Trennungsunterhalt nennt man den Unterhalt zwischen Eheleuten im Zeitraum von Trennung bis Rechtskraft der Scheidung. Nicht nur den für das erste Trennungsjahr.
Der Trennungsunterhalt ist für den Unterhaltsberechtigten grundsätzlich attraktiver als der Nachscheidungsunterhalt. Spiegelbildlich: für den Unterhaltspflichtigen kann der Trennungsunterhalt eine höhere Belastung verursachen als der Unterhalt nach der Scheidung.
Daraus folgt:
Ja, sogar wenn man nie zusammen lebte!
Das OLG Frankfurt hat die Voraussetzungen für den Anspruch auf Trennungsunterhalt näher bestimmt. Demnach setzt dieser weder voraus, dass die Ehepartner vor der Trennung zusammen gelebt haben, noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen bzw. zu einer inhaltlichen Lebensgemeinschaft gekommen ist. Auch eine Verwirkung des Anspruchs durch die besondere Ehegestaltung lehnte das Gericht ab.
Es war eine von Eltern arrangierte Ehe von jungen Leuten indischer Kultur, und das Paar entzweite sich, bevor es in eine gemeinsame Wohnung zog.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12.07.2019 - 4 UF 123/19
Die Rechtsbeschwerde war im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg vom 30.01.2001, FamRZ 2002, 753, und die abweichenden Stimmen in der Literatur, vgl. nur Staudinger/Voppel (2018), BGB § 1361 BGB Rdnr. 13, zugelassen.
Die Ehegatten haben also gegenläufige Motive, um die Dauer bis zur Scheidung zu pokern. Um eine Rechtskraft der Scheidung hinauszuzögern, gibt es mit anwaltlicher Hilfe mannigfaltige Möglichkeiten, "Sand ins Getriebe" des Scheidungsverfahrens.
Eine Lösung, um diese gegensätzlichen Interessen auszugleichen, liegt in einem Scheidungsfolgenvertrag. Darin kann für die Laufzeit des Unterhaltsanspruches ein festes Datum vereinbart werden. Typischerweise knüpfen die Eheleute dies am Alter ihrer Kinder an. Damit machen sie den Trennungs- und den Nachscheidungsunterhalt zu einem einheitlichen Anspruch - und können sich scheiden lassen ohne finanzielle Auswirkungen auf diese Zahlungen.
Das Unterhaltsrecht ist geprägt von sogenannten "unbestimmten Rechtsbegriffen" wie Angemessenheit, Wohnvorteil, eheliche Lebensverhältnisse, Obliegenheit, Leistungsfähigkeit, eheprägend, Lebensbedarf u.v.m.
Daher kann kein Unterhaltsberechnungsprogramm das Mitdenken eines erfahrenen Familienrechtlers ersetzen.
Als Faustformel gilt: Am Ende der Berechnung sollen die beiden Erwachsenen gleich reich oder arm sein - nur abgesehenm vom "Erwerbsanreiz". Das nennt man den halbteilungsgrundsatz.
Der Jahresbetrag dessen, was gefordert wird, setzt den Maßstab für Ihre Kosten nach der RVG-Gebührentabelle.
Aber: Gerade wenn Sie sich rechtzeitig - im Vorfeld - beraten lassen, gibt es ja noch keine bezifferte Forderung. Die soll ja erst das Ergebnis meiner Arbeit sein. Ich rechne daher zur beiderseitigen Klarheit lieber nach meiner aufgewendeten Zeit ab als nach diesem unbekannten Streitwert. Sie schließen mit mir eine Honorarverbeinbarung. So können Sie selbst beeinflussen, wie viel meiner Zeit Sie benötigen und wie viel ich Sie koste.
Wichtig: Unterhalt für die Vergangenheit kann nicht gefordert werden. Das gilt für jeden Unterhalt. Je eher also per Anwaltsschreiben zur Auskunft über die Einkommensverhältnisse aufgefordert wird, desto eher rollt der Rubel.
Jede Unterhaltsbetrachtung bewegt sich in folgenden Schritten:
Warum wird Unterhalt geschuldet? (Anspruchsgrundlage)
An welchem Einkommen des Pflichtigen knüpft die Berechnung an (Einkommensermittlung)?
Warum kann der Unterhaltsbedürftige seinen Bedarf nicht decken? (Erwerbsobliegenheit / fiktives Einkommen)
Kann der Unterhaltspflichtige die Bedürfnisse aller Familienmitglieder ausreichend decken? (Leistungsfähigkeit / Mangelfall)
Die Existenz von Regelwerken und Tabellen darf nicht von einem Grundsatz ablenken: Jede Unterhaltsberechnung ist individuell und einzelfallbezogen. Tabellen und Leitlinien sind nur eine Hilfe für die Praktiker. Die Anwendung durch Laien ist fehleranfällig.
Jeder Ehegatte, der wen iger hat als der andere - auch wenn er voll arbeitet!
Verheiratete haben gegeneinander den Anspruch auf Teilhabe an den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Grundsatz lautet zwar, dass jeder Ehegatte für seinen Unterhalt selbst sorgen muss. In der Praxis aber besteht derzeit ein Unterhaltsanspruch in 95% Prozent nach der Trennung.
Das wurde auch nicht 2008 abgeschafft. Das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz wollte die Eigenverantwortung der Unterhaltsberechtigten stärken und setzt auf Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhaltes - beim Trennungsunterhalt hat sich nichts geändert.
Relevant ist immer 1/12 des künftigen (prognostischen) Jahreseinkommens.
"Bereinigtes Einkommen" ist das Nettoeinkommen (aus Erwerbstätigkeit, aus Zinseinkünften, aus Mieteinnahmen aus Renten usw.) abzüglich der berufsbedingten Aufwendungen und eheprägenden Belastungen, die dem Unterhaltsberechtigten entgegengehalten werden dürfen.
Dazu könnten Fahrtkosten, Hauskredite, Verbraucherkredite, Altersvorsorge, Versicherungen u.v.m. gehören.
Eine sinnvolle Vorbereitung für den Besuch beim Anwalt ist, alle Fixkosten eines Jahres zu notieren - damit dieser sortieren kann, welche unterhaltsrelevant sind. Indem dies vorweg abgezogen wird, beteiligt sich ein Unterhaltsberechtigter rechnerisch an den Kosten oder Krediten. Bei Ehegattenunterhalt wird dadurch eine zusätzlicher Gesamtschuldnerausgleich entbehrlich.
Die Bereinigung des Einkommens ist die Säule der Unterhaltsberechnung mit erheblichen Auswirkungen auf das Ergebnis.
Grenze der unterhaltsrechtlich zulässigen zusätzlichen Altersvorsorge beim Ehegatten- und Kindesunterhalt: 4 % des Bruttoeinkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung sowie insgesamt 22,6 % (18,6 % + 4 %) auf den darüber hinausgehenden Teil des Bruttoeinkommens, BGH-Rechtsprechung umgesetzt z.B. von OLG Celle, Beschluss vom 13.05.2020 - 15 UF 154/19
Als Einkommen einer Familie gilt übrigens auch der "Wert des mietfreien Wohnens", wenn es Wohneigentum gibt. Indem dies in der Ehegatten-Unterhaltsberechnung berücksichtigt wird, muss nicht zusätzlich nachgedacht werden, ob der, der nach der Trennung allein im Haus wohnt, Miete bzw. Nutzungsentschädigung zahlen müsste.
Die Höhe dieses Wohnwertes hängt davon ab, wie lange die Trennung schon andauert, ob schon ein Scheidungsverfahren läuft, ob der Ehegatte Alleineigentümer ist u.v.m.
Vom Wohnwert wurden bisher nur die Zinsen abgezogen - die Tilgung galt als einseitige Vermögensbildung und konnte allenfalls im Rahmen der Altersversorgung (4% bzw. 5% bzw. 25% vom Bruttoeinkommen) berücksichtigt werden. Das Argument für diese Rechtsprechung war, dass einseitige Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten von dem Unterhaltsberechtigten nicht hingenommen werden müsse.
Im Beschluss vom 18.01.17 hat der BGH ausgeführt, dass Tilgungen auf die Immobilie bis zur Höhe des Einkommens des Unterhaltspflichtigen vom Wohnwert abgezogen werden können.
BGH 18.1.2017 (XII ZB 118/16).
Die Entscheidung erging zum Elternunterhalt.
In seiner Entscheidung vom 4.7.2018 (XII ZB 448/17) hat der BGH in Randziffer 31 bemerkt, dass er den Gedanken auch beim Nachscheidungsunterhalt anwenden wird, wenn ihm ein geeigneter Fall geboten wird:
"Die Zurückverweisung gibt dem Oberlandesgericht zugleich Gelegenheit, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519) im Zusammenhang mit dem angerechneten Wohnvorteil die Berücksichtigung auch der Tilgungsleistungen des Antragsgegners in Betracht zu ziehen."
Dies ist jedoch vielfach unbemerkt geblieben.
Bei vielen Amtsgerichten scheint noch nicht allgemeine Meinung zu sein, dass dies auch für sonstige Unterhaltsverhältnisse gilt. Einige OLG-Leitlinien haben diesen Aspekt 2020 ausdrücklich aufgegriffen -
vgl.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.6.19 – 8 UF 25/18 (Kindesunterhalt)
Die Höhe des Bedarfs ergibt sich nur bei Kindern aus der Düsseldorfer Tabelle. Bei Ehegatten sind die ehelichen Lebensverhältnisse Grundlage der Bedarfsermittlung.
Übersteigt der Bedarf 5.500 €, greift die Sättigungsgrenze.
OLG Hamm FamRZ 2019,792:
Wenn der berechnete Anspruch unter 50 € monatlich liegt, ist Aufstockungsunterhalt nur bei beengten Einkommensverhältnisses des Gläubigers zu gewähren; davon ist nicht auszugehen, wenn das Eigeneinkommen des Gläubigers über dem notwendigen Selbstbehalt liegt.
Sowohl der Unterhaltspflichtige als auch der berechtigte Ehegatte sind in der Regel verpflichtet, ihre Arbeitskraft zum Geldverdienen einzusetzen. Das nennt man "Obliegenheiten".
Bis zu welchem Kindesalter ein betreuender Elternteil gar nicht arbeiten muss, dann Teilzeit und schließlich vollschichtig, hing früher strikt vom Alter der Kinder ab und stand konkret in den Leitlinien der Oberlandesgerichte, sog. Altersphasenmodell. Seit 2008 ist eine individuelle Betrachtung - z.B. der Fremdbetreuungssituation für die Kinder und der MItbetreuung durch den anderen Elternteil - angezeigt.
Wer eine "Erwerbsobliegenheit" hat, aber keine Arbeit, der muss sich Arbeit suchen - und zwar mit demselben zeitlichen Aufwand, wie er arbeiten müsste (d.h. z.B. 35 Stunden wöchentlich mit der Suche verbringen und das dokumentieren). Wer den Richter nicht überzeugen kann, dass seine Erwerbslosigkeit nicht an ihm liegt, dem kann - egal ob Pflichtiger oder Bedürftiger - ein Einkommen unterstellt werden, das sog. fiktive Einkommen.
Wer den Richter mit dem Satz abspeisen will "Ich bin beim Arbeitsamt gemeldet und frage da regelmäßig nach", der wird vom Richter hören, dass man beim Arbeitsamt keine Arbeit findet.
Die rechte Spalte der Düsseldorfer Tabelle enthält einen vom Einkommen abhängigen "Bedarfskontrollbetrag". Wer viele Unterhaltsberechtigte zu versorgen hat, kann unter den Bedarfskontrollbetrag für sich selbst geraten.
Wenn die Verhältnisse noch enger sind, kann sogar der Selbstbehalt gefährdet sein. Dann ist eine Mangelfallberechnung notwendig: Zuerst der Unterhaltspflichtige, dann die Kinder, dann der andere Ehegatte. Der muss zur Not "Hartz IV" beantragen.
Vereinbarungen über den Trennungsunterhalt dürfen den gesetzlichen Anspruch nicht deutlich unterschreiten - sie sind sonst sittenwidrig und ungültig.
BGH: Keine vertragliche Umgehung des Verbots
"Das gesetzliche Verbot, auf Trennungsunterhalt zu verzichten, kann durch ein pactum de non petendo, das heißt, die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, nicht umgangen werden."
BGH XII ZB 303/13, Beschluss vom 29.1.2014
Das Paar heiratete 2005, die Ehe blieb kinderlos. 2011 trennten sie sich, 2013 wurden sie geschieden.
Wenige Tage vor der Hochzeit hatten sie einen notariellen Ehevertrag geschlossen, in dem der nacheheliche Unterhalt der Frau auf 3.000 € mtl. (wertgesichert – also inzwischen 3.370 € mtl.) begrenzt wurde. Dafür sollte sie ihn lebenslang bekommen, ohne Anrechnung eigener Einkünfte, als feste „Rente“.
Es gab im Ehevertrag auch eine Klausel zum Trennungsunterhalt:
>>1. Die Beteiligten erklärten im Wege einer sog. Unterhaltsvereinbarung, dass für den Trennungsunterhalt vorstehender Abschnitt III zur Anwendung kommt und insoweit eine Zahlungshöchstgrenze bzw. ein Nichtverlangen vereinbart sind. 2. Die Beteiligten wurden vom Notar darauf hingewiesen, dass hierin ein Verzicht auf ehelichen Unterhalt nicht liegt, da ein solcher Verzicht für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann. 3. Die Beteiligten stellen klar, dass bei Unwirksamkeit der vorstehenden Vereinbarung die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages ihre Gültigkeit behalten.<<
Das Problem, dass wegen § 1614 BGB nicht wirksam auf künftigen Trennungsunterhalt verzichtet werden kann, war den Beteiligten also bekannt.
Das OLG Düsseldorf meinte, der Verzicht liege noch innerhalb des gewissen Spielraumes, indem es eine „Gesamtschau“ des Vertrages vornahm und dabei auch die nacheheliche Großzügigkeit sah.
Unabhängig davon, wie hoch ihr Trennungsunterhaltsanspruch rechnerisch sei, woraus die Höhe des Verzichts errechnet werden könne, seien die vereinbarten Vorteile so gewichtig, dass bei einer Gesamtbetrachtung keine Bedenken gegen die Wirksamkeit bestünden.
Anders der BGH:
„Nach §§ 1361 Abs.4 Satz 4, 1360a Abs.3 i.V.m. §1614 BGB ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach §134 BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruchs seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. (…) Ob die Beteiligten einen Verzicht gewollt haben, ist insofern unbeachtlich. Es kommt allein darauf an, ob der dem Unterhaltsberechtigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt objektiv verkürzt wurde. (…) Der Unterhaltsberechtigte darf seine Rechte selbst dann nicht aufgeben, wenn ihm hierfür eine gleichwertige Gegenleistung gewährt worden ist. (…) In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird weitgehend eine Unterschreitung des rein rechnerisch ermittelten Unterhalts von bis zu 20 % noch als angemessen und damit hinnehmbar erachtet, während eine Unterschreitung um ein Drittel im Regelfall als mit §1614 Abs. 1 BGB unvereinbar angesehen wird. In dem dazwischenliegenden Bereich soll aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden. (…) Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerdeerwiderung ein, § 1614 Abs.1 BGB sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass nur ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt, durch den eine Sozialhilfebedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten entstehe, unwirksam sei; der Antragstellerin sei aber ein Mindestunterhalt garantiert, der diese Folge ausschließe. Dass Drittinteressen, insbesondere öffentliche Kassen, von der ehevertraglichen Regelung nicht berührt würden, bleibt auf die Beurteilung ohne Einfluss.“
Die Folge:
Der BGH verwies also an den 3. Senat des OLG Düsseldorf zur Aufklärung des rechnerischen Anspruches der Frau zurück, den diese konkret nach der Bedarfsmethode mit mtl. zwischen 7.500 € und 9.000 € beziffert hatte. Kommt das OLG zu der Auffassung, dass die vereinbarten 3.3.70 € den rechnerischen Bedarf um mehr als 20% unterschreiten, muss die Vereinbarung als nichtig angesehen werden.
BGH XII ZB 1/15, Beschluss vom 30.9.2015
Mal folgender Fall: Der Ehemann verdient etwas mehr als die Ehefrau. Sie trennen sich, die Kinder bleiben bei der Frau. Der Mann zahlt Kindesunterhalt. Dadurch hat er weniger als seine Frau. Kann er jetzt von ihr Trennungsunterhalt bekommen?
Nee, oder? Aber doch, sagt der BGH:
1. Ein Anspruch auf (Aufstockungs-) Unterhalt kann auch dadurch entstehen, dass das Einkommen des für den Kindesunterhalt barunterhaltspflichtigen Ehegatten durch den Vorwegabzug des Kindesunterhalts unter das Einkommen des kinderbetreuenden Ehegatten absinkt.
2. Der auf Seiten des kinderbetreuenden Ehegatten entstehenden Belastung ist im Rahmen der Bemessung seiner Erwerbsobliegenheit und durch die (teilweise) Nichtberücksichtigung überobligatorisch erzielten Einkommens Rechnung zu tragen.
BGH vom 11.11.2015 – XII ZB 7/15
Zu beachten ist hierbei auch die neuere Ansicht des BGH (29.09.2021 - XII ZB 474/20 - und 18.05.2022 - XII ZB 325/20), nach der beim das gemeinsame Kind im Residenzmodell betreuenden Elternteil im Rahmen der Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt ein Abzug für Kindesunterhaltsleistungen in Form von Naturalunterhalt auf Grundlage eines Kindesunterhaltsbedarfs aus dem gemeinsamen Einkommen beider Eltern vorzunehmen sei. a.A. OLG Bamberg 6.6.2024 2 UF 222/23 und OLG Oldenburg 16.5.2023 3 UF 32/23.
Eigentlich ja - wer die Solidarität beenden will, kann sich ja scheiden lassen.
Aber 20 Jahre fand das OLG Frankfurt a. M. doch arg lang - siehe Beschluss vom 7.10.2019 – 7 UF 45/19:
1. Die Unbilligkeit eines Anspruchs auf Zahlung von Trennungsunterhalt erstreckt sich auf einen im Wege des Stufenantrags darauf gerichteten Auskunftsanspruch.
2. Die Inanspruchnahme auf Trennungsunterhalt kann grob unbillig sein, wenn sich die Lebensverhältnisse der Eheleute derart verselbstständigt haben, dass die implizite Berufung des unterhaltsbegehrenden Ehegatten auf die eheliche Solidarität in Widerspruch zur tatsächlich geübten eigenverantwortlichen Lebensführung der Eheleute steht.
3. Bei einer Trennungszeit von beinahe 20 Jahren, fehlender wirtschaftlicher und persönlicher Verbindung zwischen den Eheleuten und fehlender Geltendmachung von Trennungsunterhalt seit der Trennung ist die Inanspruchnahme auf Trennungsunterhalt grob unbillig.
Wenn es einen "Titel" über Trennungsunterhalt gibt, ist der bei Rechtskraft der Scheidung automatisch unwirksam. Solche Titel können sein:
Die Inanspruchnahme des unterhaltsrechtlichen Realsplittings gemäß § 10 Ia Nr. 1 EStG durch den Unterhaltspflichtigen kann dazu führen, dass das steuerlich maßgebliche Gesamteinkommen des Unterhaltsberechtigten ein Siebtel der maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße (§ 18 I SGBIV) übersteigen, sodass der Versicherungsschutz zur Krankenversicherung für Familienangehörige gemäß § 10 I Nr. 5 SGBV in Bezug auf den Unterhaltsberechtigten entfällt und dieser zusätzlich die Kosten einer Krankenversicherung zu tragen hat. Diese Kosten muss der Unterhaltspflichtige beim Nachteilsausgleich erstatten.
OLG Stuttgart Beschl. v. 16.8.2019 – 11 UF 36/19
„Der geltend gemacht Gesamtunterhalt war entgegen der Ansicht des Antragstellers auch in Ansehung der Ehedauer und der von ihm angeführten Länge des Scheidungsverfahrens nicht wegen grober Unbilligkeit herabzusetzen oder zu befristen, etwa nach § 1587b BGB. § 1361 BGB III iVm § 1579 Nr. 2-8 enthält eine abschließende und ausschließliche Spezialregelung der Fälle, in denen aufgrund des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten der Anspruch auf Trennungsunterhalt herabgesetzt oder ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich findet § 1578b BGB beim Trennungsunterhalt ebenso wenig Anwendung wie § 1611 I BGB. Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, wie etwa eine äußerst kurze Zeit des Zusammenlebens mit einer extrem langen Trennung bei Kinderlosigkeit und ohne jede wirtschaftliche Verflechtung, der zur Annahme eines Härtegrundes nach § 1361 III BGB iVm § 1579 Nr. 8 BGB führen könnte, liegt gleichfalls nicht vor.“
OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.12.2019 – 13 UF 74/15
Im Fall des OLG Brandenburg hatten die Eheleute eine ungewöhnliche Umsetzung ihrer Trennung gewählt: schon seit 5 Jahren wohnten sie getrennt unter einem Dach im Einfamilienhaus und betreuten ihre Kinder gleichberechtigt abwechselnd.
Das Haus gehörte allein dem Ehemann. Sie stritten um Trennungsunterhalt, so dass das OLG Gelegenheit hatte, mitzuteilen, welche Auswirkungen in einem solchen Fall der Vorteil des mietfreien Wohnens hat.
Das OLG setzte auf beiden Seiten in derselben Höhe einen Vorteil als Einkommensbestandteil an, beim Mann „Wohnvorteil“, bei der Frau „Nutzungsvorteil“. Von seinem Wohnvorteil konnte der Mann dann aber alle Kreditraten für das Haus abziehen.
Zweite Frage war, wie der Bedarf der Kinder rechnerisch zu berücksichtigen sei. Der Vater zahlte die Gebühren für Kita und Hort und eine Vorsorgeversicherung für die Kinder. Diese Positionen wurden bei der Unterhaltsberechnung vorweg als Belastungen abgezogen, so dass die Mutter sich durch die entsprechende Reduktion Ihres Unterhaltsanspruches daran mit 45% beteiligt. Der übrige Bedarf der Kinder spielte rechnerisch keine Rolle und war nicht Streitgegenstand. Da aber durch die Unterhaltsberechnung beide Eheleute dieselben wirtschaftlichen Verhältnisse haben, können sie sich die sonstigen Kosten der Kinder hälftig teilen.
Anders ist es zu handhaben bei den Ausgaben, die der Mann immer noch für die Frau trug – hier eine Pflegeversicherung und Autoleasing. Diese Ausgaben wurden vom Unterhaltszahlbetrag als „bedarfsdeckend“ abgezogen, wodurch sie zu 100% von der Frau getragen werden.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2023 - Aktenzeichen 9 UF 69/22
Trennungsunterhalt ist der Unterhalt zwischen Ehegatten, der zwischen Trennung und Ehescheidung geschuldet ist. Man kann ihn nicht befristen, nicht kürzen und nicht abschmelzen – ein Ärgernis für Unterhaltspflichtige in einem lang dauernden Scheidungsverfahren. Im vom OLG Bamberg zu entscheidenen Fall dauerte das Scheidungsverfahren von 2015 bis 2022 und für diese Zeit begehrte der Mann knapp 2.400 EUR mtl. Unterhalt für sich.
Rettung wird oft unter dem Begriff der „Verwirkung“ gesucht.
Wenigerverdiener war hier der Ehemann, er arbeitete als Selbständiger nicht Vollzeit wegen Schmerzen seit einem Verkehrsunfall. Die Ehefrau betreute ein gemeinsam adoptiertes Kind und arbeitete nur Teilzeit mit 70%.
Die Ehe war gescheitert, weil ein langjähriges Verhältnis des Ehemannes aufgeflogen war.
Das Amtsgericht wies den Unterhaltsantrag des Mannes ab, weil er (a) Vollzeit als Angestellter genug verdienen können und (b) wegen der Affäre.
Auch das OLG wies den Anspruch des Mannes wegen der Affäre ab. Das sei kein unbilliges Abwägungsergebnis, weil er Vollzeit über 100.000 EUR brutto verdienen könne. Die Frau müsse sich nicht vorhalten lassen, dass sie nur Teilzeit arbeitet.
Aus den Gründen:
Dem Antragsteller als Unterhaltsberechtigtem fällt gemäß § 1579 Nr. 7 ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen die unterhaltsverpflichtete Antragsgegnerin zur Last. Dieser Verwirkungstatbestand gilt gemäß § 1361 Abs. 3 BGB auch für den Anspruch auf Trennungsunterhalt.
a) Hierbei gilt grundsätzlich Folgendes: Der entscheidende Gesichtspunkt für die Annahme eines Härtegrundes gemäß § 1579 Nr. 7 BGB ist nicht in der Aufnahme einer außerehelichen Beziehung als solcher zu sehen, sondern in der Widersprüchlichkeit des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten, der sich zum einen aus der ehelichen Bindung löst, zum anderen aber die eheliche Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren einfordert, ohne seinerseits das Prinzip der Gegenseitigkeit zu wahren. Dieses Prinzip wird verletzt, wenn der Berechtigte sich gegen den Willen seines Ehegatten einem anderen Partner zuwendet und jenem die dem Ehegatten geschuldete Hilfe und Fürsorge zuteil werden lässt. Eine in dieser Weise erfolgte Abkehr von der Ehe führt dazu, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten auf Unterhalt grob unbillig erscheint. Selbst bei einem feststehenden einseitigen Fehlverhalten führt der Ehebruch allein indes noch nicht zur Versagung oder Herabsetzung des Unterhalts, sondern diese erfordern nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine so schwerwiegende Abkehr von ehelichen Bindungen, dass nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit, der dem ehelichen Unterhaltsrecht zu Grunde liegt, die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten grob unbillig erschiene. Dementsprechend wird ein solcher Härtegrund erst bei Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses angenommen, wenn darin auch die Ursache für das Scheitern der Ehe lag. Das wäre etwa dann nicht der Fall, wenn die Aufnahme der Beziehung erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Verpflichtete sich seinerseits bereits von seinem Ehegatten abgewandt hatte (vgl. BGH, Urteil v. 16.04.2008, AZ: XII ZR 7/05 = BGHZ 176, 150 -162; Urteil v. 15.02.2012, Az. XII ZR 137/09 jeweils m.w.N.).
b) Bei der Beziehung zwischen dem Antragsteller und der Zeugin Z handelt es sich unzweifelhaft um ein nachhaltiges, auf Dauer angelegtes Verhältnis. Nach den Angaben der Zeugin in ihrer Vernehmung, welche sie schriftlich am ...01.2019 nochmals präzisierte (Bl. 540 d.A.), befand sie sich seit Juni 2013 mit dem Antragsteller in einer intimen Beziehung. Diese dauerte bis zu ihrer Beendigung am ...05.2015, als sich die Zeugin der Antragsgegnerin offenbarte, somit für ca. zwei Jahre an. Treffen zwischen der Zeugin und dem Antragsteller fanden nach den unbestrittenen Angaben der Zeugin regelmäßig statt, teilweise wöchentlich, teilweise aber auch in mehrwöchigem Abstand. Die der Antragsgegnerin unbekannte Zeugin befand sich dabei auch ein- oder zweimal in der Ehewohnung des Antragstellers. Sie machte mit dem Antragsteller mehrere Tagesausflüge. Unter anderem verbrachte der Antragsteller seinen ...-ten Geburtstag mit der Zeugin in H-Ort, wobei er der Antragsgegnerin eine Geschäftsreise vorspiegelte, die er auch fälschlich von seinem Vater gegenüber der Antragsgegnerin bestätigen ließ.
Zwar hat die Zeugin angegeben, dass keine festen Zukunftspläne mit dem Antragsteller bestanden und dieser nicht als Partner in ihre eigene Familie eingeführt worden sei. Allerdings ergibt sich aus den Angaben der Zeugin, dass der Antragsteller ihr gegenüber angegeben hat, dass die Ehe mit der Antragsgegnerin nur noch auf dem Papier bestehe, so dass die Zeugin ihrerseits von einer dauerhaften Beziehung zum Antragsteller ausging. Nur so ist es auch zu erklären, dass die Zeugin sich in dem Augenblick der Antragsgegnerin offenbarte, als sie von deren Rückkehr in die eheliche Wohnung im Mai 2015 und damit vom offensichtlichen Festhalten des Antragstellers an seiner Ehe erfuhr. Bereits aufgrund dieser Umstände kommt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB in Betracht.
Als zusätzlichen, besonders verwerflichen Umstand erachtet der Senat ferner, dass der Antragsteller nach der von der Antragsgegnerin in Unkenntnis der außerehelichen Beziehung des Antragstellers zum ...11.2014 vollzogenen Trennung diese um einen Versöhnungsversuch bat, worauf die Antragsgegnerin im Mai 2015 wieder mit dem gemeinsamen Kind K in die Ehewohnung einzog, ohne jedoch die außereheliche Beziehung zur Zeugin Z aus Anlass des Versöhnungsversuchs zu beenden. In diesem Verhalten ist eine tiefgehende Missachtung der Antragsgegnerin zu sehen, die nach ihrer Trennung vom Antragsteller und einem vorgetäuschten ernsthaften Bemühen des Antragstellers um Rettung der Ehe unter Vorspiegelung falscher Tatsachen wieder zur Rückkehr in die Ehewohnung bewegt wurde.
Die endgültige Trennung der Beteiligten am ...05.2015 erfolgte aufgrund dieses schwerwiegenden Fehlverhaltens des Antragstellers, so dass in diesem auch die Ursache für das endgültige Scheitern der Ehe nach dem von ihm initiierten Versöhnungsversuch lag.
In der Gesamtschau liegt damit unzweifelhaft der Verwirkungstatbestand der §§ 1361 Abs. 3 , 1579 Nr. 7 BGB vor.
2. Die Bestimmung der Rechtsfolgen bei Verwirklichung eines Verwirkungstatbestandes, die von Beschränkung in Form von Herabsetzung und Befristung bis zum Ausschluss des Anspruchs, ggf. auch in Kombination, reichen, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in tatrichterlicher Verantwortung vorzunehmen (BGH, Beschluss v. 15.02.2012, Az. XII ZR 137/09; OLG Hamm, Beschluss v. 09.03.2015, Az. 8 UF 41/14). Dabei ist die vollständige Versagung des Unterhalts auf diejenigen Ausnahmefälle zu beschränken, in denen jede Unterhaltszahlung mit dem Gerechtigkeitsempfinden schlechthin unvereinbar ist (MüKo/BGB-Maurer, 9. Aufl., § 1579 Rn. 101). Zu Recht hat das Amtsgericht daher für maßgeblich erachtet, ob und in welchem Umfang der Antragsteller nach einer bis zur endgültigen Trennung fast 18-jährigen Ehe zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf Unterhaltszahlungen durch die Antragsgegnerin angewiesen ist. Kindesbelange sind auf Seiten des Antragstellers nicht zu berücksichtigen, da das Kind K bei der Antragsgegnerin lebt und von dieser betreut wird.
OLG Bamberg, Beschluss vom 06.06.2024 - Aktenzeichen 2 UF 222/23
Engagement mehrfach angemahnt: Erwerbsloser und untätiger Familienvater verwirkt Anspruch auf Trennungsunterhalt
Waren die ehelichen Lebensverhältnisse davon geprägt, dass nur einer der Ehegatten arbeitete, ist dem zuhause Gebliebenen bei Trennung zumindest vorübergehend Unterhalt zu zahlen. Aber dieser Grundsatz gilt nicht uneingeschränkt, wie das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) zeigt.
Nach der Trennung verlangte der Mann von der erwerbstätigen Frau Trennungsunterhalt. Er selbst hatte in der Ehezeit nur unregelmäßig gearbeitet, zuletzt gar nicht mehr. Aufgrund des Einkommensunterschiedes hätte die Frau dem Mann rechnerisch Unterhalt zahlen müssen. Während der Schonfrist des ersten Trennungsjahres wäre der Mann auch nicht darauf verwiesen worden, sogleich eine Arbeitsstelle zu suchen. Die Besonderheit sah das OLG jedoch in folgender Tatsache: Die Frau hatte sich neben der Erwerbstätigkeit nämlich zusätzlich um die Erziehung der Kinder gekümmert und den Haushalt geführt. In dieser Hinsicht hatte der aus Algerien stammende Mann jede Mitwirkung verweigert.
Dadurch hat er in den Augen der Richter seine Pflicht, zum Familienunterhalt in welcher Form auch immer beizutragen, in der gemeinsamen Zeit gröblich vernachlässigt. Er hatte seinen Unterhaltsanspruch verwirkt.
Das OLG wies darauf hin, dass die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs ein Verschulden voraussetzt. Dieses wurde vorliegend nicht einfach nur darin gesehen, dass der Mann in der Ehezeit letztlich zu keinem Zeitpunkt im Rahmen einer Erwerbstätigkeit oder jedenfalls dem Bemühen darum, eine solche zu finden, zum Familienunterhalt beigetragen hatte. Es stellte vielmehr fest, dass das Verschulden deshalb gegeben sei, weil der Mann untätig war, obwohl die Frau ihn immer aufgefordert hatte, endlich arbeiten zu gehen und nicht nur zu Hause rumzusitzen. Das muss natürlich beweisbar sein. Still leidend einen unzumutbaren Zustand hinzunehmen, reicht demnach also nicht aus, um später ein mangelndes Engagement für die Familie geltend zu machen.
OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.02.2019 – II-1 UF 12/19
Wie der Begriff Sättigungsgrenze schon sagt: Wenn man satt ist, ist man satt - mehr geht nicht. Unterhalt ist zum "Verzehr" im weitesten Sinn gedacht, nicht zum Sparen.
Wenn die Einkommensverhältnisse in der Ehe also so sind, dass man nicht von der Hand in den Mund gelebt hat, sondern jeden Monat neu Vermögen bilden konnte und wenn auch durch trennungsbedingten Mehraufwand dies nicht verbraucht werden kann, dann greift die sogenannte Sättigungsgrenze.
Ausgangspunkt der Überlegung des BGH ist:
Die Annahme, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Ehegatten verwendet wird, ist bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen allerdings nicht mehr ohne weiteres gerechtfertigt. Vielmehr liegt in diesen Fällen die Vermutung nahe, dass ein Teil des Einkommens der Vermögensbildung zufließt. Da der Unterhalt allein dazu bestimmt ist, den laufenden Lebensbedarf abzudecken, muss der Unterhaltsberechtigte in solchen Fällen auf geeignete Weise vortragen, in welchem Umfang das Familieneinkommen für den Konsum verbraucht worden ist.
vgl. Beschluss vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16
Grundsatzurteil:
BGH-Urteil vom 11.8.2010 - XII ZR 102/09
Die OLG-Rechtsprechung, ab welchem Einkommen diese Sättigungsgrenze anzuwenden sei, war sehr uneinheitlich, ebenso die Leitlinien.
Der BGH hat am 15.11.2017 eine Messlatte gelegt, nämlich ein "Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommens".
Das sind - Stand DT 2019 - 11.000 € netto, wobei auch ein Wohnvorteil zum Einkommen gehört.
Sehr viele Fälle, die bisher nach der konkreten Bedarfsmethode hätten gerechnet werden müssen, sind jetzt wieder nach Quote (3/7 oder 45%) zu ermitteln.
Der BGH hat die Grenze höher gelegt "zur praktikablen Bewältigung des Massenphänomens Unterhalts". Die Fälle, in denen der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf konkret darlegen muss, sollen also die absolute Ausnahme sein, wenn er mit 3/7 bzw. 45% bzw. 50% von 11.000 € (das sind je nach Fall und Region zwischen 4.700 € und 5.500 €) nicht auskommen kann.
Neueste Entscheidung:
BGH, Urteil vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19:
a) Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (im Anschluss an BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260).
b) Als Familieneinkommen in diesem Sinn ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist.
c) Die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten ist ausnahmsweise für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs des früheren Ehegatten zu berücksichtigen, soweit sie - etwa als Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB - bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 und Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 - XII ZB 258/13 - FamRZ 2014, 1183).
d) Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.
Mehrbedarf für ein Pferd, das es im Augenblick gar nicht gibt ...
Die Eheleute sind „Privatiers", sie leben von den Vermögenseinkünften des Mannes, weit über 5.100 € mtl.
Das OLG Köln hat den konkreten Bedarf dieser Frau mit monatlich 3.195 € zuzüglich 557 € Altersvorsorgeunterhalt bemessen.
Darin sei auch der Bedarf für den Unterhalt eines Reitpferdes incl. Hufschmied- und Tierarztkosten in Höhe von monatlich 345 € enthalten, auch wenn die Ehefrau derzeit kein Pferd habe. Der Ehefrau habe während des ehelichen Zusammenlebens ein Reitpferd zur Verfügung gestanden, das sie selbst geritten habe. Dass sie nach der Einschläferung ihres Pferdes nicht sofort ein neues Reitpferd angeschafft habe, sei auf der Grundlage der bislang ungeklärten finanziellen Situation nachvollziehbar und stehe diesem Unterhaltsbedarf nicht entgegen. Insbesondere könne daraus nicht darauf geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin diesem Hobby künftig nicht mehr nachgehen werde. Bei ihrer Anhörung habe sie ein fortbestehendes Interesse an diesem Hobby glaubhaft bestätigt.
Der BGH hat dies ausdrücklich gebilligt. (Urteil v. 11.08.2010 - XII ZR 102/09)
Prozesskosten zur Erlangung von Unterhalt sind als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte versteuert. Dies hat der 1. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 03.12.2019 entschieden (Az. 1 K 494/18 E).
Die Klägerin und ihr mittlerweile geschiedener Ehemann trennten sich im Jahr 2012. Vor dem Amtsgericht führten beide ein familienrechtliches Streitverfahren, das die Scheidung, den Versorgungsausgleich sowie den nachehelichen Unterhalt umfasste. Im Jahr 2014 wurde die Ehe durch Beschluss des Amtsgerichts geschieden und der frühere Ehemann der Klägerin zu monatlichen Unterhaltszahlungen verpflichtet. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts erhoben die Klägerin Beschwerde und ihr früherer Ehemann Anschlussbeschwerde beim Oberlandesgericht. Streitgegenstand dieses Verfahrens war die Höhe des zu zahlenden nachehelichen Unterhalts, wobei der frühere Ehemann der Klägerin begehrte, keinen Unterhalt zu zahlen, und die Klägerin höhere monatliche Zahlungen begehrte. Im Jahr 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande. In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die Klägerin sog. sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozessführungskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten), die auf die Verfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt entfielen, steuermindernd geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab.
Der 1. Senat hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Bei der Klägerin als Unterhaltsempfängerin seien die Prozessführungskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil sie den Unterhalt ihres geschiedenen Ehemannes nach § 22 Nr. 1a EStG versteuere. Die Klägerin habe die Prozessführungskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) steuerbare Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Die Unterhaltszahlungen seien gemäß § 22 Nr. 1a EStG als steuerbare Einkünfte zu behandeln, weil der geschiedene Ehemann als Zahlungsverpflichteter die Möglichkeit gehabt habe, seine Unterhaltszahlungen als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a EStG abzuziehen, sog. Realsplitting. Die Unterhaltszahlungen würden den übrigen Einkünften insoweit vollständig gleichgestellt. Daraus folge, dass auch ein Werbungskostenabzug vollumfänglich möglich sein müsse.
Da die Aufwendungen der Klägerin vollständig als Werbungskosten berücksichtigungsfähig waren, musste der Senat nicht über die Frage entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Prozessführungskosten zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts gemäß § 33 Abs. 2 S. 4 EStG als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sein können.
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Die Nebentätigkeit wird nicht immer angerechnet, sondern es findet eine Einzelfallbetrachtung statt.
Im Rahmen der Bedarfsbemessung beim Ehegattenunterhalt sind Nebeneinkünfte nicht für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse heranzuziehen, wenn sie während des Zusammenlebens nicht zum Familienunterhalt zur Verfügung standen und der Unterhaltsberechtigte sonst besser stünde, als er während der Ehezeit mit dem Unterhaltspflichtigen stand.
OLG Brandenburg (4. Senat für Familiensachen), Beschluss vom 11.02.2020 - 13 UF 71/15
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Wir setzen uns so schnell wie möglich mit Ihnen in Verbindung.
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„Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“
JOHN RUSKIN, englischer Sozialreformer
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