BGH 15.12.2021 - XII ZB 557/20
BGH 09.03.2022 - XII ZB 233/21
BGH 18.05.2022 - XII ZB 325/20
1. Steuerliche Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. Dezember 2004 - XII ZR 75/02, FamRZ 2005, 1159).
2. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden, ist bis zur erzielten Miete nicht nur die - die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde - Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschlüssen vom 18. Januar 2017 - XII ZB 118/16, BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519 und vom 4. Juli 2018 - XII ZB 448/17, FamRZ 2018, 1506).
3. Selbständige können in der Summe 24% ihres Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres für die Altersvorsorge aufwenden und damit - soweit eine solche Vorsorge tatsächlich betrieben wird - von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen absetzen (im Anschluss an Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05, BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739). Im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte Tilgungsleistungen sind auf diese Altersvorsorgequote nicht anzurechnen (Fortführung von Senatsbeschluss vom 18. Januar 2017 - XII ZB 118/16, BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519).
Der Fall:
Eheleute streiten nach 21 Jahre Ehe um Ehegatten- und Kindesunterhalt. Der Mann bezieht sein Einkommen nur aus Immobilien.
Bereits bekannt – und auch vom OLG in der Vorinstanz berücksichtigt – war die BGH-Rechtsprechung, dass die AfA nur eine steuerliche Größe ist und das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht, weil ihnen lediglich ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens zugrunde liegt und die zulässigen steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sie durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarkts ausgeglichen werden können und der Wertverlust eines Gebäudes - soweit ein solcher eintritt - sich regelmäßig über einen so langen Zeitraum erstreckt, dass er gegenüber der Unterhaltspflicht vernachlässigt werden kann. Eine Berücksichtigung des mit der Nutzung zur Einkunftserzielung verbundenen Wertverlusts eines Gebäudes kommt nur dann in Betracht, wenn sich dieser Wertverlust anhand konkreter Zahlen feststellen lässt.
Bei Immobilien, die regelmäßig zu Verlusten geführt haben, ist abzuwägen, ob ihre unterhaltsrechtliche Berücksichtigung zu einer Vermögensbildung auf Kosten der unterhaltsberechtigten erfolgen würde.
Soweit die Minderung der Steuerlast auf der AfA beruht, ist nicht fiktiv zu rechnen, denn die ersparten Beträge stehen tatsächlich für den Unterhalt der Familie zur Verfügung.
Der BGH hatte am 18.1.2017 - XII ZB 118/16 - im Rahmen des Elternunterhalts entschieden, dass dem grundsätzlich einkommenserhöhenden Wohnvorteil nicht nur die Zinsleistung gegenzurechnen ist, die der die Immobilie Nutzende auf einen zu ihrer Finanzierung aufgenommenen Kredit erbringt. Auf den Wohnvorteil sind vielmehr auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts anzurechnen. Denn auch bei diesen handelt es sich nicht um eine Vermögensbildung "zu Lasten" des Unterhaltsberechtigten, da es ohne Zins und Tilgung schon den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht gäbe. Für den Ehegattenunterhalt ist das nicht anders zu beurteilen (BGH vom 4. Juli 2018 - XII ZB 448/17 – Rn. 31).
Neu ist nun mit der BGH-Entscheidung vom 15.12.2021:
Diese Argumentation gilt aber nicht nur für einen Wohnvorteil, sondern auch für Einkünfte aus VuV, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden. Bis zur erzielten Miete ist daher bei diesen ebenfalls nicht nur die - die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde - Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.
Im entschiedenen Fall hatte das OLG die Summe aller Mieteinnahmen mit der Summe aller Darlehensraten verrechnet. Das war falsch: Damit wurde zum Nachteil der Ehefrau eine unzulässige Vermögensbildung des Ehemannes ermöglicht.
Die neue Rechtsprechung hat auch Einfluss auf die Frage der zulässigen Altersvorsorge. Im entschiedenen Fall waren es wegen der Selbständigkeit 24% gesamt – bei Angestellten wären es neben der primären Altersvorsorge weitere 4% aus dem Pflichtversicherungseinkommen und 22,6% aus dem darüberliegenden Einkommen.
Die Berechnung erfolgt nicht fiktiv, sondern kappt nur tatsächlich betriebene Altersvorsorge. Bemessungsgrundlage ist jeweils das aktuelle Jahr, nicht das Vorjahr.
Nun war zu entscheiden, ob die Darlehenstilgungen, die nach den vorangestellten Erwägungen von den VuV-Einkünften abziehbar sind, auf die Altersvorsorgequote von 24 % anzurechnen sind und damit den als Altersvorsorge möglichen Höchstbetrag reduzieren.
Zwar bildet ein Unterhaltsschuldner, der mit den Mieteinnahmen aus einem darlehensfinanzierten Objekt neben Zinszahlungen auch die Tilgung bestreitet, sukzessive unbelastetes Immobilieneigentum, das grundsätzlich zur Altersvorsorge geeignet ist. Bis zur Obergrenze der Mieteinkünfte geht diese Tilgung aber letztlich nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten, weil die Mieteinnahmen erst durch Zins und Tilgung ermöglicht werden. Es verhält sich insoweit nicht anders als bei der Anrechnung der Tilgung auf den Wohnwert eines vom Unterhaltsschuldner für eigene Wohnzwecke genutzten Objekts. Für diese Fallgestaltung hat der Senat bereits anerkannt, dass nur die den Wohnwert übersteigende Tilgung eine zusätzliche, unterhaltsrechtlich relevante Altersvorsorge darstellt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519 Rn. 32 ff.). Denn nur insoweit werden nicht durch Zins und Tilgung erst generierte Einkünfte unterhaltsrechtlich "neutralisiert", sondern davon unabhängige Mittel des Unterhaltsschuldners "auf Kosten des Unterhaltsberechtigten" zur Vermögensbildung verwendet.
Der BGH erläutert in dieser Entscheidung nochmal, warum der
Erwerbstätigenbonus von 1/7 zu stark vom Halbteilungsgrundsatz abweicht – schon vor Veröffentlichung dieser Entscheidung hatten alle OLGs das in den Leitlinien 2022 schon umgesetzt und gehen nur noch von 10% aus.
Auch beim Kindesunterhalt können grundsätzlich bis zur Höhe des Wohnvorteils neben den Zinszahlungen zusätzlich die Tilgungsleistungen berücksichtigt werden, die der Unterhaltspflichtige auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt. Überschreitet der Schuldendienst für die Immobilie den dadurch geschaffenen Wohnvorteil nicht, ist aber gleichwohl der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet, kann dem gesteigert Unterhaltspflichtigen zwar nicht eine vollständige Aussetzung der Tilgung, wohl aber nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise eine Tilgungsstreckung zugemutet werden. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine besonders hohe Tilgung vereinbart wurde oder die Immobilie bereits weitgehend abbezahlt ist.
Der Fall:
Ein Vater zahlt für seine 13 und 15 Jahre alten Kinder aus geschiedener Ehe keinen Unterhalt, weil er sich den nicht leisten könne. Die Unterhaltsvorschusskasse beim Jugendamt sprang ein, zahlte an die Mutter und möchte nun die Beträge vom Vater erstattet bekommen. Die Sache ging bis zum BGH, weil es eine ungeklärte Rechtsfrage gab.
Der Vater verdiente bereinigt 1.664 € netto und hatte sich eine kleine Immobilie zum Selbst-Bewohnen bankfinanziert gekauft. Der Mietwert war höher als die Raten an die Bank.
Insgesamt konnte der Vater sich damit unter Beachtung seines Selbstbehaltes von 1.160 € nicht den Mindestunterhalt leisten, sondern nur 252 € mtl. je Kind - dazu verurteilte ihn das AG.
Die Unterhaltsvorschusskasse wollte mehr mit der Begründung, dass von den Darlehensraten nur der Zins, nicht die Tilgung, abziehbar sei.
Das OLG hatte die Konstellation damit verglichen, wie es sei, wenn der Vater zur Miete wohne: Dann würde ja noch weniger für die Kinder zur Verfügung stehen, nämlich nicht die Differenz aus dem Wohnwert (350 €) und den Darlehen (322,50 €).
Das OLG bestätigte die Entscheidung des AG.
Den Gedanken trug auch der BGH mit. Zwar handele es sich bei der Tilgung des Immobilienkredits um eine Vermögensbildung – und die sei zu Lasten eines Mindest-Kindesunterhaltes Minderjähriger nicht gestattet. Aber in diesem Fall gingen die Kreditraten nicht "zu Lasten" des Unterhaltsberechtigten, weil es ohne Zins und Tilgung den zu seinen Gunsten berücksichtigten Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete gar nicht gäbe. Im Gegenteil: es bklieben durch die Anschaffung der Immobilie noch 27,50 € für den Kindesunterhalt übrig.
Hinweis:
Anders, wenn die Darlehensraten höher sind als die ersparte Miete: Das wird beim Mindest-Kindesunterhalt sehr kritisch gesehen und muss zur der Prüfung führen, ob eine ungewöhnlich hohe Tilgung vereinbart wurde.
BGH: "Allerdings ist es - insbesondere bei der Gefährdung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder - nicht generell ausgeschlossen, dem Unterhaltspflichtigen eine Obliegenheit zur Tilgungsstreckung aufzuerlegen. Das Argument, dass die gesamte Darlehensrate einschließlich des darin enthaltenen Tilgungsanteils durch den gegenzurechnenden Wohnvorteil kompensiert wird, zwingt lediglich dazu, dem Grunde nach neben den Zinszahlungen auch Tilgungsleistungen auf das Finanzierungsdarlehen anzuerkennen, ohne dass damit in jedem Fall etwas über die Höhe der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Tilgungsanteile ausgesagt wäre (vgl. Norpoth FamRZ 2008, 2245 , 2249). Nur eine völlige Aussetzung der Tilgungsleistungen ist dem Unterhaltspflichtigen im Rahmen der Interessenabwägung regelmäßig unzumutbar. Wird trotz vollständiger Kompensation des Schuldendienstes durch den gegenzurechnenden Wohnvorteil die Darlehenstilgung gestreckt und dadurch ein dem Unterhaltspflichtigen unterhaltsrechtlich zuzurechnender positiver Wohnwert erzeugt, bewirkt dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise freilich eine Herabsetzung des maßgeblichen Selbstbehalts, und zwar mit der Begründung, dass der Unterhaltspflichtige als Darlehensnehmer - bei nunmehr herabgesetzten Tilgungsanteilen - für die Deckung der Wohnbedürfnisse im eigenen Haus weniger Mittel aufwenden muss, als wenn er das gleiche Haus als Mieter bewohnen würde und dafür als Entgelt die objektive Marktmiete bezahlen müsste. Dies wird nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden können, so etwa, wenn eine ungewöhnlich hohe Tilgung vereinbart oder das Eigenheim bereits weitgehend abgezahlt worden ist.
Davon kann unter den hier obwaltenden Umständen nicht ausgegangen werden. Die Rückzahlung des grundpfandrechtlich gesicherten Kredits bei der D.-Bank ist auf 30 Jahre ausgelegt. Der in den vereinbarten Kreditraten enthaltene anfängliche Tilgungssatz liegt - bezogen auf beide von dem Antragsgegner aufgenommenen Finanzierungsdarlehen - unter 2 %. Da der Antragsgegner die Darlehen mit diesem anfänglichen Tilgungssatz erst seit dem Jahr 2017 bedient, konnte bislang auch noch kein nennenswerter Teil der gesamten Darlehensschuld zurückgezahlt werden."
BGH, Beschluss vom 09.03.2022 - Aktenzeichen XII ZB 233/21
Typischer Fall: Eltern trennen sich, Vater zieht aus, Mutter und Kinder bleiben im Eigenheim wohnen. Wenn das Eigenheim bereits abbezahlt ist oder der Vater die Kreditraten trägt, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, was das für den Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle bedeutet. Denn in dem Warenkorb der Tabelle sind natürlich auch Wohnkosten enthalten, die aber hier nicht konkret anfallen. Der BGH hat diese Frage nun geklärt.
Im konkreten Fall war das Haus abbezahlt und gehörte dem Vater zu 60%, der Mutter zu 40%. Der Vater hatte von der Mutter keine Nutzungsentschädigung für seinen Anteil verlangt, die Mutter hatte vom Vater keinen Trennungsunterhalt verlangt.
Am 31.10.2012 und 17.12.2008 hatte der BGH bereits Überlegungen zu der in der Literatur vertretenen Meinung angestellt, ob man 20% des Tabellenbedarfes als Wohnkosten ansetzen kann und – wenn das Haus dem barunterhaltspflichten Elternteil gehört – in dieser Höhe eine bedarfsdeckende Erfüllung des Unterhaltsanspruches sehen kann.
Nun aber stellt der BGH klar, dass die Frage des Wohnvorteiles nicht in den Kindesunterhalt gehört, sondern auf die Ebene zwischen den Eltern – in den Trennungs-/ Nachscheidungsunterhalt oder als Nutzungsentschädigung.
Es steht den Eltern frei, dazu eine Berechnung durchzuführen, eine Vereinbarung zu treffen oder eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Dort wird dann der Wohnvorteil für das gesamte Objekt der Mutter zugeordnet und mindert ihren Unterhaltsanspruch bzw. muss sie Nutzungsentschädigung zahlen.
Der Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle ist aber in voller Höhe zu zahlen.
Hinweis:
Sowohl den Unterhalt zwischen den Ehegatten als auch die Nutzungsentschädigung bekommt man nicht rückwirkend, wenn der andere nicht „in Verzug“ gesetzt wurde. Daher ist es immer die schlechteste Lösung, nicht unmittelbar nach der Trennung auch die o.g. Berechnung durchzuführen.
BGH 18.05.2022 - XII ZB 325/20
Wenn ein Paar Kredite gemeinsam abschliesst, sind sie Gesamtschuldner; wenn nur einer die vollen Raten trägt, will er in der Regel vom Anderen die Hälfte zurück. Das geht nicht, wenn die Raten bei der Ehegatten-Unterhaltsberechnung bereits abgezogen wurden, denn dadurch ist die nahezu hälftige Beteiligung des Anderen – konkret 45% - bereits erfolgt. Das ist eine Annahme einer anderweitigen Bestimmung i. S. des § 426 I S. 1 BGB, die einen anschließenden Gesamtschuldnerausgleich ausschließt. Das gilt aber nach nicht, wenn die Schuldraten nur beim Kindesunterhalt berücksichtigt wurden, weil dadurch keine hälftige Berücksichtigung erfolgt – im Zweifel nicht einmal eine Auswirkung auf den Zahlbetrag, wenn mit oder ohne Raten dieselbe Einkommensgruppe passt. In seltenen Mangelfällen, in den die Kreditrate sich doch voll auswirkt und der kinderbetreuende Elternteil aus seinen Einkünften den Restbedarf der Kinder gedeckt hat, muss nach § 242 BGB korrigiert werden.
OLG Celle Beschl. v. 17.5.2023 – 21 UF 3/23