Die meisten Ehen werden im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, weil es keinen Ehevertrag mit Gütertrennung gibt. Dann ist am Ende der Ehe abzurechnen: Ist am Ende mehr Geld da als vorher, wer hat es, ist es gerecht verteilt? Welcher Stichtag zählt? Wie wird ein Unternehmen bewertet? Welche Rolle spielen Erbschaften und Schenkungen?
Der Betrag dessen, was am Ende gefordert werden wird, setzt den Maßstab für Ihre Kosten nach der RVG-Gebührentabelle.
Aber: wenn Sie sich anfangs beraten lassen, gibt es ja noch keine bezifferte Forderung. Die soll ja erst das Ergebnis meiner Arbeit sein. Ich rechne daher zur beiderseitigen Klarheit außergerichtlich nach meiner aufgewendeten Zeit ab als nach diesem unbekannten Streitwert. Sie schließen mit mir eine Honorarverbeinbarung. So können Sie selbst beeinflussen, wie viel meiner Zeit Sie benötigen und wie viel ich Sie koste.
Häufiger Irrtum: Durch die Zugewinngemeinschaft wird nicht etwa alles gemeinsames Eigentum beider Ehegatten. Vielmehr verwaltet jeder Ehegatte sein eigenes Vermögen weiterhin alleine. Gleiches gilt für Schulden: Schließt nur einer von beiden einen Darlehensvertrag ab, haftet der andere nur dann für die Rückzahlung, wenn er selbst unterschrieben hat, als Mitschuldner oder Bürge.
Die große Bedeutung der Zugewinngemeinschaft zeigt sich erst im Zusammenhang mit der Scheidung.
Das Gericht errechnet den Zugewinnausgleich auf Antrag, wenn einer den Antrag hierauf stellt und nicht dies durch notariellen Ehevertrag ausgeschlossen wurde (z.B. Gütertrennung). Der Ausgleich des Vermögens geschieht nach dem gleichen Prinzip wie beim Versorgungsausgleich:
es wird hälftig verteilt, was während der Ehe erwirtschaftet wurde.
Dafür sind zwei Stichtage wichtig: 1. Die Eheschließung (das Anfangsvermögen) und 2. das Ende der Zugewinngemeinschaft durch Zustellung des Scheidungsantrages oder notarielle Gütertrennung (das Endvermögen).
Alles muss bewertet werden, z.B. Autos, Firmen oder Immobilien. Endvermögen minus Anfangsvermögen jedes Ehegatten ergibt den Zugewinn. Wer mehr "dazugewonnen" hat, gibt die Hälfte ab. Sonderregeln gibt es für während der Ehe ererbtes Vermögen, für "negativen Zugewinn" (also Verlust in der Ehe), für ungewöhnlich teure Schenkungen unter den Eheleuten usw.
Alles muss bewiesen werden: wer sich damals keine Aufzeichnungen gemacht hat, nicht noch das alte Sparbuch besitzt oder bei der Bank Auskunft erbitten kann - der steht mit Anfangsvermögen Null da.
Die Berechnung selbst ist etwas für Fachleute, weil der Laie häufig mit der Indexierung (Kaufkraftschwund) nicht richtig zurecht kommt oder gar nicht beurteilen kann, welcher Zuerwerb während der Ehe privilegiert ist. Sie können mir die Arbeit jedoch gut vorbereiten, indem Sie eine ausführliche Tabelle über die Vermögensverhältnisse ausfüllen. Sie erhalten diese als mein Mandant zusammen mit meinem Merkblatt.
Eine Schieflage tritt immer dann auf, wenn ein Gatte dem anderen unbedacht etwas schenkt. Das passiert unbedacht, wenn einer sein Eigenkapital in das gemeinsame Haus steckt. Oder seine Erbschaft mit dem anderen durchbringt (teure Urlaube etc.). Wenn dann am Ende der eigene Zugewinn dadurch negativ ist, kann das Zugewinnsystem Ungerechtigkeiten produzieren.
Der Gesetzgeber sagt: Negativ = Null, weil die Ehe keine Verlustausgleichsgemeinschaft ist.
Manchmal gibt es einen Ausgleichsweg über sogenannte „unbenannte Zuwendungen“, die zurückgefordert werden können. Die stehen nicht im Gesetz, sondern sind ein Hilfskonstrukt der Gericht für besonders krasse Ungerechtigkeiten.
Kann man sich dagegen schützen? Ja, mit guter anwaltlicher Beratung und einem Notarvertrag.
Gütertrennung ist dabei ebensowenig das Allheilmittel wie Alleineigentum bei der Immobilie. Es gibt bessere, individuelle Regelungen – im Vorfeld, bevor diese wichtigen wirtschaftlichen Schritte unternommen werden.
Lassen Sie sich beraten.
Erst durch Zustellung des Scheidungsantrages endet die gemeinsame Teilhabe. Dieser Termin liegt ja mindestens ein Jahr nach der Trennung - eine Zeit, in der die Eheleute nicht mehr gemeinsam gewirtschaftet haben. Wenn der eine im Trennungsjahr sparsam gelebt hat, wird er als dummes Eichhörnchen dastehen, wenn der andere seine Ersparnisse für (angeblich sinnvolle) Anschaffungen verwertet und verlebt hat.
Großen Presserummel hat 2014 die BGH-Entscheidung verursacht, nach der ein Mann einen Lottogewinn, den er viele Jahre nach der Trennung gemacht hat, mit der Noch-Ehefrau teilen musste.
Eine Lösung heißt: Gütertrennung beim Notar sofort nach der Trennung. Eine andere Lösung heißt: Der Zugewinnausgleich wird nicht vom Gericht geregelt, sondern außergerichtlich von den Eheleuten. Dann kann auch der Stichtag frei bestimmt werden, die Beweisnot fürs Anfangsvermögen ist nicht so hoch wie vor Gericht. Auch dies ist ein beliebtes Thema für Mediation.
Was viele Mandanten überrascht: Selbst wenn man bei der Trennung das Ersparte einvernehmlich hälftig aufteilt, ist dadurch noch lange nicht die „Zugewinngemeinschaft" beendet. Diese läuft nämlich bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens weiter.
Aber: Jeder Ehegatte hat gegen den anderen einen Anspruch auf Auskunft über sein Vermögen zum Trennungszeitpunkt. Ist davon etliches bis zum Stichtag „Einreichung der Scheidung“ verschwunden, hat derjenige die Beweislast, es nicht „illoyal verschleudert“ zu haben, sondern es in sinnvolle und notwendige Anschaffungen, z.B. Neueinrichtung des Hausrates investiert zu haben.
Das regelt § 1375 Abs. 2 BGB.
Praktisches Problem: manchmal ist das genaue Datum der Trennung streitig.
Es gibt praktische Probleme, wenn der genau Tag der Trennung streitig ist.
OLG Celle, Beschluss vom 23.07.2013 - Aktenzeichen 10 UF 74/12: Eine im Rahmen des Stufenantrages zum Zugewinnausgleich ergehende Teilentscheidung, mit der ein Ehegatte zur Vermögensauskunft auf einen zwischen den Beteiligten streitig gebliebenen Trennungszeitpunkt verpflichtet wird, ist im Hinblick auf die Gefahr widersprechender weiterer (Teil-) Entscheidungen hinsichtlich des allein durch die Auskunftsverpflichtung nicht in Rechtskraft erwachsenden Trennungszeitpunktes unzulässig, soweit sie nicht mit einer Zwischenfeststellung zum Trennungszeitpunkt verbunden wird.
so auch KG - Beschluss vom 13.12.2018 (13 UF 155/17).
Aber siehe BGH v. 13.02.2019 - XII ZB 499/18: Ob im Auskunftsverfahren nach § 1379 BGB der Trennungszeitpunkt zwischenfeststellungsfähig ist, bleibt offen.
Im Rahmen des Zugewinnausgleichs trifft die Ehegatten grundsätzlich die Obliegenheit, eine schlüssig behauptete illoyale Vermögensminderung substantiiert zu bestreiten. Unterbleibt dies, sind die behaupteten Tatsachen als zugestanden anzusehen (BGH, Beschluss vom 12.11.2014 - XII ZB 469/13 im Anschluss an Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 2/85 - NJW-RR 1986, 1325).
BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 434/12:
„Mit der Regelung, dass eine "den Umständen nach zu den Einkünften" zu rechnende Zuwendung nach §1374 Abs.2 BGB dem Anfangsvermögen nicht hinzugerechnet wird, soll Verzerrungen der Zugewinnausgleichsbilanz entgegengewirkt werden, die sich aus der künstlichen Erhöhung des Anfangsvermögens durch die zum Verbrauch bestimmten Zuwendungen ergeben können; maßgebliches Abgrenzungskriterium ist daher, ob die Zuwendung zur Deckung des laufenden Lebensbedarfes dienen oder die Vermögensbildung des begünstigten Ehegatten fördern soll. (...)
Das Gesetz definiert nicht näher, was in diesem Zusammenhang unter "Einkünften" zu verstehen ist. Mit der Zielsetzung, die der Zugewinnausgleich verfolgt, sollen nur Vermögenszuwächse ausgeglichen werden. Wenn dabei auch solche unentgeltlichen Zuwendungen nach §1374 Abs.2 BGB privilegiert wären, die nicht der Vermögensbildung, sondern von vornherein nur dem Verbrauch dienen, würde dies -zum Nachteil des anderen Ehegatten-zu einer ständigen Vergrößerung des Anfangsvermögens führen, ohne dass diese Zuwendungen im Endvermögen noch in nennenswertem Umfang in Erscheinung treten würden. Es würde dann nicht nur eine Nichtbeteiligung des anderen Ehegatten an diesen Zuwendungen, sondern faktisch sogar dessen Benachteiligung erreicht.
Bei unentgeltlichen Zuwendungen im Sinne des §1374 Abs.2 BGB ist deshalb in erster Linie danach zu unterscheiden, ob sie zur Deckung des laufenden Lebensbedarfes dienen oder die Vermögensbildung fördern sollen. Das wird im Einzelfall unter Berücksichtigung des Anlasses der Zuwendung, der Willensrichtung des Zuwendenden und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwendungsempfängers zu beurteilen sein.
Ein Vermögenserwerb von Todes wegen wird in den meisten Fällen nicht zu den Einkünften zu rechnen sein, da eine solche Zuwendung in der Regel unabhängig von einem konkreten Lebensbedarf des Zuwendungsempfängers erfolgt. Im Übrigen werden sich bei größeren Sachzuwendungen brauchbare Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob es sich um Einkünfte handelt, vor allem aus der Prognose gewinnen lassen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Zuwendungsgegenstand, wäre die Ehe in einem überschaubaren Zeitraum nach der Zuwendung gescheitert, noch mit einem nennenswerten Vermögenswert im Endvermögen des begünstigen Ehegatten vorhanden gewesen wäre."
Das Verlangen nach vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft knüpft im Fall der §§ 1386 , 1385 Nr. 1 BGB allein an die Trennung und den Ablauf einer mindestens dreijährigen Trennungszeit an; weder der mit der Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verbundene Wegfall des Schutzes vor Gesamtvermögensgeschäften (§ 1365 BGB ) noch die gleichzeitige Anhängigkeit einer güterrechtlichen Folgesache im Scheidungsverbund gebieten die darüber hinausgehende Darlegung eines berechtigten Interesses an der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft.
Soweit demgegenüber die Ansicht vertreten wird, dass ein auf §§ 1386 , 1385 Nr. 1 BGB gestütztes Verlangen des potentiellen Ausgleichsschuldners nach einer vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft während eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens den güterrechtlichen Schutz des § 1365 BGB aushöhlen würde und deshalb durch ein besonderes Interesse gerechtfertigt werden müsste, ist diese Auffassung vereinzelt geblieben (vgl. Schöfer-Liebl FamRZ 2011, 1628 , 1629 f. und FamRZ 2012, 85 , 87; FAFamR/von Heintschel-Heinegg 10. Aufl. Kap. 9 Rn. 174). Der Senat vermag ihr nicht zu folgen.
Zum einen ist nicht einzusehen, warum die abstrakte und regelmäßig ohnehin nur theoretische Möglichkeit, dass der potentielle Ausgleichsschuldner ein Gesamtvermögensgeschäft im Sinne von § 1365 BGB abschließen könnte, bereits dafür genügen soll, um in jedem Einzelfall die Durchsetzung des Rechts, nach dreijähriger Trennungszeit die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zu verlangen, durch eine im Gesetz nicht vorgesehene zusätzliche tatbestandliche Hürde zu erschweren. Zum anderen wäre das geforderte "berechtigte Interesse" als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die damit erstrebte güterrechtliche Sicherung nur partiell von Nutzen, weil der Weg zu einem Gesamtvermögensgeschäft im Sinne von § 1365 BGB in solchen Fällen frei wäre, in denen der potentielle Ausgleichsschuldner zu den ihm abverlangten Darlegungen bezüglich eines "berechtigten Interesses" in der Lage wäre und einen Beschluss nach § 1386 BGB herbeiführen könnte (vgl. NK-BGB/Fischinger 3. Aufl. § 1386 Rn. 8; Gomille NJW 2012, 1545 , 1546).
Der potentielle Ausgleichsgläubiger ist schließlich auch im Fall einer vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft nicht schutzlos gestellt. Dabei kann offenbleiben, ob § 1365 BGB bei gleichzeitiger Anhängigkeit einer güterrechtlichen Folgesache im Zeitraum von der vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft bis zur Rechtskraft in der Leistungsstufe des dann aus dem Scheidungsverbund herauszulösenden und isoliert fortzuführenden Zugewinnausgleichsverfahrens entsprechend angewendet werden kann (vgl. Kogel FamRZ 2012, 85 , 86; dagegen Gomille NJW 2012, 1545 , 1546 f.). Auf jeden Fall steht dem potentiellen Ausgleichsgläubiger die Möglichkeit eines Arrests zur Sicherung seiner Ausgleichsforderung zur Verfügung. Im Übrigen bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller den Abschluss eines Gesamtvermögensgeschäftes im Sinne von § 1365 BGB beabsichtigen könnte, im vorliegenden Fall gerade nicht.
BGH, Beschluss vom 20.03.2019 - Aktenzeichen XII ZB 544/18
Die Eheleute trennten sich im Mai 2018 unter einem Dach, im Dezember 2018 auch räumlich. Danach ließ die Ehefrau ihren Mann anwaltlich auffordern, Angaben zu seinem Vermögensstand zu machen. Das erfolgt „in groben Zügen“. Die Frau fand die Angaben „zu vage“ und unvollständig und wollte darauf den Anspruch stützen, dass die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben werden müsse.
Dieses Recht beruht auf § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, weil die Ehegatten einander wenigstens in groben Zügen jederzeit über ihre finanzielle Situation (Vermögensbestand, laufendes Einkommen und geplante größere Transaktionen) informieren müssen. Der Auskunftsanspruch bezweckt die Beseitigung von Unfrieden und soll die Ehe vor dem Scheitern bewahren.
Bei „beharrlicher und grundloser Nichterfüllung“ kann die Zugewinngemeinschaft nach §§1386, 1385 Nr. 4 BGB schon vor dem Scheidungsverfahren beendet werden, weil der Gesetzgeber die Vorstellung hat, die Weigerung bedeute, dass der andere um seinen Zugewinnanspruch geprellt werden soll.
Allerdings funktioniert das nur, wenn man noch nicht getrennt lebt. Ist die Ehe schon gescheitert, hilft der Auskunftsanspruch auch nicht mehr der Beseitigung des Unfriedens und der Aufrechterhaltung der Ehe. Dann bleibt nur noch ein anderer Auskunftsanspruch; stichtagsgenau zum Tag der Trennung nach § 1379 Abs. 2 BGB, der bei Scheidung helfen soll, illoyal verschwundenen Beträgen auf die Spur zu kommen. Wird dieser aber nicht ordentlich erfüllt, folgt daraus nicht das Recht zur vorzeitigen Aufhebung der Zugewinngemeinschaft. Die ungenaue Auskunft kann erst im Scheidungsverfahren gerügt werden.
Hinweis: eine zweite Möglichkeit, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben, bietet § 1385 Nr. 1 BGB nach drei Jahren Trennung. Dieser Weg wird dann beschritten, wenn eine Scheidung (noch) nicht in Betracht kommt. Dafür kann die Erwartung einer Witwenrente ein wirtschaftliches Motiv sein oder die Beihilfeberechtigung einer Beamtengattin.
BGH, Beschluss vom 24. November 2021 - XII ZB 253/20
Der zur Auskunft verpflichtete Ehegatte ist nicht zur Erteilung einer Bewertung verpflichtet, sondern nur zur Duldung der Bewertung durch einen vom anderen Ehegatten beauftragten - und zu bezahlenden - Gutachter.
OLG Naumburg, 14.08.2003 – 3 UF 34/03
Zu den schwierigsten Problemen der vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen im Familienrecht gehören die Ansprüche von und gegen Schwiegereltern. Hierbei handelt es sich häufig um den Sachverhalt, dass Eltern / Schwiegereltern die jungen Eheleute beim Kauf oder Bau eines gemeinsamen Hauses unterstützt haben.
Der BGH hat in seiner Rechtsprechung der letzten 15 Jahre einen Wandel vollzogen, BGH, Urteil vom 3. Februar 2010 – XII ZR 189/06. Seit der BGH 2010 seine Rechtsprechung in Bezug auf die Schwiegereltern-Geschenke geändert hat, konnte er dies an einigen Fallkonstellationen konkretisieren:
BGH, Beschluss vom 26.11.2014 - XII ZB 666/13
BGH, Beschluss vom 03.12.2014 - XII ZB 181/13
OLG Bremen, Beschluss vom 17.08.2015 - Aktenzeichen 4 UF 52/15
Achtung, laufende Zuwendungen zum Lebensunterhalt sind keine privilegierte Schenkung, BGH XII ZB 434/12, Beschluss vom 6.11.2013
Einkünfte oder privilegierter Zuerwerb?
BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 434/12:
„Mit der Regelung, dass eine "den Umständen nach zu den Einkünften" zu rechnende Zuwendung nach §1374 Abs.2 BGB dem Anfangsvermögen nicht hinzugerechnet wird, soll Verzerrungen der Zugewinnausgleichsbilanz entgegengewirkt werden, die sich aus der künstlichen Erhöhung des Anfangsvermögens durch die zum Verbrauch bestimmten Zuwendungen ergeben können; maßgebliches Abgrenzungskriterium ist daher, ob die Zuwendung zur Deckung des laufenden Lebensbedarfes dienen oder die Vermögensbildung des begünstigten Ehegatten fördern soll. (...)
Das Gesetz definiert nicht näher, was in diesem Zusammenhang unter "Einkünften" zu verstehen ist. Mit der Zielsetzung, die der Zugewinnausgleich verfolgt, sollen nur Vermögenszuwächse ausgeglichen werden. Wenn dabei auch solche unentgeltlichen Zuwendungen nach §1374 Abs.2 BGB privilegiert wären, die nicht der Vermögensbildung, sondern von vornherein nur dem Verbrauch dienen, würde dies -zum Nachteil des anderen Ehegatten-zu einer ständigen Vergrößerung des Anfangsvermögens führen, ohne dass diese Zuwendungen im Endvermögen noch in nennenswertem Umfang in Erscheinung treten würden. Es würde dann nicht nur eine Nichtbeteiligung des anderen Ehegatten an diesen Zuwendungen, sondern faktisch sogar dessen Benachteiligung erreicht.
Bei unentgeltlichen Zuwendungen im Sinne des §1374 Abs.2 BGB ist deshalb in erster Linie danach zu unterscheiden, ob sie zur Deckung des laufenden Lebensbedarfes dienen oder die Vermögensbildung fördern sollen. Das wird im Einzelfall unter Berücksichtigung des Anlasses der Zuwendung, der Willensrichtung des Zuwendenden und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwendungsempfängers zu beurteilen sein.
Ein Vermögenserwerb von Todes wegen wird in den meisten Fällen nicht zu den Einkünften zu rechnen sein, da eine solche Zuwendung in der Regel unabhängig von einem konkreten Lebensbedarf des Zuwendungsempfängers erfolgt. Im Übrigen werden sich bei größeren Sachzuwendungen brauchbare Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob es sich um Einkünfte handelt, vor allem aus der Prognose gewinnen lassen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Zuwendungsgegenstand, wäre die Ehe in einem überschaubaren Zeitraum nach der Zuwendung gescheitert, noch mit einem nennenswerten Vermögenswert im Endvermögen des begünstigen Ehegatten vorhanden gewesen wäre."
Der Stichtag, der für die Berechnung des Endvermögens beim Zugewinnausgleich zählt, ist ein festes Datum ohne viel Korrekturmöglichkeiten. In der Regel ist das Datum des Anfangsvermögens der standesamtliche Hochzeitstag und das Datum des Endvermögens am Tag der Zustellung des Scheidungsantrages beim Gegner. Allerdings ist zu prüfen, ob an diesem Datum bereits „latente“ Verbindlichkeiten oder Forderungen zu berücksichtigen sind.
Zur Prüfung beim BGH 8.12.2021 lag ein Fall mit einer Steuererstattung und einer Vorfälligkeitsentschädigung vor.
Geheiratet hatten die Eheleute im Fall am 31.12.2000. Am 28. April 2001 bekam der Mann eine Steuererstattung für das Jahr 2000 – wegen der Steuervorteile der Zusammenveranlagung in 2000 - und wollte dies noch zu seinem Anfangsvermögen zählen.
Nein: Der Veranlagungszeitraum 2000 war am Tag der Hochzeit noch nicht abgelaufen (es fehlte ein Tag). Würde man für die Berechnung des Steuererstattungsanspruchs zum Stichtag des Zugewinnausgleichs - wie in der Literatur vorgeschlagen - auf den Todesfall oder eine Insolvenz des Verpflichteten abstellen, würde man die weitere Entwicklung in dem Kalenderjahr, die für die tatsächliche Steuerlast aber von erheblicher Bedeutung ist, unberücksichtigt lassen. Dies könnte zu teilweise nicht gerechtfertigten Verschiebungen führen.
Beim Endvermögen war der 30. Januar 2015 der Stichtag. Im Mai 2015 verkaufte der Mann ein Haus, löste dadurch den Immobilienkredit vorzeitig ab und musste eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Nach den Grundsätzen der „latenten Steuern“ bei der Unternehmensbewertung wollte er diese abziehen.
Diese Grundsätze besagen, dass z.B. bei Unternehmen, Grundstücken und Lebensversicherungen ermittelt wird, was bei einem Verkauf zu erzielen wäre – und dort darf nicht außer Betracht bleiben, dass dann Steuern anfallen. Insoweit geht es um unvermeidbare Veräußerungskosten.
Die Berücksichtigung von latenten Steuern für jeden einzelnen Vermögensgegenstand stellt den einzigen Weg einer sachgerechten Beurteilung der für den Zugewinn maßgeblichen Vermögensverhältnisse dar. Darüber hinaus ist insbesondere das früher herangezogene Kriterium der bevorstehenden Veräußerungsabsicht kaum praxistauglich.
Aber bei den Zinsen gilt nicht dasselbe: Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist die Summe der Zinsen, die sonst im Laufe der vertragsgemäßen Darlehenstilgung angefallen wären. Für den Immobilieneigentümer ist es gleich, ob er ihn ratierlich oder kapitalisiert an die Bank zahlt. Denn weil die Vorfälligkeitsentschädigung die Funktion hat, den der finanzierenden Bank durch die vorfällige Tilgung entstehenden Nachteil auszugleichen, ist sie als Surrogat für die nicht erfolgende Zinszahlung anzusehen. Am Stichtag zählt daher nur die offene Darlehensvaluta.
Hinweis:
In der strengen stichtagsgenauen Betrachtung sind gesetzlich Ungerechtigkeiten vorgesehen, die nicht durch eine Billigkeitsabwägung nach § 1831 Abs. 1 BGB korrigiert werden dürfen. Das Stichtagsprinzip steht einer Bewertung erst künftig eintretender Umstände grundsätzlich entgegen.
Die Herkunft des Zugewinns ist im Rahmen des § 1381 BGB grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Zugewinnausgleich soll nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen dienen. Die vom Gesetz vorgesehene pauschalisierte Berechnungsweise differenziert dabei nicht danach, in welchem Umfang die Ehegatten zum Vermögenserwerb während der Ehe beigetragen haben. Diese Wertung ist auch bei der Auslegung des § 1381 BGB zu beachten.
BGH, Beschluss vom 08.12.2021 - XII ZB 402/20
Vorrangig ist, in welchem Verhältnis die Parteien die Darlehensschulden im Innenverhältnis zu tragen haben. Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB haften Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen, wenn nicht ein anderes bestimmt ist.
Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (Senatsbeschluss vom 20. Mai 2015 - XII ZB 314/14 - FamRZ 2015, 1272 Rn. 16; Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 10/09 - FamRZ 2011, 25 Rn. 17 mwN).
c) Die vorstehend aufgeführten Grundsätze gelten nicht nur für das Endvermögen, sondern auch für das Anfangsvermögen.
aa) Wegen der rechtlichen und wirtschaftlichen Verknüpfung der gesamtschuldnerischen Darlehensaufnahme mit dem Erwerb des Eigentums an der Immobilie ist bei der Bewertung auf den Verkehrswert der Immobilie abzüglich der jeweiligen Kreditverbindlichkeiten zum jeweiligen Stichtag abzustellen. Es ist mithin für Anfangs- und Endvermögen eine einheitliche Bewertung anzustellen, die bei Alleineigentum eines Ehegatten in dessen Vermögen jeweils den Grundstückswert als Aktivposten und die volle noch offene Darlehensvaluta als Passivposten ausweist (ebenso Schulz FamRZ 2019, 1761, 1762 f.).
Hinsichtlich der von den Ehegatten im Innenverhältnis zu tragenden Quoten hat der Senat bei im Rahmen der Immobilienfinanzierung eingegangenen gesamtschuldnerischen Darlehen schon bisher auf das Eigentum an dem finanzierten Grundstück verwiesen, wenn sich nicht aus einer Vereinbarung oder besonderen Umständen des Falles etwas anderes ergibt (Senatsbeschluss vom 20. Mai 2015 - XII ZB 314/14 - FamRZ 2015, 1272 Rn. 17; Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 - XII ZR 10/09 - FamRZ 2011, 25 Rn. 18 mwN).
BGH, Urteil vom 06.11.2019 - XII ZB 311/18
Wenn im Endvermögen Verträge mit Lebensversicherern vorhanden sind, ist der Wert (Ehezeitanteil) dieser Versicherungen relevant. Die in Lebensversicherungsverträgen im Regelfall enthaltene Klausel, dass die bei Vertragsabschluss anfallenden Abschlusskosten mit den ersten Versicherungsprämien verrechnet werden, ist materiell unwirksam. Diese Verrechnung (sog. Zillmerung), wirkt sich in den Verträgen aus, die bis zur Einführung des neuen VVG am 1. Januar 2008 abgeschlossen wurden. Im neuen Gesetz bestimmt § 169 Abs. 5, dass die Abschlusskosten über einen Mindestzeitraum von fünf Jahren zu verteilen sind. Das hat Auswirkungen auf die Zugewinnberechnung im Familienrecht, denn bei vielen Verträgen, die vor dem 1. Januar 2008 abgeschlossen wurden, ist der von den Versicherern angegebene Rückkaufswert zu niedrig angesetzt. Deshalb wurde auch der Zeitwert falsch berechnet. Sollte also die Zillmerungsklausel in den Versicherungsbedingungen enthalten sein, muss der Wert neu berechnet werden. Dies beruht auf der BGH-Entscheidung vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10.
Haben Sie auch eine Lebensversicherung?
Und waren Sie bei deren Abschluss schon verheiratet?
Und Sind Sie vom demjenigen geschieden?
Wen haben Sie denn für Ihren Todesfall begünstigt? Ihren Ehegatten?
Das ist eine böse Falle, wenn Sie früher schon mal verheiratet waren.
Der BGH stellt nämlich bei der Auslegung dieser Erklärung auf den Zeitpunkt ab, zu dem sie diese abgegeben haben.
Der Fall:
1987 1. Hochzeit, im gleichen Jahr Abschluss der Lebensversicherung mit der Begünstigung des „verwitweten Ehegatten“. 2002 Scheidung und 2. Hochzeit. 2003 Nachfrage bei dem Versicherer, wer eigentlich begünstigt sei. Antwort „Der verwitwete Ehegatte“. Der Mann und seine neue Frau wiegten sich in Sicherheit. Ein ausdrücklicher Hinweis an den Versicherer, dass er geschieden und neu verheiratet war, erfolgte durch den Mann nicht. Zu Unrecht, denn die Versicherungssumme floss bei Tod des Mannes 2012 an die frühere Ehefrau – zu Recht, wie der BGH fand (LG und OLG hatten dies anders gesehen).
Aus der Entscheidung: „Bei der Auslegung von Willenserklärungen sei auf den Zeitpunkt abzustellen, in der sie abgegeben wurde. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht der Erklärung "der verwitwete Ehegatte" aus dem Jahr 1997 einen Willen des Ehemannes entnommen, damit nicht die zum damaligen Zeitpunkt mit ihm verheiratete Streithelferin zu begünstigen, sondern eine zukünftige Ehefrau. Ein Versicherungsnehmer verbinde mit dem Wort "Ehegatte" - solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen - regelmäßig nur die Vorstellung, dass damit derjenige gemeint ist, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist. Eine Vorstellung, dass es sich bei einer solchen Bezugsrechtsbestimmung nicht um die Bezeichnung einer ganz bestimmten, lebenden Person, sondern um eine abstrakte Bezeichnung handelt, ist dem Versicherungsnehmer fremd. Erst recht ergibt sich ein solcher Erklärungsinhalt nicht nach der - allein maßgeblichen - Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont des Versicherers.
Die Auslegung des Berufungsgerichts, die dies aus dem Eigenschaftswort "verwitwet" entnehmen will, ist rechtsfehlerhaft. Denn insoweit kommt es allein auf das Verständnis des Ehemannes zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an, wie es sich nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) der Beklagten darstellt. Hier ist jedoch aus Sicht des Ehemannes typischerweise die zu diesem Zeitpunkt mit ihm verheiratete Frau im Versicherungsfall der "verwitwete Ehegatte", weil das Bezugsrecht nach der ausdrücklichen Regelung nur im Todesfall greifen soll für die Verknüpfung des Begriffs "Ehegatte" mit dem Begriff "Todesfall"). Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich der Ehemann der Klägerin Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe mit der Streithelferin machte oder gar den Fall einer Scheidung und Wiederheirat in Betracht zog, als er die Bezugsrechtsbestimmung erklärte.
Auch aus dem Umstand, dass die bezugsberechtigte Person nicht konkret benannt worden ist, folgt nichts anderes. Der Verzicht auf die volle Namensnennung rechtfertigt keine differenzierende Betrachtungsweise Noch weniger ist ersichtlich, wie der Empfänger der Erklärung, der Versicherer, von seinem Horizont her davon hätte ausgehen sollen, dass der Ehemann mit seinem "verwitweten Ehegatten" eine andere Person gemeint haben könnte, als diejenige, mit der er zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung verheiratet war.“
BGH v. 22.07.15 – IV ZR 437/14
Grundsatzurteil zum Goodwill, Unternehmerlohn und latenter Steuerlast.
Auf eine Kurzformel gebracht ermittelt sich der Wert einer freiberuflichen Praxis im Zugewinn:
Substanzwert
+Goodwill
abzgl. Unternehmerlohn
abzgl. latente (fiktive) Steuern
BGH, Urteil vom 9. Februar 2011 - XII ZR 40/09
Versicherungsagentur: weder ein über den Substanzwert hinausgehender Goodwill der Agentur noch ein künftiger Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB , BGH XII ZB 534/12, Beschluss vom 4.12.2013
Bei der Bemessung des im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode von den Erträgen abzusetzenden Unternehmerlohns ist auch eine nicht unternehmensleitende Tätigkeit zu berücksichtigen, die der Unternehmer für das Unternehmen erbringt.
BGH - Urteil vom 08.11.2017 (XII ZR 108/16)
Der Bewertung einer freiberuflichen Praxis zum Stichtag kann im Rahmen des Zugewinnausgleichs regelmäßig der Zeitraum der letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden. Eine Zwischenbilanz zum Stichtag ist grundsätzlich nicht erforderlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. November 2017 - XII ZR 108/16 - zur Veröffentlichung bestimmt).
BGH - Beschluss vom 22.11.2017 (XII ZB 230/17)
Wirksamkeit eines Unternehmer-Ehevertrages mit Modifikation: OLG Bremen, 5 UF 110/13, Beschluss vom 08.05.2014
Die Eheleute hatten sich 2018 getrennt und gegenseitig keinen Unterhalt geltend gemacht. Kinder gab es keine. Kurz vor der Trennung hatte der Mann netto 153.000 € Abfindung aus der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses als Elektriker bekommen. Er war da 55 Jahre alt und suchte sich keine neue Anstellung.
Am Stichtag für den Zugewinnausgleich waren aus der Abfindung noch 90.000 € da. Diese wollte der Ehemann nun sehr ungern teilen und ging damit bis zum OLG. Er argumentierte damit, dass die Abfindung eine „Lohnersatzfunktion“ gehabt habe und dass er sie für seinen Lebensunterhalt bis zur Rente im Dezember 2023 benötige.
Grundsätzlich ist bei Abfindungen stets zu beachten, dass diese nicht doppelt verwerten werden, nämlich für den Unterhalt und als Zugewinnausgleich.
Damit kam er nicht durch, denn unterhaltsrechtlich hatte er eine „Erwerbsobliegenheit“, d.h. er hätte sich bewerben müssen, um seinen eigenen ehelichen Bedarf durch eine Erwerbstätigkeit zu decken. Dass er seit der Trennung - von ihm unbestritten - keinerlei Erwerbsbemühungen entfaltet und außergerichtlich der Ehefrau sogar explizit angekündigt hatte, dies nicht tun zu wollen, war nicht schutzwürdig. Dabei kam ihm auch nicht zugute, dass er die Entscheidung, als 55jähriger aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, noch vor der Trennung getroffen hatte. Die Trennung war diesbezüglich ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“.
Deshalb hatte in seinem Fall die Abfindung keine Lohnersatzfunktion, sondern war ein Vermögenswert, der – soweit er am Stichtag noch vorhanden war – geteilt werden musste.
Hinweis: Das „Doppelverwertungsverbot“ ist immer dann zu prüfen, wenn es Überschneidungen zwischen Einkommen und Vermögen geben kann, so z.B. bei einer Firmenbewertung.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.01.2022 - Aktenzeichen 6 UF 91/21
Manche Paare nehmen es schon vor der Hochzeit nicht mehr ganz genau mit der Trennung ihrer Finanzen. Andere Paare haben das gemeinsame Ziel, sich steuerlich besonders findig zu verhalten.
Schriftliche Verträge gibt es dabei nur selten. All dies zusammen führt oft zu fatalen wirtschaftlichen Folgen bei Scheidung.
Drei Wochen vor der Hochzeit überwies der Mann an die Frau 200.000 € mit dem Betreff „Darlehen für Baufinanzierung“. Die Frau leitete das Geld an ihre Eltern weiter.
Dahinter stand der gemeinsame Plan, zusammen mit den Eltern der Frau ein 6-Familienhaus in Kroatien zur Vermietung an Feriengäste zu betreiben. Das Grundstück gehörte den Eltern, das Haus befand sich im Rohbauzustand. Das Paar hatte den Wunsch, Schenkungssteuer zu vermeiden, wie sich aus einer WhatsApp-Korrespondenz ergibt. Deshalb war die Überweisung vom Mann an die Frau als Darlehen bezeichnet gewesen.
Nur zwei Jahre später lief schon das Scheidungsverfahren und der Mann wollte seine 200.000 € zurück. Er versuchte das über eine Darlehenskündigung.
Die Frau bestritt, dass der Mann ihr ein Darlehen gewährt habe: er sei damals großzügig gewesen, weil er es sich leisten konnte. Sie bestritt auch den Vortrag des Mannes, die 200.000 € seien dafür gedacht gewesen, dass sie nach Fertigstellung Eigentümerin der Wohnung werde – wie bei einem Bauträgermodell. Sie bestritt auch, dass sie zurzeit Vermietungseinkünfte daraus habe. Dass sie im Internet als Ansprechpartnerin zu finden sei, sei nur eine organisatorische Unterstützung ihrer Eltern.
Das Gericht stellte fest, dass kein Darlehensvertrag zustande gekommen sei.
Der Verwendungszweck „Darlehen“ allein genüge nicht, denn es fehle am damaligen Rechtsbindungswillen auf Seiten der Frau. Aus der WhatsApp-Korrespondenz sei zu entnehmen, dass der Betrag zum endgültigen Verbleib in Kroatien gedacht war und die Bezeichnung „Darlehen“ nur zur Vermeidung von Schenkungssteuer verwendet worden war.
Das Gericht konnte außerdem keinen Beweis für die Behauptung des Mannes finden, die Frau habe Eigentümerin der Wohnung werden sollen. Derlei war mit den Eltern nie konkret besprochen worden.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin aus Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Fall BGB. Der Fortbestand der Ehe ist selten Zweck einer Zahlung, nur unausgesprochene Erwartung.
Der vom Antragsteller mit der Leistung vereinbarungsgemäß bezweckte Erfolg ist eingetreten, denn das Geld floss nach Kroatien, das Haus wurde gebaut, die Frau vermietete eine Wohnung.
Fehlgeschlagen ist also nicht der verabredete Zweck der Leistung; enttäuscht worden ist vielmehr nur die Erwartung des Antragstellers, im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft wirtschaftlich an dem tatsächlich bestehenden Nutzungsrecht der Antragsgegnerin teilzuhaben.
Es bleibt – wenn der Zugewinnausgleich die Zuwendung wie hier nicht erfasst - nur die Generalklausel des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“, § 313 BGB.
Dazu unterstellte das Gericht, dass die 200.000 € nicht ganz ohne Gegenleistungsgedanken an die Eltern geflossen waren. Die Tatsache, dass sie im Internet als Vermieterin der Wohnung auftrat, belegte zusammen mit der WhatsApp-Korrespondenz, dass die Frau – wenn schon nicht Eigentum – den wirtschaftlichen Nutzen der Ferienwohnung bekommen sollte. Diese gemeinsame Vorstellung sei Geschäftsgrundlage der Überweisung von 200.000 € an die Eltern gewesen. Beim Austausch über Details der Einrichtung der Wohnung sei immer ín der Wir-Form gesprochen worden, es sei daher als gemeinsames Investitionsvorhaben auszulegen.
Mit dem endgültigen Scheitern der Ehe sei die Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung entfallen. Weil die Immobilie erst danach fertiggestellt worden war, hatte der Mann an der Investition nie partizipiert.
Dennoch bekam er nicht seine 200.000 € zurück, sondern nur die Hälfte. Denn wäre die Ehe nicht gescheitert und hätte sich demgemäß die zur Geschäftsgrundlage gewordene beiderseitige Erwartung gemeinsamer Nutznießung am Vermögensgegenstand erfüllt, so hätte der Antragsteller die Früchte seiner Investition nicht allein, sondern gemeinsam mit der Antragsgegnerin genossen.
Ein entsprechendes Ergebnis ergäbe sich fiktiv auch zugewinnausgleichsrechtlich: Wäre die Frau als Gegenleistung für die Zahlung als Eigentümerin der Wohnung im Grundbuch eingetragen worden, hätte der Mann am Wert mit der Hälfte partizipiert.
Das Zugewinn-Ergebnis ist die Obergrenze. Wären schon während der Ehe Nutzungen aus der Vermietung zugeflossen, hätte der Betrag noch gekürzt werden müssen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
AG Hamburg Beschl. v. 10.11.2022 – 277 F 262/20
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JOHN RUSKIN, englischer Sozialreformer
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