d.R. im Wege der Dreiteilung des vorhandenen Gesamteinkommens aller Beteiligten Rechnung getragen wird (BGH, Beschl. v. 19.03.2014 – XII ZB 19/13, DRsp-Nr. 2014/6687).

     

    Dabei ist i.d.R. das gesamte Einkommen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind daher auch der steuerliche Splittingvorteil und der volle Familienzuschlag der Stufe 1.   

     

    Der Vorteil des Zusammenwohnens für die Ehegatten der neuen Ehe kann mit einem Abzug von 10 % ihres Gesamtbedarfs in Ansatz gebracht werden.


    Schon in diesem Unterhaltszeitraum stand dem Ehemann der kindbezogene Anteil des Familienzuschlags (§ 40 Abs. 2 BBesG) zu, der einem Versorgungsempfänger gem. § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG neben dem Ruhegehalt gewährt wird und zu den zu berücksichtigenden Einkünften zählt.       

      

    Lebt das unterhaltsberechtigte Kind – wie hier – im Haushalt des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen Ehegatten, richtet sich sein Unterhaltsanspruch im Rahmen des Familienunterhalts (§ 1360a Abs. 1 BGB) – abgesehen vom Taschengeld – nicht auf eine Geldzahlung, sondern auf die Gewährung von Wohnung, Nahrung, Kleidung und sonstigen Leistungen in Form von Naturalien. Bei der Konkurrenz mit anderen Unterhaltsansprüchen muss der Anspruch des Kindes auf Naturalunterhalt aber monetarisiert werden. Der Geldwert dieses Anspruchs ist dabei mindestens mit dem (hypothetischen) Anspruch auf Barunterhalt zu veranschlagen, den das Kind im Fall einer Trennung seiner Eltern gegen den Unterhaltspflichtigen hätte. Dabei ist der um das (ggf. anteilige) Kindergeld geminderte Zahlbetrag anzusetzen. 

     

    Der BGH beanstandet, dass das OLG den Sockelbetrag des von der neuen Ehefrau bezogenen Elterngeldes in die Ermittlung des Gesamteinkommens einbezogen hat. Nach § 11 Satz 1 BEEG bleiben diese Einkünfte anrechnungsfrei.    

     


    01.12.2011–30.06.2014 (Zeit vor dem 3. Geburtstag des Babys)


    Soweit die geschiedene Ehefrau über eigenes Einkommen in Form ihrer Altersrente verfügt, deckt dieses ihren Unterhaltsbedarf. Nur für den Rest kann der Ehemann unterhaltsrechtlich in Anspruch genommen werden.


    Das OLG hatte der neuen Ehefrau für die Zeit nach dem Ende des Elterngeldbezugs fiktive Erwerbseinkünfte von mtl. 560 € brutto zugerechnet, weil der Ehemann das Kind betreuen könne, damit diese beruflich tätig werden und zum eigenen Unterhalt beitragen könne.

     

    Diese Argumentation überzeugt den BGH nicht. Die Ehegatten sind berechtigt, ihre Rollenverteilung in der Ehe frei zu wählen. Allerdings darf bei einer Konkurrenz mit den Unterhaltsansprüchen eines geschiedenen Ehegatten durch die gewählte Rollenverteilung der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht über Gebühr geschmälert werden. Der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen soll seine Erwerbsmöglichkeiten in gleicher Weise ausschöpfen, wie es auch von dem geschiedenen Ehegatten in einer vergleichbaren Lebenssituation erwartet werden würde (BGH, Urt. v. 18.11.2009 – XII ZR 65/09, DRsp-Nr. 2009/28069).  

     

    Die Erwerbsobliegenheit bestimmt sich nach § 1570 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach darf der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren selbst erziehen oder andere Betreuungsmöglichkeiten – dazu gehören i.d.R. auch Betreuungsangebote des anderen Elternteils – in Anspruch nehmen will. Eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten besteht in diesem Zeitraum nicht und kann auch nicht mit dem Rentenalter des Ehemannes begründet werden.

     


    von Juli 2014 an (Zeit nach dem 3. Geburtstag des Babys)


    Der BGH macht deutlich, dass die hypothetische Erwerbsobliegenheit der neuen Ehefrau mit Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes im Juli 2014 erneut zu beurteilen sein wird. Soweit sie auch in diesem Unterhaltszeitraum noch Betreuungsunterhalt gem. § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB beanspruchen könnte, wäre ihr Anspruch gleichrangig mit demjenigen der geschiedenen Ehefrau.

  • BGH 22.09.2021 zum Altersvorsorgeunterhalt

    Der BGH hatte anhand einer geringen Summe (466 €) Gelegenheit zu entscheiden, wie ein Unterhaltsberechtigter seinen Altersvorsorgeunterhalt anlegen muss.

    Die Beteiligten waren geschiedene Ehegatten. Sie stritten über den Ausgleich von Steuernachteilen.

    Aus einer notariellen Unterhaltsvereinbarung schuldete der Ehemann nachehelichen Elementarunterhalt (1.600 €) plus Altersvorsorgeunterhalt (500 €) und Krankheitsvorsorgeunterhalt.

    Die Ehefrau zahlte auf diese Beträge Einkommensteuer, die der Ehemann ihr erstatten musste, weil er den Unterhalt seinerseits von der Steuer abzog, sog. begrenztes steuerliches Realsplitting / Anlage U.

    Die 500 € Altersvorsorgeunterhalt zahlte die geschiedene Ehefrau in eine private Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht ein.

    Beim Streit ging es darum, dass die Ehefrau Ihre Steuerlast von 466 € im Jahr hätte vermeiden können, wenn sie das Geld nicht in eine private Versicherung, sondern in die gesetzliche Rente oder eine zertifizierte Rente nach § 2 AltZertG eingezahlt hätte. Bei ihr war der Sonderausgabenabzug nicht möglich wegen des Kapitalwahlrechts. Dies war der Ehefrau aber wichtig, weil sie eine Vorerkrankung hatte und damit keine statistische Lebenserwartung.

    Die auf das Realsplitting bezogenen Verpflichtungen beider Seiten sind Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben, d.h. sie stehen nicht im Gesetz. Eine Verpflichtung zur Zustimmung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zum begrenzten Realsplitting besteht grundsätzlich nur, wenn der Unterhaltsverpflichtete seine finanziellen Nachteile ausgleicht.

    Eine Obliegenheit, die (Gesamt-)Einkommensteuerbelastung möglichst gering zu halten, trifft beide Beteiligte des Unterhaltsrechtsverhältnisses gleichermaßen. Dementsprechend ist der Anspruch auf Nachteilsausgleich auf die Nachteile beschränkt, die dem Unterhaltsberechtigten bei Erfüllung der ihn treffenden Obliegenheiten entstehen.

    Allerdings stellte der BGH fest, dass die mit dem Sonderausgabenabzug verbundene Steuerersparnis jedenfalls zum Großteil nur vorläufiger Natur ist, denn bei den späteren Rentenzahlungen kommt die sogenannte nachgelagerte Besteuerung. Die dadurch insgesamt bei der zertifizierten Rentenversicherung nur geringe / vorübergehende Steuerentlastung könne eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Unterhaltsberechtigten nicht begründen.

    Fazit: dem Unterhaltsberechtigten steht die Wahl der Altersvorsorge grundsätzlich frei. Steuervorteile – zum Vorteil des geschiedenen Ehegatten – muss er dabei nicht beachten.


    BGH, Beschluss vom 22.09.2021 - Aktenzeichen XII ZB 544/20 



  • BGH 13.11.2019 zum Altersvorsorgeunterhalt

    Erteilt der Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen auf dessen Aufforderung hin keine Auskunft über die Verwendung des in der Vergangenheit bezogenen Altersvorsorgeunterhalts und bestehen deshalb begründete Zweifel daran, dass er die hierfür an ihn geleisteten Beträge zweckentsprechend verwenden wird, steht der Forderung auf Zahlung künftigen Altersvorsorgeunterhalts der Einwand der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB entgegen (Fortführung von Senatsurteil v. 25.3.1987 – IVb ZR 32/86)

    BGH 13.11.2019 – XII ZB 3/19 

  • BGH 4.7.2018 zu ehebedingten Nachteilen bei Erwerbsunfähigkeit

    Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB können nicht mit den geringeren Rentenanwartschaften begründet werden, die durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursacht wurden, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig ausgeglichen.       

    Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann.



    BGH, Beschluss vom 4.7.2018, XII ZB 122/17


    Der Fall:


    Die Frau ist seit 2008 – nach der Ehe - erwerbsunfähig. Eine staatliche Rente bekommt sie nicht, weil sie ehebedingt nicht die notwendigen Versicherungszeiten hat.


    Sie bekommt nach der Scheidung Unterhalt, zunächst bis 2017 inclusive Altersvorsorgeunterhalt, dann noch Elementarunterhalt, herabgesetzt auf den angemessenen Lebensbedarf (nicht mehr der eheliche), dies befristet bis 2021. Dies ist das Erreichen ihrer Regelaltersgrenze. Dagegen wehrt sie sich.


     Interessant ist, dass der BGH bei der Billigkeitsabwägung in der Unterhaltsfrage auch die sonstigen wirtschaftlichen Scheidungsfolgen (Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich) betrachtet.



    Über dieselbe Ehe urteilte der BGH bereits am 20. Juni 2018 (XII ZB 84/17), da ging es um den Zugewinnausgleich. Dort hatte der Senat ausgeführt:


    "Der Antragsteller hat durch seine Beitragszahlung in der Ehezeit ein Versorgungsanrecht in monatlicher Höhe von 708,95 € erworben. Angesichts dieser Größenordnung konnte das geteilte Versorgungsvermögen beim Ärzteversorgungswerk - auch in Relation zu der rund siebzehnjährigen Ehezeit - durchaus die den primären Versorgungssystemen obliegende Funktion erfüllen, dem Versorgungsberechtigten eine selbständige (Basis-) Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten.“


    Außerdem berücksichtigte der Senat, dass sie mindestens 57.000 € Zugewinnausgleich zugesprochen bekommen hatte.


    Daraus ergab sich insgesamt:


        Auch ohne Ehe hätte die Frau seit 2008 nicht mehr für ihr Alter vorsorgen können

        Durch die Ehe nahm sie bis Zustellung des Scheidungsantrages (2006) an den Versorgungsanwartschaften des Mannes teil

        Außerdem bekam sie bis 2017 Altersvorsorgeunterhalt zusätzlich zum Elementarunterhalt

        Ab 2021 bekam sie die Altersrente inclusive der durch den VA erhaltenen Beträge

        Schließlich bekam sie auch noch den Vermögensanteil aus dem Zugewinn

        Bei insgesamter Betrachtung stand sie dadurch nicht schlechter, als sie ohne Ehe gestanden hätte.


    Die Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruches wurde daher vom BGH abgesegnet, so dass ihr für das BGH-Verfahren mangels Erfolgsaussicht keine VKH gewährt wurde.


     BGH, Beschluss vom 4.7.2018, XII ZB 122/17


  • BGH 4.7.2018: zu Begrenzung / Befristung

    Auch wenn eine abschließende Entscheidung über die Folgen des §1578b BGB noch nicht möglich ist, darf eine Entscheidung darüber nicht vollständig  zurückgestellt  werden.  Vielmehr  muss  das  Gericht  insoweit  entscheiden, als eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig  voraussehbaren  Umstände  möglich  ist.  Das  gilt  insbesondere  für eine  bereits  mögliche  Entscheidung  über  die  Herabsetzung  nach  §1578b Abs.1  BGB  (im  Anschluss  an  Senatsurteil  BGHZ  188,  50 -FamRZ  2011, 454).


    Zwar ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragstellerin im Hinblick auf den fortwirkenden ehebedingten Nachteil regelmäßig ausscheidet (vgl. etwa Senatsurteil vom 18. Februar 2015 - XII ZR 80/13 - FamRZ 2015, 824 Rn. 24 mwN). Für den Ausnahmefall einer Befristung trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile ist nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen kein Raum; er wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.


    Etwas anderes gilt hingegen für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB nach Maßgabe der nachehelichen Solidarität (vgl. insoweit Dose, FamRZ 2011, 1341, 1347). Insoweit durfte das Oberlandesgericht die Entscheidung nicht einem späteren Abänderungsverfahren überlassen. Das Oberlandesgericht hat den ehebedingten Nachteil als Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und ihrem tatsächlich erzielten Einkommen (zur Berechnung vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2016 - XII ZB 84/15 - FamRZ 2016, 1345 Rn. 19 mwN) für die Zeit ab Februar 2017 mit monatlich rund 506 € festgestellt. Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass ein Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen für die Dauer von acht Jahren und sodann für die Dauer von vier Jahren ein Anspruch in Höhe des ehebedingten Nachteils zuzüglich der halben Differenz zum vollen Unterhalt der Billigkeit entspricht. Dass der auf Seiten der Antragstellerin entstandene ehebedingte Nachteil sich im weiteren Verlauf verringern oder wieder ausgeglichen werden könnte, ist kein Grund, derzeit von einer Entscheidung über die Herabsetzung des Unterhalts abzusehen. Es wäre vielmehr widersprüchlich, dem Unterhaltspflichtigen eine Entscheidung über die Herabsetzung zu versagen, nur weil sich die Sachlage noch zu seinen Gunsten verändern kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 188, 50 - FamRZ 2011, 454 Rn. 46). Ergeben sich nachfolgend hinsichtlich der Einkünfte der Antragstellerin wesentliche Änderungen der Verhältnisse, so wird durch die Erstentscheidung eine Abänderung des Unterhalts nicht ausgeschlossen.


    BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 -XII ZB 448/17 

  • BGH 18.1.2017: Auch Tilgung von Wohndarlehen abziehbar

    Vom Wohnwert wurden bisher nur die Zinsen abgezogen - die Tilgung galt als einseitige Vermögensbildung und konnte allenfalls im Rahmen der Altersversorgung (4% bzw. 5% bzw. 25% vom Bruttoeinkommen) berücksichtigt werden. Das Argument für diese Rechtsprechung war, dass einseitige Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten von dem Unterhaltsberechtigten nicht hingenommen werden müsse. 

    Im Beschluss vom 18.01.17 hat der BGH ausgeführt, dass Tilgungen auf die Immobilie bis zur Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen vom Wohnwert abgezogen werden können.


    BGH 18.1.2017 (XII ZB 118/16).

    Die Entscheidung erging zum Elternunterhalt. 


    In seiner Entscheidung vom 4.7.2018 (XII ZB 448/17) hat der BGH in Randziffer 31 bemerkt, dass er den Gedanken auch beim Nachscheidungsunterhalt anwenden wird, wenn ihm ein geeigneter Fall geboten wird:


    "Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519) im Zusammenhang mit dem angerechneten Wohnvorteil die Berücksichtigung auch der Tilgungsleistungen des Antragsgegners in Betracht zu ziehen."


     Einige OLG-Leitlinien haben diesen Aspekt ausdrücklich aufgegriffen.


    Seit der BGH-Entscheidung vom 15.12.2021 gilt das auch für Vermietungseinkünfte.


  • BGH 8.6.2016 zur Begrenzung und Billigkeit

    Der ehebedingte Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist nicht hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten zu verteilen, sondern in voller Höhe zugunsten des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen.



    Aus den Gründen:


    aa) Nach §  1578 b  Abs.  1  Satz 1  BGB  ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind §  1578 b  Abs.  1  Satz 2 und  3   BGB  zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 14. Mai 2014 -  XII ZB 301/12 - FamRZ 2014,  1276  Rn. 27 mwN).



    §  1578 b   BGB  beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile feststellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen umfassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unterhaltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewiesen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige - unter Berücksichtigung weiterer Unterhaltspflichten - durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhaltszahlungen bedeutsam sein (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 -  XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 21 f. mwN und vom 19. Juni 2013 -  XII ZB 309/11 - FamRZ 2013,  1291  Rn. 23 f. mwN).



    Als Rechtsfolge sieht §  1578 b  Abs.  1  Satz 1  BGB  die Herabsetzung bis auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (st. Rspr., vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. März 2014 -  XII ZB 214/13 - FamRZ 2014,  1007  Rn. 18 und Senatsurteil vom 26. Juni 2013 -  XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 75 mwN). Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach §  1578 b  Abs.  1   BGB  herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss (Senatsurteil vom 16. Januar 2013 -  XII ZR 39/10 - FamRZ 2013, 534 Rn. 26 mwN).



    Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach §  1578 b   BGB  in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 -  XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 15 mwN).


    (…)

    (1) Das Oberlandesgericht hat den ehebedingten Nachteil der Antragsgegnerin zutreffend ermittelt. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des §  1578 b  Abs.  1  Satz 1  BGB  und dem Einkommen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§  1574 ,  1577   BGB  erzielen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2014 -  XII ZB 214/13 - FamRZ 2014,  1007  Rn. 18 mwN). Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dieser Nachteil müsse hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten verteilt und daher betragsmäßig halbiert werden.


    (…)

    (aa) Bei §  1578 b   BGB  handelt es sich um eine unterhaltsbegrenzende Norm. Sie setzt das Bestehen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt voraus und ermöglicht neben einer Befristung dessen Herabsetzung, indem die Bedarfsbemessung von den ehelichen Lebensverhältnissen gelöst und stattdessen auf den angemessenen Lebensbedarf abgestellt wird. An der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs selbst ändert dies nichts (vgl. auch Borth FamRZ 2013, 1356). Der vollständige ehebedingte Nachteil entspricht dem - durch die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht gedeckten - Teil des Bedarfs, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann durch Unterhaltszahlungen gedeckt werden soll, wenn sich die wirtschaftliche Stellung des Unterhaltsberechtigten nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bestimmt. Dementsprechend sieht die gesetzliche Bestimmung des §  1578 b  Abs.  1  Satz 1  BGB  für die Bedarfsbemessung eine Berücksichtigung ehebedingter Nachteile des Unterhaltspflichtigen nicht vor, sondern stellt allein darauf ab, wie der Unterhaltsberechtigte ohne Ehe und Kindererziehung stünde, so dass dessen ehebedingte Erwerbsnachteile den Umfang der Herabsetzung begrenzen (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 18). Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Rechtsauffassung würde hingegen dazu führen, dass dem Unterhaltsberechtigten entgegen dem gesetzgeberischen Willen aus eigenem Einkommen und nachehelichem Unterhalt gerade nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, um seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf zu decken.


    (bb) Die eine Halbierung des ehebedingten Nachteils fordernde Meinung verkennt zudem, dass es sich bei der Pflicht zur Zahlung nachehelichen Unterhalts gerade nicht um eine durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Einbuße in der Möglichkeit handelt, Einkünfte zu erzielen, sondern um eine von Gesetzes wegen an die Scheidung geknüpfte Rechtsfolge (vgl. auch Senatsurteil vom 23. November 2011 -  XII ZR 47/10 - FamRZ 2012,  197  Rn. 28), die nicht die Einkunftserzielung, sondern die Verteilung des Einkommens betrifft. Der Gedanke der Nachteilshalbierung stützt sich auf den Zirkelschluss, bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs eben diesen Anspruch als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen. Darüber hinaus würde dieser Ansatz ohnedies immer dann versagen, wenn der Unterhaltsberechtigte als Folge der in der Ehe praktizierten Rollenverteilung nach der Scheidung nicht mehr in der Lage ist, ein sein Existenzminimum sicherndes Einkommen zu erzielen. Umgekehrt kann die Berücksichtigung eines ehebedingten Erwerbsnachteils des Unterhaltsberechtigten nie dazu führen, dass diesem ein höherer Unterhaltsanspruch als nach den ehelichen Lebensverhältnissen zuzuerkennen ist (so aber Kieninger FamRZ 2013, 1355), weil §  1578 b  Abs.  1   BGB  ausschließlich eine Herabsetzung ermöglicht (vgl. Wendl/Wönne Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 4 Rn. 1020).


    (cc) Die vollständige Berücksichtigung des ehebedingten Nachteils steht nicht im Widerspruch zum Zugewinnausgleich. Denn bei diesem geht es um die Verteilung von ehezeitlich erworbenem Vermögen, während sich §  1578 b   BGB  mit der Abdeckung eines nachehelichen Unterhaltsbedarfs befasst. Nichts anderes folgt auch aus der Senatsrechtsprechung, wonach ehebedingte Nachteile im Sinne von §  1578 b  Abs.  1  Satz 2  BGB  regelmäßig nicht mit den durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren Rentenanwartschaften begründet werden können, wenn für diese Zeit ein Versorgungsausgleich stattgefunden hat, und Nachteile in der Versorgungsbilanz dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit als vollständig ausgeglichen anzusehen sind (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 -  XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 17 mwN). Denn die Regelungen zum Versorgungsausgleich stellen insoweit das speziellere Ausgleichssystem dar. Mit ihnen wird erreicht, dass das ehezeitlich erworbene Vorsorgevermögen grundsätzlich hälftig unter den Ehegatten aufgeteilt wird und dadurch beiderseitige Alterseinkünfte gesichert werden, die die ehezeitliche Vorsorgelage und damit insoweit die ehelichen Lebensverhältnisse abbilden. Mehr als einen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gewährt das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten aber ohnedies nicht.



    (dd) Hinzu kommt, dass §  1578 b   BGB  nicht nur die Herabsetzung, sondern in seinem Absatz 2 auch die zeitliche Begrenzung sowie in Absatz 3 eine Kombination aus Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung ermöglicht. Der Tatrichter kann bei der im Einzelfall zu treffenden Billigkeitsentscheidung, in die auch ehebedingte Erwerbsnachteile des Unterhaltspflichtigen einfließen können, daher im Wege einer teilweisen zeitlichen Begrenzung auch zu dem Ergebnis gelangen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch ein Unterhalt zu zahlen ist, der den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht vollständig abdeckt (vgl. etwa Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 3. Aufl. §  1578 b   BGB  Rn. 29; vgl. auch BT-Drucks. 16/1830 S. 18).


    (2) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch, dass das Oberlandesgericht der Antragsgegnerin keine aus ihrem Geldvermögen erzielbaren Zinseinkünfte auf den nach dem Maßstab des Nachteilsausgleichs bemessenen Unterhaltsanspruch angerechnet hat. Der Antragsteller macht bereits nicht geltend, dass es sich bei diesem Vermögen bzw. den hieraus erzielbaren Zinseinkünften um einen aus der Ehe herrührenden Vorteil handeln würde. Nur wenn es sich aber um (fiktive) Einkünfte handelte, die der Antragsgegnerin ohne die Ehe nicht zur Verfügung stehen würden, könnten diese ggf. als ein den ehebedingten Nachteil teilweise kompensierender Vorteil anzusehen sein; dies hängt von der Beurteilung der Frage ab, ob die Antragsgegnerin auch allein eine private Vermögensbildung in dieser Höhe hätte betreiben können (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 -  XII ZR 129/10 - FamRZ 2013,  195  Rn. 55 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 11. August 2010 -  XII ZR 102/09 - FamRZ 2010,  1637  Rn. 33). Dafür, dass dies nicht der Fall ist, ist nichts ersichtlich.


    Unabhängig davon ist die tatrichterliche Beurteilung, dass die Antragsgegnerin im derzeitigen Zinsumfeld keine relevanten Zinseinkünfte erzielen könne, im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens hinzunehmen. Selbst unterstellt, die Möglichkeit der Vermögensnutzung stellte einen ehebedingten Vorteil dar, müsste die Antragsgegnerin sich nur auf eine sichere Geldanlage verweisen lassen (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 637 mwN). Die Würdigung des Oberlandesgerichts, aus einer solchen sei bei dem allenfalls in Rede stehenden Kapitalbetrag von rund 67.000 € derzeit kein unterhaltsrelevantes Zinseinkommen zu erzielen, verstößt weder gegen Denk- noch gegen Erfahrungssätze. Die Rechtsbeschwerde beschränkt sich auf die Behauptung des Gegenteils und setzt damit ihre Würdigung an die Stelle derjenigen durch das Oberlandesgericht. Dies ist ihr im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt.


    (…)

    (3) Dass das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht nach §  1577  Abs.  3   BGB  auf die Verwertung des aus dem Verkauf des gemeinsamen Hausanwesens erlangten Vermögensstamms verwiesen hat, wird weder von der Rechtsbeschwerde gerügt noch lässt es Rechtsfehler erkennen (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 2012 -  XII ZR 129/10 - FamRZ 2013,  195  Rn. 54).


    BGH, Beschluss vom 08.06.2016 - Aktenzeichen XII ZB 84/15

  • OLG Celle 12.4.2016 zur Berechnung des Ehebedingten Nachteils

    Ein fortwirkender ehebedingter Nachteil kann auch darin bestehen, dass der Unterhaltsberechtigte bei Bezug von Erwerbsminderungsrente nicht wie bei einem entsprechend hohen Erwerbseinkommen zugleich auch Altersversorgungsansprüche aufbauen kann. Die Bemessung eines solchen ehebedingten Nachteils kann an einem entsprechenden Altersvorsorgeunterhalt orientiert werden.


    OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016, 10 UF 313/15


     Der Verlauf:


    Hochzeit 1989, Zwei Kinder (1990 und 1993), Trennung 12/1999, Scheidung 06/2001.


    Unterhaltsvergleich von 05/2002 über 300 € Nachscheidungsunterhalt.


    2008: erstes Abänderungsverfahren durch den Ex-Ehemann, beendet mit Einigung über vorübergehende Herabsetzung auf 175 € bis zur Volljährigkeit des zweiten Sohnes in 2011.


    2012: zweites Abänderungsverfahren durch den Ex-Ehemann mit dem Begehr der Befristung des Unterhaltes aufgrund des Fehlens ehebedingter Nachteile.


    Die Erwerbsbiographie der Frau:


    Die Antragsgegnerin hatte rund zwei Jahre vor Eheschließung eine Ausbildung zur Arzthelferin begonnen. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde arbeitgeberseitig während der Probezeit aufgrund einer ersten rheumatischen Erkrankung der Antragsgegnerin nach einer früheren Yersinien-Infektion gekündigt. Nach entsprechender medikamentöser Einstellung kam es bis und unmittelbar nach der Eheschließung nicht zu einem erneuten Ausbildungsvertrag. In der Ehe konzentrierte sich die Antragsgegnerin neben zeitweiligen geringfügigen Tätigkeiten auf die Haushaltsführung sowie die Betreuung der gemeinsamen Kinder. Nach der Ehe absolvierte die Antragsgegnerin bis Juni 2003 erfolgreich eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation, ohne in diesem Bereich in der Folgezeit eine berufliche Stellung begründen zu können. Seit 2004 bezieht sie - zuletzt mit Bescheid vom 24. Februar 2015 unter Befristung bis zum 28. Februar 2017 in Höhe von rund 850 € - durchgängig eine jeweils befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, die allerdings „nicht ausschließlich auf ihrem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruht“. Daneben übt sie eine geringfügige Tätigkeit aus, aus der sie bereinigt durchschnittlich rund 375 € erzielt. Sie hat mit einem aus ihrer Familie erhaltenen Erbe sowie unter ergänzender Fremdfinanzierung Wohneigentum erworben, das unter Berücksichtigung zu leistender Zinszahlungen zu einem verbleibenden Wohnvorteil führt.


    Aus den Gründen des OLG:


    Einer Befristung (bzw. Herabsetzung) des titulierten Unterhaltsanspruchs in Höhe von monatlich 300 € aus dem Vergleich steht im Streitfall durchgreifend entgegen, daß dem Antragsteller jedenfalls nicht der Nachweis gelungen ist, daß die Antragsgegnerin keine in dieser Höhe fortwirkenden ehebedingten Nachteile erlitten hat (§ 1578b BGB).


    a) Die Antragsgegnerin hat ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Bestehens derartiger fortwirkender ehebedingter Nachteile entsprochen.


    Bei hinweggedachter Eheschließung hätte die Antragsgegnerin nach ihrem plausiblen Vortrag Ende der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts im Anschluß an ihre gesundheitliche Wiederherstellung nach dem ersten Auftreten ihrer rheumatischen Erkrankung eine Ausbildung - wie bereits einmal aufgenommen - als Arzthelferin, als Fremdsprachenkorrespondentin oder etwa - wie später tatsächlich erfolgreich abgeschlossen - als Kauffrau aufgenommen und diese erfolgreich abgeschlossen. Sie hätte eine entsprechende vollschichtige Tätigkeit in ihrem Ausbildungsberuf aufgenommen und sich in einer solchen nachhaltig etabliert sowie sich in zumindest durchschnittlicher Weise fortentwickelt. Dabei hätte sie im Rahmen der Wahl des Arbeitgebers, des Arbeitsplatzes sowie der Art ihrer konkreten Beschäftigung ihrer grundsätzlich angelegten gesundheitlichen Einschränkung Rechnung getragen, so daß letztere einer dauerhaft vollschichtigen Berufsausübung aufgrund deren konkreter Ausgestaltung nicht entgegenstehen würde. Aus einer derartigen Tätigkeit würde sie im hier maßgeblichen Zeitraum ein Nettoeinkommen in Höhe von allermindestens 1.486 € erzielen.


    b) Die derart vorgetragene hypothetische Entwicklung sowie das angegebene sich daraus für die Antragsgegnerin ergebende Nettoeinkommen erscheinen naheliegend; der insofern beweisbelastete Antragsteller hat sie zudem nicht zu widerlegen vermocht.


    Soweit der Antragsteller insofern pauschal behauptet, die Antragsgegnerin habe nach dem ersten Auftreten ihrer rheumatischen Erkrankung zu keinem Zeitpunkt mehr eine entsprechende Ausbildung aufnehmen geschweige denn erfolgreich abschließen oder gar in einem entsprechenden Beruf vollschichtig arbeiten können, ist dies bereits durch den tatsächlichen Geschehensablauf durchgreifend widerlegt. Die Antragsgegnerin hat tatsächlich nach der Trennung der Beteiligten und neben der alleinigen Betreuung der beiden damals teilweise noch grundschulpflichtigen Söhne eine Berufsausbildung zur Kauffrau absolviert und erfolgreich abgeschlossen. (…)


    Damit steht zur Überzeugung des Senats hinreichend sicher fest, daß sie wie von ihr geltend gemacht Ende der Achtzigerjahre auch in Vollzeit eine Berufsausbildung absolvieren und eine Berufstätigkeit in den vorgetragenen Berufsfeldern hätte aufnehmen sowie sich in ihrem erlernten Beruf jedenfalls bis 2004 hätte etablieren können.


    Aus den vorgelegten Teilerwerbsunfähigkeitsbescheiden nebst umfangreicher Anlagen ergibt sich weiter, daß die Antragstellerin selbst in der Folgezeit aus der begründeten Sicht von Arbeitsverwaltung wie Sozialbehörden sowie rechtlich nach wie vor jedenfalls in nicht unerheblichem Maße arbeitsfähig ist. Dies wird noch dadurch unterstrichen, daß sie auch tatsächlich eine teilschichtige entgeltliche Tätigkeit ausübt.


    Das von der Antragsgegnerin erzielbare Nettoeinkommen hat der Antragsteller schließlich jedenfalls in Höhe eines Betrags von 1.400 € unstreitig gestellt


    c) Auf der Grundlage des danach zugrunde zu legenden hypothetischen Verlaufs und eines entsprechenden Nettoeinkommens stellt sich unproblematisch ein ehebedingter Nachteil in jedenfalls der von der Antragsgegnerin verteidigten Höhe der bestehenden Titulierung von 300 € dar. Insofern spielt es nicht einmal eine entscheidende Rolle, ob man von dem von der Antragsgegnerin insofern plausibel dargelegten und vom Antragsteller nicht widerlegten Betrag von 1.468 € oder lediglich den unstreitig gestellten 1.400 € ausgeht.


    Ein ehebedingter Nachteil der Antragsgegnerin liegt nicht vor im Umfang ihres tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens (rund 375 €) sowie der tatsächlich (nach wie vor befristet) bezogenen EU-Rente (rund 850 €), also von zusammen rund 1.225 €. Ohne Bedeutung bleibt insofern der - ihr auf der Ebene ihres Unterhaltsbedarfs allerdings anzurechnende - (Netto-) Wohnvorteil, da dieser seinerseits unstreitig nicht ehebedingt ist.


    Allerdings wird der ehebedingte Nachteil für die Antragsgegnerin nicht bereits durch eine schlichte Berechnung nach der Formel 1.468 € bzw. 1.400 € hypothetisches Netto-Erwerbseinkommen ohne Ehe ./. 375 € tatsächliches Netto-Erwerbseinkommen ./. 850 € EU-Rente = 243 € bzw. 175 € vollständig erfaßt. Denn mit dem für die Nachteilsermittlung maßgeblichen Bezug eines um (1.468 € - 375 € =) 1.093 € bzw. (1.400 € - 375 € =) 1.025 € höheren Netto-Erwerbseinkommens wäre zugleich auch der Erwerb entsprechender Rentenansprüche verbunden, die der Antragsgegnerin aber tatsächlich entgehen. Dieser zusätzliche Nachteil hinsichtlich des Erwerb von Altersvorsorgeanwartschaften entspricht grundsätzlich dem - typischerweise zusätzlich zum Elementarunterhalt bestehenden - Altersvorsorgeunterhaltsanspruch, der für die hier in Rede stehenden Jahre 2015 und 2016 auf Beträge in der genannten Höhe gut 239 € bzw. 222 € ausmacht. Selbst wenn man dabei berücksichtigt, daß für die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermittlung der EU-Rente auch für die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze - wenn auch angesichts ihrer ganz beschränkt selbst erworbenen Rentenanwartschaften nur in engem Rahmen - Zurechnungen erfolgt sind, verbleibt insofern aber allemal ein Nachteil in Höhe weiteren 125 €.


  • BGH 26.3.2014: Ehebedingter Nachteil bei Verlust des Arbeitsplatzes

    Bei einem betriebsbedingten und damit nicht ehebedingten Verlust des Arbeitsplatzes kann sich ein ehebedingter Nachteil auch daraus ergeben, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung zunächst nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine Stelle bewirbt, die seiner beruflichen Qualifikation und seinen Fähigkeiten entspricht.

    Auch in einem solchen Fall hat der Unterhaltsberechtigte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert zu bestreiten und seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden.

    BGH XII ZB 214/13, Beschluss vom 26.3.2014


  • BGH 19.6.2013: Begrenzung eines Anspruchs auf Krankheitsunterhalt

    Entscheidung des BGH zur Begrenzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten Anspruchs auf Krankheitsunterhalt nach einer Ehedauer von etwa 20 Jahren: Auch wenn das Krankheitsbild der Ex-Ehefrau nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen steht, also keine ehelichen Nachteile festzustellen sind, muss nach §1578b BGB auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt werden. Eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts ist nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet.

    BGH XII ZB 309/11 - Beschluss vom 19.6.2013

  • BGH 20.3.2013: Ehebedingter Nachteil - Zur Darlegungslast

    Um einen ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs bemisst sich dabei regelmäßig nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Haushaltsführung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte, wobei eine Schätzung entsprechend § 287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist7.


    Die Annahme, dass die Ehefrau ohne die Eheschließung heute in Tschechien eine Arbeitsstelle als Finanzbuchhalterin mit Berufserfahrung innehaben könnte, entspricht den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Maßstäben. Die Ehefrau hat das erzielbare Einkommen mit Hilfe einer Stellenanzeige näher substantiiert. Da die Ehefrau über einen Hochschulabschluss verfügt, es sich um eine in ihr Berufsfeld fallende Tätigkeit handelt und die Höhe des Arbeitslohns nicht von einem vorausgegangenen beruflichen Aufstieg, sondern nur von einer entsprechenden Berufserfahrung abhängig ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen weiteren Vortrag der Ehefrau nicht für erforderlich gehalten hat. Denn unter diesen Umständen sind die mit der Widerlegung einer negativen Tatsache verbundenen spezifischen Schwierigkeiten ausgeräumt und ist die den Ehemann treffende Beweislast nicht mit überzogenen Anforderungen verbunden. Auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen konnte dieser sich demnach nicht mehr beschränken.


    Eine exakte Feststellung des hypothetisch erzielbaren Einkommens des Unterhaltsberechtigten ist bei feststehenden Nachteilen schließlich nicht notwendig. Die Tatsachengerichte können sich vielmehr insoweit bei geeigneter Grundlage einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO bedienen. Für die Billigkeitsbetrachtung wird es dann in der Regel genügen, wenn das ungefähre Ausmaß der Einbuße feststeht, was im vorliegenden Fall aufgrund der bereits genannten Rahmenbedingungen gegeben ist.


    Der Ausgangspunkt, dass das vom unterhaltsberechtigten Ehegatten in seinem Heimatland hypothetisch erzielbare Einkommen im Hinblick auf Kaufkraftunterschiede an das deutsche Preisniveau anzupassen ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass das Berufungsgericht das Bruttoeinkommen auf der Grundlage des deutschen Steuer- und Sozialversicherungsrechts in ein Nettoeinkommen umgerechnet hat, ist demgegenüber zwar nicht folgerichtig, weil es auch insoweit auf die Verhältnisse in Tschechien ankommt. Die Revision macht aber nicht geltend, dass eine Berechnung nach den entsprechenden Vorschriften in Tschechien zu einem niedrigeren Nettoeinkommen geführt hätte.


    Demnach ist auch die konkrete Bemessung des am ehebedingten Nachteil orientierten angemessenen Lebensbedarfs im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB nicht zu beanstanden, auf den das Berufungsgericht den Unterhalt ab März 2013 herabgesetzt hat.


    Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2013 – XII ZR 120/11

  • BGH 22.11.2010: Ansprüche nach langjähriger Hausfrauenehe

    Der oberste Familiensenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat den Unterhaltsanspruch von Hausfrauen nach Scheidungen gestärkt. In dem am 22.11.2010 veröffentlichten Urteil stellte der BGH klar, dass in gewissen Fällen die Frau unbefristet Unterhalt erhalten muss (Az. XII ZR 202/08).

    Der Fall betraf eine heute 58-jährige Frau, die nach 23 Jahren Ehe geschieden wurde. Sie hatte Haushalt und Kindererziehung übernommen, war mit ihrem Mann umgezogen und hatte ihren Beruf als Motopädin nur noch stundenweise ausgeübt. Der Mann ging dann ein Verhältnis mit einer jüngeren Frau ein und wurde mit 54 Jahren noch einmal Vater. Während er als Selbstständiger über ein Nettoeinkommen von mehr als 3500 Euro verfügte, erzielte sie als Ganztagskraft 1020 Euro netto. Auch ihr Rentenanspruch war mit 160 Euro monatlich sehr gering. Als Selbstständiger hatte ihr Ex-Mann jedoch nur geringe Rentenanwartschaften, sodass ihr bei der Scheidung nur 50 Euro monatlich zusätzlich aus seiner Rente übertragen wurden.


    Dennoch begrenzte das Oberlandesgericht Hamm ihren Unterhaltsanspruch. Ab dem Jahr 2012 sollte sie keinen Unterhalt mehr von ihrem Ex-Mann erhalten, sodass sie nur noch die monatlich 1020 Euro zur Verfügung gehabt hätte. Eine Altersversorgung hätte sie nicht mehr aufbauen können. Der Familiensenat des BGH hob das Urteil auf und verwies den Fall an das Oberlandesgericht zurück. Gerade in älteren Ehen mit einem Alleinverdiener sei die wirtschaftliche Verflechtung besonders groß. Die nacheheliche Solidarität sei hier besonders zu beachten und könne es gebieten, von einer Befristung oder Kürzung des Unterhalts abzusehen.


    Das Recht des nachehelichen Unterhalts ist 2008 grundlegend reformiert worden. Geschiedene sollen nach einigen Jahren grundsätzlich wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Das Gesetz enthält Soll-Vorschriften und erlaubt Ausnahmen nach „Billigkeit". Der BGH in Karlsruhe legte das Gesetz jetzt zugunsten von Hausfrauen aus, die in der Ehe über Jahrzehnte auf einen eigenen Beruf verzichteten.

  • BGH 20.10.2010: zu ehebedingten Nachteilen, Darlegungslast und Schätzungsmöglichkeiten des Richters

    Leitsatz: Nachehelicher Unterhalt: Berücksichtigung ehebedingter Nachteile bei der Billigkeitsentscheidung über die Beschränkung des Anspruchs



    1. Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt grundsätzlich den ehebedingten Nachteil (Rn.23).


    2. Der Unterhaltsberechtigte kann im Einzelfall seiner - sekundären - Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung bzw. Betriebszugehörigkeit üblich sind (Rn.32).


    3. Bei feststehenden Nachteilen ist eine exakte Feststellung zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht notwendig. Die Tatsachengerichte können sich bei geeigneter Grundlage einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO bedienen (Rn.33).


    Das Gericht muss in der Entscheidung jedoch die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angeben (Rn.33).


    4. Bei den in § 1578b BGB aufgeführten Kriterien handelt es sich um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil bzw. keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaftet, weshalb im Rahmen der Abwägung des § 1578b BGB keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet (Rn.27).


    XII ZR 53/09

  • BGH 6.10.2010: ehebedingte Nachteile, Versorgungsausgleich, Vertrauen

    Der Fall:


    Die Parteien streiten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt.


    Die 1952 geborene Antragstellerin und der 1949 geborene Antragsgegner schlossen im November 1980 die Ehe, aus der ein 1982 geborener Sohn hervorgegangen ist. Im Januar 2003 trennten sich die Parteien.Nach ihrer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin war die Antragstellerin von 1971 bis 1973 als Sportlehrerin an einem Gymnasium tätig. In der Folgezeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Motopädin und war - ab der Heirat nur noch mit zwölf Stunden wöchentlich - in diesem Beruf tätig. Ab der Geburt des gemeinsamen Sohnes war sie zunächst nicht erwerbstätig und übernahm den Haushalt und die Kindeserziehung. Ab Oktober 1987 arbeitete sie wieder - bis zur Scheidung mit reduzierter Stundenzahl und seit August 2008 vollschichtig - in ihrem Beruf als Motopädin.


    Sie begehrt einen unbefristeten Unterhalt in der zugesprochenen Höhe.


    Aus den Gründen:


    Der vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleitete Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen bietet dem geschiedenen Ehegatten jedoch keine Lebensstandardgarantie.



    Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.



    Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BGB ist somit vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind, die schon deswegen regelmäßig einer Begrenzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts entgegenstehen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst decken kann. Denn ein ehebedingter Nachteil ergibt sich in der Regel daraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde.



    Dabei ist die Dauer der Ehe allein kein entscheidendes Kriterium, wenn beide Ehegatten während der Ehe vollschichtig berufstätig waren und die Einkommensdifferenz lediglich auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau zurückzuführen ist, das bereits zu Beginn der Ehe vorlag.



    Zu Recht ist das Berufungsgericht hier davon ausgegangen, dass die Antragstellerin keine ehebedingten Nachteile erlitten hat.


    Nachdem der Antragsgegner ehebedingte Nachteile der Antragstellerin in Abrede gestellt hatte, hat die Antragstellerin nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts solche Nachteile nicht substantiiert vorgetragen.


     


    In der Regel werden die aus der ehebedingten Erwerbsunterbrechung resultierenden Nachteile in der Altersvorsorge eines Ehegatten durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen.

    Anderes gilt nur dann, wenn der Nachteil in der Versorgungsbilanz des Unterhaltsberechtigten nicht oder nur teilweise ausgeglichen worden ist, etwa wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte schon während der Ehezeit als Rentner keine eigene Altersvorsorge mehr aufgebaut hat, die im Rahmen der Ehescheidung ausgeglichen werden könnte.



    Zu berücksichtigen ist aber, dass die eigene angemessene Lebensstellung der Antragstellerin nur wenig über dem Mindestbedarf liegt, während der Antragsgegner im Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ein deutlich höheres Einkommen erzielt, das rechnerisch einen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Höhe von 1.272 EUR monatlich begründen würde. Auch die Altersversorgung der Antragstellerin ist, wenngleich sie für die Ehezeit vollständig zwischen den Parteien ausgeglichen wurde, nur sehr begrenzt. In der langen Ehe hat sie lediglich eigene gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von rund 160 EUR erworben, die durch den Versorgungsausgleich um gut 50 EUR aufgestockt worden sind. Auch unter Berücksichtigung der weiteren vorehelich erworbenen Anwartschaften und des im Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögens von gut 30.000 EUR, von dem nach der Einschätzung des Berufungsgerichts nur rund 23.000 EUR verblieben sind, ergibt sich keine ausreichende Grundlage für eine dauerhafte Altersvorsorge. Die Antragstellerin ist deswegen darauf angewiesen, bis zum Rentenbeginn noch eine adäquate weitere Altersvorsorge aufzubauen.


     


    Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aufzuheben und das Verfahren ist zur erneuten Feststellung der entscheidungsrelevanten Billigkeitsgesichtspunkte sowie zur abschließenden tatrichterlichen Billigkeitsprüfung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.


    BGH - Urteil vom 06.10.2010- XII ZR 202/08

  • BGH 15.9.2010: Mögliche Mitbetreuung des Vaters muss unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden

    Die geschiedenen Eheleute haben einen fünfjährigen Sohn. Er lebt im wesentlichen bei der Mutter und geht in den Kindergarten. Der Vater ist schon im Vorruhestand.


    Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ehegattenunterhalt bietet der Vater an, dass das Kind wesentlich mehr Zeit mit ihm verbringen könne, damit die Mutter vollschichtig arbeiten kann.


    Vor dem Amtsgericht verlor die Frau das Unterhaltsverfahren. Das OLG dreht die Entscheidung um und verurteilte den Mann zu Ehegattenunterhalt, weil die geschiedene Ehefrau angesichts des Betreuungsbedarfes des Kindes nicht Vollzeit arbeiten könne. Das wiederum hob der BGH auf.


    Er verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Der BGH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach ist grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (BGH, Urteil vom 15.09.2010, XII ZR 20/09).

  • BGH 7.7.2010: Krankheit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten ist regelmäßig kein ehebedingter Nachteil

    Krankheiten unterhaltsbedürftiger Ehegatten (hier: schwere depressive Störung) stellen in der Regel keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter fallen vornehmlich Einbußen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe ergeben und nicht solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.

    Der Sachverhalt:

    Antragsgegnerin und Antragsteller hatten im Jahr 1994 geheiratet. Für die Antragsgegnerin war es im Alter von 37 Jahren die dritte Ehe. Die Ehe blieb kinderlos. Der Antragsteller ist Beamter. Die Antragsgegnerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wegen Depressionen verlor sie ihren Job als Lagerarbeiterin. Inzwischen bezieht die Antragsgegnerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Familiengericht hat einen nachehelichen Unterhalt zugesprochen, aber befristet.

    Die hiergegen gerichtete Berufung beim OLG sowie die Revision der Antragsgegnerin beim BGH blieben erfolglos.

    Aus den Gründen des BGH:

    Seit dem 1.1.2008 ist gem. § 1578b Abs. 2 BGB eine Befristung auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zulässig.

    Die Krankheit eines unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter sind vornehmlich Einbußen zu verstehen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe ergeben, nicht dagegen solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.

    Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des OLG litt die Antragsgegnerin schon lange vor der Heirat an einer depressiven Störung. Dass die Erkrankung gleichwohl - ausnahmsweise - ehebedingt war, hatte das Berufungsgericht zutreffend verneint. Die Erkrankung stand nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen. Dass sich eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - im Zusammenhang mit Ehekrise und Trennung verstärkt, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil.

    Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass der Unterhaltspflichtige im Einzelfall unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist dabei Aufgabe des Tatrichters. Dieser hatte im vorliegenden Fall solche Umstände allerdings zu Recht nicht festgestellt.

    Es war auch nicht von einer engen wirtschaftlichen und sozialen Verflechtung der Parteien auszugehen. Die Antragsgegnerin war bei der Eheschließung bereits 37 Jahre alt. Es handelte sich zudem um ihre dritte Ehe. Ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung war deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt. Dass die Antragsgegnerin gleichwohl Dispositionen im Hinblick auf fortwährende Unterhaltsleistungen getroffen hatte, wurde vom OLG nicht festgestellt.

    BGH - 7.7.2010 -XII ZR 157/08

  • BGH 27.5.2009: nacheheliche Solidarität bei schwerer Erkrankung

    In dem vom BGH zu prüfenden Fall hatten die Parteien im Jahre 1972 geheiratet, als die Ehefrau 16 Jahre alt und schwanger war. Aus der Ehe sind insgesamt vier Kinder hervorgegangen, von denen nur noch die 1987 geborene Tochter, die im Haushalt der Mutter lebt, unterhaltsbedürftig ist. Die Ehe wurde 1998 geschieden.

    Die geschiedene Ehefrau ist wegen einer im Jahre 1989 diagnostizierten Darmkrebserkrankung seit 1993 als zu 100 % schwerbehindert eingestuft und bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich gegenwärtig auf rund 1.040 € beläuft. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 349 €. Der geschiedene Ehemann erzielt als Beamter unterhaltsrelevante Nettoeinkünfte in Höhe von rund 2.500 €.

    Das Oberlandesgericht Hamm hatte den Ehemann zu lebenslangem Unterhalt verurteilt. Die vom Ehemann begehrte Befristung des Unterhalts hatte es abgelehnt.


    Mit seiner Revision beim BGH hat der Ehemann weiterhin eine Befristung seiner Unterhaltspflicht beantragt. Die Ehefrau hat mit Ihrer Anschlussrevision eine weitere Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs begehrt.

    Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen, das angefochtene Urteil auf die Anschlussrevision der Klägerin aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.

    Nach der gesetzlichen Regelung in § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung ist vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.


    Solche ehebedingten Nachteile hatte das Oberlandesgericht hier nicht festgestellt, zumal die Erkrankung der Klägerin nicht durch die Ehe bedingt, sondern schicksalhaft ist.

    Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass sich § 1578 b BGB nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt. Dieser Umstand gewinnt besonders beim nachehelichen Krankheitsunterhalt gemäß § 1572 BGB an Bedeutung, bei dem die Krankheit selbst regelmäßig nicht ehebedingt ist. Auch der Umfang dieser geschuldeten nachehelichen Solidarität ist unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Umstände, also der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe zu bemessen.

    Nach diesen Kriterien hatte der Bundesgerichtshof in einem früheren Fall die Befristung des nachehelichen Krankheitsunterhalts eines geschiedenen Ehemannes auf drei Jahre bestätigt, weil die Ehe lediglich 11 Jahre gedauert hatte, von denen die Ehegatten nur fünf Jahre zusammen gelebt hatten. Der unterhaltsberechtigte Ehemann verfügte dort über zwei Renten, die ihm einen deutlich über dem Existenzminimum liegenden Lebensstandard sicherten, während eine fortdauernde Unterhaltspflicht für die unterhaltspflichtige Ehefrau zu einer spürbaren Belastung geführt hätte.

    Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof dagegen eine Befristung abgelehnt und dabei der nachehelichen Solidarität der Ehegatten eine ausschlaggebende Bedeutung eingeräumt. Maßgebend dafür waren die Umstände beim Eheschluss (Alter der Ehefrau, Schwangerschaft, Aufgabe der Berufsausbildung) und der Verlauf der 26-jährigen Ehe, in der sich die Ehefrau ausschließlich der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet hatte. All dies begründet ein besonders schutzwürdiges Vertrauen, das bei der Frage nach einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen war.

    Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2009 XII ZR 111/08

  • FG Münster 3.12.2019: Verfahrenskosten von der Steuer absetzbar

    Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte versteuert. Dies hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 03.12.2019 entschieden (Az. 1 K 494/18 E).


    Die Klägerin und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann trennten sich im Jahr 2012. Vor dem Amtsgericht führten beide ein familienrechtliches Streitverfahren, das die Scheidung, den Versorgungsausgleich sowie den nachehelichen Unterhalt umfasste. Im Jahr 2014 wurde die Ehe durch Beschluss des Amtsgerichts geschieden und der frühere Ehemann der Klägerin zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts erhoben die Klägerin Beschwerde und ihr früherer Ehemann Anschlussbeschwerde beim Oberlandesgericht. Streitgegenstand dieses Verfahrens war die Höhe des zu zahlenden nachehelichen Unterhalts, wobei der frühere Ehemann der Klägerin begehrte, keinen Unterhalt zu zahlen, und die Klägerin höhere monatliche Zahlungen begehrte. Im Jahr 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande. In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin sog. sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozessführungskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten), die auf die Verfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt entfielen, steuermindernd geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab.

    Der 1. Senat hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Bei der Klägerin als Unterhaltsempfängerin seien die Prozessführungskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie den Unterhalt ihres geschiedenen Ehemannes nach § 22 Nr. 1a EStG versteuere. Die Klägerin habe die Prozessführungskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) steuerbare Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Die Unterhaltszahlungen seien gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerbare Einkünfte zu behandeln, weil der geschiedene Ehemann als Zahlungsverpflichteter die Möglichkeit gehabt habe, seine Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a EStG abzuziehen, sog. Realsplitting. Die Unterhaltszahlungen würden den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folge, dass auch ein Werbungskostenabzug vollumfänglich möglich sein müsse.

    Da die Aufwendungen der Klägerin vollständig als Werbungskosten berücksichtigungsfähig waren, musste der Senat nicht über die Frage entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Prozessführungskosten zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein können.

    Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Erwerbsbonus: Wird die 3/7-Methode durch den BGH abgeschafft?

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