Unterhalt

Familienunterhalt - Trennungsunterhalt - Kindesunterhalt - Nachscheidungsunterhalt - Studentenunterhalt - Elternunterhalt - Forderungsübergang - Unterhaltsvorschuss - Wohnvorteil - Obliegenheiten - 1615l BGB - Jugendamtsurkunde - Mehrbedarf - Sonderbedarf - Rund um Pferd und Hund - Selbstbehalt - Mangelfall

Erklärvideo zum Unterhalt: Wer zaudert, verliert
  • Anspruchsgrund und Anspruchshöhe

    Jede Unterhaltsbetrachtung bewegt sich in folgenden Schritten:

    Warum wird Unterhalt geschuldet? (Anspruchsgrundlage)

    An welchem Einkommen des Pflichtigen knüpft die Berechnung an (Einkommensermittlung)?

    Warum kann der Unterhaltsbedürftige seinen Bedarf nicht decken? (Erwerbsobliegenheit / fiktives Einkommen)

    Kann der Unterhaltspflichtige die Bedürfnisse aller Familienmitglieder ausreichend decken? (Leistungsfähigkeit / Mangelfall)


    Die Existenz von Regelwerken und Tabellen darf nicht von einem Grundsatz ablenken: Jede Unterhaltsberechnung ist individuell und einzelfallbezogen. Tabellen und Leitlinien sind nur eine Hilfe für die Praktiker. Die Anwendung durch Laien ist fehleranfällig.

  • Achtung, Falle: kein Unterhalt für vergangene Monate

    Wichtig: Unterhalt für die Vergangenheit kann nicht gefordert werden. Das gilt für jeden Unterhalt. Je eher also per Anwaltsschreiben zur Auskunft über die Einkommensverhältnisse aufgefordert wird, desto eher rollt der Rubel.

  • Sofortige Wirksamkeit

    Wer vom Amtsgericht – Abteilung Familiengericht – zu Unterhalt verurteilt wird, setzt häufig große Hoffnungen in die zweite Instanz beim OLG und geht nicht davon aus, dass er schon alles bezahlen muss, bevor die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

    Weit gefehlt: Unterhaltsentscheidungen sind in der Regel „sofort wirksam“, so dass der Unterhaltsgläubiger sofort vollstrecken kann. Das regelt § 116 FamFG, wonach der Amtsrichter in der Regel die sofortige Wirksamkeit anordnen soll.


    Im Fall des OLG Karlsruhe ging es um laufend 1.400 € Ehegattenunterhalt und knapp 8.000 € Rückstand. Nur den laufenden Unterhalt hatte das FamG mit der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit versehen, die Frau wollte aber auch den Rückstand sofort. 


    Zwischen dem laufenden Unterhalt und dem Rückstand wird häufig differenziert, weil es bei der sofortigen Wirksamkeit um die Sicherung des Lebensunterhaltes geht. Wer auch die Rückstände sofort fällig haben will, muss dem FamG darlegen, warum auch die schon vorläufig zur Sicherung seines Lebensbedarfs dringend benötigt werden, z.B. weil sich auf Grund des nicht gezahlten Unterhalts auf seinem Bankkonto erhebliche Belastungen angesammelt haben. 


    Das OLG meinte hier, dass die Frau darauf verzichtet habe, in einem zweiten Verfahren eine einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG zu beantragen, die mit Erlass sofort wirksam und vollstreckbar gewesen wäre, sei ein Indiz dafür, dass sie nun auch warten könne, bis das OLG über den Fall entschieden habe. Unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich die Investition in ein zweites Verfahren.


    Hinweis: Die sofortige Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit ist für den Unterhaltsschulder misslich, wenn er davon ausgehen kann, dass er zuviel Gezahltes faktisch nicht zurückbekommen wird, weil der Unterhaltsgläubiger das verbraucht und keine anderen materiellen Werte hat. Hier hilft nur rechtzeitige anwaltliche Taktik.


    OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.10.2022 - Aktenzeichen 5 UF 107/22 

  • Einkommensprognose

    Geht es um den laufenden, vor allem um den zukünftigen, Unterhalt, muss man prognostizieren, welches Einkommen bei üblichem Verlauf erzielt werden wird. Dazu nimmt man die Einkommensverhältnisse der letzten 12-36 Monate. Dies dient nicht dazu, aus der Vergangenheit einen Durchschnitt zu bilden, sondern dazu, die Zukunft hochzurechnen. Bekannte Entwicklungen wie Gehaltserhöhungen sind daher fortzuschreiben.


    Zum Einkommen gehört das gesamte Erwerbseinkommen nebst Sachleistungen wie Dienstwagen, Erträge aus Vermögen, Netto-Mieteinnahmen und ein Wohnvorteil.

  • Was ist ein bereinigtes Einkommen?

    Relevant ist immer 1/12 des künftigen (prognostischen) Jahreseinkommens. 

    "Bereinigtes Einkommen" ist das Nettoeinkommen (aus Erwerbstätigkeit, aus Zinseinkünften, aus Mieteinnahmen aus Renten usw.) abzüglich der berufsbedingten Aufwendungen und eheprägenden Belastungen, die dem Unterhaltsberechtigten entgegengehalten werden dürfen. 

    Dazu könnten Fahrtkosten, Hauskredite, Verbraucherkredite, Altersvorsorge, Versicherungen u.v.m. gehören.


    Eine sinnvolle Vorbereitung für den Besuch beim Anwalt ist, alle Fixkosten eines Jahres zu notieren - damit dieser sortieren kann, welche unterhaltsrelevant sind. Indem dies vorweg abgezogen wird, beteiligt sich ein Unterhaltsberechtigter rechnerisch an den Kosten oder Krediten. Bei Ehegattenunterhalt wird dadurch eine zusätzlicher Gesamtschuldnerausgleich entbehrlich.


    Die Bereinigung des Einkommens ist die Säule der Unterhaltsberechnung mit erheblichen Auswirkungen auf das Ergebnis.


  • Rechenformel zum Unterhalt

    Das Unterhaltsrecht ist geprägt von sogenannten "unbestimmten Rechtsbegriffen" wie Angemessenheit, Wohnvorteil, eheliche Lebensverhältnisse, Obliegenheit, Leistungsfähigkeit, eheprägend, Lebensbedarf u.v.m.


    Daher kann kein Unterhaltsberechnungsprogramm das Mitdenken eines erfahrenen Familienrechtlers ersetzen und auch auf dem Markt verfügbare Rechentools sind nur so gut wie ihr Anwender.


    Als Faustformel gilt: Am Ende der Berechnung sollen die beteiligten verheirateten Erwachsenen gleich reich oder arm sein - nur abgesehen vom "Erwerbsanreiz". Das nennt man den Halbteilungsgrundsatz.


    Der Erwerbsanreiz liegt inzwischen bundeseinheitlich bei 10%, die Siebtel-Regelung im Rheinland gibt es nicht mehr.


  • Einkommensteuer richtig abziehen

    Steuer-Nachzahlungen und -Erstattungen sind beim Unterhalt so zu berücksichtigen, wie sie anfallen und die Liquidität tatsächlich erhöhen oder mindern, das nennt sich das „In-Prinzip“ (anstelle des „Für-Prinzipes“). Das kommt insbesondere 

    Hat ein Selbstständiger mehr verdient als die Grundlage seiner Vorauszahlungsbescheide war, fällt später einen erheblicher Nachzahlungsaufwand an. Die Unterhaltsberechtigten haben dann aber in der Regel an dem hohen Einkommen partizipiert, z.B. während des Zusammenlebens. Das müsste der Unterhaltspflichtige darlegen. Dann mindert die Nachzahlung das unterhaltsrelevante Einkommen in dem Jahr, in dem die Nachzahlung fällig wird. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, z.B. wenn ein Unterhaltspflichtiger trotz Kenntnis seiner Barunterhaltspflicht verspätet seine Erklärung zur Einkommensteuer abgibt und seinen Arbeitgeber nicht auf die veränderten Lohnsteuermerkmale hinweist.

    OLG Saarbrücken Beschl. v. 20.7.2021 – 6 UF 167/20


  • Abziehbare Altersvorsorge

    Grenze der unterhaltsrechtlich zulässigen zusätzlichen Altersvorsorge beim Ehegatten- und Kindesunterhalt: 4 % des Bruttoeinkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung sowie insgesamt 22,6 % (18,6 % + 4 %) auf den darüber hinausgehenden Teil des Bruttoeinkommens, BGH-Rechtsprechung umgesetzt z.B. von OLG Celle, Beschluss vom 13.05.2020 - 15 UF 154/19

    Aber Achtung: nach neuerer BGH-Rechtsprechung spielt Immobilientilgung eine Sonderrolle.

  • Fahrtkosten und Autokredit

    Immer wieder Streit gibt es bei der Berechnung von Fahrtkosten, insbesondere, wenn der Pkw kreditfinanziert ist.

    Das brandenburgische OLG war im Beschluss vom 12.06.2020 - 9 UF 166/19 – sehr streng.

    Zunächst kürzte es die üblichen 220 Arbeitstage pro Jahr hier konkret auf 208. In der Kilometerpauschale von 0,30 EUR seien sämtliche Pkw-Betriebskosten (Benzin, Öl, Reifen, Wartung, Reparatur, Versicherung und Steuer und zudem die Anschaffungskosten - dazu sogleich gesondert) enthalten.

    Deshalb – weil die Anschaffungskosten enthalten sind – wurde die 200-Euro-Rate für die Finanzierung nicht zusätzlich abgezogen. Ein vom BGH in FamRZ 2006, 846 angedeuteter Ausnahmefall liege nicht vor.

    Dabei spielte allerdings auch eine Rolle, dass es sich um Unterhalt für ein minderjähriges Kind handelte, weshalb eine besonders kritische Würdigung der Begründung einer neuen erheblichen Darlehensverpflichtung geboten war. Die Neuverschuldung stand in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Inanspruchnahme wegen Unterhalts des minderjährigen Sohnes und der Vater hatte nicht gut genug erklärt, warum er das frühere Fahrzeug ersetzen musste.


  • Mit dem Dienstwagen zur Arbeit

    Es ging beim OLG Brandenburg um Unterhalt. 

    Der Ehemann ist als Bauleiter angestellt. Er erhält von seinem Arbeitgeber ein Dienstfahrzeug, welches er nur für rein dienstliche Zwecke nutzen dürfe. Daneben verfügt er über einen privaten Pkw.

    Das OLG beantwortet hier die Frage, ob der Dienstwagen als „Sachbezug“ gilt, der das Einkommen erhöht. 


    Das wäre nur dann der Fall, wenn der Dienstwagen private Kosten einsparen würde. Das ist hier nicht der Fall, weil die Privatnutzung arbeitsvertraglich nicht erlaubt ist. Wird der Sachwert (z.B. ein Firmenwagen) gemäß den vertraglichen Regelungen nur geschäftlich genutzt, scheidet eine Erhöhung des unterhaltsrechtlichen Einkommens aus. 


    Allerdings kann eine Berücksichtigung noch indirekt darüber erfolgen, dass ein ansonsten anfallender beruflich bedingter Aufwand entfällt. Wenn der Dienstwagen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unentgeltlich genutz wird, kann man nicht zusätzlich noch berufsbedingte Kosten geltend machen. 

    Nun hat hier der Ehemann zwar behauptet, er nutze für diese Wege nicht den Dienstwagen, sondern seinen Privatwagen, aber dem OLG fiel in den Steuerunterlagen auf, dass er dort die Wegekosten nicht abgesetzt hat. Dies deute als Indiz darauf hin, dass er den Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohn- und Firmensitz benutzt hat. 


    Im Ergebnis wurde ihm also nicht der Dienstwagen als Sachbezug nach der 1%-Methode als Einkommen zugerechnet, aber er konnte keine Kilometerkosten beim Unterhalt geltend machen.


    Da er noch andere beruflich bedingte Aufwendungen hatte, konnte er aber noch die 5%-Pauschale dafür abziehen, die die Unterhalts-Leitlinien mancher Oberlandesgerichte (OLG Köln nicht) dafür vorsehen.


    OLG Brandenburg - Beschluss vom 30.08.2021 - 9 UF 239/20


  • Car Allowance im Unterhalt

    Die Frage, wie die so genannte „Car Allowance“, also ein vom Arbeitgeber für die dienstliche Nutzung eines vom Arbeitnehmer selbst anzuschaffenden Pkw, unterhaltsrechtlich zu beurteilen ist, hat der BGH am 21.10.2020 beantwortet.

    Die Bemessung der dienstlich veranlassten Aufwendungen nach § 287 ZPO ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige das Fahrzeug auch privat nutzen konnte. Deshalb können die Beträge für die Kraftfahrzeugversicherung, die -steuer und z.B. eine Leasingrate nicht ohne weitere Prüfung des Umfangs der privaten Nutzung vollständig vom Einkommen abgezogen werden. Von den konkret bzw. pauschal bemessenen Kosten sind nur diejenigen anteilig abzusetzen, die durch die dienstliche Nutzung veranlasst sind.

    BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2020 -XII ZB 201/19 –


  • Mietfrei Wohnen ist Einkommen

    Als Einkommen gilt übrigens auch der "Wert des mietfreien Wohnens", wenn es Wohneigentum gibt. Indem dies in der Ehegatten-Unterhaltsberechnung berücksichtigt wird, muss nicht zusätzlich nachgedacht werden, ob der, der nach der Trennung allein im Haus wohnt, Miete bzw. Nutzungsentschädigung zahlen müsste. 

    Die Höhe dieses Wohnwertes hängt davon ab, wie lange die Trennung schon andauert, ob schon ein Scheidungsverfahren läuft, ob der Ehegatte Alleineigentümer ist u.v.m.

  • Selbstbegrenzung durch Bezifferung

    Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch schon beziffert, nachdem er Auskunft gemäß § 1613 Abs. 1 BGB begehrt hatte, so kann er einen höheren Unterhalt rückwirkend nicht verlangen, wenn der Unterhaltspflichtige bei der erstmals erfolgten Bezifferung nicht mit einer Erhöhung zu rechnen brauchte. 


    "Gemäß § 1585 b Abs. 2 i.V.m. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.


    Ob der Unterhaltsberechtigte, der vom Unterhaltspflichtigen zunächst Auskunft begehrt und später seinen Anspruch beziffert hat, im Nachhinein die ursprüngliche Bezifferung rückwirkend erhöhen kann, ist streitig (dafür Frerix FamRZ 2000, 1046; Johannsen/Henrich/Graba Familienrecht 5. Aufl. § 1613 BGB Rn. 3; aA OLG Düsseldorf Urteil vom 27. Februar 2011 - 7 UF 99/10 - juris Rn. 14; AG Wesel FamRZ 2000, 1045; Keuter FamRZ 2009, 1024 mwN zum Meinungsstand).


    § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB erlaubt es grundsätzlich nicht, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich betragsmäßig zu erhöhen.


    Zwar berechtigt § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB den Unterhaltsgläubiger für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an Unterhalt zu fordern, zu welchem der Verpflichtete zur entsprechenden Auskunftserteilung aufgefordert worden ist. Nach dem Wortlaut der Norm steht eine zwischenzeitlich erfolgte Bezifferung des Unterhalts einer rückwirkenden Erhöhung nicht entgegen. Allerdings bedarf die Norm einer einschränkenden Auslegung. Der Unterhaltspflichtige wird ab Zugang des Auskunftsbegehrens vom Gesetzgeber nicht mehr als schutzwürdig angesehen, da er von nun an konkret damit rechnen muss, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden und hierzu gegebenenfalls Rückstellungen bilden kann (vgl. BT-Drucks. 13/7338 S. 31; Senatsurteil vom 22. November 2006 - XII ZR 24/04 - FamRZ 2007, 193, 195 f.). Soweit der Unterhaltsberechtigte aber seinen Unterhaltsanspruch nach Auskunftserteilung beziffert hat, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch gegebenenfalls im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen, braucht der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe zu rechnen. Ließe man es dagegen zu, dass der Gläubiger Monate später noch Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend machen kann, die möglicherweise weit über 40 die ursprünglichen Forderungen hinausgehen, würde man dem Schuldner genau das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufbürden, vor welchem § 1613 BGB ihn schützen will (Keuter FamRZ 2009, 1024, 1026). Außerdem erscheint es nicht gerechtfertigt, dem Unterhaltsberechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besser zu stellen als den Unterhaltsberechtigten, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründet § 1613 Abs. 1 BGB nur in Höhe des bezifferten Betrages Verzug, so dass eine nachträgliche Erhöhung des Anspruchs rückwirkend nicht möglich ist (Senatsurteil vom 15. November 1989 - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 283, 285).


    bb) Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.


    Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht die Möglichkeit einer rückwirkenden Erhöhung bejaht. Dies gilt sowohl für den Zeitraum von August 2009 bis Juli 2010, für den die Antragstellerin rückwirkend zusätzlich zu dem zunächst bezifferten Unterhalt von 310,50 € monatlich Altersvorsorgeunterhalt begehrt, als auch für August 2010 für den die Antragstellerin einen Elementarunterhalt von 1.254,71 € zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 366 € begehrt statt der ursprünglich bezifferten 310,50 €.


    (1) Zwar hat der Senat entschieden, dass Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden kann, in dem er ausdrücklich geltend gemacht worden ist. Es reicht mit Rücksicht darauf, dass Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt nicht Gegenstand eigenständiger Ansprüche sind, sondern lediglich Teile des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs, für die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen vielmehr aus, dass von diesem Auskunft mit dem Ziel der Gel-43 tendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist; eines gesonderten Hinweises, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, bedarf es nicht (Senatsurteil vom 22. November 2006 - XII ZR 24/04 - FamRZ 2007, 193, 196).


    Diese Ausführungen beziehen sich indessen allein auf das Auskunftsersuchen als solches, nicht auf die Bezifferung. Sofern der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, ohne damit einen Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, scheidet ein rückwirkend verlangter, über den bezifferten Betrag hinausgehender Unterhalt aus. Denn Unterhalt wird regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht, so dass die Vermutung gegen eine Teilforderung spricht. Beziffert der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch, ohne zugleich Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, fehlt es an einem erkennbaren Vorbehalt hinsichtlich einer etwaigen Nachforderung von Vorsorgeunterhalt. Auch in den Fällen, in denen sich der Unterhaltsgläubiger nicht bewusst war, Vorsorgeunterhalt verlangen zu können, kann von einem solchen Vorbehalt nicht ausgegangen werden. Aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten ist nämlich der gesamte Unterhalt geltend gemacht worden, während die Annahme eines Vorbehalts voraussetzt, dass sich der Unterhaltsberechtigte des Bestehens einer weiteren Forderung bewusst war (vgl. zur Teilklage Senatsurteil vom 3. April 1985 - IVb ZR 19/84 - FamRZ 1985, 690).


    (2) Entsprechendes gilt für die Unterhaltsforderung für August 2010, wobei dort zudem der Elementarunterhalt rückwirkend erhöht worden ist."


    BGH, Beschluss vom 07.11.2012 - XII ZB 229/11

  • Wie hoch ist der Bedarf der Unterhaltsberechtigten?

    Die Höhe des Bedarfs ergibt sich nur bei Kindern aus der Düsseldorfer Tabelle. Bei Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse Grundlage der Bedarfsermittlung.

  • Was sind Erwerbsobliegenheit und fiktives Einkommen?

    Sowohl der Unterhaltspflichtige als auch der berechtigte Ehegatte sind in der Regel verpflichtet, ihre Arbeitskraft zum Geldverdienen einzusetzen. Das nennt man "Obliegenheiten". 


    Bis zu welchem Kindesalter ein betreuender Elternteil gar nicht arbeiten muss, dann Teilzeit und schließlich vollschichtig, hing früher strikt vom Alter der Kinder ab und stand konkret in den Leitlinien der Oberlandesgerichte, sog. Altersphasenmodell. Seit 2008 ist eine individuelle Betrachtung - z.B. der Fremdbetreuungssituation für die Kinder und der MItbetreuung durch den anderen Elternteil - angezeigt.


    Wer eine "Erwerbsobliegenheit" hat, aber keine Arbeit, der muss sich Arbeit suchen - und zwar mit demselben zeitlichen Aufwand, wie er arbeiten müsste (d.h. z.B. 35 Stunden wöchentlich mit der Suche verbringen und das dokumentieren). Wer den Richter nicht überzeugen kann, dass seine Erwerbslosigkeit nicht an ihm liegt, dem kann - egal ob Pflichtiger oder Bedürftiger - ein Einkommen unterstellt werden, das sog. fiktive Einkommen. 


    Wer den Richter mit dem Satz abspeisen will "Ich bin beim Arbeitsamt gemeldet und frage da regelmäßig nach", der wird vom Richter hören, dass man beim Arbeitsamt keine Arbeit findet.


  • Ich habe nicht genug Geld für alle

    Die rechte Spalte der Düsseldorfer Tabelle enthält einen vom Einkommen abhängigen "Bedarfskontrollbetrag". 

    Wer viele Unterhaltsberechtigte zu versorgen hat, kann unter den Bedarfskontrollbetrag für sich selbst geraten.

    Wenn die Verhältnisse noch enger sind, kann sogar der Selbstbehalt gefährdet sein. Auch dessen Höhe steht in der "Düsseldorfer Tabelle".

    Dann ist eine Mangelfallberechnung notwendig: Zuerst der Unterhaltspflichtige, dann die Kinder, dann der andere Ehegatte oder weitere Unterhaltsberechtigte. 

    Wer mangels ausreichender Verteilungsmasse hinten runter fällt, muss zur Not "Hartz IV" beantragen.

  • Sättigungsgrenze

    Wie der Begriff Sättigungsgrenze schon sagt: Wenn man satt ist, ist man satt - mehr geht nicht. Unterhalt ist zum "Verzehr" im weitesten Sinn gedacht, nicht zum Sparen.


    Wenn die Einkommensverhältnisse in der Ehe also so sind, dass man nicht von der Hand in den Mund gelebt hat, sondern jeden Monat neu Vermögen bilden konnte und wenn auch durch trennungsbedingten Mehraufwand dies nicht verbraucht werden kann, dann greift die sogenannte Sättigungsgrenze.


    Ausgangspunkt der Überlegung des BGH ist:


    Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.


    vgl. Beschluss vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16

    Grundsatzurteil:

    BGH-Urteil vom 11.8.2010 - XII ZR 102/09


    Die OLG-Rechtsprechung, ab welchem Einkommen diese Sättigungsgrenze anzuwenden sei, war sehr uneinheitlich, ebenso die Leitlinien.

    Der BGH hat am 15.11.2017 eine Messlatte gelegt, nämlich ein "Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommens".


    Das waren - Stand DT 2021 - 11.000 € netto, wobei auch ein Wohnvorteil zum Einkommen gehört.

    Sehr viele Fälle, die bisher nach der konkreten Bedarfsmethode hätten gerechnet werden müssen, sind jetzt wieder nach Quote (bundeseinheitlich 45%) zu ermitteln.


    Der BGH hat die Grenze höher gelegt "zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalts". Die Fälle, in denen der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf konkret darlegen muss, sollen also die absolute Ausnahme sein, wenn er mit 3/7 bzw. 45% bzw. 50% von 11.000 € (das sind je nach Fall und Region zwischen 4.700 € und 5.500 €) nicht auskommen kann.


    Die „Düsseldorfer Tabelle“ 2021 war unter dem Gesichtspunkt der BGH-Entscheidung vom 16.9.2020 - XII ZB 499/19 – in der es um besonders leistungsfähige Eltern geht, kritisch zu betrachten. Denn die Macher der DT konnten die rechnerischen Auswirkungen vor dem Jahreswechsel nicht mehr berücksichtigen, sondern nur in der letzten Zeile auf diese Entscheidung hinweisen. Dabei geht es nun um die sog. „Fortschreibung“ des dynamischen Unterhaltes für Kinder, deren unterhaltspflichtiger Elternteil zwischen 5.500 EUR und 11.000 EUR verdienen. 2022 wurd die DüssTab fortgeschrieben.




  • Unterhalt und Gesamtschuld

    Wenn ein Paar Kredite gemeinsam abschliesst, sind sie Gesamtschuldner; wenn nur einer die vollen Raten trägt, will er in der Regel vom Anderen die Hälfte zurück. Das geht nicht, wenn die Raten bei der Ehegatten-Unterhaltsberechnung bereits abgezogen wurden, denn dadurch ist die nahezu hälftige Beteiligung des Anderen – konkret 45% - bereits erfolgt. Das ist eine Annahme einer anderweitigen Bestimmung i. S. des § 426 I S. 1 BGB, die einen anschließenden Gesamtschuldnerausgleich ausschließt. Das gilt aber nach nicht, wenn die Schuldraten nur beim Kindesunterhalt berücksichtigt wurden, weil dadurch keine hälftige Berücksichtigung erfolgt – im Zweifel nicht einmal eine Auswirkung auf den Zahlbetrag, wenn mit oder ohne Raten dieselbe Einkommensgruppe passt. In seltenen Mangelfällen, in den die Kreditrate sich doch voll auswirkt und der kinderbetreuende Elternteil aus seinen Einkünften den Restbedarf der Kinder gedeckt hat, muss nach § 242 BGB korrigiert werden. 


    OLG Celle Beschl. v. 17.5.2023 – 21 UF 3/23

Bevor Sie nach der Trennung mit freiwilligen Unterhaltszahlungen beginnen, müssen Sie sich fachkundig beraten lassen. Zu viel gezahlten Unterhalt gibt es nicht zurück, da hilft auch nicht die Idee, zu viel gezahlten Kindesunterhalt mit zu wenig gezahltem Trennungsunterhalt zu verrechnen, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.4.2019 – II-3 UF 197/18.

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