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Wenn man vor Gericht gewinnt, muss die Gegenseite die Kosten erstatten – von diesem Grundsatz wird am Familiengericht oft abgewichen.
So war es in einem Fall am AG Bremen und OLG Bremen. Die Eltern einer 12jährigen Tochter waren uneins über deren COVID-19-Impfung gewesen, der Vater wollte impfen und beantragte gerichtliche Entscheidung. Das Gericht klärte den Sachverhalt auf, hörte alle Beteiligten an – auch das Kind – und übertrug dem Vater die Alleinentscheidungsbefugnis über die Schutzimpfung. Die Kosten des Verfahrens sollten er und die Mutter je hälftig tragen.
Dazu fehlte ihm die Einsicht. Hierzu macht er geltend, das Verfahren sei notwendig gewesen, weil sich die Kindesmutter kategorisch der elterlichen Auseinandersetzung mit dem Thema verweigert habe und eine Haltung vertrete, die dem aktuellen Stand gängiger medizinischer Behandlung widerspreche. Die in der Sache getroffene Entscheidung folge in Gänze seinem Antrag. Es gehe nicht an, ihn für das unkommunikative Verhalten der Kindesmutter haftbar zu machen, indem er an den Kosten des Verfahrens beteiligt werde.
Beide Instanzen sahen das anders: Das Verfahrensrecht in Familiensachen sehe keinen Automatismus bei den Kosten vor, sondern eine Ermessensentscheidung.
Es sei das gute Recht der Mutter gewesen, eine andere Position zur Frage der Impfung einzunehmen, ohne befürchten zu müssen, deshalb unter Umständen im Falle des Unterliegens bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über dieses Thema stärker als der andere für die dadurch entstehenden Kosten herangezogen zu werden.
Hinweis:
Dieser Grundsatz wird besonders teuer, wenn das Familiengericht Gutachten einholt. Schnell geht es da um fünfstellige Euro-Beträge. Selbst wenn das Gutachten ergibt, dass der andere Elternteil sich fehlverhält oder gar erziehungsunfähig ist, zahlen in der Regel beide für diese Erkenntnis.
OLG Bremen, Beschluss vom 09.02.2022 - Aktenzeichen 5 UF 5/22
Wenn Sie mit Ihrem Anwalt keine Zeithonorar-Vereinbarung haben, bei der Sie beobachten, wieviel er für Sie tut, ist es wirklich so gut wie unmöglich, die zu erwartenden Kosten selbst einzuschätzen. Das liegt nicht nur an der Frage, welches Thema welchen "Gegenstandswert" hat, sondern auch daran, dass manche Gegenstandswerte addiert werden - was Ihnen eine Art Mengenrabatte verschafft - aber andere nicht. Das hat wiederum damit zu tun, dass der Anwalt am Ende erst sortieren kann, was eine "einheitliche Angelegenheit" war. Die Überraschung kommt also da immer am Schluss.
Meine Lösung: außergerichtlich nur nach Zeithonorar und regelmäßige Abrechnungen darüber.
Wird der Rechtsanwalt vom Mandanten im engen zeitlichen Zusammenhang zur Trennung und zur Entscheidung, sich scheiden zu lassen, beauftragt, ihn gegenüber seinem Ehepartner wegen der finanziellen Folgen von Trennung und Scheidung außergerichtlich zu vertreten und mit ihm eine außergerichtliche Vereinbarung zu treffen, kann er in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit tätig sein, wenn er außergerichtlich Verhandlungen mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehepartners führt.
Der Beklagte beauftragte den Kläger im Januar 2014, ihn in einer Ehescheidungssache nebst diverser Folgesachen und weiterer Gegenstände (Versorgungsausgleich, Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Nutzungsentschädigung) zu vertreten. Im Mai 2014 beantragte der Kläger für den Beklagten auftragsgemäß die Scheidung nebst Versorgungsausgleich.
Mit Schriftsatz vom 12. September 2014 stellte der Kläger namens des Beklagten vor dem Familiengericht die Anträge, die Ehefrau zu verurteilen, an den Beklagten wegen seit der Trennung bereits erfolgter Zahlungen auf einen gemeinsam aufgenommenen Kredit 2.922 € zu zahlen und diesen von den Kreditforderungen des Darlehensgebers in Höhe von 57.414,17 € freizustellen. Nachdem der Kläger dem Beklagten wegen dieser Tätigkeit eine Vorschussrechnung zugeleitet hatte, kündigte dieser mit Schreiben vom 28. September 2014 das Mandat. Daraufhin rechnete der Kläger gegenüber dem Beklagten im Oktober 2014 seine Tätigkeiten mit vier Rechnungen ab. Eine Rechnung betraf die außergerichtliche Vertretung des Beklagten in den Sachen Ehescheidung, Versorgungsausgleich, Kindesunterhalt/Trennungsunterhalt, Vermögens- auseinandersetzung und Steuererstattungsansprüche und die gerichtliche Vertretung in der Ehescheidung nebst Versorgungsausgleich, eine weitere betraf die gerichtliche Vertretung in der Unterhaltssache, eine dritte die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Beklagten in der Nutzungsentschädigungssache.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich die Frage, ob der Rechtsanwalt in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit oder in mehreren tätig geworden ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist
Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Mandanten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen oder mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen - zum Beispiel in einem einheitlichen Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören.
Auf § 16 Nr. 4 RVG kommt es nicht an. Danach sind dieselbe Angelegenheit eine Scheidungssache und die Folgesachen. Nach § 137 Abs. 2 FamFG sind Folgesachen die Versorgungsausgleichssachen, die Unterhaltssachen, sofern sie die Unterhaltspflicht gegenüber einem gemeinschaftlichen Kind oder die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen und Güterrechtssachen, wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist und die Familiensache spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache von einem Ehegatten anhängig gemacht wird. Nach § 137 Abs. 3 FamFG sind Folgesachen auch Kindschaftssachen, welche die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge, das Umgangsrecht oder die Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten oder das Umgangsrecht eines Ehegatten mit dem Kind des anderen Ehegatten betreffen, wenn ein Ehegatte vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache die Einbeziehung in den Verbund beantragt, es sei denn, das Gericht hält die Einbeziehung aus Gründen des Kindeswohls nicht für sachgerecht. Der Gesamtschuldnerausgleich zwischen Ehegatten ist in dieser Vorschrift nicht genannt und stellt deswegen keine Folgesache dar.
Die Rechtsprechung, welche zu der Frage ergangen ist, ob der Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) geltend machen kann (vgl. hierzu Jungbauer, Das familienrechtliche Mandat - Abrechnung in Familiensachen, 4. Aufl., § 6 Rn. 64-73 mwN; Gerold/ Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 15 Rn. 45; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 16 Rn. 42-47 mwN), ist zur Auslegung des § 15 Abs. 2 RVG nicht heranzuziehen (vgl. Jungbauer, aaO § 4 Rn. 11). Das Tatbestandsmerkmal der Angelegenheit gemäß § 15 Abs. 2 RVG und das der Angelegenheit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BerHG betreffen unterschiedliche Sachverhalte und sind nicht einheitlich auszulegen.
Die Bestimmung des Umfangs einer gebührenrechtlichen Angelegenheit ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind die jeweiligen Umstände, insbesondere der erteilte Auftrag. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erteilte der Beklagte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Trennung von seiner Ehefrau und der Entscheidung, sich von dieser scheiden zu lassen, dem Kläger den Auftrag, ihn gegenüber seiner Ehefrau zu vertreten und nach Möglichkeit eine außergerichtliche Einigung zu finden. Die Eheleute hatten sich im Laufe des Jahres 2013 getrennt; der Beklagte suchte den Kläger Anfang Januar 2014 zur Mandatierung auf, nachdem die Verfahrensbevollmächtigte seiner Ehefrau ihn im Dezember 2013 erstmals angeschrieben und die Punkte Unterhalt, Zugewinnausgleich und Vermögensaufteilung angesprochen hatte. Unter diesen Umständen konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler die außergerichtliche Tätigkeit des Klägers bezüglich der finanziellen Folgen von Trennung und Scheidung der Eheleute als einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG behandeln, welche auch die Tätigkeit des Klägers zum Gesamtschuldnerausgleich umfasste. Im Blick auf die Trennung und Scheidung standen die einzelnen Fragen in einem inneren Zusammenhang, waren zusammengefasst durch den Rahmen der finanziellen Folgen und sollten gemeinsam einer gütlichen Einigung zugeführt werden. Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass die beauftragte Tätigkeit Gegenstände umfasste, welche gerichtlich in verschiedenen Verfahren hätten geltend gemacht werden müssen (Ehe- und Folgesachen, FamFG-Familiensachen, Familienstreitsachen; vgl. § 126 Abs. 2 FamFG; OLG Naumburg, FamRZ 2007, 920; Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl., § 20 Rn. 8). Außergerichtlich war insoweit ein einheitliches Vorgehen möglich und vom Mandanten erwünscht.
BGH, Urteil vom 29.10.2020 - IX ZR 264/19
Meine Spezialisierung erzeugt einen hohen Stundensatz - aber dafür sehe ich die Probleme und Lösungen vermutlich auch schneller, kann auf bewährte Textbausteine zurückgreifen und gehe keine unnützen Umwege zum Ziel.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Frage der Unangemessenheit unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB zu beurteilen, also danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgliches Ergebnis darstellt. Der Richter ist jedoch nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Für eine Herabsetzung ist nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten, und ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben wäre (BGH, Urteil vom 21.10.2010, NJW 2011, 63 ff. Tz. 15). Das Landgericht hat diesen Beurteilungsmaßstab nicht verkannt und zutreffend ausgeführt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als zu berücksichtigende Umstände die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt, in Betracht kommen.
(...) Die sach- und interessengerechte Wahrnehmung des Mandats erforderte nicht nur Kenntnisse des deutschen, sondern auch des italienischen Familienrechts sowie fundierte Kenntnisse des Internationalen Privatrechts. Unzweifelhaft handelte es sich auch um Angelegenheiten, die für die Klägerin von hoher Bedeutung waren.
Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die relativ niedrigen Streitwerte in Familiensachen. Der BGH sieht beispielsweise bei mittleren Streitwerten die Grenze zur Sittenwidrigkeit erst bei einem 9 bis 10-fachen der gesetzlichen Gebühren als überschritten an (BGH NJW 2003, 3486). In Familiensachen sind die Verfahrenswerte aus sozialpolitischen Gründen relativ gering; den Beteiligten soll gerade in den für sie besonders wichtigen familienrechtlichen Angelegenheiten der Zugang zu den Gerichten nicht erschwert werden. Der Verfahrenswert in Sorgerechtsverfahren beläuft sich auf 3.000,00 EUR; bedenkt man, dass allein die mündliche Verhandlung in einem Sorgerechtsverfahren mehrere Stunden dauern kann, kann mit den gesetzlichen Gebühren keine Kostendeckung erzielt werden. Anwälte sind daher häufig auf eine „Quersubventionierung“ angewiesen.
Insgesamt kann daher die von der Beklagten vereinbarte Vergütung eines Stundensatzes von
300,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer nicht als unangemessen hoch angesehen werden.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.08.2014 - 2 U 2/14
1. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines anwaltlichen Zeithonorars, welches um das Sechsfache im Vergleich zur gesetzlichen Vergütung erhöht ist, ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt, ob dies auf der Höhe des Stundensatzes oder auf den angefallenen Tätigkeitsstunden beruht. Ist diese Überhöhung auf den hohen Zeitaufwand zurückzuführen, spricht dies gegen eine Sittenwidrigkeit, sofern keine Anhaltspunkte für ein unangemessenes Aufblähen der Arbeitszeit vorliegen.
2. Ein anwaltlicher
Stundensatz i.H.v. EUR 250,- ist nicht zu beanstanden.
3. Bestreitet der Mandant pauschal den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts, dann ist dies bei Vorgängen unerheblich, die der Mandant selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate, Gespräche) oder durch die er anhand objektiver Unterlagen (z.B. Beweisaufnahmeprotokolle) Kenntnis erlangt hat.
4. Ein Gericht ist aus eigener Sachkunde in der Lage, den Zeitaufwand anwaltlicher Tätigkeit zu schätzen (§ 287 ZPO), denn auch ein Richter leistet vergleichbare Arbeit, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt und Dokumente erstellt.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.01.2019 - I - 24 U 84/18